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Kinderpsychologie - Psychologie der Kindheit

Zwar ist der Gegenstand der modernen Entwicklungspsychologie die Entwicklung über die gesamte Lebensspanne hinweg, also vom Säuglings-, Kleinkind-, Schulkind-, Jugend-, Erwachsenen- bis zum Greisenalter, aber der Bereich der Psychologie der Kindheit ist dennoch der zentrale Bereich in der Lebensspanne, da in dieser Phase in der Regel die größten Veränderungen stattfinden. Die Kinderpsychologie ist somit ein wesentlicher Teilbereich der Entwicklungspsychologie, der sich mit dem Zeitraum von der Geburt bis zur Reifezeit befasst.

Die Anfänge der Kinderpsychologie reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück, denn 1882 erschien die „Seele des Kindes“ von William Thierry Preyer. Nach ihm beobachteten William Stern und Clara Stern systematisch ihre Kinder und hielten ihre Beobachtungen in Form von Tagebuchaufzeichnungen fest. Auch Jean Piaget studierte an seinen eigenen Kindern vor allem die Entwicklung der Intelligenz, von der Geburt bis zum Spracherwerb.

Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelte sich in Wien die akademische Entwicklungspsychologie vor allem in Person von Charlotte Bühler in Konkurrenz zur frühen Kinderpsychoanalyse Anna Freuds. Charlotte Bühler lieferte 1933 in Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem den ersten großen Versuch den Lebenslauf gänzlich zu untersuchen und zu beschreiben. Dabei stützte sie sich auf umfangreiches biografisches Material. Bühler teilte den Lebenslauf in drei Ebenen ein:

Bühler sieht den menschlichen Lebenslauf als biologische Lebenskurve, die einerseits durch das Wachstum und andererseits durch die Fortpflanzungsfähigkeit geprägt ist. Im Wesentlichen ist der Lebenslauf eine Auf- und Abwärtsbewegung im Wachstum, welche durch die Fortpflanzungsfähigkeit ergänzt und überlagert wird. Die soziale Struktur des Lebenslaufs wurde von Bühler in einem biografischen Lebenslaufschema festgehalten. Grundlage dafür war die Untersuchung der biografischen Daten, dabei erkannte sie ähnliche Strukturen von Gewinn und Verlust von Lebensbereichen, die Ähnlichkeiten mit dem biologischen Wachstum aufwiesen. Im Bereich des subjektiven Erlebens geht Bühler davon aus, dass Individuen auch ein Lebensziel oder eine Lebensbestimmung haben, wobei sich aus ihren Untersuchungen ergab, dass das persönliche Erleben mit den biologischen und sozialen Auf- und Abstieg parallel läuft. Dennoch gibt es auch tief greifende Abweichungen von der biologischen Kurve, die sich aus der Selbstbestimmung der Individuen erklären lassen. Bühler erstellte eine Einteilung des Lebenslaufs in‚fünf Erlebnisphasen, die als zeitliche Strukturierung des subjektiven Lebenslaufs gelten können. Das theoretische Modell von Bühler ist also dadurch gekennzeichnet, dass es den Lebenslauf und die Person als Ganzes beschreiben will, und es betont psychologisch die Zielgerichtetheit im Lebenslauf, wobei sich die Zielsetzungen eines Individuums aber nur erkennen lassen, wenn das Leben in seiner Gesamtheit betrachtet wird.

Karl Bühler etwa vertrat in seinem Werk "Die geistige Entwicklung des Kindes" (1918) die Auffassung, dass schon beim 3 bis 4jährigen Kind im wesentlichen alle Möglichkeiten des späteren Denkens vorhanden sind. Sigmund Freud spricht dem Kind Sexualität zu und behauptet, dass die ersten Jahre der Kindheit entscheidend für das weitere Leben des Individuums sind. Besonders die Behavioristen postulieren, alle Menschen seien von Geburt an gleich und aus jedem lasse sich Beliebiges machen, sodass der frühkindlichen Erziehung großer Wert beigemessen wird.

