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Was ist nonverbale Kommunikation? *)

Die Anfänge der menschlichen Kommunikation liegen, was die Evolution der Lebewesen von instinktiv handelnden Tieren bis zum Homo sapiens betrifft - und auch, was die individuelle Entwicklung vom Baby zum Erwachsenen betrifft -, im nichtsprachlichen Verhalten, dem Gesichtsausdruck und in der Körpersprache.

Das Lächeln als mimisches Muster finden wir in allen Kulturen und schon bei Neugeborenen. Die Gefühle, der mimische und gestischr Ausdruck, geben ursprünglich die Stimmung zwischen Bedürfnis und Befriedigung wieder. Die nonverbale Kommunikation ist daher vermutlich die älteste Form zwischenmenschlicher Verständigung, lange bevor der Mensch das erste Wort geäussert hat. Auch Kinder verständigen sich nach ihrer Geburt überwiegend nonverbal mit ihrer Umwelt. Menschliches Sozialverhalten ist nicht ohne Berücksichtigung des nonverbalen Systems zu verstehen ist. Allerdings wird die Bedeutung der nichtsprachlichen Verständigung von den meisten Menschen unterschätzt.

Wenn Menschen nicht verbal kommunizieren, spricht der Körper alleine. Er ist niemals stumm und teilt auch dann mit den Signalen der Selbstversunkenheit, der Abschirmung mit, dass uns zur Zeit z.B. Kontakte unerwünscht sind. Der Eindruck, den die Körpersprache macht, ist oft sehr mächtig und Worte haben es schwer, ihn zu dementieren.

Da die Körpersprache auch schwerer bewußt zu beherrschen ist als die verbale, sind die Botschaften der Körpersprache oft "wahrer" bzw. "echter". Und eben weil sie sich dem Willen weitgehend entzieht, und zwar das Aussenden wie der Empfang der Signale gleichermaßen, erscheint sie uns selbstverständlicher, irrationaler, wird sie einfach bewußt weit weniger bemerkt als die Sprache der Wörter. Goffman meinte geradezu, dass die Beherrschung und das Verständnis einer gemeinsamen Körpersprache ein Grund dafür ist, eine Ansammlung von Individuen als Gesellschaft zu bezeichnen.

Die Bedeutung seiner Körpersprache hat den Menschen schon seit langem fasziniert. Vor gut zweihundert Jahren, 1775, löste der Zürcher Pfarrer Johann Caspar Lavater mit seinen "Physiognomischen Fragmenten zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe" geradezu eine Modewelle aus. Er ging aus von der richtigen Vermutung, dass die ruhige und bewegte "Oberfläche des Menschen", von ihm Physiognomie genannt, etwas Wahres über ihn verrät. verrannte sich dann aber in den Aberglauben, sie verrate nichts anderes als die moralische Qualität. In der Gesellschaft brach damals die Sucht aus, Gesichtsprofile deuten zu lassen - so wie man heute, mit etwas mehr Berechtigung, die Handschrift deuten läßt, um Aufschluss über den Charakter zu erhalten. Auch heute noch finden sich in der eher fragwürdigen Ecke von Psychotechniken Angebote wie das folgende: "Physiognomische Eignungsanalyse. Wer bin Ich – Wer bist Du. Die Psycho-Physiognomik ist die Lehre vom Zusammenspiel von Seele (Psyche) und Körper (Physis), das in der Körperform und insbesondere im Gesicht, anhand von Augen, Mund, Ohren, Stirn, Kiefer, Nase, Jochbein und Kopf, als auch durch die Mimik deutlich wird. Eine genaue Betrachtung ermöglicht dem geschulten Kenner, aus der Gesamterscheinung und den unterschiedlichen Ausprägungen von unzähligen Gesichtsmerkmalen auf bestimmte Begabungen, Fähigkeiten und Charaktereigenschaften einer Person zu schliessen."

