Psychotherapie
Psychotherapie in Deutschland
Grundsätzlich sind in Deutschland nur zwei Berufsgruppen berechtigt, die Seele betreffende Behandlungen durchzuführen: Ärzte und Psychologen. Ärzte, die sich mit psychischen Problemen beschäftigen, sind meist Psychiater, Nervenärzte, Neurologen und Ärzte für psychotherapeutische Medizin. Psychologen, die Psychotherapie anbieten dürfen, sind psychologische Psychotherapeuten und haben mindestens fünf Jahre Psychologie studiert und sich danach auf Psychotherapie spezialisiert, wobei sie auch eine mehrjährige Therapieausbildung absolviert haben. Außerdem gibt es ärztlichen Psychotherapeuten, also Ärzte, die aufgrund einer Zusatzqualifikation Psychotherapie durchführen dürfen. Der grundlegende Unterschied zwischen den Psychologen und den Ärzten ist die Sichtweise, denn Ärzte betrachten psychische Störungen in der Regel als biochemische Regulationsstörungen im Gehirn, die mit Psychopharmaka behoben werden können, während Psychologen den Grund für psychische Störungen eher in der Gefühls- oder Gedankenwelt oder in den Verhaltensweisen eines Menschen suchen. Daher versuchen PsychologInnen, die Gefühle, Gedanken oder das Verhalten ihrer KlientInnen zu verändern. Innerhalb der Psychotherapie gibt es zahlreiche Verfahren, von denen einige wirksam, andere umstritten, manche nach Ansicht von Vertretern meist anderer Fachrichtungen schädlich sind. Der Gesetzgeber in Deutschland hat drei Verfahren akzeptiert, für die Krankenkassen bezahlen müssen: die analytische Therapie, zu der die Psychoanalyse zählt, die tiefenpsychologisch fundierte Therapie, zu der weiterentwickelte Formen der Psychoanalyse mit meist kürzerer Therapiedauer gehören, und die Verhaltenstherapie, die Einsicht in Ursachen und Entstehung von Verhaltensweisen geben soll, welche zu Problemen geführt haben. Zwar ist die Verhaltenstherapie vergleichsweise jung, doch hat sie auf Grund ihres grundsätzlich empirischen Ansatzes der wissenschaftlichen Psychologie ihre Wirksamkeit in viele Studien belegt und eignet sich besonders zur Behandlung von Angst-, Ess-, Zwangsstörungen sowie Depressionen. Gesprächstherapie oder Gestalttherapie sind zwar bei speziellen Störungen ebenfalls wirksam, werden aber von den Krankenkassen in aller Regel nicht erstattet.
Zusammengefasst nach Dowideit, Anette & Nelle, Marc (2011). Wer wie hilft bei psychischen Problemen. Die Welt Online vom 6. November 2011.
Ausbildung für psychologische Psychotherapeuten
Im Jahr 2016 hat der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Psychologie anlässlich der Novellierung des Psychotherapeutengesetzes/Psychologische Psychotherapie im Rahmen Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen folgende Erklärung abgegeben:
- Die Ausbildung wissenschaftlich und praktisch qualifizierter psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erfordert ein grundständiges, fünfjähriges Studium der Psychologie (300 ECTS), mit dem Abschluss eines polyvalenten Bachelor of Science und eines Master of Science mit Schwerpunkt in Klinischer Psychologie und Psychotherapie, als Voraussetzung für die nachfolgende Weiterbildung.
- Für die Sicherung der Ausbildungsqualität sind die Einheit von Forschung, Lehre und Praxis an den ausbildenden Hochschulen (Promotions- und Habilitationsrecht, psychotherapeutische Lehr- und Forschungsambulanz), einheitliche Prüfungsstandards und die Anerkennung der Ausbildung durch die Landesbehörden unabdingbare Voraussetzungen.
