Die Befragung
ist eine der zentralen Datenerhebungsmethoden in der empirischen Sozialforschung, bei der die Untersuchten mittels Fragen, Aufgaben, Erzähl- oder Dokumentationsaufforderungen gebeten werden, Auskünfte zu Fakten, Meinungen, Werten, Verhalten, Problemen, Lösungen zu geben. Befragungen können in verschiedener Formen vorgenommen werden: schriftlich, mündlich, postalisch, online, telefonisch oder face-to-face, strukturiert bzw. standardisiert, an einzelne oder mehrere Personen gleichzeitig gerichtet.
Der Fragebogen
Bestimmung der Form des Fragebogens
Bevor mit der Sammlung der Elemente des Fragebogens - im Fachjargon meist Items genannt - begonnen werden kann, sollte eine Entscheidung über die Form des Fragebogens getroffen werden, d.h. über die Art und Weise, welches sprachliche Material zur Beantwortung dargeboten wird. Es können
- Fragen gestellt werden, z.B. "Halten Sie sich für einen geselligen Menschen?" oder "Sollte man allen Asylsuchenden eine Arbeitserlaubnis geben?",
- oder es können Feststellungen (Statements) dargeboten werden, z.B. "Ich bin ein geselliger Mensch" oder "Man sollte allen Asylsuchenden eine Arbeitserlaubnis geben".
Diese Fragebogen-Items können in unterschiedlicher grammatikalischer Form erscheinen,
- in der ersten Person Singular, z.B. "Ich bin ein geselliger Mensch" oder
- in unpersönlicher Form, z.B. "Man sollte allen Asylsuchenden eine Arbeitserlaubnis geben".
Auf sehr unterschiedliche Art und Weise kann der Antworttypus, d.h. die Art der verlangten sprachlichen Reaktion gestaltet sein. In einfachster Weise wird auf eine Frage oder Statement lediglich ein zweistufiges kategoriales Urteil verlangt: "ja-nein" oder stimmt-stimmt nicht u.ä.
Die Zahl der Antwortkategorien kann erweitert werden, z.B. im einfachsten Fall um eine dritte Antwortkategorie: ja-neutral-nein etc. Durch Erweiterung um mehrere Kategorien entsteht eine sogenannten Schätz- oder Rating-Skala; dabei kann es sich um eine rein numerische Rating-Skala, eine graphische Rating-Skala, eine verbal verankerte (d.h., an bestimmten Punkten der Skala mit Worten beschriftete) Rating-Skala handeln, z.B. stimmt 3 2 1 0 1 2 3 stimmt nicht, ja 1 2 3 4 5 nein, stimmt-stimmt eher-stimmt eher nicht-stimmt nicht.
Erfahrungsgemäß führt die Einführung einer "mittleren" Antwortkategorie, sei sie explizit vorgegeben (z.B. durch die Antwortkategorie "neutral") oder durch Verwendung einer mehrstufigen Antwortskala mit ungerader Kategorienzahl, eher zu Schwierigkeiten als dass es mit Vorteilen verbunden ist. Ein Zustimmen oder Ablehnen der mittleren Antwortkategorie kann nämlich für einzelne Versuchspersonen ganz Unterschiedliches bedeuten:
- eine mittlere Antwortposition (z.B. jemand hält sich für einen in mittlerem Maße geselligen Menschen)
- eine "Weiß nicht"-Antwort (z.B. jemand kommt zu keinem endgültigen Urteil darüber, ob er nun gesellig ist oder nicht)
- eine "Irrelevanz"-Antwort (z.B. jemand hält die Frage für nicht besonders wichtig usw.)
- eine "Protest"-Antwort (z.B. jemand hat etwas gegen die Frage einzuwenden und drückt seine Unmut oder Widerstand gegen die Frage durch das Ankreuzen der mittleren Kategorie aus)
Aus solchen Gründen wird eine mittlere Kategorie häufig bewusst weggelassen, indem nur positive und negative Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden. Die antwortende Person soll dadurch gar nicht erst auf eine der genannten Ausweichmöglichkeiten verwiesen werden. Auf der anderen Seite kann die Berücksichtigung der neutralen Antwortkategorie sinnvoll sein, wenn man aus der Häufigkeit des Ankreuzens dieser mittleren Position auf so etwas wie Interesse bzw. Desinteresse bei der Beantwortung des Fragebogens schließen will u.ä.
