Die Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Medien*)
Insgesamt weiß man zwar über den Zusammenhang zwischen Massenkommunikation und Gesellschaft, über die Wirkungsgesetze der Medien, zu wenig und es ist sicher richtig, dass die vorliegenden Forschungsarbeiten disparat sind, jedoch gibt es "oft zu einem bestimmten Problem nur eine einzige Studie. Anschlußuntersuchungen, Replikationen oder Falsifikationsversuche seien die Ausnahme. Dadurch entstehe der Eindruck von bruchstückhaften, zerstückelten Befunden, zwischen denen kein Zusammenhang bestehe, die einander sogar widersprechen würden. Bei einer solchen Datenlage sei an eine theoretische Integration der vielen Einzelergebnisse nicht zu denken. Die Forderung nach der einen Theorie der Medienwirkung sei nicht erfüllbar, weil die Medien und ihre Inhalte viel zu verschieden wären. Auch seien die Randbedingungen, unter denen die Medien wirkten, viel zu komplex, als dass es möglich wäre, sie in einem konsistenten Satz von Hypothesen zusammenzufassen. Von der Kommission werden deshalb Bemühungen um Wirkungstheorien geringer oder mittlerer Reichweite gefordert; angemahnt werden in diesem Kontext auch Theorien zur Wirkung von Gewaltdarstellungen" (Kunczik & Zipfel o.J.).
Gewaltbegriff
Kunczik unterscheidet beim Begriff "Gewalt" zwischen direkter, personaler Gewalt und struktureller, indirekter Gewalt. Demnach handelt es sich bei struktureller Gewalt um die in ein soziales System "eingeflochtene" Gewalt, um eine Art "Ungerechtigkeit". Sie tritt, ohne dass sichtbar eine ausführende Person vorhanden ist und "ohne dass sich das Opfer der strukturellen Gewalt dieser Vergewaltigung bewußt sein muß, in ungleichen Machtverhältnissen" (Kunczik 1998, S. 16) auf. Die Problematik struktureller Gewalt ist jedoch aufgrund der großen Probleme, die mit ihrer Operationalisierung verbunden sind, in der Debatte zur Wirkung von medialen Gewaltdarstellungen weitgehend unbeachtet geblieben (vgl. Kunczik 1998, S. 16 f.). Unter personaler Gewalt wird demgegenüber die beabsichtigte körperliche und/oder psychische Schädigung eines Individuums, eines Lebwesens oder eines Gegenstandes durch eine andere Person verstanden (vgl. Kunczik 1998, S. 15).
Nach Kepplinger & Dahlem muß man des weiteren zwischen "natürlicher" und "künstlicher" sowie zwischen "realer" und "fiktiver" Gewalt differenzieren. Die Darstellung realer Gewalt beinhaltet dabei das Zeigen von Verhaltensweisen, die physische und psychische Schädigungen tatsächlich beabsichtigen oder bewirken (z.B. im Reality-TV). Bei der Präsentation fiktiver Gewalt werden dagegen Verhaltensweisen gezeigt, welche eine physische oder psychische Schädigung nur vorgeben. Unter natürlicher Gewalt versteht man die lebensechte Darstellung eines Gewaltaktes, wie z.B. im TV-Krimi. Von künstlicher Gewalt spricht man letztendlich im Zusammenhang mit "unechten" Gewaltdarstellungen, wie sie z.B. in Zeichentrickfilmen zu sehen sind. Um die Auswirkungen medialer Gewaltdarstellungen auf Personen zu erforschen, wurde in den bisher durchgeführten Untersuchungen (diesen Gewaltdefinitionen nach) zumeist der Typus natürlicher, fiktiver Gewalt benutzt (vgl. Kunczik 1998, S. 14).
Thesen zur Wirkung von Gewaltdarstellungen
- Die Katharsis-These (Sigmund Freud): Ähnlich einem Blitzableiter fangen Gewaltdarstellungen die Aggressionen des Rezipienten auf und neutralisieren sie. Reale Gewalt wird dadurch reduziert.
- Die Frustrations-Aggressions- bzw. Stimulationsthese (Leonard Berkowitz): Gewaltdarstellungen im Fernsehen können nur dann Aggressionen beim Zuschauer auslösen, wenn dieser schon im Vorfeld durch irgendeine Frustration Ärger empfindet. Dieser Ärger wird dann vom Fernsehen in Aggression umgeleitet.
