[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Grenzen der Kindererziehung *)

Wie viele Kinder werden auf eine Art und Weise erzogen,
dass sie denken könnten, ihr Name sei "Nein"?

 

Literatur

 

Binser Martin J. & Försterling, Friedrich (2004). Paradoxe Auswirkungen von Lob und Tadel: Personale und situative Moderatoren. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 182-189.

Brezinka, W. (1984). Erziehungsziele in der Gegenwart. Problematik und Aufgaben für Familien und Schulen. Pädagogische Rundschau, 38. Jahrgang, Heft 6,  713-740.

Brezinka, Wolfgang (1995). Erziehungsziele, Erziehungsmittel, Erziehungserfolg. München: Reinhardt.

Bumsenberger, Karin (2001). Merkmale und Struktur elterlichen Erziehungsverhaltens. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität Linz: PPP der jku.

Domke, H (1991). Erziehungsmethoden. Aspekte und Formen des Methodischen in der Erziehung. In E. Weber (Hrsg.), Pädagogik. Eine Einführung. Band 2. Donauwörth: Auer.

Erlinghagen, K (1973). Autorität und Antiautorität. Erziehung zwischen Bindung und Emanzipation. Heidelberg: Quelle & Meyer.

Fink, E.-H (1975). Erziehung zur Leistungsmotivation. In H. Lukesch (Hrsg.), Aus­wirkungen elterlicher Erziehungsstile (S. 40-50). Göttingen - Toronto - Zürich: Hogrefe.

Heckhausen, H (1970). Einflüsse der Erziehung auf die Motivationsgenese. In T. Herrmann (Hrsg.), Psychologie der Erziehungsstile (S. 131-170). Göttingen: Hogrefe.

Kornadt, H.-J (1970). Kommentar: Einflüsse der Erziehung auf die Aggressivitätsgenese. In T. Herrmann (Hrsg.), Psychologie der Erziehungsstile (S. 131-170). Göttingen: Hogrefe.

Seitz, W (1975). Erziehungshintergrund jugendlicher Delinquenz. In H. Lukesch (Hrsg.), Auswirkungen elterlicher Erziehungsstile (S. 111-130). Göttingen - Toronto - Zürich: Hogrefe.

Stapf, A (1980). Auswirkungen des elterlichen Erziehungsstils auf kognitive Merkmale des Erzogenen. In T. Herrmann & K.-A. Schneewind (Hrsg.), Erziehungsstilforschung. Theorien, Methoden und Anwendungen der Psychologie elterlichen Erziehungsverhaltens (S 89-121). Bern - Stuttgart - Wien: Verlag Hans Huber.

Tausch, R. & Tausch, A.-M (1991). Erziehungspsychologie. Begegnung von Person zu Person. 10., ergänzte und überarbeitete Auflage. Göttingen - Toronto - Zürich: Hogrefe - Verlag für Psychologie.

Zauner, M (1995). Erziehung im Spannungsfeld von Autorität und Freiheit. Diplomarbeit am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Johannes Kepler Universität Linz.

Oberösterreichische Nachrichten vom 25.03.2008

Siehe auch
Geschichte der Kindererziehung - Erziehung und Kultur
Wertewandel in der Kindererziehung - Neuere Entwicklungen in der Kindererziehung
Auswirkungen von Schichtunterschieden auf die Erziehung - Mögliche Ursachen dieser Unterschiede
Erziehungsstile - Begriffsbestimmung und Begriffsabgrenzungen
Praktische Tipps zur Kindererziehung

Die Frage nach den Grenzen der Erziehung erweist sich bei genauerer Prüfung als Frage nach den möglichen Ursachen für Misserfolge der Erziehung. Erfolg und Misserfolg von Handlungen werden gemessen an ihrem Zweck, d.h. an dem Zustand, den zu verwirklichen man sich vorgenommen hat. Je komplexer eine bezweckte Persönlichkeitsverfassung ist, von desto mehr Bedingungen hängt sie ab. Bestenfalls ein Teil dieser Bedingungen kann vom Erzieher hergestellt werden. Welche Möglichkeiten Eltern haben, hängt vom Kind, von der Situation und von ihnen selbst ab. Die Menge der möglichen Ursachen für Mißerfolge der Erziehung ist unübersehbar groß (vgl. Brezinka 1995, S. 291).