Es gelegentlich gewähltes, wenn auch etwas aufwendiges Verfahren der Darbietung von Fragebogen-Items und ihrer Beantwortung besteht in der sogenannten Forced-Choice-Technik, bei der nicht jede Frage für sich beurteilt werden soll, sondern eine Entscheidung zwischen mehreren gleichzeitig dargebotenen Fragen oder Aussagen zu treffen ist: Es werden dabei Statements vorgegeben, die das zu messende Merkmal in unterschiedlichem Grad ausdrücken oder repräsentieren. Die zutreffendere der Feststellungen soll dabei angekreuzt werden.
Siehe auch:
Die Formulierung von Fragen für Fragebögen
Praktische Regeln zur Formulierung von Fragen für Fragebögen
Kleine Checkliste zur Vermeidung häufiger Fehler
Es empfiehlt sich, schon bei der Planung einer empirischen Untersuchung die notwendigen statistischen Auswertungen vorzubereiten:
Siehe dazu Marleen Brinks: Sozialwissenschaftliche Datenverarbeitung. Datenanalyse mittels SPSS® (pdf, 420 kb)
Bestimmung der Quellen für die Item-Sammlung
Ein mit einem Fragebogen zu erfassendes Konstrukt kann grundsätzlich sowohl aus sozialwissenschaftlichen Theorien oder Modellen, wie sie in der Fachliteratur der jeweiligen Disziplin fixiert sind, entspringen. Es kann aber ebenso gut aus eigenen Überlegungen, Alltagsbeobachtungen u.ä. abgeleitet werden. Dementsprechend kann die Sammlung der Items, wahlweise oder kombiniert auf eine Reihe unterschiedlicher Quellen zurückgreifen: Fragen können aus bereits vorliegenden sozialwissenschaftlichen Theorien abgeleitet werden. Fragen oder Feststellungen können jedoch auch von bereits bestehe nden Erhebungsinstrumenten übernommen werden (ZUMA Skalenhandbuch). Ebenso können ExpertInneninterviews oder Probeinterviews als Ideenquelle für die Formulierung von Fragebogen-Statement dienen.
Item-Revision
Bevor ein Fragebogen zum Einsatz kommt, scheint eine "zweite Lesung", eine nochmalige Revision der gesammelten Fragen, vor allem auch unter sprachlichen Gesichtspunkten angebracht. Die sprachliche Formulierung einer Frage erfolgt einerseits mit dem Ziel, die Befragten zu einer Antwort zu motivieren, andererseits muss sie erreichen, dass die Frage von den Versuchspersonen richtig verstanden wird. Eine Reihe vom allgemein verbindlichen Regeln der Formulierung von Items zur Operationalisierung von sozialwissenschaftlichen Konstrukten in Fragebögen, die mit gewissen Einschränkungen anwendbar erscheinen, hat EDWARDS bereits vor dreißig Jahren zusammengestellt:
- Man vermeide Feststellungen, die sich auf Vergangenheit oder Gegenwart beziehen.
- Man vermeide Feststellungen, die sich auf Tatsächliches beziehen oder so interpretiert werden könnten.
- Man vermeide Feststellungen, die sich auf mehr als eine Weise interpretieren lassen.
- Man vermeide Feststellungen, die entweder von fast jedem oder fast niemandem bejaht werden können.
- Man wähle eine einfache, klare, direkte Sprache.
- Feststellungen sollten kurz sein und nur selten mehr als zwanzig Wörter enthalten.
- Jede Feststellung sollte nur einen einzigen vollständigen Gedanken enthalten.
