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Psychologische Beratung im Internet - die "eTherapie" oder "Online-Therapie"

"Wie kann ich Ihnen helfen?" - "Ich verstehe die Frauen einfach nicht." - "Warum verstehen Sie die Frauen nicht?" - "Sie sind so furchtbar kompliziert." - "Wünschen Sie sich, dass sie weniger kompliziert wären?" - "Oh ja, das wäre toll!" - "Was meinen Sie genau damit?" - "Ich müsste dann nicht mehr stundenlang rumdiskutieren." Der Name der Therapeutin ist Eliza - die erste virtuelle Psychotherapeutin, die auf der Basis eines Computerprogramms arbeitet, das Joseph Weizenbaum in den Sechzigerjahren entwickelt hatte, wodurch er aufzeigen wollte, dass der Computer den Menschen als Gesprächspartner nie ersetzen kann. Tatsächlich gibt Eliza immer nur Standardantworten von sich, die sie je nach Stichwort des Patienten abändert. Eliza - im Internet leicht zugänglich (http://www-ai.ijs.si/eliza-cgi-bin/eliza_script) - hat unter manchen Psychologen heute noch Kultstatus.  

Therapieformen, die ausschließlich aus Kontakten über das Internet bestehen, sind unter Psychotherapeuten umstritten. Meta-Analysen haben allerdings bestätigt, dass eine Online-Therapie ebenso effektiv sein kann wie eine Therapie von Angesicht zu Angesicht, allerdings ist diese Methode sicher nicht für alle Krankheiten geeignet, etwa bei Störungen mit geringer Ich-Stärke, also bei Psychosen, ist eine Therapie über das Internet sicher wenig geeignet. Bei der Wahl des Therapeuten sollten KlientInnen immer darauf achten, welche Qualifikation ein Online-Therapeut vorweisen kann.

In den USA ist die psychologische Beratung über das Internet - die "e-therapy" - längst etabliert und auch mmer mehr europäische Psychologen nützen das neue Medium in der Überzeugung, dass auch im Internet tragfähige therapeutische Beziehungen mit therapeutischen Effekten entstehen können. Bei welchen psychischen Problemen die Beratung über das Internet besonders angebracht ist, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Erste Untersuchungen liefern positive Ergebnisse. So hat eine Studie im Theratalk-Projekt der Universität Göttingen gezeigt, dass eine Online-Paartherapie zu ebenso guten oder gar besseren Resultaten führte als eine verhaltenstherapeutische Kurzzeit-Paartherapie. Dass der Kontakt von Mensch zu Mensch - und damit die nonverbalen Signale wie Mimik und Gestik - fehlt, kann, muss aber nicht ein Nachteil sein, denn in manchen Fällen kann erst der anonymere Mail-Kontakt eine Blockierung gegenüber einem Therapeuten lösen.  

Der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) sieht die Online-Angebote derzeit aber noch kritisch, denn die bisherigen Ansätze umfassen nur ein sehr eingeschränktes Themenspektrum, keine umfassende Psychotherapie, denn bei vielen Online-Angeboten handelt es sich nicht um Psychotherapie im Sinne einer Heilbehandlung, sondern um psychologische Beratung. Psychotherapie basiert letztlich auf einer persönlichen therapeutischen Beziehung, die nicht online oder telefonisch möglich ist. Erst nachdem KlientIn und TherapeutIn bei gemeinsamen Treffen ein optimales Arbeitsbündnis geschlossen hätten, kann in bestimmten Momenten auch ein Kontakt online oder über das Telefon hergestellt und benutzt werden. Psychotherapie über elektronische Medien ist besonders für KlientInnen gedacht, die während einer Therapie den Ort wechseln mussten.