Zum methodischen Vorgehen gehört das Kennen von Grenzen. Dass Erziehung Grenzen hat, ist selbstverständlich. Empirische Grenzen, d.h. Grenzen, die die Wirklichkeit dem methodischen Handeln setzt, lassen sich erstens lokalisieren in den Adressaten der Erziehung, zweitens in den Erziehern selbst sowie drittens im Umfeld, in welchem beide leben (vgl. Domke 1991, S. 23)

Beim Adressaten der Erziehung setzt zunächst die Natur durch die Ausstattung mit unterschiedlichen Erbanlagen ihre Grenzen. Diese weit oder eng gesteckten Grenzen können u. a. durch Erziehung noch verändert, erweitert, nicht aber überwunden werden. Empirische Grenzen beim Adressaten der Erziehung werden aber noch auf andere Weise spürbar. Mit zunehmendem Alter entwickeln sich Wille und Fähigkeit zur Selbstbestimmung und zum Widerstand gegen fremde Beeinflussungsversuche. Für Eltern ist es verständlicherweise oft schwer, wenn ihre eigenen pädagogischen Bemühungen abgewehrt und abgelehnt werden.

Grenzen der Erziehung liegen auch in den Fähigkeiten der Erzieher. Überforderungen treten z.B. auf, wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr verstehen oder ihre eigenen Probleme nicht verständlich machen können, wenn sie irgend etwas nur unvollständig oder überhaupt nicht erklären können, wenn sie unsicher und aggressiv werden usw.. Da in unserer Gesellschaft wichtige Erziehungsaufgaben von ganz verschiedenen Instanzen wahrgenommen werden, prallen oft auch gegensätzliche Erziehungskonzepte aufeinander. Zu solchen Gegensätzen kann es zwischen Eltern, Großeltern, Kindergarten und Schule kommen, aber auch zwischen Elternteilen. Widersprüchliche Erziehung relativiert und begrenzt sich selbst, führt zu Verunsicherung und zu Konflikten unter allen Beteiligten.

Erziehung hat es aber vor allem mit einer starken Konkurrenz von Einflüssen aus einer komplexen Umwelt zu tun, der Kinder täglich ausgesetzt sind, in der sie Unerwünschtes durch Nachahmung und Übung, Erfolg und Mißerfolg lernen. Modernen Massenmedien und der schlechten Gesellschaft" von Gleichaltrigen wird dabei große Bedeutung beigemessen, ebenso können materielle Schwierigkeiten, schlechte Wohnverhältnisse, Krankheit, beruflicher Streß, Zeitmangel u. a. erzieherische Bemühungen begrenzen (vgl. Domke 1991, S. 23 f).

Viel wichtiger als die empirischen Grenzen der Erziehung ist die Frage nach der moralischen Begrenzung der Erziehung. Unter moralischer Begrenzung der Erziehung versteht man, die Möglichkeiten schlechte Erziehung die den Betroffenen schadet zu verhindern (vgl. Brezinka 1995, S. 291).

Außerdem stehen Erzieher oft vor dem moralischen Problem, daß sie nicht sollen oder dürfen, was sie vielleicht könnten oder möchten. Hier handelt es sich um ethische Grenzen: Sind die Mittel oder Methoden zu rechtfertigen, mit deren Hilfe ein bestimmtes Ziel erreicht werden könnte? Ist es unter bestimmten Umständen verantwortbar, Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen? Oder sie angstfrei zu lassen, wenn wirkliche Gefahren drohen? (vgl. Domke 1991, S. 24 f).