- Die ausbildenden Hochschulen müssen über entsprechend qualifiziertes Lehr- und Forschungspersonal sowie über die erforderlichen Strukturen für die wissenschaftliche und die praktische Ausbildung auf allen wissenschaftlichen Qualifikationsebenen und für die Forschung im Bereich klinischer Psychologie und Psychotherapie verfügen.
- Eine selbstständige psychotherapeutische Tätigkeit im Sinne des Sozialrechtes sollte nach einer ausreichend qualifizierenden, dreijährigen Weiterbildung mit Erreichung der Fachkunde erfolgen. Daher müssen in ausreichendem Maße Weiterbildungsmöglichkeiten im Rahmen von Assistenzstellen sowohl für den stationären als auch den ambulanten Bereich geschaffen werden, die dem vorliegenden akademischen Niveau entsprechend vergütet werden.
- Die erforderlichen Ressourcen für die Aus- und Weiterbildung müssen im Zuge der Gesetzesnovellierung berücksichtigt und insbesondere in Bezug auf die Anzahl der Aus- und Weiterbildungsplätze aufeinander abgestimmt werden. Mehr praxisorientierte Ausbildung (mit Patientenkontakt) in Kleingruppen erfordert zusätzliche Kapazitäten an den ausbildenden Hochschulen, die nicht zu Lasten anderer psychologischer Teildisziplinen gehen dürfen.
- Psychologische Tätigkeiten, die Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben, sollten durch das Gesetz weiterhin nicht geregelt werden (Beibehaltung der jetzigen Legaldefinition von Psychotherapie).
Quelle: http://www.bdp-verband.de/bdp/politik/2016/160613_reform.pdf (16-06-13)
Eine heile Welt kann immer nur deine eigene Innenwelt sein,
sofern du dein Ich im Gleichgewicht hältst.
Max Lüscher
Wohin entwickelt sich die Psychotherapie?
Christian Hoppe ist in seinem Weblog SciLogs ist der Ansicht, dass sich die Psychotherapie von der klassischen Form der Therapie immer mehr zu einem unspezifischen Coaching von Fähigkeiten entwickelt, die sich als geeignet erwiesen haben, die Lebensqualität auch unter schwierigen Bedingungen zu fördern. Er schreibt: "In neueren, empirisch gut bewährten Konzepten erleben wir eine Rückkehr zu eher verhaltens- bzw. aktivitätsorientierten psychologischen Ansätzen, die in der Anwendung einfach überlegener sind. Gleichzeitig beobachte ich eine Abkehr von einer allzu gedanklichen Auseinandersetzung mit psychischen Problemkonstellationen (vgl. z.B. Acceptance and Committment Therapy nach Stephen Hayes); denn dies läuft meistens auf endloses Grübeln zu zweit hinaus. Derzeit rollt zum Beispiel eine Welle der Achtsamkeit (mindfulness-based stress reduction nach J. Kabat-Zinn) durch die psychotherapeutischen Praxen und ich vermute, dass die Prävalenz von Buddha-Statuen an ebendiesen Orten in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Manche meinen, dass "das Spirituelle" dieser Übungen den Patienten hilft – das ist aber nicht der Fall; die Übungen sind für sich genommen völlig unnütz (was einem jeder Zen-Meister sofort schallend lachend bestätigen wird). Von Nutzen ist allein die Erkenntnis einer klaren Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Gedanken, die durch Achtsamkeitsübung rasch erlangt werden kann. Dann aber kommt alles darauf an, sich für die Wirklichkeit zu entscheiden und im realen Leben das reale Verhalten in einer gewünschten Richtung zu ändern. Sprich: auf das Fahrrad zu steigen, obwohl man überhaupt noch nicht Fahrrad fahren kann. Solange Therapeut und Klient in ihren gemütlichen IKEA-Sesseln sitzen bleiben, werden sie auf Kosten der Allgemeinheit zwar traute zweisame Stunden mit viel emotionalem Tamtam erleben – aber es ist vernünftigerweise nicht zu erwarten, dass hierdurch allein schon irgendetwas besser wird im Leben des Patienten".