Die in zahlreichen Studien berichteten Erfolge der Internettherapie erfordern allerdings, die Ergebnisse richtig einzuordnen, denn in den meisten Fällen haben sich die in die Untersuchungen einbezogenen Betroffenen aktiv für die Behandlung durch das Internet entschieden, und diese bewusste Entscheidung ist bekanntlich eine wesentliche Voraussetzung für jede Form von Psychotherapie. Es findet daher in solchen Untersuchungen meist eine positive Selektion der ProbandInnen statt. Die Ergebnisse solcher Studien können daher nicht auf alle KlientInnen übertragen werden, sondern nur auf jene, die sich bewusst für eine solche Form der Behandlung entscheiden. Allerdings gilt, dass jemand, der aufgeschlossen gegenüber einer e-Therapie ist, bessere Heilungschancen besitzt (Stangl, 2018).

Digitale Gesundheitsinterventionen: Gesundheits-Apps

Bei einer Untersuchung von Gesundheits-Apps (Meinlschmidt et al., 2019) wurde überprüft, wie diese besser auf die individuellen Bedürfnisse der KlientInnen zugeschnitten werden können. Gesundheits-Apps kommen zunehmend bei körperlichen und psychischen Erkrankungen zum Einsatz und ergänzen bzw. unterstützen die reguläre Behandlung, etwa um bei Depressionen die Stimmung zu verbessern. Besondere Bedeutung haben diese Smartphone-basierte Interventionen in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen, bei denen reguläre Behandlungsangebote nicht oder nur punktuell zur Verfügung stehen. Bekanntlich unterscheidet sich die Wirkung solcher Apps von Mensch zu Mensch, und auch bei ein und derselben Person wirken die Interventionen je nach Situation einmal mehr und einmal weniger. Um zu überprüfen, wie der Effekt einer Smartphone-basierten Intervention besser vorhergesagt werden kann, nutzt man die Daten von Smartphone-basierten Interventionen zur Stimmungsregulation, wobei ein statistisches Verfahren des maschinellen Lernens zur Anwendung kam, und zwar eine spezifische Form der sogenannten «Random-Forest»-Methode. Mit diesem Klassifikationsverfahren können große Datenmengen geordnet werden. Die Stärke der Methode liegt darin, dass die Forschenden dem System relevante Merkmale wie zum Beispiel Müdigkeit oder Unruhe zuteilen können. Der «lernende Wald» kombiniert diese Merkmale vielfältig miteinander und erlaubt Vorhersagen, die der Komplexität im realen Leben besser entsprechen als traditionelle Vorhersagemethoden. Während es im untersuchten Fall bei etwa sechs von zehn Anwendungen zu keiner Verbesserung der Stimmung kam, waren dies in den durch maschinelles Lernen als erfolgreich vorhergesagten Anwendungen nur noch etwa drei von zehn. Die Anzahl erfolgloser Nutzungen konnte also durch das Verfahren halbiert werden. Man weiß, dass viele PatientInnen digitale Interventionen nach anfänglicher Nutzung schnell wieder weglegen, denn wenn eine App nur jedes zweite oder dritte Mal wirkt, verlieren die Menschen bald die Lust, und sie sehen wenig Sinn in ihrer Anwendung. Das neue Verfahren hat das Potenzial, dass Patienten Smartphone-basierte Interventionen längerfristig nutzen, und diese Studie liefere wichtige Hinweise, wie digitale Interventionen im Sinne einer personalisierten Therapie in Zukunft besser auf das Individuum zugeschnitten werden können. Dabei wären Anwendungen auch in vielen anderen Feldern denkbar, in denen mobile Apps zum Einsatz kommen.

 