- Die Inhibitionsthese (Seymour Feshbach): Aggressive Bilder im Fernsehen rufen ebenfalls aggressive Impulse beim Zuschauer hervor. Aufgrund der während der Erziehung erlernten Angst vor Bestrafung werden diese Impulse jedoch unterdrückt und die Folge ist eine geringere Gewaltbereitschaft.
- Die Habitualisierungsthese (Rowell Huesman und Leonhard Eron): Durch Gewöhnung und "Abstumpfung" führen Gewaltdarstellungen, welche gehäuft und über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden, zu einer tendenziell erhöhten Gewaltbereitschaft. William A. Belson (1978) kann in einer Langzeitstudie keine Belege dafür finden, dass mit dem Ausmaß des Konsums violenter Sendungen eine Abstumpfung gegenüber Gewalt einhergeht, Gewalt als geeignetes Konfliktlösungsinstrument angesehen wird und der Glaube herrscht, Gewalt sei unvermeidlich. Insgesamt gesehen liegen keine Daten vor, die diese These stützen und eine Veränderung der Persönlichkeitsstrukturen der Rezipienten dahingehend belegen, dass sich Gleichgültigkeit gegenüber realer Gewalt entwickelt.
Eine Metaanalyse von 30 Studien aber zeigte, dass die wiederholte Betrachtung von Fernsehgewalt sehr unterschiedlich operationalisiert wurde und die meisten der Untersuchungen sich eher mit anderen Wirkungsformen beschäftigen. Die Habitualisierungsthese bedarf, und dies ist angesichts der Quantität der Studien zur Fernsehgewalt überraschend, noch der empirischen Untersuchung (vgl. Kunczik & Zipfel o.J.). - Der Imitationslernen bzw. Soziales Lernen (Albert Bandura): Dadurch, dass im TV aggresssive Problemlösungsstrategien gegenüber nicht-aggressiven gehäuft dargestellt werden, entwickeln besonders "Vielseher" entsprechende Wahrnehmungsmuster, da parallel dazu entsprechende Erlebnisse im realen Alltag oftmals fehlen. Diese Wahrnehmungsmuster werden dann in ähnlichen Alltagssituationen in (aggressives) Verhalten umgesetzt.
Siehe dazu auch "Computerspiele machen aggressiv". - Die Suggestionsthese besagt, dass die Beobachtung von Mediengewalt beim Rezipienten zu einer mehr oder weniger direkt anschließenden Nachahmungstat führt, wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht mehr vertreten. In den USA sind aber eine Reihe von Studien veröffentlicht worden, deren Resultate die These stützen, dass für bestimmte erwachsene Rezipienten das Konzept der Suggestion unter bestimmten Bedingungen zur Erklärung von in der natürlichen Umgebung auftretenden Effekten des Konsums von Mediengewalt geeignet zu sein scheint. So konnte David P. Phillips (1974) aufzeigen, dass die Selbstmordziffer nach der Veröffentlichung von Berichten über Selbstmorde (zum Beispiel Marilyn Monroe) sowohl in den USA als auch in Großbritannien anstieg (Werther-Effekt). Phillips (1982) behauptet, die Nachahmung fiktiver Selbstmorde im Rahmen von Soap Operas nachwiesen zu können, denn im Jahre 1977 stieg die Zahl der Selbstmorde unmittelbar nach der Sendung von fiktiven Selbstmorden in Soap Operas statistisch signifikant an. Der Autor führt diesen Zusammenhang kausal auf die massenmedialen Inhalte zurück, die imitative Selbstmorde auslösen könnten. Allerdings konnten zahlreiche Fehler in diesen Untersuchungen nachgewiesen werden (vgl. Kunczik & Zipfel o.J.).
Diese Behauptung, gewalttätige Medieninhalte bewirkten nicht nur in Einzelfällen, was unumstritten ist, sondern regelmäßig monokausal und direkt violentes Verhalten, wird noch immer von den Massenmedien, insbesondere von der Boulevardpresse, sowie von anderen nicht wissenschaftlich geschulten Beobachtern vertreten. Eher ist anzunehmen, dass derartige Berichte Tätern nicht selten als Informationsquelle für die Rationalisierung beziehungsweise Rechtfertigung (ex ante und ex post facto) ihres Verbrechens dienen (vgl. Kunczik & Zipfel o.J.). - Die These der "Allgemeinen Erregung" (Percy H. Tannenbaum und Dolf Zillmann): Durch Frustration bedingter Ärger geht einher mit physiologischer Erregung, welche in der Folgezeit gleichmäßig abgebaut wird. Durch aggressive Medieninhalte wird diese Erregung jedoch kontinuierlich aufrechterhalten, sie wird dann eventuell als Aggression interpretiert und in konkretes Verhalten umgesetzt.