Eltern können ihre Kinder nicht vor allen Problemen wie Alkohol, Geschwindigkeitsrausch, Sex, illegale Drogen bewahren, sie können sie nur begleiten und stärken. Eltern müssen ihnen Kompetenzen in die Hand geben, um mit all den Versuchungen des Lebens umgehen zu können. Das ist oft unbequem und bedeutet auch Streiten, Auseinandersetzen, Versöhnen, denn nur dadurch können sich Kinder weiterentwickeln. Dazu gehört auch das Scheitern, denn Veränderung passiert meist nur im individuellen Scheitern. Zwar bleiben Kinder immer mit einer Art unsichtbaren Nabelschnur mit ihren Eltern verbunden, doch allein die Eltern sind in der Lage, diese Schnur immer wieder um ein Stück zu verlängern und ihren Kindern damit mehr Freiheiten zu lassen. Neben Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und liebevollem Umgang sollten Eltern es den Kindern auch ermöglichen, möglichst viele Seiten an sich kennenzulernen, denn nur wer viele Seiten an sich kennt, ist in der Lage, spätere Krisen zu überstehen.

Erziehe dich selbst,
bevor du Kinder zu erziehen trachtest.
Janusz Korczak

Auswirkungen des elterlichen Erziehungsstils auf den Zögling

Für die allgemeine und intellektuelle Entwicklung des Kindes sind elterliche Erziehungsziele und einstellungen und die entsprechenden erzieherischen Verhaltensweisen bedeutsame Determinanten (vgl. Darpe, Darpe & Schneewind 1975, S. 63)

Die vier Dimensionen in zwischenmenschlichen Beziehungen

beeinträchtigend

förderlich

Mißachtung Kälte Härte

Achtung Wärme Rücksichtnahme

Kein einfühlendes Verstehen

Vollständiges einfühlendes Verstehen

Fassadenhaftigkeit Nichtübereinstimmung Unechtheit

Echtheit Übereinstimmung Aufrichtigkeit

Keine fördernden nichtdirigierenden Tätigkeiten

Viele fördernde nichtdirigierende Tätigkeiten

(vgl. Tausch & Tausch 1991, S. 100)

Erwachsene dirigieren Kinder und Jugendliche noch häufig durch eine Vielzahl von Befehlen, Anordnungen, Fragen sowie durch häufiges Reden. Häufige starke DirigierungsLenkung hat ungünstige Auswirkungen auf das Lernen von Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, sozialer Ordnung. Außerdem beeinträchtigt es den sozial verantwortlichen Gebrauch der persönlichen Freiheit, verhindert Kreativität und Originalität (vgl. Tausch & Tausch 1991, S. 332).

Bei der autoritären Erziehung bildet sich ein "eher externalisiertes Gewissen", das heißt ein Gewissen, das in Gegenwart einer Autoritätsperson auf die Erfüllung von Normen stärker anspricht als in deren Abwesenheit, während bei den mit weniger Autorität erzogenen Kindern ein besser internalisiertes Gewissen festgestellt wurde, das auch in der Abwesenheit von Autoritäten relativ sicher wirkt (vgl. Erlinghagen 1973, S. 100).

Ein strenger Erziehungsstil unterdrückt die Fähigkeit zur Selbstdarstellung und damit sind die Voraussetzungen für ein selbständiges Verhalten nicht gegeben. D.h. eine strenge Erziehung führt zum unselbständigen Verhalten des Kindes. Ein unterstützender Erziehungsstil, bei dem die Kinder eher ermutigt werden eigene Bedürfnisse und die persönliche Sicht der Dinge in die jeweilige Interaktionssituationen einzubringen und bei dem sich die Eltern meist bemühen, sich in die Situation der Kinder hineinzuversetzen, führt zur Selbständigkeit des Kindes. Aber eine zu stark unterstützende Erziehung, bei der die Eltern bemüht sind, den Kindern alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, kann zur Folge haben, daß solche Kinder nicht gewohnt sind, Konflikte durchzustehen und sich auch einmal gegen jemand durchzusetzen, und sich deshalb im außerfamilialen Lebensbereich recht unselbständig verhalten.