Online-Therapie bei Depressionen

Rose Shaw berichtet in ihrem empfehlenswerten Weblog "Praxis für Psychotherapie" über eine von David Kessler und seinen Mitarbeitern in Großbritannien durchgeführten Studie über eine Online-Verhaltenstherapie bei Patienten mit Depressionen, die zeigt, dass kognitive Verhaltenstherapie (KVT) auch dann wirksam zu sein scheint, wenn sie online und in Echtzeit von einem Therapeuten durchführt wird. Die Verbesserung der Symptome bei den Klienten hält demnach mindestens acht Monate an. "Insgesamt 297 Patienten aus 55 Hausarztpraxen in Bristol, London und Warwickshire in Großbritannien nahmen an dieser Studie teil. Für alle Patienten wurde die Diagnose von klinischen Depressionen bestätigt. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Die 149 Patienten der Behandlungsgruppe nahmen zusätzlich zu ihrer normalen ärztlichen Versorgung an einer Online-KVT teil. Auch die 148 Patienten der Kontrollgruppe hatten die normale Behandlung durch ihren Hausarzt und kamen acht Monate lang auf eine Warteliste für eine spätere Online-KVT. Das Hauptkriterium für den Behandlungserfolg war eine Genesung der Patienten von ihren Depressionen nach vier Monaten. Aus der Behandlungsgruppe nahmen 113 Patienten bis zur Nachuntersuchung nach vier Monaten an der Studie teil und aus der Kontrollgruppe 97 Patienten. In der Behandlungsgruppe hatten sich nach vier Monaten 38 Prozent der Patienten von ihren Depressionen erholt im Vergleich zu 24 Prozent in der Kontrollgruppe. Nach acht Monaten war dieser Anteil in der Behandlungsgruppe 42 Prozent und in der Kontrollgruppe 26 Prozent. Diese Unterschiede waren statistisch signifikant."

Diese Therapieform könnte dazu beitragen, das Angebot von KVT in der normalen Patientenversorgung auszuweiten, da durch die neue Kommunikationstechnologien etwa ein täglicher Kontakt zwischen Patient und Therapeut möglich ist, an Stelle von einstündigen Sitzungen alle ein oder zwei Wochen. Allerdings stellt eine solche Kontaktfrquenz neue Herausforderungen an die TherapeutInnen, da eine solche Verfügbarkeit auch zu Belastungen führen kann.

Klinische Forscher der Universität Zürich lieferten zum ersten Mal einen wissenschaftlichen Beleg für die Gleichwertigkeit einer Psychotherapie mittels Internet, indem sechs Therapeutinnen 62 PatientInnen behandelten, von denen die meisten an einer mittelschweren Depression litten. Die Patienten wurden per Zufall je zur Hälfte einer Therapieform zugewiesen. Die Behandlung bestand aus jeweils acht Therapiesitzungen mit verschiedenen bewährten Techniken, die aus der kognitiven Verhaltenstherapie stammen und sich sowohl für die mündliche als auch die schriftliche Durchführung eignen. Patientinnen und Patienten der Online-Therapie mussten pro Therapieeinheit eine vorgegebene Aufgabe schriftlich bearbeiten, beispielsweise das eigene negative Selbstbild in Frage stellen. Sie waren mit ihrer Therapeutin namentlich bekannt. In beiden Gruppen verringerten sich die Depressionswerte deutlich, wobei bei 53 Prozent der PatientInnen der Online-Therapie keine Depression mehr diagnostiziert wurde, bei der Sprechzimmertherapie waren es 50 Prozent. Drei Monate nach Abschluss der Therapie verringerte sich die Depression von PatientInnen der Online-Therapie sogar, während sich bei den konventionell Therapierten ein minimaler Rückfall zeigte: So konnte bei 57 Prozent der Patientinnen und Patienten aus der Online-Therapie keine Depression mehr festgestellt werden, während dies bei der konventionellen Therapie auf 42 Prozent der Teilnehmer zutraf. Bei beide Patientengruppen war die Zufriedenheit mit der Therapie und den Therapeuten etwa gleich hoch, wobei 96 Prozent der Patienten der Online-Therapie und 91 Prozent der TeilnehmerInnen einer konventionellen Therapie den Kontakt zur ihrer Therapeutin als «persönlich» einschätzten. Bei der Online-Therapie nutzen die Patientinnen und Patienten die Therapiekontakte und nachfolgenden Hausaufgaben in der Regel sehr intensiv, um persönlich weiter zu kommen. Sie gaben etwa an, die Korrespondenz mit ihrer Therapeutin immer wieder durchgelesen zu haben. Mittelfristig weist die Online-Psychotherapie sogar die bessere Bilanz auf, sodass diese Studie ein Beleg dafür ist, dass psychotherapeutische Angebote im Internet eine wirksame Ergänzung des Therapieangebots sein können (Wagner et al., 2013).

