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Was ist Kausalität?

Verstehen kann man das Leben nur rückwärts.
Leben aber muss man es vorwärts.
Søren Kierkegaard


Kausalität ist die Vorstellung, dass "jedes Ereignis durch ein vorangegangenes Ereignis (Ursache=lat. causa) hervorgerufen wird", meint also das Vorliegen eines (gesetzmäßigen) Wirkungszusammenhangs zwischen Ereignissen beziehungsweise Erscheinungen in der Weise, dass ein Ereignis A unter bestimmten Bedingungen ein Ereignis B (mit Notwendigkeit) hervorbringt (verursacht), wobei die Ursache A der Wirkung B zeitlich vorausgeht und B niemals eintritt, ohne dass vorher A eingetreten ist.

Das zugehörige Adjektiv "kausal" bedeutet "ursächlich", "das Verhältnis Ursache-Wirkung betreffend", "dem Kausalgesetz" entsprechend".

Eine Kausalkette ergibt sich, wenn jedes Folgeereignis selbst wieder Ursache eines neuen Ereignisses ist. Kausalität impliziert eine strenge Halbordnung: Die Ursache der Ursache einer Wirkung ist damit auch (indirekte) Ursache der Wirkung selbst. Eine Wirkung darf nicht direkte oder indirekte Ursache ihrer selbst sein, da sonst Widersprüche auftreten können (wie z.B. das Großvater-Paradoxon bei Zeitreisen). Die Ereignisse, die ein bestimmtes Ereignis kausal beeinflussen können (also [Mit-]Ursache dieses Ereignisses sein können) bilden die absolute Vergangenheit dieses Ereignisses. Umgekehrt bilden die Ereignisse, die ein bestimmtes Ereignis kausal beeinflussen kann, die absolute Zukunft des Ereignisses.

Das Kausalprinzip (Kausalitätsprinzip) bedeutet, dass jedes Geschehen seine (materielle) Ursache hat, und es keine ursachelosen, "akausalen" Dinge, Erscheinungen, Abläufe usw. gibt. Dieses in elementarer Form bereits von Aristoteles formulierte Kausalprinzip entspricht der Interpretation des Satzes vom zureichenden Grund: "nihil fit sine causa" ("nichts geschieht ohne Ursache").

Demokrit war einer der ersten Philosophen, der die Vorstellung einer umfassenden Kausalität vertrat. Von den ursprünglich vier Ursachearten des Aristoteles (Causa) entspricht die Wirkursache (causa efficiens) der neuzeitlichen Kausalität, die zum universellen Erklärungsmodell der Naturwissenschaften wurde. Die anderen Ursachearten, besonders die Zweckursache (causa finalis), wurden in der Neuzeit als unwissenschaftlich verworfen. Kausalprinzip und Kausalgesetz ("gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen") wurden in der Folge sowohl realistisch-ontologisch (Kausalität findet tatsächlich in der Natur statt) so z.B. bei B.de Spinoza als auch methodologisch-nominalistisch gedeutet: für David Hume ist Kausalität nichts als das Resultat gewohnheitsmäßiger Verknüpfung von Ereignissen durch den Wahrnehmenden; für Kant ist Kausalität eine im Erkenntnissubjekt liegende, Erfahrung ermöglichende Verstandesstruktur. Im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde die Kausalität systematisch vorwiegend im Rahmen der Logik behandelt, wobei sich allerdings Einflüsse der Erkenntnistheorie, des Empirismus und des Rationalismus geltend machten. Mit der Entwicklung der Logik zu einer reinen Formalwissenschaft verschwand das Problem der Kausalität fast völlig aus der logischen Diskussion und wird erst wieder in neuerer Zeit v.a. im Rahmen der allgemeinen Wissenschaftstheorie erörtert. Ein neues philosophisches Verständnis der Kausalität brachte die Relativitätstheorie: Ereignisse können jeweils nur mit Ereignissen aus bestimmten Bereichen des Raum-Zeit-Kontinuums kausal verknüpft sein und nicht mit beliebigen. Die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik erkennt zwar noch das Kausalprinzip an, aber nicht mehr, dass Ereignisse genau vorhersagbar seien. Auch im Rahmen der Chaostheorie, wonach (kleine) Änderungen unvorhersehbare (große) Wirkungen hervorrufen können, musste das Kausalitätsdenken modifiziert werden.