Verbale Fähigkeiten werden gefördert, wenn die Mutter einen engen Dauerkontakt zum Kinde hält, im hilft, es zur Leistungsverbesserung antreibt, es zur Vorsicht anhält und es davon abhält, unabhängig mit Gegenständen zu experimentieren. Demgegenüber werden nichtverbale Fähigkeiten (räumliches Vorstellungsvermögen und Zahlenrechnen) eher durch Mütter gefördert, die das Kind nicht so stark und so andauernd kontrollieren, sondern ihm viel freien Spielraum gewähren, um auf sich selbst gestellt mit Gegenständen zu experimentieren. Ein mehr gewährenlassender Erziehungsstil fördert außerdem die Kreativität von hochbegabten Kindern (vgl. Heckhausen 1970, S. 162).

In ihrer Auswirkung auf das kognitive Verhalten sind von den Motivationstechniken bisher Lob und Tadel am gründlichsten erforscht worden. Ihre Wirkung hängt jedoch weitgehend von der sozialen Situation und vom emotionalen Klima ab. Es gilt als bewiesen, daß sich Lob leistungssteigernd und Tadel leistungshemmend auf Kinder auswirkt (vgl. Brezinka 1995, S. 204).

Die Leistungsmotivation und deren Förderung durch spezifisches Elternverhalten steht nach Meinung vieler Autoren und deren Ergebnissen in unmittelbarem Zusammenhang mit den kognitiven Fähigkeiten des Kindes (vgl. Stapf 1980, S. 171). In Kulturen mit strengen Erziehungspraktiken korrelieren strafende Sanktionen für ungenügende Leistungen mit Leistungssteigerung (vgl. Heckhausen 1970, S. 149). Bei uns führt elterliche Unterstützung, bei gleichzeitigem Fehlen elterlichen Machtdrucks, zu Leistungsmotivation. Unterstützende, liebevolle Erziehung produziert beim Kind Gebotsorientierung. D.h. die Kinder unternehmen aktiv aufsuchend allerlei, was von Eltern positiv aufgenommen und bekräftigt wird (vgl. Fink 1975, S. 41ff). Für die Leistungsmotivation ist das Erziehungsziel "Selbständigkeit" von Bedeutung, man muß jedoch darauf achten, diese Selbständigkeitsforderung nicht verfrüht an das Kind zu stellen.

Außerdem erhöht eine leistungsthematische Vorbildwirkung der Eltern (Nachahmungslernen) in einer liebevollen Eltern-Kind-Beziehung die Leistungsmotivation des Kindes. Diese anlehnende Identifikation entwickelt sich aus der völligen Abhängigkeit des Kindes von der nährenden, liebevoll sorgenden und schützenden Pflegeperson. Es gibt laut Anna Freud auch eine "Identifikation mit den Angreifer", diese wurde jedoch in bezug auf die Motivationsgenese bislang wenig untersucht. Als bewiesen gilt, daß Kinder mit freundlichen Vorbildern die Verhaltensweisen des Erwachsenen viel häufiger übernehmen als Kinder mit abweisenden Vorbildern (vgl. Heckhausen 1970, S. 154 f).

Bei der Aggressivität haben wir es mit einem Motiv zu tun, das immerfort entsteht, obwohl es in unserer Kultur ziemlich unerwünscht ist. Man hofft, durch Erziehungsmethoden die Entstehung vor allem von asozialer und krimineller Aggressivität verhindern bzw. bereits vorhandene Aggressivität wieder abbauen zu können, möchte dabei aber die Fähigkeit zur Selbstdurchsetzung erhalten und zugleich verhindern, daß Aggressivität nur im normalen Verhalten gering, "eigentlich" aber doch hoch ist und sich in gelegentlichen Explosionen, inneren Spannungen oder psychosomatischen Störungen zeigt oder in der Wahl der Erziehungsmethoden (vgl. Kornadt 1970, S. 170 f)

Beim gleichgültigen Erziehungsstil, bei dem keine Forderungen an das Kind gestellt werden und gleichzeitig die Eltern dem Kind keinen emotionalen Rückhalt geben und beim paradoxen Erziehungsstil, bei dem Forderungen ohne emotionalen Rückhalt an das Kind gestellt werden, steigt die Zahl innerfamilialer Konflikte deutlich an. Der paradoxe Erziehungsstil ist darüber hinaus  wesentlich an der Genese selbstschädigender Verhaltensweisen beteiligt. Bei beiden Erziehungsstilen steigt die Gewalttätigkeit stark an. Zur Prävention von Gewalt ist ein Erziehungsstil angebracht, bei dem die Eltern konsistente, klare Forderungen im Hinblick auf Regeleinhaltung stellen und mit Strenge durchsetzen, während sie gleichzeitig die notwendige emotionale Unterstützung für ihre Kinder bieten und ihnen in ihrer Beziehung untereinander ein demokratisches Modell vorleben (vgl. Peucker 1999, S. 140 f).