Der theoretische Entwurf des Lebenslaufs von Erik H. Erikson baut auf seiner klinisch-therapeutischen Arbeit in der Tradition der Psychoanalyse auf. Erikson entwickelte vor allem den Freudschen Ansatz der psychosexuellen Entwicklung über die Kindheit weiter. Aber auch die Lebensphase der Adoleszenz war ein wichtiger Schwerpunkt Eriksons, wobei er den Begriff der Identität einführte. Die Theorie der psychosozialen Entwicklung und das Modell des Lebenszyklus in acht Phasen publizierte er erstmals 1950 in Kindheit und Gesellschaft. Erikson sieht die Entwicklung der Persönlichkeit als Wachstum der Person, als Wachstum des Ich. Dabei sieht er eine vorherbestimmte Abfolge in der sich das Wachstum der Persönlichkeit vollzieht, dabei beruht jede Stufe auf der vorhergehenden. Jeder Schritt hat jedoch eine kritische Phase, die Entscheidungen dieser Phase wirken sich dann auf den Entwicklungsprozess in der nächsten Phase aus. Dabei ist bei Erikson die psychosoziale Krise ein wesentlicher Punkt, das bedeutet Entwicklung erfolgt über die Lösung von Grundkonflikten. Dabei gibt es für jede Phase des Lebenslaufs typische Grundkonflikte. Die individuelle Entwicklung von der frühen Kindheit bis in das hohe Alter erfolgt somit für Erikson durch die Auseinandersetzung mit lebensphasenspezifischen Themen. Die aus jeder Phase entstehende Krise muss gelöst werden, bevor sich das Individuum adäquat mit der nächsten Thematik beschäftigen kann. Die Entwicklung der Persönlichkeit vollzieht sich somit in Form von kritischen Schritten, die Wendepunkte für das Wachstum des Ichs und der Person darstellen.

1930 erschien Alfred Adlers Lehrbuch der „Kindererziehung“, in dem er die individualpsychologischen Konzepte auf die kindliche Entwicklung und auf die Erziehung in Schule und Elternhaus anwendet. Etwa zur gleichen Zeit begann René Spitz mit der systematischen, psychoanalytischen Erforschung des Säuglingsalters und bewies den Zusammenhang zwischen Störungen in der frühen Mutter-Kind-Beziehung und Erkrankungen des Säuglings bis hin zum Hospitalismus. 1951 veröffentlichte John Bowlby eine Studie über den Zusammenhang zwischen mütterlicher Pflege und seelischer Gesundheit.

Im Bucharest Early Intervention Project untersuchte man die langfristigen Auswirkungen von Vernachlässigung und mangelnder emotionaler Unterstützung auf die Entwicklung von Kindern und inwieweit frühe Interventionen die Entwicklung von Kindern beeinflussen können, die in ihren ersten Lebensjahren einen Mangel an emotionaler Bindung und Anregung erfahren haben. Die Studie verglich Kinder, die in Waisenhäusern aufwuchsen, mit Kindern, die in Familien adoptiert wurden, und untersuchte die Auswirkungen gezielter Interventionen auf die kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten der Kinder. Das „Bucharest Early Intervention Project“ bestätigte im Großen und Ganzen die Bedeutung frühkindlicher Förderung, wobei die Kinder im Alter von 2, 3, 4, 8, 12 und 16 Jahren untersucht wurden. Die Ergebnisse der Studie zeigten erneut, dass eine frühe Heimunterbringung sowohl zu tiefgreifenden Intelligenzdefiziten als auch zu sozial-emotionalen Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Kinder, die in Heimen aufwuchsen, zeigten beispielsweise Defizite im Bindungsverhalten, in der Sprachfähigkeit und neigten eher zu psychiatrischen Auffälligkeiten. Die Kinder, die in Pflegefamilien aufwuchsen, entwickelten sich dagegen besser und unterschieden sich auch in ihrer Intelligenz: Obwohl alle Kinder einen eher niedrigen Intelligenzquotienten aufwiesen, schnitten die Kinder, die vor dem Alter von zwei Jahren in eine Pflegefamilie kamen, in IQ-Tests im Jugendalter besser ab. Der Unterschied in der Denkfähigkeit der Kinder lässt sich vermutlich auf die Pflegesituation im Kleinkindalter zurückführen, d.h. es könnte eine sensible Phase für die Ausprägung der Denkfähigkeit geben, d.h. ein Zeitfenster, in dem das Gehirn besonders sensibel auf Erfahrungen reagiert. Vermutlich gibt es verschiedene sensible Phasen in der Hirnentwicklung, denn nicht alle Hirnregionen reifen gleich schnell, aber wahrscheinlich schließt sich nach den ersten beiden Lebensjahren ein Zeitfenster für die Entwicklung der Intelligenz, denn je früher ein Kind in eine Pflegefamilie kam, desto besser entwickelte es sich. Offenbar ist es in dieser Phase besonders wichtig, Kontakt zur Umwelt und zu Menschen zu haben, ausreichend Interaktion und Feedback zu erfahren, um die lernfähigen und lernwilligen Teile des Gehirns bestmöglich zu unterstützen.