- Man vermeide Wörter, die von den beantwortenden Personen nicht verstanden werden,
- Man vermeide den Gebrauch doppelter Verneinung.
Bei der Item-Revision sollte auch die Reihenfolge der Darbietung der Items festgelegt werden. Von einer Zufallsreihenfolge, wie sie oft postuliert wird, ist nicht viel zu halten, vielmehr sollte der Fragebogen inhaltlich strukturiert und für die Versuchspersonen in dieser Struktur erkennbar sein.
Strategien der Frageformulierung
Die Konstrukte eines Fragebogens können Themen betreffen z.B. Persönlichkeitszüge etc., die der Befragte auch dann nicht an sich selbst beschreiben könnte bzw. würde, wenn zwischen ihm und dem Interviewer eine freundschaftliche Beziehung bestünde.
Eine Vielzahl von indirekten Techniken ist daher für alle Fälle entwickelt worden, wo anzunehmen ist, dass der Untersuchungsgegenstand "Widerstand" hervorrufen würde.
Wenn ein Interview sensible Themen behandelt, muss man Fragen so formulieren, dass die Abwehrmechanismen auf ein Minimum beschränkt werden. Die projektive Methode (siehe unten) stellt dabei eine Strategie dar. Es gibt jedoch auch Wege, auf denen direkte Fragen derart formuliert werden können, dass der Befragte sich verhältnismäßig frei fühlt, unbefangen zu antworten. Im wesentlichen besteht das Problem darin, den Befragten nicht fühlen zu lassen, dass bestimmte Antworten einen Prestigeverlust bedeuten würden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass man die Antworten, die der Befragte geben könnte, "salonfähig" erscheinen lasst.
- Ausbalancieren der Alternativen. "Halten Sie und ihre Familie etwas davon, ihre Zuneigung zueinander offen zu zeigen, oder gehören sie eher zu den zurückhaltenden Menschen?" Eine andere Fassung dieser Frage, die lediglich darauf einging, ob man in der Familie des Befragten einander herzlich begegnete, brachte eine übermäßige Häufung von Fällen am positiven Ende der Skala.
- Man nehme an, dass der Befragte die niedrig eingeschätzte Einstellung oder Verhaltensweise besitze, und wälze die Last des Leugnens auf ihn ab. KINSEY (1948) verwendete diese Technik bei der Formulierung von Fragen erstmalig: "Wann haben sie zum ersten Mal...", statt "Haben sie jemals..."
- Projektive Fragen: Damit bezeichnet man jene Fragemethode, bei der Fragen nach anderen Personen gestellt werden, wobei vermutet wird, dass der Befragte sich selbst an die Stelle des anderen setzen wird, so dass die Beantwortung in Wahrheit seine eigene Einstellung wiedergeben wird. Das Problem, die Gültigkeit projektiver Fragen zu bewerten, ist seinem Wesen nach äußerst schwierig. Man kann z.B. die Antworten auf projektive Fragen mit Antworten auf direkte Fragen zu diesem Thema korrelieren. SANFORD & ROSENTSTOCK (1952) bereicherten diese Methode der projektiven Fragestellung um eine interessante Variante. Ziel ihrer Untersuchung war es, Aufschluss über autoritäre Persönlichkeitsstrukturen zu bekommen. Sie benutzten eine Reihe von witzblattartigen Zeichnungen, in denen Situationen beschrieben waren, bei denen Fragen von Führung und Autorität eine Rolle spielten. So stand z.B. ein Mann vor einer Gruppe und sagte: "Weil ich der Leiter der Gruppe bin, sollen Sie das tun, was ich sage". Ein Gruppenmitglied wurde beim Antworten gezeigt, aber die Antwort freigelassen oder geschlossen vorgegeben. Der Versuchsleiter forderte den Befragten dann auf, dieses Comics zu vollenden.
- Fehlerauswahlmethode: Die Befragten werden dabei, gebeten zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten auf eine Tatsachenfrage zu wählen. Alle vorgegebenen Alternativen sind jedoch falsch. Zugrunde gelegt ist die Annahme, dass die Richtung des Fehlers, den ein Befragter macht, etwas über seine Einstellung aussagt.