Einen wissenschaftlich haltbaren Ansatz brachte erst Darwins Evolutionstheorie, die größte Umwälzung im Selbstverständnis der Menschheit überhaupt und in ihren Konsequenzen noch längst nicht bewältigt. Darwin selber widmete eines seiner späteren Werke dem "Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren (1872). Es stellte für die elementaren Ausdrucksbewegungen der Gefühle die Frage richtig, indem es davon ausging, dass sie als stammesgeschichtliche Anpassungen zu verstehen seien; nur war Darwins Anschauungsmaterial noch viel zu karg, sein Studienbereich zu eng, als das er gleich das erschöpfende Standardwerk hätte schreiben können.

Die wissenschaftliche Psychologie hat sich in ihren Anfängen intensiv mit der Ausdrucksforschung befasst und verschiedene Ansätze zu einer Ausdruckskunde entwickelt. Interessanterweise hat sie dieses Forschungsrichtung aber aufgegeben, was im Kontrast steht zu einer Fülle von Untersuchungen mit faszinierenden Ergebnissen zu den Wirkungen zahlreicher Elemente der "Körpersprache", also zu paraverbalen Äußerungen wie Tonhöhe der Stimme, Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit, Pausendauer und ähnlichen Merkmalen, zu Mimik, Blickkontakt, Gestik und Körperhaltung. Experimente zeigen übrigns, dass eigene Macht die Stimmlage verändert, denn Menschen, die sich anderen überlegen fühlen, sprechen anders, wobei solche subtile Unterschiede auch Zuhörern auf. Merkmale wie eine hohe Tonlage und eine laute Stimme dabei häufig auch mit einer Machtposition assoziiert.

Der Eindruck kommunikativer Körpersignale auf die Empfänger der Botschaften lässt sich zwar nicht leugnen, doch ist die objektive Erfassung äußerst aufwendig, denn sie hätte es mit über 100 Dimensionen zu tun. Daher können auch die zahlreichen experimentellen Befunde nicht in ein allgemein akzeptiertes und alltagstaugliches Testverfahren zur Wirkung der Körpersprache überführt werden. Trotz vieler Hinweise in der Ratgeberliteratur ist es bis heute kaum möglich, die Wirkungen eigener Körpersignale vorauszusagen und eine solche "Körpersprache" zu lehren und zu erlernen. Offenbar ist der Mensch also ein Naturtalent als intuitiver Detektor kommunikativer Körpersignale.

Ludwig Klages gründete 1905 in München ein privates Seminar für Ausdruckskunde, wobei er von einer biozentrischen Anthropologie ausgehend die These einer ursprünglichen Leib-Seele-Einheit vertrat, die nur durch den hinzugekommenen Intellekt gestört wird ("Der Geist als Widersacher der Seele"). Auf diesen Annahmen basierte auch seine psychologische Ausdruckskunde und Graphologie ("Handschrift und Charakter"). Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die "Ausdruckskunde" an vielen Universitäten als Lehrfach unterrichtet, bei der z.B. von Studenten anhand von fotografierten Gesichtsausdrücken die zugehörige Emotion ermittelt werden sollte. Der Amerikaner Carney Landis bewies zwischen 1924 und 1939 jedoch mit einer Reihe von Experimenten, dass dies nicht möglich ist, da selbst bei heftigsten Gefühlen keine einheitlichen, sondern ganz verschiedene mimische Reaktionen auftreten. Zu Beginn der achtziger Jahre führte Luzian Ruch an der Universität Bern einige Versuchsreihen durch, die die bisherige Vorstellung, der Gesichtsausdruck diene hauptsächlich dem Ausdruck von Emotionen, komplett revidierte. Hierzu wurden einigen Versuchspersonen, die sich allein in einem Zimmer befanden, Filmszenen mit stark gefühlsauslösenden Szenen vorgespielt. Anschliessend wurden die gleichen Szenen Versuchspersonen vorgespielt, die sich gleichzeitig noch in Sichtkontakt mit einer anderen Versuchsperson im gleichen Zimmer befanden. Das erstaunliche Ergebnis: die Versuchspersonen, die alleine im Zimmer gewesen waren, zeigten fast keine mimische Reaktion, während die Versuchspersonen mit Blickkontakt sehr stark mimisch reagierten. Man schloss daraus, dass unterbewusste körpersprachliche Signale zu einem grossen Teil sozial bedingt sind, was deren Deutung erschwert, denn je nach Situation können sie vollkommen unterschiedlich ausfallen.