Walter Toman untersuchte die Bedeutung der Familienkonstellationen und ihren Einfluss vor allem auf Kinder, indem er den prägenden Einfluss der Geschwisterpositionen empirisch und theoretisch analysierte. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass nicht der Erstgeborene zu sein manche Nachteile mit sich bringt, die einen Lebensweg deutlich prägen, denn nach englischen Untersuchungen sind jüngere Kinder weniger intelligent, schlechter in der Schule und insgesamt weniger erfolgreich. Eine der Ursachen liegt vermutlich darin, dass Eltern schon in den ersten Lebensjahren bei weiteren Kindern ein anderes Verhalten als noch beim Erstgeborenen. Obwohl alle Kinder die gleiche emotionale Unterstützung erhalten, bekommen die Erstgeborenen meist mehr Unterstützung bei Aufgaben, die ihre Denkfähigkeit fördern. Im Durchschnitt bieten die Eltern jüngeren Geschwistern oft weniger geistige Anregung und weniger Förderung durch Vorlesen, Basteln oder das Spielen von Musikinstrumenten. Dabei wirkt sich nicht die Geschwisterposition an sich aus, sondern vielmehr die Erziehung durch die Eltern. Daneben bestimmen auch soziale, ökonomische und individuelle Verhältnisse, wohin sich die Persönlichkeit entwickelt. Erstgeborenen übernehmen gegenüber jüngeren Geschwistern oft eine Lehrerfunktion, die ihr geistiges Wachstum beschleunigt, etwa indem sie besser Inhalte organisieren und präsentieren können. Mit verantwortlich für mangelnden Erfolg der jüngeren Kinder im späteren Leben ist unter anderem die unterschiedliche Erwartungshaltung der Eltern an die älteren und später geborenen Kinder, denn oft stehen nur begrenzt Geld oder Zeit zur Verfügung. In der Rolle als Erstgeborene eröffnet sich eine neue Generation und diese sind damit die Erwartungsträger der Familie, auf denen die besondere Aufmerksamkeit und Hoffnung liegt. Spätergeborene sind allerdings häufiger Rebellen, wodurch es jüngere Geschwister hingegen leichter haben, ihren eigenen Weg zu suchen, denn während alle Augen auf dem ersten Kind liegen, erziehen Eltern die nachfolgenden Kinder meist entspannter. Spätergeborene können dadurch auch das Tempo ihrer Entwicklung eher selber bestimmen und können auf ihre Bedürfnisse achten, während die Erstgeborenen hingegen damit mehr Mühe haben, denn sie wollen es den Eltern recht machen.

Gegenstand der Kinderpsychologie sind durch die Bedeutung dieser Lebensphase meist weniger die kurzfristigen oder aktuellen Veränderungen im Erleben und Verhalten, sondern grundlegende Veränderungen, die einen Wandel in der zukünftigen Umweltanpassung zeigen. Ein Schwerpunkt in der Tätigkeit von EntwicklungspsychologInnen ist die Untersuchung derkindlichen und smit der familiären Umwelt, aber auch der außerfamiliären Umwelt wie der in Kindergärten und Schulen. Daneben stehen Fragen der Auswirkungen unterschiedlicher Erziehungsstile, der Arten von Mutter-Kind-Interaktionen oder Auswirkungen sozialer Erfahrungen wie etwa einer Trennung der Eltern im Mittelpunkt.