- Informationstest: Vielfach wurde gefunden, dass die Art und das Ausmaß einer Information die eine Versuchsperson über einen Gegenstand besitzt, eine Funktion ihrer Einstellung in bezug auf diesen Gegenstand darstellt. Inf ormationsfragen können deshalb in einem Interview zur indirekten Messung von Einstellungen verwendet werden.
Siehe auch: Praktische Regeln zur Formulierung von Fragen für Fragebögen
Fragebogen-Begleittext
Von äußerster Wichtigkeit vor allem bei postalischen Befragungen ist die Abfassung eines entsprechenden Begleit- bzw. Instruktionstextes. Er soll die Motivation der Versuchspersonen zum Ausfüllen des Fragebogens heben, den Kontext der Untersuchung transparent machen und Kenntnisse für das richtige Ausfüllen des Erhebungsinstrumentes vermitteln. Die übliche Instruktion für die Beantwortung von Fragebögen weist auf u.a. auf folgende Punkte hin:
- Vollständigkeit der Antworten beachten
- Aufrichtig zu antworten - Anonymität wird garantiert
- Möglichst zügig zu antworten
Da Versuchspersonen in der Regel Fragebögen mit "Intelligenz- oder Leistungstest" verknüpfen, kann man im Instruktionstest diesem Eindruck entgegenwirken, indem man ausdrücklich darauf hinweist, - dass es bei dieser Art von Untersuchung keine richtigen oder falschen Antworten gibt, dass also jede persönliche Antwort richtig sei, da es sich nicht um einen Leistungstest handelt.
In bestimmten Fällen, in denen es notwendig erscheint, kann es auch günstig sein darauf hinzuweisen, - dass die Untersuchung lediglich zu Forschungszwecken ausgeführt wird und nicht der Bestimmung individueller Diagnosen mit Konsequenzen für die Versuchsperson dient, sondern dass man sich nur für eine gruppenstatistische Auswertung interessiert sowie,
- dass ausreichender Datenschutz gewährleistet ist.
Diesem Teil eines Fragebogens wird oft wenig Sorgfalt entgegen gebracht - Ähnliches gilt auch für Instruktionen bei der Darbietung in Gruppen. Dabei bestimmt gerade dieser Einstieg oft den Erfolg der Untersuchung.
Item-Analyse
Zunächst wird ein vorläufiger Fragebogen einer möglichst großen Zahl von Versuchspersonen zur Beantwortung gegeben. Bei diesen Personen sollte es sich um Personen ähnlicher Art handeln wie bei denjenigen, an denen der endgültige Fragebogen später angewendet werden soll. Bei der Itemanalyse im engeren Sinn handelt es sich um die Überprüfung der Fragebogenitems unter Verwendung statistischer Methoden. Die Itemanalyse stellt eine Hilfe bei der Entscheidung dar, welche Items beibehalten und in die endgültige Form eines Fragebogen aufgenommen werden - die übrigen Items werden eliminiert und nicht weiter verwendet. Je besser sich die einzelne Itemantwort aufgrund der zu messenden Personenvariable vorhersagen lasst., desto besser oder brauchbarer ist ein Item.
Traditionelleweise besteht die Itemanalyse aus mindestens zwei Schritten, der Prüfung des Schwierigkeitsgrades und der Trennschärfe jedes Items. Neuerdings kommen jedoch auch sogenannten faktorenanalytischen Verfahren zur Anwendung.
Schwierigkeit
Der Schwierigkeitsindex eines Items ist als Prozentsatz der als "richtig" kodierten Antworten auf das Item definiert. Je größer der Schwierigkeitsindex ausfällt, desto mehr Personen haben das Item im Sinne des zu messenden Merkmals beantwortet. Die Bestimmung des Schwierigkeitsindex soll der Auslese solcher Fragen dienen, die entweder von fast niemandem oder von fast allen Personen 'richtig' beantwortet werden, die also entweder viel zu 'schwierig' oder viel zu 'leicht' sind. D.h. sie rufen sehr konforme Reaktionen hervor und sind daher letztlich zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Individuen nicht brauchbar.