Hoppe kritisiert auch den schon in die Jahre gekommenen Trend, dass die bloße mentale Antizipation des Erreichens eines Ziels, also das berüchtigte positives Denken erfolgreich sein könnte. Wesentlich erfolgreicher sind seiner Meinung nach verhaltensorientierte Implementierungsintentionen, in denen die alltäglichen Hindernisse für das zielführende Verhalten identifiziert und in Form von "Wenn-Dann"-Vorsätzen (Implementierung) zu Triggern, d.h. situativen Auslösereizen für zielführendes Verhalten umgewandelt werden.
Emanzipierte Psychotherapie als Praxis der Freiheit
Die Psychotherapeutin Grubner (2019) stellt die These auf, dass die Psychotherapie noch nie in neutraler, also unpolitischer und machtfreier Position gewirkt hat, sondern immer schon politisch war und auch heute noch ist. Psychotherapie ist nach ihrer Meinung nicht neutral und unabhängig, denn das Konstrukt Psyche ist eine ahistorische Entität und war dementsprechend schon immer vorhanden. Tatsächlich sei die Psyche erst im Laufe des Kapitalismus auf ein entsprechendes Realitätsniveau gehoben worden, im Sinne einer ko-konstitutiven Entwicklung, denn beide wurden zeitgleich zu erfahrbaren Kategorien der Moderne, sodass die Psyche selbst als Teil der kapitalistischen Logik zu verstehen ist. Das führt dazu, dass von Menschen verlangt wird, sich als unternehmerisches Selbst zu sehen, also jeden Lebensbereich einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis zu unterwerfen. Dabei sollen Körper und Psyche gleichermaßen im bestmöglichen Zustand gehalten werden, woraus sich ein permanentes Streben nach Selbstverbesserung gibt, das die heutigen Psychotherapieangebote bereitwillig anbieten: Ziele erreichen, persönlich wachsen, Potentiale entfalten. Die moderne Psychotherapie kann sich kaum aus diesem politischen Korsett lösen und emanzipieren, denn dazu wäre ein Hinterfragen der politischen Verhältnisse notwendig, mit denen sie aber auf das Engste verbunden ist. Man müsste daher in der Psychotherapie nach Ideen und Denkansätzen Ausschau halten, die die neoliberale Ideologie erschüttern oder zumindest in einigen Aspekten überschreiben könnte. Dies ist auch schon deshalb notwendig, da PsychotherapeutInnen täglich mit den Leidenszuständen einer ökonomisierten Subjektivität konfrontiert werden.
Überblick über einige Psychotherapierichtungen und -schulen
- Allgemeines zur Psychotherapie
- Ausbildung in Psychotherapie
- Klientenzentrierte Therapie: Carl Ransom Rogers
- Psychodrama und Gruppenpsychotherapie: Jakob Levy Moreno
- Humanistische Psychologie: Abraham Maslow
- Gestalttherapie: Fritz Perls
- Die Systemischen Therapien
- Systemisches Fragen
- Die Systemische Familientherapie
- Kognitive und Verhaltenstherapie: Joseph Wolpe, Hans J. Eysenck
- Imago Therapie
- Die "Schematherapie" nach Jeffrey E. Young
- Transaktionsanalyse nach Eric Berne
- Achtsamkeitstherapie
- Modeling Therapie
- Persönliche Konstrukte - George A. Kelly
- Kurzzeittherapeutischen Schulen
- Körperorientierte Therapien - Focusing
- Hypnotherapie
- Psychologische Beratung im Internet - die "eTherapie"
- Therapeutische Allianz
- Tipp: Schreiben als Therapie
- Literatur und Quellen
- Siehe auch den Kurzüberblick: Psychotechnische Schulen
- NEU: Test der Stressbelastung
Literatur zum Thema
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