[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Forschungsmethoden der Entwicklungspsychologie

Um Aussagen über Entwicklungsverläufe des menschlichen Verhaltens treffen zu können, benötigt die Entwicklungspsychologie spezielle Methoden, die sich zum Teil  von denen in anderen Teilbereichen der Psychologie unterscheiden. Verhaltensveränderungen  mit dem Alter können auf zwei grundlegend unterschiedliche Arten untersucht werden:   

Die Querschnittsuntersuchung

Zu einem gegebenen Zeitpunkt werden Kinder oder auch Erwachsene unterschiedlichen  Alters beobachtet oder mit bestimmten Testverfahren getestet. Bestehen Unterschiede im  Verhalten, z.B. in bestimmten kognitiven Leistungen, so können wir daraus auf ein  Entwicklungsmerkmal schließen.  Der Nachteil dieser Untersuchungsmethode ist, dass gefundene Unterschiede zwischen älteren  und jüngeren Personen, die zu ein und demselben Zeitpunkt untersucht werden, nicht  unbedingt auf Unterschiede in der Entwicklung zurückführbar sein müssen, sondern auch  einfach durch Generationsunterschiede bedingt sein können:   Ältere Menschen sind unter anderen Umweltbedingungen aufgewachsen als jüngere  Menschen, und hatten daher unter Umständen deutlich unterschiedliche Lerngelegenheiten,  was für Verhaltensunterschiede verantwortlich sein kann. So können unter Umständen  Generationsunterschiede fälschlicherweise als Entwicklungsunterschiede interpretiert werden.   
Ein berühmtes Beispiel für eine derartige falsche Schlussfolgerung war das Ergebnis aus Querschnittsuntersuchungen der Intelligenz, dass die Intelligenz nach dem Erreichen der  Reife (d.h. ab dem 20. Lebensjahr) bereits wieder abnimmt. Reanalysen dieser Daten ergaben,  dass in der Stichprobe Erwachsene mittleren Alters niedrigere IQ-Werte hatten, als jüngere  Erwachsene und Jugendliche. Ein derartiges Absinken der Intelligenz bereits ab dem 20.-25.  Lebensjahr konnte in sogenannten Längsschnittstudien nicht beobachtet werden. Die größeren  Fähigkeiten jüngerer Personen waren im Querschnittsdesign lediglich dadurch bedingt, dass  die jüngeren Personen zu einem späteren Zeitpunkt geboren und unterrichtet worden waren,  wo sie deutlich besseren Anregungsbedingungen für die intellektuelle Entwicklung ausgesetzt  waren, als ältere Personen, die während oder nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen waren.  Aus diesem Grund ist für Fragen der Entwicklung das folgende Design dem Querschnittsdesign überlegen:

Längsschnittuntersuchung

Eine Gruppe von Personen wird wiederholt getestet, in Abständen von vielen Jahren, in  manchen Fällen sogar in Abständen von Jahrzehnten. Findet man in derartigen  Untersuchungen Unterschiede im Verhalten zu verschiedenen Alterszeitpunkten, so können  diese leichter und eindeutiger mit Entwicklungsunterschieden erklärt werden. Es ist aber  leicht vorstellbar, dass Längsschnittuntersuchungen auch einige gravierende Nachteile in sich  bergen:  Das wiederholte Testen und Beobachten derselben Versuchspersonen kann den  Entwicklungsverlauf der ProbandInnen selber beeinflussen.   Aufgrund der sogenannten Stichprobenabnützung (ein unter Umständen selektiver  Verlust von ProbandInnen) im Laufe der Zeit müssen anfänglich sehr große  Stichproben untersucht werden, damit nach längeren Zeiträumen von Jahren oder  Jahrzehnten noch genügend Personen übrigbleiben, um noch statistisch sinnvolle  Aussagen treffen zu können. Gravierender ist allerdings, das erstgenannte Problem, welches zur Entwicklung eines  Kombinationsdesigns geführt hat, dem   

"Kreuz-Sequenz-Panel-Design"

Hier werden VersuchsteilnehmerInnen verschiedenen Lebensalters getestet und ihre  Entwicklung über mehrere Jahre hindurch längsschnittlich verfolgt. Damit kann  festgestellt werden, ob wiederholtes Testen einen merklichen Einfluss auf das Verhalten  bzw. das Abschneiden der ProbandInnen im Test hat. Das Kreuz-Sequenz-Panel-Design  erlaubt zudem Generationsunterschiede von Entwicklungsunterschieden zu trennen. Nur  dann wenn die in verschiedenen Altersgruppen beobachteten Unterschiede sich  wiederholen, wenn die ProbandInnen aus den verschiedenen Altersgruppen älter werden,  kann auf einen Einfluss der Entwicklung geschlossen werden.   Das Design der Kreuz-Sequenz-Panel-Untersuchung wird zunehmend häufiger im  Rahmen von sogenannten "Lifespan"-Studien genützt.  

Quelle: Neuper, Christa (o.J.). Einführung in die Fächer der Psychologie. Entwicklungspsychologie.
WWW: http://psyserver.uni-graz.at/de/stud/einfuehrungs-vo/Entwicklungspsy.pdf (08-01-03)



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