Der Begriff der Schwierigkeit stammt aus der Leistungstest-Diagnostik und ist im Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen eher irreführend.
Trennschärfe
Der Trennschärfeindex eines Items ist als Grad des Zusammenhangs zwischen der Bejahung dieses Items und dem dem Mittelwert der übrigen Item-Bejahungen definiert. Der Trennschärfeindex gibt daher an, wie stark jedes Item den endgültigen Fragebogenwert bereits vorhersagt. Je höher er ist, desto eher vermag das betreffende Item zwischen Personen mit hoher und niedriger Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals, um das es geht, zu trennen. Zur Bestimmung des Trennschärfeindex wird die Korrelation zwischen jedem Item und den restlichen Items der vorläufigen Form des Fragebogens berechnet.
Das der Trennschärfebestimmung zugrunde liegende Optimierungsziel kann auch als dasjenige einer hohen internen Konsistenz des Fragebogens bezeichnet werden. Die interne Konsistenz eines Fragebogens kann mit dem Alpha-Koeffizienten nach Cronbach ausgedrückt werden. Als Maße der internen Konsistenz stellt Cronbachs Alpha eine Schätzung der Reliabilität dar.
Hinweise zur Dramaturgie einer Befragung
- Grundvoraussetzung eines guten Fragebogens (für mündliche oder telefonische Interviews) ist, dass er den Eindruck einer echten Gesprächssituation erzeugt, die der Befragte interessant findet. Bei schriftlichem Fragebogen ist hingegen vor allem ein gutes und klares Layout zentral.
- Beim Aufbau des Fragebogens für mündliche und telefonische Interviews muss Bedacht auf die spätere Gesprächssituation genommen werden. Die Unterhaltung soll sich für Interviewer und Befragten möglichst mühelos und frei von Peinlichkeiten vollziehen. Bei schriftlichen Befragungen sollte ein Wirrwar bzw. eine zu hohe Vielfalt an Antwortkategorien vermieden werden (z.B. Beschränkung auf einige wenige Formen von Antwortkategorien, die bei verschiedenen Fragen angewendet werden können).
- Die vielleicht wichtigste Regel demoskopischer Dramaturgie bestimmt, dass möglichst bald ein Vertrauensklima zwischen Befragten und Interviewer entstehen muss Die Praxis zeigt, dass der Erfolg einer Befragung wesentlich von der Tauglichkeit der Einleitungsfragen abhängt. Bei telefonischen Befragungen ist der Erstkontakt zentral (was speziell geschulte Interviewerinnen voraussetzt).
- Wichtig ist, dass die Einleitungs (und "Eisbrecherfragen") Probleme ansprechen, die den Befragten unmittelbar ansprechen und interessieren. Sie sollten leicht zu beantworten sein, um die Auskunftsperson von der Vorstellung einer Prüfungssituation zu entlasten.
- Bei umfangreichen mündlichen Befragungen (die z.B. mehr als dreißig Minuten dauern) sollten schwierige und komplexe Passagen des Fragebogens immer wieder durch einfache oder gar spielerische Fragen unterbrochen werden. "Spielfragen" stellen Erholungspausen dar und zudem neutralisieren sie - als sogenannte "Pufferfragen - die nachfolgende Befragungssituation.
- Ganz allgemein erfordert die Dramaturgie eines guten mündlichen Interviews einen ständigen Wechsel von Spannungen und Entspannungen, von "schweren" und "leichten" Fragen, geschlossenen und offenen Fragen usw., nicht zuletzt aber auch einen genügend großen Wechsel von Themen.
- Der allgemeinen Erfahrung nach wirken bei mündlichen Interviews vor allem viele geschlossene Fragen, unmittelbar nacheinander gestellt, ermüdend. Daher ist es zweckmäßig, solche Serien durch offene Fragen zu unterbrechen. Bei schriftlichen Fragebogen wirkt vor allem ein zu langer (und dicker) Fragebogen 'abschreckend'.