- Die These der "Ängstlichen Weltbilder" (George Gerbner und Jo Groebel): Das Übermaß an Gewaltdarstellungen im Fernsehen führt zur Stärkung eines Ängstlichen Weltbildes bei den Zuschauern. In der Folge überschätzen viele Menschen die wirklichen Gefahren des Alltags.
- Die "These der Wirkungslosigkeit" (William McGuire): Mediengewalt zieht - wenige Ausnahmen ausgenommen - auf der individuellen Wirkungsebene keine wirkliche Gewalt nach sich.
- Kleiter (1997) entwickelt ein "Modell der moderiert-intervenierten und sozial-kognitiv gesteuerten Aggression" (MISKA). In dessen Zentrum steht eine "Aufschaukelungsspirale" von Film-Konsum und Aggressivitätserwerb, das nach unterschiedlichen Personentypen aufgesplittet wird und den Faktor "Reflexivität" berücksichtigt. Reflexivität wird im Sinne der kognitiven Psychologie als Steuergröße verstanden, welche die Wahl und Entscheidung für oder gegen eine aggressive Lösung in einer aktuellen Situation trifft. Nach den von Kleiter vorgelegten Befunden werden durch das Ausmaß der Reflexivität unter anderem die Qualität und Menge des Konsums von Filmen, die Motivation zum Filmkonsum sowie der Erwerb und die Übernahme gesehener Gewalt in Form von Disposition zur Aggressivität gesteuert. In seinem sehr komplexen "Modell der moderierten und hierarchisch intervenierten Aufschaukelung" wird eine Vielzahl von Variablen berücksichtigt, die zur Wirkung der Medien auf die Herausbildung aggressiver Verhaltensweisen beitragen können. Dazu gehören unter anderem: ungünstiges Milieu (zu wenig Platz, keine alternativen Freizeitangebote), Eltern, die selbst aggressive Filme konsumieren beziehungsweise keine Vorbilder vermitteln können, Inkompetenzüberzeugung, Neugier, Reizsuche, mangelnde Bildung, Identifikation mit Siegern im Film, Männlichkeitsstereotyp, Aggressivität als Persönlichkeitseigenschaft, Erfolg durch aggressives Verhalten, Vergeltungsethik, eine negative Sicht des Weltzustandes, ein rauhes Klima in der Peergruppe, ein Klima der Konkurrenz in der Schule, das Gefühl, die Umwelt nicht kontrollieren zu können, ein aggressiver Erziehungsstil der Eltern. Durch die Berücksichtigung dieser Faktoren findet Kleiterweit höhere Effekte als in den meisten bisherigen Untersuchungen. Der Verfasser unterscheidet dabei "eher Aggressive" (ca. 40 Prozent) mit den Untertypen "manifest Aggressive" (ca. 22 Prozent) und "latent Aggressive" (ca. 27 Prozent) sowie "eher Friedliche" (ca. 60 Prozent) mit den Untertypen der "aktiv Friedlichen" (ca. 26 Prozent) und der "passiv Friedlichen" (ca. 34 Prozent). Als besonders bedenklich betrachtet Kleiter nicht die 2,5 Prozent extrem Aggressiven, sondern argumentiert: "Für die Zukunft der Gesellschaft ist die leise schlummernde Aggressivität der latent Aggressiven viel gefährlicher. Eine vorhandene hohe latente Aggressivität kann jederzeit aktiviert werden." (nach Kunczik & Zipfel o.J.)
Theunert (1996, S. 33) fasst das Dilemma der Gewaltwirkungsforschung mit der Aussage zusammen, dass gewalttätige Darstellungen in den Medien anscheinend in drei Richtungen wirken: "Einmal sollen (...) [sie] wirken, indem sie dem Zuschauer die Abreaktion seines aggressiven Triebpotentials ermöglichen (...); dann wieder sollen sie gegenteilig wirken, indem sie dem Zuschauer Lernmodelle für aggressives Verhalten anbieten und somit zu einer Steigerung realer Gewalttätigkeiten beitragen; und schließlich sollen sie gar nicht wirken, sondern bedeutungslos für Ausmaß und Ausprägung realer Gewalttätigkeit sein. Eins ist jeweils mit dem anderen unvereinbar".