Die Aggression der Kinder wird in erster Linie durch aggressive und Aggression tolerierende Eltern begünstigt. Aggressivstrafendes Elternverhalten, elterliche Kontrolle (die Angst auslöst), fehlende Unterstützung, fehlende liebevolle Zuwendung und fehlende akzeptierende Wertschätzung und  Aufbau von Skepsis  führen zu Aggression beim Kind (vgl. Seitz 1975, S. 122 f).

Erziehungsstile, die aggressionsfördernd wirken können, weisen einen hohen Grad an Inkonsistenz, emotionaler Kälte, Gleichgültigkeit oder Anforderungslosigkeit auf. Ebenfalls aggressionsfördernd sind Erziehungsstile, die auf Konfliktvermeidung abzielen, da das Erlernen von Konfliktlösungen und das Eingehen von Kompromissen einen wichtigen Erziehungsauftrag darstellen. In jeder Gesellschaft wird es Konfrontationen geben. Damit diese nicht durch Aggressionen gelöst werden, bedarf es eines frühen Lernprozeßes bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Zauner 1995, S. 125 f).

Ein Motiv für Aggression scheint, das Bedürfnis nach Geborgenheit und Abhängigkeit zu sein. Aus zahlreichen Untersuchungen geht hervor, daß sich besonders starke Aggressivität entwickelt, wenn dieses Bedürfnis zwar aufgebaut, aber nicht erfüllt wurde, denn dadurch wird nur Frustration aufgebaut. Aggressivitätsfördernd ist daher ein Erziehungsverhalten, welches dieses frühkindlich ausgebildete Bedürfnis nach Geborgenheit und Abhängigkeit frustriert, wie z.B. Kälte und abweisende Einstellung der Eltern dem Kind gegenüber, mangelnde emotionale Stabilität und Selbstvertrauen der Eltern, bestimmte Geschwisterkonstellationen, mangelnde Zuwendung und Anerkennung, geringe gegenseitige Achtung der Eltern, Isolation, ... . Laufende starke AnhänglichkeitsFrustrierung kann auch zu geringer Identifikation führen, von der die Übernahme von Werten abhängt und die Ausbildung von AggressionsHemmungsMotiven. Aus dem Bedürfnis nach Geborgenheit und Abhängigkeit leiten sich wiederum die wichtigsten AggressionsHemmungsMotive ab (vgl. Kornadt 1970, S. 172 ff).

Man darf den Anstieg von Aggression bei Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahren nicht nur unter dem Aspekt der Erziehung sehen, sondern muß auch auf andere aggressionsfördernde Einflüsse bezug nehmen. Wie z.B. die neuen Medien (Computer, Videos, ...), die die Unterscheidung von Fiktivem und Realem zusehens verwischen und wodurch sich die Hemmschwelle bei Kindern und Jugendlichen gegenüber Gewalt vermindert. Außerdem besteht bei einem Überangebot an medialen Möglichkeiten die Gefahr, daß die Kinder in einer passiven Umgebung jeden Bezug zu Bewegung verlieren. Der therapeutische Effekt von aktiver Bewegung, nämlich der Abbau von Spannungen und auch Aggressionen fällt dadurch weg. Die Forderung nach Aktivität sollte daher im Erziehungsfeld stärker berücksichtigt werden (vgl. Zauner 1995, S. 119 f).

Unter Delinquenz versteht man die Tendenz, mit den geltenden Normen des Strafgesetzes in Konflikt zu geraten und zwar als Folge von Devianz, d.h. von abweichendem, sozial mißbilligendem Verhalten, das als solches nicht unbedingt in einem Strafgesetz erfaßt sein muß. Inkonsistenz innerhalb ein und desselben Elternteils, aber auch Inkonsistenz zwischen beiden Elternteilen fördert die delinquente und neurotische Entwicklung von Kindern (vgl. Seitz 1975, S. 111).

