Die strukturalistische kognitive Entwicklungstheorie von Jean Piaget
- Grundbegriffe der Piagetschen Theorie
- Piagets Stufen- oder Stadientheorie
- Stufen im Überblick
- Kritik an der Theorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget
- Phasen der Entwicklung nach James Mark Baldwin
Wollte man eine Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts schreiben, führte kein Weg an Jean Piaget vorbei: sowohl für die Entwicklungspsychologie als auch für die Pädagogik, aber auch für die Naturwissenschaften und nicht zuletzt die Sozialisationsforschung sind seine theoretischen Ansätze bis heute von herausragender Anregungskraft geblieben. Mit seinen über viele Jahrzehnte hinweg kontinuierlich fortgeführten empirischen Untersuchungen legte er die Basis für eine umfassende Theorie der geistigen und kognitiven Entwicklung des Menschen in der Kindheit und Jugend. Dabei interessierte ihn vor allem das Problem des Werdens der menschlichen Erkenntnistätigkeit - ein bis dahin der Sphäre der Philosophie zugeordneter Wissenschaftsbereich. Der in seiner Methode streng naturwissenschaftlich operierende Piaget kritisierte in den epistemologischen Arbeiten der Philosophen aber vor allem eines: Das Fehlen empirischer Beweise. Und eben hier, in dieser Grenzregion zwischen Philosophie und Biologie, hat Piaget seine Lebensaufgabe gefunden: in der empirischen Erforschung des Werdens der menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisvorgänge, die in Piagets genetischer Entwicklungstheorie seinen Niederschlag findet
Bei seinen Beobachtungen fand er, dass Kinder in bestimmtem Alter noch nicht in der Lage sind, Aufgaben mit einem bestimmten Schwierigkeitsgrad zu lösen und konnte so die Annahme des Behaviorismus widerlegen, dem Menschen seien durch Programmierung spezifischer Reiz-Reaktions-Verbindungen grundsätzlich alle Leistungen zu jeder Zeit "anzutrainieren". Vielmehr erkannte er, dass sich die menschliche Kognition in zunehmendem Alter nicht nur quantitativ im Sinne des geradlinigen Zunehmens der Intelligenz, wie sie etwa Binet beschrieb, sondern vor allem qualitativ ändert: das kindliche Denken entwickelt sich ja vom Konkreten zum Abstrakten, vom Einfachen zum Differenzierten, es wird integrierter, systematischer, flexibler und letztlich angepaßter. So sah er die geistige Entwicklung des Menschen vor allem als strukturelle Veränderung an. Wenn das Wesen einer Struktur in jenen regelhaften Beziehungen zwischen Einheiten des Systems (hier: den Inhalten des Denkens) besteht, dann muß man sich die im Verlauf der Kindheit und Jugend stattfindenden Prozesse eben als einen ständigen und entwicklungsgesetzmäßigen Umbau der kognitiven Struktur vorstellen. Diesen Umbau der Denk- und Handlungsstrukturen des Individuums sieht Piaget als einen durch tägliche Interaktion mit den Gegenständen der Umwelt bedingten und sich beständig vollziehenden Prozeß an - ohne die gegenständliche und soziale Umwelt gäbe es demnach auch keine Entwicklung. Mit diesem Standpunkt wendet sich Piaget aber auch deutlich von dem der Empiristen (v.a. Locke und Hume) ab, die die kognitiven Strukturen des Individuums als ein Abbild der in der äußeren Welt wahrgenommenen Strukturen beschrieben haben. Nach Piaget ist es nämlich das Individuum selbst, das seine kognitive Struktur von innen heraus selbst konstruiert, indem inadäquate Vorstellungen von den Dingen ständig durch neue, stimmigere ersetzt werden. Dies macht den oft sogenannten Konstruktivismus im Werk Piagets aus.
Ein guter Experimentator muß zwei unverträgliche Eigenschaften in sich vereinigen: er muß beobachten, das Kind sprechen lassen können, er darf den Redefluß nicht bremsen, nicht in die falsche Richtung bringen, und er muß gleichzeitig ein Sensorium dafür haben, etwas Genaues herauszuholen.
Piaget: Das Weltbild des Kindes, 1978, S. 19.Es steckt oft mehr Geist und Scharfsinn in einem Irrtum als in einer Entdeckung.