Kunczik (1995, S. 47) meint, dass Fernsehgewalt eine direkte negative Wirkung nur bei bestimmte Individuen und Problemgruppen erziele, aber auch hier nur im Zusammenwirken mit anderen zusätzlichen Problemen wie z.B. niedrigem Selbstbewußtsein, sozialer Isolation u.s.w..
Rathmayr (1996, S. 156) spricht davon, dass durch Mediengewalt zwar keine direkte Gewalt, aber zumindest ein Abstumpfungseffekt bei den Zuschauern hervorgerufen wird: Moderne Publikumsmedien "sind nicht nur drauf und dran, die Wirklichkeitserfahrungen der Menschen durch ihre Ersatzwirklichkeiten zu verdrängen, sondern diese Ersatzwirklichkeiten gleichzeitig so zu veralltäglichen, dass sie als längst Bekanntes, Gewohntes, eben Alltägliches erscheinen, selbst wenn es sich um die spektakulärsten Schreckensbilder handelt".
Rogge (1999, S. 144 ff) fordert, dass alle existierenden Wirkungstheorien daraufhin überprüft werden müßten, inwieweit sie die soziale Umgebung, die Altersstufe und die jeweils akute Mediennutzungssituation der Rezipienten mitberücksichtigen. Erst danach könne man die jeweilige Theorie in Bezug auf ihre Brauchbarkeit beurteilen. Einflüsse medialer Gewalt ergeben sich niemals automatisch. Zentral für eine Folgeabschätzung medialer Gewaltdarstellung sind jene Erfahrungen, die Kinder mit erzieherischer Gewalt und Zurichtung im Elternhaus machen. Als Beispiele führt er Aussagen von Kindern an, die offensichtlich "harmlose" Fernsehsendungen wie "Lindenstraße", "Tagesschau" und Tiersendungen aufgrund der Darstellung von z.B. Familienstreit oder Walsterben als ",brutal" und als furchteinflößend empfinden. Allerdings tauche Streit unter Eltern (Beispiel "Lindenstraße") in den meisten Studien nicht als Kriterium für Gewalt auf. Als Gewalt und Aggression wird jene Symbolik bedeutsam, die der Rezipient aufgrund seiner biographischen wie aktuell geprägten Sozialisationsbedingungen als Gewalt wahrnimmt.
Theunert (1996, S. 40) meint aufgrund ihrer Metanalysen, dass sich mit den Ergebnissen der Mediengewaltforschung keine zwangsläufige Gewaltbereitschaft unter Kindern erkennen läßt. Dabei bezieht sie sich vorzugsweise auf die schon erwähnten Lernexperimente Banduras, welche sie in folgenden Punkten kritisiert: Erstens seien Banduras Befunde nicht auf die alltägliche Fernsehrezeption von Kindern übertragbar, da sie in einer künstlich geschaffenen und realitätsfernen Umgebung gewonnen wurden. Zweitens seien Befunde, die in Experimenten mit Kleinkindern gewonnen würden, nicht auf andere Altersgruppen übertragbar, und drittens hätten die Befunde keine Aussagekraft über das Verhalten der Kinder in der Realität, da z.B. ,"die Bobo-Puppe ein denkbar ungeeignetes Äquivalent für reale Gewalttätigkeit" darstelle. Die bei Bandura angeführten Argumente seien kaum geeignet, die Stimulationswirkung medialer Gewaltdarstellungen zu belegen.
Netflix- statt Werther-Effekt?