Online-Therapie: iFightDepression - Tool

Das iFightDepression-Tool ist ein internet-basiertes Selbstmanagement-Programm für Menschen mit leichten bis mittelgradigen Depressionen, das in seiner Durchführung von einem Arzt oder Therapeuten begleitet wird. Es wurde basierend auf wissenschaftlichen Forschungen, Best-Practice-Empfehlungen und mit Nutzer- und Expertenbeteiligung im Rahmen eines europäischen Projektes entwickelt, steht in verschiedenen Sprachversionen (Englisch, Deutsch, Spanisch, Estnisch, Niederländisch, Ungarisch, Bulgarisch) zur Verfügung und wird von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe kostenfrei angeboten. Das Tool soll Menschen beim Umgang mit Symptomen der Depression und bei der Genesung, mit Unterstützung von geschulten Hausärzten oder Psychotherapeuten, helfen. Die Inhalte basieren auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie, für die es bei depressiven Erkrankungen viele Wirksamkeitsbelege gibt. Das iFightDepression-Tool besteht aus Informationsmodulen, die sich auf die Steigerung täglicher Aktivitäten, Identifikation und Veränderung von negativen Gedankenmustern, Beobachtung der eigenen Stimmung, hilfreiche Schlafgewohnheiten und die Einhaltung eines gesunden Lebensstils konzentrieren. Dazugehörige Arbeitsblätter und Übungen unterstützen die Nutzer des Tools dabei, die neuen Fähigkeiten anzuwenden und zu vertiefen und die Selbstbeobachtung zu fördern. Die Nutzung des iFightDepression-Tools ist in Begleitung von einem Hausarzt oder Psychotherapeuten, die ein standardisiertes Schulungsprogramm absolviert haben, vorgesehen. Für den zukünftigen Einsatz wird eine Online-Version des iFightDepression-Schulungsprogrammes für Hausärzte und Psychotherapeuten erstellt, die Patienten bei der Nutzung des Tools anleiten möchten.

Link: https://ifightdepression.com/de/ (17-11-21)

"Salut" (http://www.aramis-research.ch/d/12788.html) ist ein internationales Forschungsprogramm, das sich an 18- bis 30-jährige Frauen richtet, die an Essstörungen leiden. Integriert ist ein Selbsthilfeprogramm, das die Patientinnen in sieben Schritten zur Selbsttherapie befähigen soll. Unterstützt werden sie dabei auch von einer virtuellen Beraterin namens Sarah, wobei der Austausch über E-Mail. erfolgt.

Am häufigsten in Anspruch genommen, weil kostenlos, werden die Angebote von Institutionen wie Jugendberatungsstellen. Die Jugendlichen erhalten zum Beispiel einen konkreten Ratschlag für ein Problem oder eine Adresse, wo man ihnen weiterhilft. Für Jugendliche ist es wichtig, bei Tabuthemen wie Sexualität nur eine geringe Hemmschwelle überwinden zu müssen wie im Internetl. Die Beratung über das Internet kommt den Kommunikationsbedürfnissen der jungen Menschen entgegen.



Literatur

Meinlschmidt, Gunther, Tegethoff, Marion, Belardi, Angelo, Stalujanis, Esther, Oh, Minkyung, Jung, Eun Kyung, Kim, Hyun-Chul, Yoo, Seung-Schik & Lee, Jong-Hwan (2019). Personalized prediction of smartphone-based psychotherapeutic micro-intervention success using machine learning. Journal of Affective Disorders, doi:10.1016/j.jad.2019.11.071.

Stangl, W. (2018). Stichwort: 'E-Therapie – Online-therapie'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/2136/e-therapie/ (2018-08-13)

Wagner, B., Horn, A. B. & Maercker, A. (2013). Internet-based versus face-to-face cognitive-behavioral intervention for depression: A randomized controlled non-inferiority trial. Journal of Affective Disorders. July 23. Doi:10.1016/j.jad.2013.06.032

http://www.praxis-dr-shaw.de/blog/ (10-06-03)

Überblick über einige Psychotherapierichtungen und -schulen



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