Joseph Joubert
Nach Piaget löst sich das Denken von Geburt an zunehmend von der sinnlichen Wahrnehmung und schreitet zu immer differenzierteren Lösungsformen auf abstrakt-begrifflicher Grundlage fort. Er kommt zu dem allgemeinen Ergebnis, dass die von ihm bei den Kindern analysierten logischen Strukturen konstruiert, d.h., vom Kind selber entwickelt werden und zu ihrer Ausformung (zumindest im westlichen Kulturkreis) ein gutes Dutzend Jahre brauchen. In der empirischen und qualitativen Untersuchung des kindlichen Denkens (vor allem bei seinen drei eigenen Kindern) erweist sich Piaget als ungeheuer einfallsreich, kindgemäß und alltagsnah, so vor allem in seinen eigens dafür entwickelten Beobachtungsmethoden (strukturierte Exploration, doppelte Perspektive, klinische Methode). Kritisch wird von manchen seine Konzentration auf vorwiegend logisch-kognitive Aspekte der kindlichen Denkentwicklung gesehen, die damit umschrieben werden könnte, dass er sich auf die Frage konzentriert: "Wie kommt die Logik in die Köpfe der Kinder hinein?" Innerhalb seines Modells bleiben emotionale und soziale Faktoren ausgeklammert, die bei der Denk- und Intelligenzentwicklung aber ebenfalls von Bedeutung sind. Diese Schwerpunktsetzung kommt vermutlich daher, dass er letztlich an fundamentalen wissenschaftstheoretischen Fragestellungen interessiert war, etwa daran, wie der Mensch bzw. vordringlich das Kind (als Wissenschaftler) überhaupt zu Wissen und Erkenntnissen gelangen kann. Piaget vertritt als Anhänger des französischen methodischen Strukturalismus damit die europäische Denktradition, die an der Erforschung von Strukturen des menschlichen und insbesondere des wissenschaftlichen Denkens interessiert ist.
Abgrenzung gegenüber Widerspiegelungstheorien
Piaget weist alle Theorien zurück, die Entwicklung ausschließlich als empirisches Lernen, als direkte Widerspiegelung der Außenwelt interpretieren. Gerade die Unterscheidung von Entwicklungsstufen zeigt, dass je nach den aufgebauten Erkenntnisinstrumenten Unterschiedliches erfahren wird und erfahren werden kann. Der Beitrag des erkennenden Menschen und seiner Erkenntniskompetenzen (wir sprechen heute meist nicht von Erkenntnis, sondern von Informationsverarbeitung) darf nicht übersehen werden.
Mit dem Konzept der Äquilibration hebt Piaget seine Theorie von den Widerspiegelungstheorien (Locke, Hume, Mill) ab. Nicht Abbildung, sondern Konstruktion ist die Idee im Konzept der Äquilibration. Die Konstruktion kann durch Erfahrungen, Wort Bild oder Beispiele beeinflußt oder angeregt sein, sie ist aber nicht empirisches Lernen, sondern eine neue Strukturierung und Organisation, ob kreativ und selbständig entdeckt oder nur nachvollzogen.
Siehe dazu die grafische Darstellung des Modells auf der Eingangsseite und Der erkenntnistheoretische Ansatz Piagets
Einige häufige Mißverständnisse der Theorien Piagets
Wie kaum ein anderer, hat Hans Aebli versucht, Piagets Entwicklungspsychologie für didaktische Konzepte zu nutzen und eine sogenannte operative Methode zu konzipieren. Durch ihn wurde vor allem im deutschsprachigen Raum das Mißverständnis verbreitet, dass es sich bei Piagets kognitiver Entwicklungstheorie um ein direkt umsetzbares pädagogisches Konzept handelt.
Aber es ist auch ein Mißverständnis, wenn man Piaget ausschließlich als Entwicklungspsychologen versteht, der eine Reifungstheorie vertritt, die ein für allemal festlegt, wie das Aufwachsen des Kindes vor sich geht. Piagets Anliegen ist immer Erkenntnistheorie (Epistemologie) gewesen und seine genetische Entwicklungspsychologie steht allein in deren Diensten bzw. hat sich daraus ergeben. Piaget ist also mehr Wissenschaftstheoretiker als Psychologe und was er vorgelegt hat, ist der Versuch einer Antwort auf die Frage, wie Menschen zu höherer, theoretischer, wissenschaftlicher Erkenntnis kommen. Piaget entwarf theoretische Modelle der kognitiven Entwicklung und wollte sie durch empirische Tatsachen stützen. Seine empirische Forschung hatte daher nie die Aufgabe, die kognitive Entwicklung allein zu untersuchen, sondern ist stets erkenntnistheoretisch motiviert, also konstruktiv und deduktiv. Piagets Bedeutung für die Pädagogik liegt also nicht in seiner konkreten Entwicklungspsychologie, sondern in dem Aufweis des Zusammenhanges von Handeln und individueller Genese.