Nach der Ausstrahlung der Netflix-Serie „13 Reasons Why“ ist Studien zufolge die Zahl der Suizide unter Jugendlichen in den USA gestiegen, und zwar fand man 58 mehr Selbstmordfälle bei 10- bis 17-Jährigen im Monat April, als auf Grund des Trends in den Monaten davor erwartet worden wäre. Die Studie untersuchte dabei mit verschiedenen Methoden das Selbstmordverhalten in der Fünfjahresperiode ab Januar 2013, wobei die Selbstmordrate vor der Veröffentlichung mit der erwarteten Entwicklung aufgrund historischer und anderer Trends verglichen wurde. Der Untersuchung zufolge gab es in den neun Monaten nach Beginn der Serie 195 zusätzliche Suizidfälle in der Altersgruppe zwischen zehn und 17 Jahren, ein Anstieg von fast 29 Prozent, wobei dabei vor allem männliche Jugendliche betroffen waren. Vor allem im ersten Monat, nachdem die Serie angelaufen war, gab es einen signifikanten Anstieg, wobei auch die Zahl der Internetrecherchen zum Thema Suizid um 19 Prozent gestiegen war. In der Serie geht es um eine Schülerin, die sich das Leben nimmt, wobei Netflix dabei den Suizid der Hauptfigur besonders dramatisch inszeniert hatte und die für Medien geltenden Leitlinien zur angemessenen Darstellung dieses Themas nach Meinung von Experten missachtet hatte. Solche eine Darstellung kann für Menschen traumatisch sein, die bereits einen Suizidversuch hinter sich haben bzw. zeigt in manchen Fällen direkt den Weg zum Suizid (Bridge et al., 2019).
Literatur
Belson, W. A. (1978). Television violence and the adolescent boy. Westmead.
Bridge, Jeffrey A., Greenhouse, Joel B., Ruch, Donna, Stevens, Jack, Ackerman, John, Sheftall, Arielle H., Horowitz, Lisa M., Kelleher, Kelly J. & Campo, John V. (2019). Association Between the Release of Netflix’s 13 Reasons Why and Suicide Rates in the United States: An Interrupted Times Series Analysis. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, doi: 10.1016/j.jaac.2019.04.020.
Campo, John V. & Bridge, Jeffrey A. (2018). Exploring the Impact of 13 Reasons Why: Looking for Light Amidst the Heat. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 57, 547-549.
Kleiter, E. F. (1997). Film und Aggression - Aggressionspsychologie. Theorie und empirische Ergebnisse mit einem Beitrag zur Allgemeinen Aggressionspsychologie. Weinheim.
Phillips, D. P. (1974). The influences of suggestion on suicide: substantive and theoretical implications of the Werther effect. American Sociological Review 39.
Phillips, D. P. (1982). The impact off fictional television stories on U. S. adult fatalities: New evidence on the effect of the mass media on violence. American Journal of Sociology, 87.
Siehe auch Methoden der Wirkungsforschung von Gewalt in den Medien
Computerspiele machen aggressiv
Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen haben ergeben, dass der Umgang mit Gewalt in Computerspielen das Aggressionsverhalten sowie aggressive Gedanken und Gefühle beeinflusst.
Nach Untersuchungen von Rita Steckel und Clemens Trudewind (Universität Bochum) hat sich gezeigt, dass Jugendliche Gewalttaten zumindest zum Teil nach Mustern von gewalthaltigen Video- und Computerspielen inszenieren. Zwar bestreiten die Hersteller von gewalthaltigen Computerspielen vehement einen die Persönlichkeit verändernden Einfluss ihrer Produkte, denn die meisten befragten NutzerInnen versichern glaubhaft, dass dies nicht der Fall sei ,und dass sie zwischen Fiktion und Realität sehr wohl unterscheiden könnten. Allerdings beweisen die wenigen experimentellen Studien eindeutig, dass der Umgang mit Gewalt in Computerspielen das Aggressionsverhalten, die aggressiven Gedanken und Gefühle bei Kindern und jungen Erwachsenen massiv beeinflusst.
Bei einer Untersuchung von 280 Kindern und Jugendlichen, bei denen auch Eltern und Erziehern mit einbezogen worden waren, konnte herausgearbeitet werden, dass die oft gehörte Erklärung durch "Imitationslernen" viel zu kurz greift. Denn danach wird argumentiert, dass Millionen anderer Jugendlicher nach Computerspiele nicht zu Gewalttätern und Mördern werden. Steckel und Trudewind legten ihrer Untersuchung die Motivationstheorie von Kornad zu Grunde, wonach aggressives Verhalten aus dem Zusammenwirken von Situationen und in der Person begründeten Faktoren resultiert, dem "Motivationssystem der Aggression". Dieses System besteht im wesentlichen aus zwei Hauptkomponenten: der Tendenz zur Aggression und der Tendenz zur Aggressionshemmung.