Die Geschwisterposition wird überschätzt

Obwohl Kinder bei denselben Eltern aufgewachsen sind, sind sie in vielen Fällen sehr verschieden. Das liegt daran, dass sie zwar bei denselben Eltern aufwachsen, aber Eltern behandeln ihre Kinder nie genau gleich. Ein Kind kommt auf die Welt und Eltern bekommen sofort Gefühle, d. h., das Kind ist sympathisch, weil es vielleicht an den eigenen Bruder erinnert oder es gleicht einem selber oder hat ein anderes Geschlecht als erwartet. Eltern sind also nicht neutrale Personen, sondern sie erleben etwas, sie projizieren auch Erwartungen und Gefühle in dieses Kind, und das spüren natürlich die Kinder auch. Ein Kind, das etwa als erstes auf die Welt kommt, entwickelt ja eine Rolle in der Familie, das zweite Kind hat dann schon eine andere Situation, denn es ist schon jemand da, es muss sich also eine andere Rolle suchen. Die Eltern reagieren auch nicht genau gleich, denn sie sind vielleicht, wenn das nächste Kind kommt, auch nicht mehr in der selben Lebensphase, d. h., sie überlegen sich vielleicht, sich zu trennen, oder sie haben sich jetzt beruflich gefunden. Auch hier gibt es etliche Faktoren, die permanent auf das Erleben der Geschwister einwirken und sie unterschiedlich prägen. Es gibt zahlreiche Vorurteile gegenüber Erstgeborenen, Sandwichkindern oder das Nesthäkchen, die nicht generell zutreffen müssen. Zwar übernehmen die Älteren häufiger die Rolle des Verantwortlichen, allein weil sie einige Jahre älter sind. Die Geschwisterposition stellt aber nur einen Faktor dar und hat nicht dieses Gewicht, dass hierdurch ganz generell bestimmte Verhaltensweisen nahegelegt werden könnten. Es kommt vielmehr auf die Situation an, denn wenn Eltern etwa das ältere Kind wirklich in diese Rolle des Verantwortlichen und Vernünftigen stoßen, dann ist die Frage, ob das ältere Kind diese Rolle auch annimmt, ob es sich dagegen wehrt oder ob das zweite Kind dann eher in diese Rolle hineinkommt. Daneben spielt etwa auch das Geschlecht eines Kindes eine Rolle und wie dieses Geschlecht von den Eltern beurteilt wird. Die Geschwisterposition hat bei weitem nicht mehr diese Bedeutung, die man ihr früher zugeschrieben hat, vielmehr hängt vieles davon ab, wie das Verhältnis innerhalb der Familie ist, etwa ob man fürsorglich miteinander umgeht oder ob es klar definierte Hierarchien gibt.

Zusammengefasst nach einem Interview von Ute Teubner mit dem Psychologen Jürg Frick, der das Buch „Ich mag dich – du nervst mich: Geschwister und ihre Bedeutung für das Leben“ verfasst hat.

Geschwister und Persönlichkeit

Dudek et al. (2022) haben untersucht, ob das Aufwachsen mit einer Schwester statt mit einem Bruder die Persönlichkeit beeinflusst, und haben eine umfassende Analyse der Auswirkungen des Geschlechts der Geschwister auf die Persönlichkeit Erwachsener vorgenommen, wobei Daten von 85887 Menschen aus zwölf großen repräsentativen Erhebungen in neun Ländern (Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Deutschland, Schweiz, Australien, Mexiko, China und Indonesien) analysiert wurden. Sie untersuchten dabei die Persönlichkeitseigenschaften Risikotoleranz, Vertrauen, Geduld, Kontrollüberzeugung und die Big Five, und fanden keine bedeutsamen kausalen Auswirkungen des Geschlechts des nächstjüngeren Geschwisters und keine Zusammenhänge mit dem Geschlecht des nächstälteren Geschwisters. Diese über alle Länder konsistenten Ergebnisse in der Gesamtstichprobe und den relevanten Teilstichproben deuten darauf hin, dass das Geschlecht der Geschwister die Persönlichkeit nicht systematisch beeinflusst.

Wandel in der Bedeutung der Kindheit

Nach allgemeiner Ansicht ist die Kindheit besonders wichtig für das kommende Leben als Jugendlicher und Erwachsener, und viele Menschen stellen sich die Frage, wie stark die Jahre der Kindheit das weitere Leben wirklich beeinflussen. Vor allem für Eltern ist es beinahe ein Glaubenssatz: Die ersten Jahre eines Menschen sind so prägend, dass sich in ihnen die wichtigsten Weichen für das weitere Leben stellen, worin für Eltern implizit die Aufforderung – und manchmal auch die Überforderung – steckt, das Beste zu geben und für optimale Startbedingungen zu sorgen, schließlich bestimmt man damit das weitere Schicksal ihrer Kinder. Zwar macht es einen großen Unterschied, ob Kinder geborgen aufwachsen oder nicht, doch determininiert vor allem in der Gegenwart die Kindheit das spätere Leben nicht so sehr wie man früher annahm, denn zwar sind Eltern nach wie vor wichtig, doch andere Einflüsse wie Freundschaften, die Medien, individuelle Ereignisse und nicht zuletzt auch die Werte der Zeit, in der Kinder aufwachsen, sind ebenfalls prägend (Stangl, 2014).