Die Ethologie (Verhaltensforschung) hat einige der alten Fragestellung aber wieder aufgenommen und vor allem in den letzten zehn, fünfzehn Jahren zahlreiche Erkenntnissen auch über das körpersprachliche Verhalten gewonnen, wobei vor allem interkulturelle Gemeinsamkeiten im Mittelpunkt der Forschung standen.

Der Mensch ebenso verfügt noch über eine Besonderheit, die ihn unter allen anderen Lebewesen auszeichnet: Nur der Mensch kann aus einem Gefühlsüberschwang heraus weinen und dabei unbeabsichtigt Tränen ausscheiden.

Zur nonverbalen Kommunikation gehört aber auch das beabsichtigte Verändern des Aussehens, etwa durch Varianten in Kleidung, Schmuck, Frisur, Nagelmodellage oder Make-up. Das Ziel ist dabei natürlich eine Individualisierung des eigenen Selbst, aber auch das Zurschaustellen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Hat man also seinen neuen Anzug und die handgenähten Herrenschuhe angezogen und marschiert perfekt ausstaffiert zum Bewerbungsgespräch, wirkt schon das Äußere einer Person positiv. Nun muss man nur noch darauf achten, dass der Körper nicht unbewusst etwas aussagt, was man dem Gegenüber gar nicht bekanntgeben will: Also weder im Stehen mit den Füßen wippen noch im Sitzen dieselben um die Stuhlbeine legen. Siehe dazu speziell das Arbeitsblatt Informationskanäle.

In den USA werden übrigens Beamte von Zoll und Einwanderungsbehörden sowie der US-Konsulate darin geschult, die Gedanken der Besucher und Antragsteller auf Grund ihrer nonverbalen Kommunikation zu "lesen". Auf amerikanischen Flughäfen sind Kameras installiert, die Terroristen anhand bestimmter Gesichtsausdrücke erkennen sollen. Paul Ekman, Emotionspsychologe von der University of California in San Francisco hat dieses umstrittene System entwickelt, und setzt seine "gedankenleserischen Fähigkeiten" auch als Lügenexperte für den Geheimdienst ein, wobei er derzeit angeblich daran arbeitet, wie man potentielle MörderInnen erkennen kann.


Überblick

Einige empfehlenswerte Bücher zur nonverbalen Kommunikation:



Literatur

http://sozialarbeitspsychologie.de/nonvkom.htm (01-01-19)

http://www.planet-wissen.de/kultur_medien/kommunikation/koerpersprache/gesicht.jsp (02-12-12)

http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/nonverb.htm (03-06-05)

http://www.rp-online.de (03-01-10)

http://www.mastel.ch/projekt-ada1/ (03-06-23)

http://www.magic-point.net/fingerzeig/grundlagen-deutsch/kommunikation/koerperspr/koerperspr.html (02-01-20)

Frey, Siegfried (1984). Die nonverbale Kommunikation. Stuttgart.

Molcho, Samy (1988). Körpersprache als Dialog: Mosaik-Verlag.

Mehrabian, Albert (1972). Nonverbal Communication. Chicago.

Bürger, Britta (2005). Die Signale der Körperkommunikation.
WWW: http://www.netdoktor.de/ratschlaege/fakten/korpersprache.htm (05-05-05)

Meinert, Sabine (2009). Verhandlungstechnik. Wissen, was der andere denkt.
WWW: http://www.impulse.de/management/strategie/:Verhandlungstechnik--Wissen-was-der-andere-denkt/1010545.html (09-11-19)

Quaranta, A., Siniscalchi, M. & Vallortigara G. (2007). Asymmetric tail-wagging responses by dogs to different emotive stimuli. Current Biology, 17, 199 - 201.

Walschburger, Peter (2008). Wenn der Körper spricht. WELT ONLINE 12. Oktober 2008.

Zimmer, Dieter E. (o.J.). Unsere stumme Sprache. Zeit-Magazin, 4-10.
WWW: http://www.welt.de/wams_print/article2564454/Wenn-der-Koerper-spricht.html (08-10-12)



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