Es ist das Verdienst Piagets, darauf hingewiesen zu haben, dass im Laufe der menschlichen Entwicklung die Wirklichkeit durch unterschiedliche Schemata geordnet wird. Er ging aber davon aus, dass sich einzelne Begriffe, etwa der Begriff der Mengenkonstanz, isoliert untersuchen lassen. So kam er zu dem Ergebnis, dass sich die Intelligenz streng hierarchisch in Stufen entwickelt. Verzichtet man bei solchen Aufgaben aber auf die willkürliche Isolation einzelner Fähigkeiten, dann ergibt sich ein etwas anderes Bild von der Dynamik der Intelligenz. Zur Bewältigung einer alltäglichen Situation werden immer verschiedene Fähigkeiten gleichzeitig gefordert und schon kleine Kinder kombinieren mehrere Elemente einer Beobachtung miteinander, d.h., sie können also durchaus operativ verfahren. Sie gewichten allerdings die verschiedenen Informationen anders und verknüpfen sie nach anderen Regeln als Erwachsene
Man sollte sich also von der Vorstellung lösen, dass ein Individuum die Fähigkeiten eines einmal erworbenen Denkniveaus konsequent und in allen Situationen und Problemen anwendet. Jedes individuelle kognitive System (Schema) ist mehr oder minder beschränkt auf die Situationen, in denen es erlernt wurde und auf die Elemente und ihre Beziehungen, die es strukturiert. Besonders formale Denkoperationen entstehen bei jedem Individuum in seiner Auseinandersetzung mit spezifischen Problemen, sind also die Konsequenz seiner einmaligen und individuellen Lebensgeschichte. Die Aktualisierung unterschiedlich differenzierter und integrierter Struktursysteme hängt selbst wieder mit der Bereichsspezifität der einzelnen Systeme und ihrer Bindung an spezifische, situative und motivationale Faktoren und Bedingungen zusammen.
Bekanntlich hat sich Piaget wenig für die Veränderungen der Schemata der Intelligenz bei Erwachsenen interessiert. Die Entwicklung der Intelligenz vollzieht sich eher nicht in streng hierarchisch aufeinanderfolgenden Stufen, sondern durch eine kontinuierliche Ausweitung und Verzahnung mit anderen Fähigkeiten. In den meisten Situationen sind sensomotorische, kognitive und soziale Intelligenz, Gefühle, Werte und Ziele gleichzeitig gefordert. Piaget hat immer wieder deutlich gemacht, dass die kognitive Entwicklung ohne den Einfluß der sozialen Interaktion nicht verständlich ist. Ohne soziale Beziehungen würde das Individuum die verschiedenen Formen seines Egozentrismus nicht überwinden können. Trotzdem kann nicht übersehen werden, dass Piaget die konkrete Analyse sozialer Einflüsse vernachlässigt hat. Damit hat er dem Mißverständnis, seine Theorie sei eine Reifungstheorie, Vorschub geleistet.
Piaget hat die Meinung vertreten, dass die physische wie die soziale Umwelt immer nur Anlaß für Entwicklung sein können, nie deren Ursache. Die Bedeutung der sozialen Umwelt für die kognitive Entwicklung liegt genau darin, dass sie dem Individuum ein Ziel vorgibt und einen Rahmen schafft, innerhalb dessen es dieses Ziel erreichen kann. Das Ziel ist das naturwissenschaftliche Denken, der Rahmen sind die pädagogischen Stützsysteme, die dem Individuum helfen, sich auf das Ziel hin zu bewegen.
In Piagets Darstellung wird der Mensch vor allem als einseitiges kognitives Erkenntnissubjekt gesehen, das in den Interaktionen seine kognitiven Strukturen entwickelt. Es wird nicht wahrgenommen, dass Kinder von Anfang an in der Gestaltung gemeinsamer Lebenswirklichkeiten ihre eigenen Lebensformen gestalten und dass dabei Kognition nicht als eigene Struktur isolierbar ist, die von dem übrigen leiblichen Handeln und Sein abtrennbar wäre. Es kann danach nicht um eine mehr oder weniger normale Entwicklung von kognitiven oder anderen Fähigkeitsstrukturen gehen, sondern immer nur um Befähigungen für Lebenssituationen, in ihnen und um ihre Erweiterungen.