Die Tendenz zur Aggression wird durch die unzähligen Stimuli eines Computerspiels aktiviert, indem sie die Aggressionslust fördern und die Gewaltausübung belohnen. Gewaltanwendungen sind aber dann erst möglich, wenn die Aggressionshemmung versagt. Sie beruht auf Normen und Werthaltungen sowie auf gefühlsbetonten Mitleidsreaktionen. Die Gefahr von Spielen liegt nun darin, dass die von Eltern und sozialem Umfeld vermittelten Normen und Werte an Verbindlichkeiten verlieren, sodass bei häufigem Spielen die Fähigkeit zum Mitleid vor allem langfristig reduziert wird. Dem Kind bleibt etwa beim fiktiven Erschiessen von möglichst vielen Gegnern keine Zeit für Mitgefühl, da es stets dafür belohnt wird, dass es andere verletzt und vernichtet. Dadurch kommt es zum Dammbruch in der Aggressionshemmung und das daraus resultierende Ungleichgewicht macht Kinder erst in der Folge aggressiv. Vermutlich werden sich die Auswirkungen erst in den nächsten Jahrzehnten zeigen, da die Computerspielgeneration erst allmählich die Mehrheit in der Gesellschaft bildet.
Dennoch verlieren nicht alle Kinder ihre Hemmschwelle, denn manche Kinder schätzen aggressive Spiele mit der Zeit umso weniger, je mehr sich Eltern um das Computerspielen kümmern und um so sicherer die Bindung zwischen Kind und Eltern ist. Danach werden die Auswirkungen aggressiver Spiele moderiert und reduziert.
Gewaltvideos: Happy Slapping
In "Happy Slapping"-Videos ("fröhliches Schlagen") werden Raufereien, Mord oder sogar Vergewaltigungen gezeigt. Bei einem Workshop an einer oberösterreichischen Schule hatten etwa drei Viertel der Teilnehmer solche Aufnahmen schon gesehen oder besessen. Gekannt haben die Schüler vor allem Schlägereien; die aus internationalen Studien bekannten grausamen Aufnahmen von realen Kriegsszenen, in denen Menschen getötet werden, sind derzeit in Österreich jedoch noch wenig verbreitet. Das Zeigen von brutalen Aufnahmen ist dabei vorwiegend ein Männer-Thema, denn während männliche Jugendliche eher amüsiert sind, reagieren Mädchen meist betroffen. Bei den Reaktionen gab es aber keinen Unterschied zwischen "normalen" und verhaltensauffälligen Jugendlichen, denn beide kennen "Happy Slapping"-Videos. Interessanterweise kursieren sie vor allem in der "normalen" Gruppe, in der reale Gewalt kein alltägliches Thema ist, während bei Jugendlichen aus einem gewalttätigen Umfeld die Verbreitung eher unüblich ist.
Besonders problematisch ist die allgegenwärtige Verfügbarkeit jeder Art von Gewaltvideos. Material, das es früher im DVD Verleih höchstens unter der Ladentheke gab, finden Kinder und Jugendliche jetzt schon nach wenigen Klicks im Internet. Ganze Webseiten haben sich auf das Sammeln und Archivieren dieser Clips spezialisiert. Zensur und Altersbeschränkungen werden so umgangen, denn diese können nur in Geschäften oder eben in Videotheken durchgesetzt werden. Das Internet dagegen kennt keine FSK Bestimmungen.
Quelle: APA
23. Juni 1854
KINDESMISSHANDLUNG IN HERNALS
Gestern fand bei dem hierortigen k. k. Landesgerichte das Schlußverfahren gegen die des Mordes an ihrem 8 Jahre alten Sohne Jacob angeklagte Seilermeistersgattin Anna St., in Hernals Nr. 256 wohnend, statt. Anna St. hatte vor ihrer Verehelichung diesen Sohn von ihrem gegenwärtigen Gatten bekommen und ihn in die Kost gegeben. In ihrer Ehe bekam sie noch 2 Kinder. Vor drei Jahren nahm sie den damals 5jähigen Jacob nach Hause, hatte jedoch bereits ohne Ursache einen solchen Haß gegen das arme Kind gefaßt, dass sie es auf alle erdenkliche Art marterte.