Entwicklungsaufgaben der Kindheit

Das Konzept der Entwicklungsaufgaben wurde von Robert J. Havighurst erarbeitet, wobei die zentrale Idee ist, dass die Entwicklung als Lernprozess aufgefasst wird, der sich über die gesamte Lebensspanne erstreckt. Robert J. Havighurst entwickelte somit die Theorie von Erikson weiter und strukturierte den Lebenslauf auch in aufeinander aufbauenden Phasen, die charakteristische Anforderungen mit sich bringen und bewältigt werden müssen. Im Gegensatz zu Erikson sieht Havighurst aber nicht nur einen Grundkonflikt, sondern eine Mehrzahl von Aufgaben die mehr oder weniger konkret sind. Im Kern ist die Theorie von Havighurst gekennzeichnete durch das Konzept der Entwicklungsaufgaben die sich aus der biologischen Reifung, den gesellschaftlichen und kulturellen Erwartungen sowie den Ansprüchen und Werten der Individuen ergeben. Werden diese Aufgaben nicht gelöst, resultiert daraus Unzufriedenheit im Individuum, eine Missbilligung durch die Gesellschaft woraus sich wiederum Schwierigkeiten bei der Lösung späterer Aufgaben ergeben. Havighursts Phasenmodell hat den Vorteil, durch seine relativ konkrete Formulierung jeder Phase empirisch fassbarer als etwa Eriksons Modell zu sein und deutlicher als Erikson und Bühler die Einflüsse der Gesellschaft zu berücksichtigen.

Als Quellen für Entwicklungsaufgaben gelten physische Reifung (Basis für Entwicklungsaufgaben, die weitgehend universell sind), gesellschaftliche Erwartungen und individuelle Zielsetzungen und Werte (treibende Kraft für die aktive Gestaltung von Entwicklung). Entwicklungsaufgaben stellen somit ein Bindeglied dar zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen.

Wichtige Entwicklungsaufgaben der erweiterten Kindheit sind:

Die Institutionalisierung der Kindheit

Die Kindheit ist heute sehr stark institutionalisiert, sodass viele Experten der Ansicht sind, dass Kinder wieder mehr Zeit außerhalb von eigens für sie künstlich hergestellter institutioneller Ganztagsbetreuung brauchen. Kinder sollten wieder sichtbarer im öffentlichen Raum werden, denn Kinder leben ihr Leben mittlerweile zu einem großen Teil in ihrer abgeschotteten, eigens künstlich für sie geschaffenen Kinderwelt, betreut von eigens dafür ausgebildeten Fachkräften. Dadurch wird den Kindern so viel vorenthalten, denn wo können Kinder heute noch Abenteuer erleben, wo können sie wirklich noch etwas ausprobieren, was vielleicht sogar ein kleines bisschen gefährlich ist, ohne dass sofort ein Erwachsener „Stopp“ ruft. Wo können sie heimlich was Verbotenes tun, ohne dass sie von einem der anderen Kinder verpetzt werden, wo können sie noch echte Streiche aushecken?

Literatur

Dudek, Thomas, Brenøe, Anne Ardila, Feld, Jan & Rohrer, Julia M. (2022). No Evidence That Siblings’ Gender Affects Personality Across Nine Countries. Psychological Science, doi:10.1177/09567976221094630.

Stangl, W. (2014). Stichwort: 'Kindheit'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/11307/kindheit/ (2015-04-02)

Stangl, W. (2022, 29. August). Prägen Geschwister die Entwicklung der Persönlichkeit?  Psychologie-News.
https://psychologie-news.stangl.eu/4299/praegen-geschwister-die-entwicklung-der-persoenlichkeit
Stangl, W. (2023, 19. Dezember). Das Bucharest Early Intervention Project – Psychologie-News.
https://psychologie-news.stangl.eu/4827/das-bucharest-early-intervention-project.

Walter, T. (2018). Geschwisterforschung - Das sind die Nachteile der Jüngeren.
WWW: http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/psychologie/das-sind-die-nachteile-der-juengeren-aid-1.7426103 (18-03-08)



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