Piaget hat auch ein anderes Verständnis menschlicher Subjektivität, denn das Subjekt ist zu Beginn der Entwicklung nicht mehr als ein Zentrum des Funktionierens. Seine kognitiven Strukturen sind unlösbar mit und in den Tätigkeiten des Subjekts verknüpft. Er geht davon aus, dass ein neugeborener Mensch als leiblich-organismisches Subjekt beginnt und erst später durch Erfahrung und Entwicklung seine weiteren kognitiven Möglichkeiten gewinnt. Piaget kommt zu der Ansicht, dass jeder Mensch sein Leben selbst durch Aktivität verwirklichen muß, d.h., er konstruiert seine Erkenntnis durch sein Handeln und somit ist jede Erkenntnis subjektive Konstruktion.
Siehe dazu das Konstruktivistische Menschenmodell
Bruners Theorie der kognitiven Entwicklung
Bruner (1966) entwickelte ebenfalls ein Modell der kognitiven Entwicklung und geht dabei von folgenden Prämissen aus:
- Das Verhalten des Kindes wird immer weniger von Außenreizen abhängig; im Zusammenhang mit dem Spracherwerb stellt ein innerer Vermittlungsprozeß die Beziehung zwischen Reiz und Reizantwortverhalten her.
- Voraussetzung der kognitiven Entwicklung ist ein inneres Speicherungs- und Informationsverarbeitungssystem; die Welt wird in einem Symbolsystem repräsentiert, das über unmittelbare Sinneseindrücke und Erfahrungen hinausgeht.
- Die sich entwickelnde Fähigkeit zur Selbstbewußtheit beruht auf der Fähigkeit, vergangene und zukünftige Aktionen zu beschreiben.
- Für die kognitive Entwicklung sind systematische Interaktionen zwischen einem Betreuer und dem Lernenden notwendig.
Sprache ist nach Bruner der Schlüssel zur kognitiven Entwicklung, da sie eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Ereignissen der Welt herstellen kann. Mit zunehmender kognitiver Entwicklung kann man mit mehreren Alternativen simultan umgehen, gleichzeitig mehrere Handlungen durchführen und die Aufmerksamkeit nacheinander verschiedenen Situationen widmen.
>Die Entwicklung erfolgt nach Bruner in drei Stufen, wobei mit zunehmenden Alter und mit zunehmender Erfahrung das symbolische System die Vorherrschaft gewinnt, die anderen Systeme aber weiterhin verwendet werden:
- Enaktive Stufe (Das Kind begreift seine Umwelt über den handelnden Umgang mit ihr);
- Ikonische Stufe (Bildhafte Vorstellungen sind der Informationsträger; das Kind ist Gefangener seiner Wahrnehmungen) und
- Symbolische Stufe (Symbolsysteme ersetzen das Handeln ohne Denken und das an die Wahrnehmung gebundene Verständnis; Sprache, Logik und Mathematik spielen nun eine Rolle
Kleiner Exkurs:
Implikationen der Theorien Piagets und Bruners für den Unterricht
- Kinder sind, was ihre Denkprozesse betrifft, nicht nur kleine Erwachsene; deshalb ist vom Lehrer intellektuelle Einfühlung gefordert.
- Kinder lernen (besonders in der Vor- und Grundschule) besonders gut, wenn sie mit konkreten Objekten, Materialien und Phänomenen umgehen. Entdeckendes Lernen ist erfolgsversprechend.
- Der Unterricht sollte mit einem Stadium des "Herumprobierens" beginnen, so dass sich enaktive Repräsentationen bilden können. Dann sollte die Wahrnehmungsgenauigkeit (Einsatz von AV-Medien) gefördert werden, so dass eine ikonische Repräsentation gebildet wird. Dann kann die verbale Stufe, die eine symbolische Repräsentation bewirken soll, eingesetzt werden.
- Neue Erfahrungen sollten so dargestellt werden, dass sie bis zu einem gewissen Grad in das eingeordnet werden können, das die Kinder schon kennen.