- Der Eindruck der Vielfalt und Kurzweil, der einen guten Fragebogen auszeichnet, kann durch einen Wechsel von Fragetechniken - inklusive Kartenspiele, Bildblätter - verstärkt werden. Bei telefonischen Interviews kann das Interesse hingegen durch Tempo-Wechsel und Abwechseln von Ja-Nein-Fragen mit anderen Frageformen verstärkt werden. Bei schriftlichen Fragebogen ist wiederum auf eine gewisse Einheitlichkeit der Antwortvorgaben und des Layouts zu achten (so dass sich Befragte an spezifische Formen des 'Ankreuzens' gewöhnen können). Zu viel Wechsel (z.B. zu viele Schriftarten) wirkt hier störend.
- Ein Fragebogen sollte nicht zu lang werden (wegen Ermüdungseffekt). Befragungen, die sich über die Dauer einer Stunde hinziehen, überfordern oft die Konzentrationsfähigkeit und Geduld des Befragten, aber auch des Interviewers. Telefonische Befragungen sollten im allgemeinen noch kürzer sein, und bei schriftlichen Befragungen führen zu lange bzw. dicke Fragebogen zur Reduktion der Antwortbereitschaft.
- Einstellungsfragen, die sich gegenseitig stark beeinflussen können, sollten in mündlichen Befragungen durch "Pufferfragen" getrennt werden.
- "Filter" sollen nur sparsam verwendet werden. Zu viele Filter bzw. Gabelungen sprengen nicht nur die Einheit der Befragungssituation, sondern sie behindern auch die spätere Auswertung.
- Generell ist zu beachten, dass standardisierte Fragebögen so konstruiert werden müssen, dass sie von verschiedenen Bevölkerungsteilen verstanden und beantwortet werden können. Faktisch bedeutet dies, dass viele Fragen nicht spezifisch auf jeweilige Sondersituationen zugeschnitten sein können.
Quellen
Bortz, Jürgen & Döring, Nicola (2006): Forschungsmethoden und Evaluation. Heidelberg: Springer.
Kromrey, Helmut (2009). Empirische Sozialforschung. Stuttgart: Lucius.
Stigler, Hubert (1996). Methodologie. Vorlesungsskriptum. Universität Graz.
WWW: http://www-gewi.kfunigraz.ac.at/edu/studium/materialien/meth.doc (98-01-03)
Stangl, Werner (1997). Zur Wissenschaftsmethodik in der Erziehungswissenschaft. "Werner Stangls Arbeitsblätter".
WWW: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/Arbeitsblaetter.html
François Höpflinger: Befragung: Wichtige Regeln der Fragenbogen-Konstruktion
WWW: http://www.mypage.bluewin.ch/
hoepf/fhtop/fhmethod1B.html (01-09-30)
http://vs.fernuni-hagen.de/Sem5/einfuehrung.html (01-01-01)
Stichwort Befragung. Eval-Wiki: http://www.eval-wiki.org/glossar/Befragung (11-08-21)
Inhaltsübersicht Forschungsmethoden der Psychologie und Pädagogik
- Grundbegriffe des Empirismus
- Grundlagen empirischer Sozialforschung
- Messung als Modellbildung
- Gütekriterien für Wissenschaft und wissenschaftliche Forschungsarbeiten
- Gütekriterien empirischer Forschung
- Gütekriterien qualitativer Forschung
- Forschungsplanung
- Detailschema für die Projektierung einer empirische Untersuchung
- Die Beobachtung
- Das Experiment
- Der psychologische Test
- Soziometrie
- Inhaltsanalyse
- Der Fragebogen
- Das Interview
- Das standardisierte Interview
- Narratives Interview
- Die Gruppendiskussion
- Stichproben
- Einzelfallforschung
- Handlungsforschung
- Was ist Kausalität?
- Werner Stangl: Test und Experiment in der Psychologie
- Literatur und Quellen
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