Sie schlug den Kleinen aus allen Kräften in blinder Wuth mit allem was ihr in die Hand gerieth, und selten ging ein Nachbar vorüber, ohne das jammervolle Klagen und Bitten des gemarterten Kindes zu hören. Je schwächer der Knabe wurde, desto heftiger schlug ihn die Mutter. Den 29. und 30. October 1853 schlug sie endlich das Kind so arg, dass es am letzteren Tage wie todt zusammenstürzte, sich steif streckte und Fraisenanfälle bekam. Der herbeigeholte Arzt erklärte sogleich, das Kind sei verloren und das könne nur die Folge erlittener Mißhandlungen sein. Der Arzt wollte dem sterbenden Knaben noch einen lindernden Saft verschreiben, doch die herzlose Mutter erwiederte: "Wenn ihn nichts mehr retten kann, braucht er auch den Saft nicht."
Der ärztliche Befund stellte heraus, dass der Knabe am Kopf 10 eiternde Wunden hatte, wovon mehrere lebensgefährlich waren, wodurch Kopfbrand und Extravasate im Gehirn entstanden, ferner 16 Verwundungen im Gesicht und 50 durch Schläge und Stöße entstandene Wunden am Körper.
Anna St. wurde wegen vollbrachtem Todtschlag an ihrem Kinde zu zwölfjährigem schwerem Kerker verurtheilt, ihr Ehegatte wegen des Vergehens der Nichtverhinderung des Verbrechens zu dreimonatlichem Arrest in Eisen.
Quelle: Die Presse vom 20.6.2004
Literatur & Quellen
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Black, S. L. & Bevan, S. (1992). At the movies with Buss and Durkee: a natural experiment on film violence. Aggressive Behavior, 20, S. 37-45.
Groebel, Jo & Gleich, Uli (1993). Gewaltprofil des deutschen Fernsehprogramms. Opladen: Leske und Budrich.
Henningsen, Dagmar & Stohmeier, Astrid (1985). Gewaltdarstellungen auf Video-Cassetten. Bochum: Studienverlag
Kuczik, Michael (1995). Wirkungen von Gewaltdarstellungen - Zum aktuellen Stand der Diskussion.
Kunczik, Michael (1998). Gewalt und Medien. Köln: Böhlau.
Kunczik, Michael & Zipfel, Astrid (o.J.). Wirkungen von Gewaltdarstellungen.
WWW: http://www.medienpaedagogik-online.de/mf/4/00677/ (05-11-21)
Liebert, R. N. &Baron, R. A. (1972). Some immediate effects of televised violence on children's behavior. Developmental Psychology, 6, S. 469-478.
Mummendey, Amelie (1996). Aggressives Verhalten. In W. Stroebe, M. Hewstone & G. M. Stevenson (Hrsg.), Sozialpsychologie. Eine Einführung (S. 421-452). Berlin: Springer.
Rogge, Jan-Uwe (1995). Die Faszination und Bedeutung medialer Gewalt aus der Sicht von Heranwachsenden. In Georg Kofler & Gerhard Graf (Hrsg.), Sündenbock Fernsehen?. Berlin: VISTAS Verlag.
Rogge, Jan-Uwe (1999). Kinder können Fernsehen. Reinbek: Rowohlt.
Selg, H. (1997). Gewalt in den Medien &endash; Möglichkeiten von Eltern zur Vermeidung negativer Auswirkungen. Kindheit und Entwicklung, 6, 79-83.
Smith, S. L. & Donnerstein, R. (1998). Harmful effects of repeated exposure to media violence: Learning of aggression, emotional desensitization, and fear. In R.G. Geen & E. Donnerstein (Eds.), Human aggression. Theories, research, and implications for social policy (S. 164-202). San Diego, CA: Academic Press.
Theunert, Helga (1996). Gewalt in den Medien - Gewalt in der Realität. Opladen: KoPäd Verlag.
Weiß, R.H. (2000). Gewalt, Medien und Aggressivität bei Schülern. Göttingen. Hogrefe.
Entstanden unter Verwendung von:
http://bidok.uibk.ac.at/texte/aggressionen-3.html (02-07-29)
http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/soi/12337.html (02-10-07)
https://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/experimentbspaggression.html (01-07-07)
Kunczik, Michael & Zipfel, Astrid (o.J.). Wirkungen von Gewaltdarstellungen.
WWW: http://www.medienpaedagogik-online.de/mf/4/00677/ (05-11-21)
Inhaltsverzeichnis
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