- Die Kinder sollten die Geschwindigkeit, in der sie lernen, selbst bestimmen können (selbstständiges Strukturieren des Wissens; individualisierter Unterricht).
- Die Interaktion mit anderen Menschen ist nicht nur affektiv, sondern auch kognitiv wichtig; soziale Interaktionen zwingen dazu, sich mit den Standpunkten anderer Menschen auseinander zu setzen.
- Aufgaben, wie sie Piaget verwendete, können dazu eingesetzt werden, die kognitiven Strategien der Kinder zu erkennen. Insbesondere, wenn sie Fehler machen, lassen sich wertvolle Informationen gewinnen.
Das Kind - ein kleiner Wissenschaftler?
Die Forschungen zur kognitiven Entwicklung legen die Ansicht nahe, "dass unser Wissen von der Welt auf einem konstruierten Modell der Wirklichkeit beruht". Nach dieser Auffassung entwickelt der Mensch aus den Interaktionen mit der Umwelt Vorstellungen über die Welt, die er mit den nachfolgenden Erfahrungen immer wieder abstimmen muß. Lernen besteht demnach nicht in der Anhäufung irgendwelcher Informationen, sondern in der Einverleibung von Informationen in das vorhandene Wirklichkeitsmodell (Assimilation) oder der Anpassung des Modells an eventuell widersprechende Informationen (Akkommodation).
Mit anderen Worten: Lernen ist zunächst und vor allem ein selbst organisierter Prozeß, bei dem Wissen interaktiv in Form innerer Repräsentationen der Welt gebildet wird. Tatsächlich ist in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen worden, dass Kinder sich schon frühzeitig "Theorien" über die Welt bilden. "Im Alter von fünf oder sechs Jahren haben die Kinder einen robusten Sinn für drei überlappende Bereiche ausgebildet. In der Welt der physikalischen Objekte haben sie sich eine Theorie der Materie zurechtgebastelt; in der Welt der lebenden Organismen haben sie eine Theorie des Lebens entwickelt; und in der Welt der Menschen haben sie eine Theorie des Denkens entworfen, in der eine Theorie des Selbst enthalten ist."
Das Bild vom Kind als kleinem Forscher, der seine Theorien durch verschiedenste Aktionen testet, liegt da natürlich nahe. Dieses Bild ist jedoch in zweierlei Hinsicht schief:
- Zum einen sind Kinder keine distanzierten Forscher. Die zunächst rätselhafte Umwelt zu begreifen ist für sie lebensnotwendig, so dass sie sich mit ihrer ganzen Person einsetzen und selbst schmerzhafte Erfahrungen riskieren.
- Zum andern stimmt das Bild insofern nicht, als Begriffe wie "Forscher" und "Theorie" bewußte und reflektierte Vorgänge nahelegen, die intuitiven Theorien des Kindes aber in der Regel sprachlich nicht verfügbar sind.
Ein Ergebnis der Forschungen der frühen Kindheit ist gerade, dass die "Repräsentationen" beim Menschen von bewußten Ansichten über intuitive Verständnisse bis zu Verkörperungen des Wissens in Handlungskompetenzen reichen können. Gerade auf Grund ihrer unreflektierten Selbstverständlichkeit sind die intuitiven "Theorien" der frühen Jahre teilweise so robust, dass sie selbst beim späteren Erwachsenen durch widersprechende wissenschaftliche Erkenntnisse kaum erschüttert werden können.
Zusammengefaßt nach:
Piaget, J. (1980). Psychologie der Intelligenz. Stuttgart: Klett-Cotta.
Weitere Quellen:
http://www.stud.uni-wuppertal.de/~ya0023/hotlist.htm (98-09-23)
http://bidok.uibk.ac.at/bhp/bhp2-98-piaget.html (99-09-21)
http://www.hausarbeiten.de/archiv/psychologie/psycho-piaget2.shtml (01-02-28)
http://www.dji.de/6_leblern/projektheft2.pdf (00-10-08)
Gage, N.L. & Berliner, D.C. (1986). Einführung in die Pädagogische Psychologie. Weinheim und München: Psychologische Verlags Union, Beltz.
Catenhusen, Markus (2000). Die kognitive Entwicklung nach Piaget.
Glasersfeld, Ernst von (1987). Wissen, Sprache und Wirklichkeit. Braunschweig: Vieweg
Bild:
http://www.knill.com/Salmenfee/Piaget/piaget.jpg
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