Die Eltern straffälliger Jugendlicher waren gemäß zahlreicher Untersuchungen häufiger abweisend, kalt und geringschätzend gegenüber ihren Kindern als Eltern nichtstraffälliger Jugendlicher. Straffälligkeit von Jugendlichen wird wahrscheinlich durch KälteGeringschätzung der Eltern gegenüber ihren Kindern gefördert (vgl. Tausch & Tausch 1991, S. 154).

Eine Studie zeigte, dass gestresste Eltern nicht nur ihre eigene Gesundheit gefährden, sondern auch die ihrer Kinder. Wie das britische Magazin „New Scientist“ berichtet, leiden Kinder von gestressten Eltern signifikant häufiger unter Krankheiten als andere Kinder. Für die Studie untersuchten Wissenschaftler drei Jahre lang 169 Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren. Die Eltern mussten in diesem Zeitraum regelmäßig über Erkrankungen der Mädchen und Buben berichten und deren Körpertemperatur messen. Alle sechs Monate nahmen die Eltern selbst an einem Test teil, der nach Stressfaktoren wie erhöhter Ängstlichkeit und Depression suchte. Mit Hilfe von Blutuntersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Gruppe von Mädchen und Buben von gestresster Eltern eine erhöhte Immunaktivität hatte, was ein Zeichen dafür ist, dass die Körper sich gegen Krankheitserreger wehrten (Oberösterreichische Nachrichten vom 25.3.2008).