Einer der Grundgedanken der Kybernetik ist es, die Kausalitätsvorstellung bei einem Vorgang in einem System zu relativieren. Nicht die aneinander gereihte direkte Beziehung von Ursache und Wirkung, der Kausalnexus, entspricht den meisten Naturvorgängen, sondern der Regel- oder Funktionskreis mit rückgekoppelten "Merkmalsträgern". Mit anderen Worten: Die Wirklichkeit ist ein vernetztes System, das man nur als verknüpftes Geschehen begreifen kann, in das die Einzelgeschehnisse eingebettet sind. Da sich wissenschaftlich nur Einzelgegenstände untersuchen lassen, müssen bei jedem Ergebnis immer die Bedingungen, das heißt die Vernetzungen in einem Gesamtsystem berücksichtigt werden.

Die scholastische Lehre von den verschiedenen Ursachen (causae) setzt die aristotelische Einteilung voraus und differenziert sie weiter. Grundsätzlich wird zwischen den internen (inneren) und den externen (äußeren) Ursachen eines Seienden (z. B. einer Bronzestatue) unterschieden.

Teilweise die Einteilung in 1-4 überschneidend, gibt es noch weitere Gruppen der causae:

Neuronale Grundlagen der Kausalität

Bisher war unklar, ob höhere Gehirnprozesse wie logisches Schlussfolgern das menschliche Kausalitätsurteil begründen oder ob das Urteil schon bei der Sinneswahrnehmung entsteht, ähnlich der Einschätzung von Größe, Distanz oder Bewegung eines Objektes. Wie neuere Untersuchungen (Rolfs et al., 2013) gezeigt haben, entsteht das Verständnis von kausalen Zusammenhängen schon beim Sehprozess ohne Beteiligung von höheren kognitiven Vorgängen. Das zeigt sich vor allem daran, dass beim wiederholten Betrachten von kausalen Zusammenhängen ein ähnlicher Gewöhnungseffekt eintritt wie bei der Wahrnehmung der Größe, Farbe oder Distanz eines Objektes, wobei vor allem schnelle Kausalitätsurteile bereits auf der Stufe der einfachen visuellen Wahrnehmung gefällt werden.

Kausalfehler

Zu den sieben Todsünden der populären Psychologie gehört nach Steve Ayan, Psychologe und Redakteur bei Gehirn und Geist, dass Korrelation und Kausalität verwechselt werden. Nur weil zwei Dinge gleichzeitig auftreten, heißt das nicht, dass das eine das andere bedingt. Klassisches Beispiel: Im Frühjahr kommen die Störche aus dem Süden zurück und in dieser Zeit werden mehr Kinder geboren. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Störche die Babys bringen. Bei einfachen Patentrezepten nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip ist also Vorsicht geboten. Das gilt auch, wenn Ratgebende sich als Heilsbringer inszenieren und angeblich den Stein der Weisen, also eine Idee oder ein Konzept, auf das noch niemand gekommen ist, entdeckt haben wollen.

Literatur

Aristoteles: Metaphysik.
Thomas von Aquin: Über das Sein und das Wesen.
Frank, P.: Das Kausalgesetz und seine Grenzen, herausgegeben von A.J. Kox. Frankfurt am Main 1988.
Koch,G.: Kausalität, Determinismus und Zufall in der wissenschaftlichen Naturbeschreibung. Berlin 1994.
Rolfs, M., Dambacher, M., & Cavanagh, P. (2013). Visual adaptation of the perception of causality. Current Biology, 2013; doi: 10.1016/j.cub.2012.12.017.
Spinoza: Ethik. D. Henrich: Der ontologische Gottesbeweis, 1960.
R. Spaemann/R. Löw: Die Frage "Wozu?", 1981.
W. Stegmüller: Das Problem der Kausalität. In: Probleme der Wissenschaftstheorie. Hg. von E. Topitsch, 1960.
Philosophielexikon/Rowohlt-Systhema
http://de.wikipedia.org/wiki/Kausalit%E4t (03-06-23)
Brockhaus Enzyklopädie.

https://detektor.fm/wissen/spektrum-podcast-psychologie-ratgeber-fehler (23-02-06)



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