[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Man kann in ein Kind nichts hineinprügeln,
aber vieles herausstreicheln.
Astrid Lindgren 

Die Wahrnehmung von Gewalt in der Familie durch Kinder

Es existieren diverse Schutzbehauptungen, mit denen häufig versucht wird, die Auswirkungen von Gewalt auf Kinder zu verharmlosen oder gar zu leugnen.

"Die Kinder haben nichts gesehen und nichts gehört"

Auch dann, wenn Kinder nicht direkt miterleben, wie etwa die Mutter geschlagen wird, spüren sie das gespannte Verhältnis zwischen ihren Eltern sehr deutlich und fragen insgeheim nach dem Grund, suchen eventuell sogar die Schuld bei sich. Kinder werden häufig als Figuren im häuslichen Gewaltspiel missbraucht: "Tust du nicht das, was ich will, nehme ich Dir die Kinder weg!". Eine kanadische Studie belegt, dass 80% aller Kinder Streitigkeiten und Gewaltanwendung im Elternhaus miterleben (Sinclair 1985).

"Die Kinder hat er nie angerührt"

Männer, die ihre Frauen misshandelten, schlugen in 50% der Fälle auch ihre Kinder. 25% der misshandelten Frauen wurden ihren Kindern gegenüber selbst gewalttätig (Straus 1983).

"Kinder verstehen nicht, worum es geht"

Bereits Säuglinge reagieren auf bedrohliche oder angstbesetzte Situationen (Zeanah 1993).

"Kinder vergessen so schnell"

Kinder, die zu Augenzeugen von Gewalt geworden sind, erinnern sich oftmals an genaue Einzelheiten der Streitigkeiten. Besonders die Vorgänge, die sie ängstigen, prägen sich deutlich ein; sie können oft die Entstehung eines Streites genau beschreiben. Kleinkinder können zwar einzelne Streitfälle nicht voneinander unterscheiden und können auch nicht folgerichtig beschreiben, was vorgefallen ist. In ihrem Spiel jedoch wiederholen sie das Erlebte. Ganz kleine Kinder, die der Sprache noch nicht mächtig sind, können sich später an die Gefühle erinnern, die sie während der Streitsituation hatten. Solche traumatischen Erlebnisse können bis ins Erwachsenenalter hinein bewusst oder unbewusst gespeichert bleiben. Auch dann, wenn die konkrete Situation des Streits oder der Gewalt zwischen den Eltern nicht ständig vor Augen erscheint, können Erwachsene aufgrund vergangener Erlebnisse besonders sensibel auf Streit oder ähnliche Situationen reagieren. Schreie oder laute Stimmen z.B. werden als unerträglich empfunden, enge zwischenmenschliche Beziehungen können sogar als so negativ gelten, dass sie total abgelehnt werden.

"Kinder sind flexibel, sie kommen schon zurecht"

Zum Glück können die meisten Kinder, die in einer gewalttätigen Umgebung aufgewachsen sind, als Erwachsene ein problemfreies Leben führen. Doch dies kommt nicht von ungefähr. Einerseits muss ein Kind wichtige soziale Fähigkeiten erworben haben, mit denen es sich selbst schützen kann. Ein Kind mit gutem verbalen Ausdrucksvermögen z.B. kann sich selbst und anderen die Situation, in der es lebt verdeutlichen und so Hilfe und Verständnis erhalten. Zum anderen ist es für ein Kind von Vorteil, wenn in seinem Umfeld Personen existieren, zu denen es ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann und die ihm das Gefühl von einer gefestigten Beziehung vermitteln können. Ein solcher Erwachsener kann ein Großelternteil, ein Pate, ein Nachbar oder auch der Trainer des Sportvereins sein. Kinder, die nur sehr wenige dieser schützenden Faktoren vorfinden, haben häufig Schwierigkeiten in der Entwicklung, da ihnen nur sehr geringe Kraftreserven zur Verfügung stehen. In Problemfamilien ist oft im gesamten sozialen Netz keine Person zu finden, die dem Kind helfen kann. Gerade diese Kinder brauchen am meisten Hilfe, wenn sie zu Augenzeugen von Gewaltanwendung werden (Haggerty et al. 1996).

Quelle:
http://www.akatemia.org/
projektit/perhevak/gewalt.htm (05-12-12)
Literatur:
Haggerty, R. et al. (Hrsg.) (1996). Stress, risk and resiliency in children and adolecents. Processes, mechanisms and interveintion. Cambridge: Cambridge University Press.
Sinclair, D. (1985). Understanding Wife Assault: A taining manual for counsellors and advocates. Toronto, Ontario: GovernmentBooks.
Straus, M.A. (1983). Ordinary violence, child abuce and wife-beating: What di they have in common? In D. Finkelhorn, R.J. Gelles, G.T. Hotaling & M.A. Straus (ed.), The dark side of families: Current family violence research 8ss. 213-243). Beverly Hills, CA: Sage.
Zeanah C.H. (Hrsg.) (1993). Handbook of infant mental health. New York: Guilford Press.


Inhaltsverzeichnis

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