Paradoxien bei Lob und Tadel

Lob und Tadel können von den Zielpersonen unterschiedlich aufgefasst werden. Für die Einen ist es ein Zeichen der Sympathie beziehungsweise der Antipathie. Die Anderen nehmen durch Lob und Tadel eine paradoxe Fähigkeitseinschätzung vor. In Hinsicht auf Erfolg gilt bei dieser Einschätzung, dass sich der gelobte Schüler vom Lehrer als unbegabt angesehen fühlt. Der Schüler, der jedoch kaum eine Reaktion zum Erfolg seiner Aufgabe erhält, fühlt sich als vom Lehrer begabt angesehen. Beim Misserfolg führt eine neutrale Reaktion zur Unbegabtheit, wobei ein Tadel signalisiert, dass der betroffene Schüler begabt ist (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 182f). Die paradoxe Fähigkeitseinschätzung kann eingeteile werden in das Bewertungsprinzip und das Kompensationsprinzip. Beim Bewertungsprinzip stehen Lob und Tadel im zusammenhang mit dem Aufwand, der für die Aufgabe benötigt wurde. Das Kompensationsprinzip besagt, dass ein Schüler begabt ist, wenn er einen Erfolg mit geringem Aufwand erzielt. Wenn ein Misserfolg trotz hoher Anstrengung ensteht, wird das auf Unbegabtheit zurückgeführt (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 182f). Doch gibt es Einschänkungen bei dieser paradoxen Fähigkeitseinschätzung. So waren zum Beispiel Kinder im Alter von 8 bis 9 Jahren eher dazu geneigt, eine Schülerin als begabt anzusehen, wenn dieser für Ihren Erfolg gelobt worden ist (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 183). In einem Experiment wurde untersucht, welchen Einfluss subjektive Annahmen auf die Gründe von Lob und Tadel haben. Ausgengangen wurde davon, dass sich einige Personen auf die Leistung bezogen, während die Anderen sich auf Sympathie und Antipathie stützten (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 183). Die Probanden mussten sich vorstellen, dass zwei Schüler jeweils eine leichte und jeweils eine schwere Aufgabe machen mussten. Beide Schüler schafften die leichte Übung, woraufhin Schüler 1 vom Lehrer gelobt wurde und Schüler 2 eine neutrale Reaktion bekam. Weiters schaffte keiner der Beiden die schwere Übung, woraufhin Schüler 1 vom Lehrer eine neutrale Reaktion bekam und Schüler 2 getaldet wurde. Die Probanden mussten nun einen Fragebogen ausfüllen mit der offene Frage, was Ihrer Meinung nach der Grund war, dass der Lehrer die beiden Schüler unterschiedlich behandelt hat. Weiters mussten die Probanden auf einer Skala von 1-9 (unbegabt – begabt) angeben, für wie begabt der Lehrer die Schüler einschätzt und auf einer weiteren Skala von 1-9 (unsympathisch – sympathisch) wie sympathisch die Schüler dem Lehrer sind. Bei dem einen Teil der Probanden kam auf dem Fragebogen zürst die Evaluierung der Begabung und danach die der Sympathie, bei dem anderen Teil der Probanden kam die Sympathie vor der Begabung. Die Antworten auf die offenen Fragen wurden klassifiziert in Fähigkeit, Frühere Leistungen, Fähigkeit/Frühere Leistungen und/oder Sympathie, Sympathie und/oder Stimmung des Lehrers und Sonstige. Die Fähigkeit, Fähigkeit/Frühere Leisteungen und/oder Sympathie und Sympathier und/oder Stimmung des Lehrers liegen dabei alle sehr na beeinander, während die Sonstigen leicht mehr und die Früheren Leistungen stark mehr sind. Dadurch zeigt sich, dass die Fähigkeitseinschätzung und die Sympathie ungefähr den gleichen Einfluss auf die unterschiedliche Verhaltensweise des Lehrers hat (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 184f). Weiters zeigte sich, dass die Fähigkeitsdifferenz zwischen den Schülern größer war, wenn zürst nach der Begabung statt nach der Sympathier gefragt wurde (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 185). In einem weiteren Experiment wurden mittels einer Priming-Prozedur eine leistungsthematische bzw. eine soziale Orientierung erstellt und nachfolgend die Fähigkeitsperzeptionen und die Sympathieeinschätzungen erfasst. Zusätzlich wird an Studie 1 angeknüpft, laut der die paradoxe Fähigkeitseinschätzung stärker ist, wenn zuerst nach der Begabung und dann der Sympathie befragt wurde (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 186). Hier gab es zwei Versuchsbedingungen. Beim ersten gab es zwei Bilder, von denen das erste aus der Vogelperspektive einige ältere Schüler, welche an eigenen Schreibtischen arbeiteten (leistungsthematisch orientiertes Bild). Das zweite zeigte einen Jungen von Hinten mit Kind an der einen Hand und einem Blumenstrauß in der Anderen, welche von einer Frau betrachtet wurden (sozial orientiertes Bild) (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 186). Das zweite Experiment hatte das gleiche Versuchsmaterial wie in Experiment 1. Zusätzlich wurde wieder einmal zürst nach Begabung und dann nach Sympathie gefragt und vice versa (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 186). Es zeigte sich, dass der getadelte Schüler als begabter dafür aber auch als nicht so sympathisch herausstellte. Weiters war der Differenzwert der Fähigkeitseinschätzung bei der leistungsthematischen Gruppe höher, als bei der mit dem soziömotional Priming. Auch wie in Studie 1 festgestellt, hatte die Reihenfolge der Begabung und Sympathie Abfragen einen großen Effekt. Der Fähigkeitsunterschied zwischen dem gelobten und dem getadelten Schüler war größer, wenn zürst die Begabung abgefragt wurde (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 187f). Außerdem fiel auf, dass Lob und Tadel vermehrt zum paradoxen Fähigkeitseinschätzen Anlass gibt, wenn es durch Reize einer leistungsthematischen Orientierung beeinflusst wird. Wenn andererseits die Reize einer soziömotionalen Orientierung vorliegen, kommen paradoxe Fähigkeitseinschätzungen bei Lob und Tadel weit weniger vor, als vielmehr die Sympathie bzw. Antipathie des Sanktionierenden gegenüber dem Sanktionierten (vgl. Binser & Försterling, 2004, S. 186).

Quelle: Diese Arbeitsblätter entstammen teilweise der Studie von Karin Bumsenberger "Merkmale und Struktur elterlichen Erziehungsverhaltens".



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