[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Exzessive Nutzung von Medien durch Jugendliche

Literatur

Züge, C., Möller, I., Meixner, S. & Scheithauer, H. (2008). Exzessive Mediennutzung und gewalthaltige Medien. In Scheithauer, H., Hayer, T. & Niebank, K. (Hrsg.), Problemverhalten und Gewalt im Jugendalter. Erscheinungsformen, Entstehungsbedingungen, Prävention und Intervention (S. 180-193). Stuttgart: Kohlhammer.

pro.schule.news vom 29. Jänner 2015

Ein herausragendes Merkmale des heutigen Mediensystems sind medienübergreifend vernetzte Angebote und eine Vielfalt an Möglichkeiten zur Artikulation und Veröffentlichung, wobei vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Medienwelt besonders aktiv sind und die Optionen ausschöpfen. 

Medien und Mediengewalt

Die meisten Jugendlichen sehen fern, wenn sie sich langweilen, sie etwas Spannendes erleben möchten oder sie sich alleine fühlen (vgl. Züge et al. 2008, S. 183). „Exzessives Fernsehen wird im Zusammenhang mit aggressivem Verhalten, dem Konsum von Tabak und Alkohol, der Annahme stereotyper Geschlechterrollen sowie Übergewicht betrachtet“ (Strasburger & Donnerstein zit. nach Züge et al. 2008, S. 183). Faktoren, wie ein hoher sozialer Status der Eltern und klare Nutzungsregeln verringern die exzessive Nutzung sowohl der Kinder als auch der Eltern selbst im Vergleich zu Kindern, deren Eltern einen niedrigen Sozialstatus aufweisen oder die keine Grenze gesetzt bekommen. Weitere Faktoren, die die übermäßige Nutzung von Medien verstärken, sind Angst, Unsicherheit, Einfluss durch die Peergruppe und das Verwenden des Mediums zur Abwehr und Verdrängung von Problemen Wirklichkeitsflucht (vgl. Züge et al. 2008, S. 183). Von den 1000 befragten Jugendlichen dieser Studie haben 900 ein eigenes Handy, das zum Telefonieren, zum Verschicken von SMS und MMS dient, und zunehmend auch internetfähig ist.

Sexting

Als Sexting bezeichnet man die private Verbreitung erotischen Bildmaterials des eigenen Körpers über Multimedia Messaging Services bzw. über Mobiltelefone. Sexting setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „sex“ und „texting“, wobei immer mehr soziale Netzwerke wie Facebook oder Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp, Instagram oder Snapchat genutzt werden. Durch die in fast allen Smartphones eingebauten Kameras bzw. die Internetverbindung wird es den Menschen immer leichter gemacht, erotische Fotos oder auch Nacktfotos via Handy an andere zu verschicken, wobei nach einer amerikanischen Studie der „National Campaign to Prevent Teen and Unplanned Pregnancy“ jeder fünfte Jugendliche und jeder zweite junge Erwachsene bereits „Sextings“ versendet hat, bzw. die Hälfte der Jugendlichen schon erotische Bilder erhalten hat, denn in manchen Gruppen gilt das Versenden derartiger Bilder als Freundschafts- oder Liebesbeweis. Die Forscher hatten Männer und Frauen zwischen 18 und 24 befragt, von denen sich fast die Hälfte als Anhänger vom regelmäßigem Sexting bekannten. Dabei zeigten die Testpersonen sonst kein kein risikoreicheres sexuelles Verhalten und hatten keine Anzeichen von psychologischen Problemen wie niedriges Selbstbewusstsein oder Depressionen. In einer englischen Studie wurden 2000 Erwachsene zu diesem Thema befragt, wobei sich zeigte, dass 48 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer provokante erotische Bilder, Videos oder Nachrichten verschicken. Diese besondere Art von Kommunikation für Paare macht es für sie offenbar einfacher, ihre Wünsche und Neigungen auf diesem Weg zu zeigen. Sind solche Nachrichten und Bilder erst einmal verschickt oder gar online irgendwo gespeichert, ist die Gefahr groß, dass sie irgendwann einmal missbräuchlich verwendet werden, wobei diese manchmal auch gezielt zum Mobbing eingesetzt werden, indem solche kompromittierenden Fotos öffentlich online gestellt werden. Sexting-Fotos, die ungewollt weitergereicht werden, sind eine öffentliche Bloßstellung, denn betroffene SchülerInnen werden häufig von Klassenkameraden ausgegrenzt oder ausgelacht, wobei Mobbing und Cyber-Mobbing die Folgen sein können. Auch können die Fotos zur Erpressung genutzt werden: „Tu, was ich will, oder ich schicke dein Nacktfoto rum!“ Viele Sexting-Opfer leiden unter Depressionen und bedürfen psychologischer Betreuung, zum Teil sogar stationär, da nicht wenige Selbstmordgedanken hegen.

Vor allem in der Pubertät probieren Jugendliche vieles aus: Alkohol, Rauchen, zum Teil leichte Drogen und natürlich auch die eigene Sexualität, wobei Sexting als Teil davon betrachtet werden kann, u. U. auch als eine neue Art des digitalen Flirts. Jugendliche machen Sexting als Mutprobe, aus Spaß, Neugier oder Gruppenzwang, aber auch auf Druck des Partners hin oder um diesem oder dem heimlichen Schwarm zu imponieren. Zwar gab es selbstgeschossene Nacktfotos schon früher, allerdings brauchte es bei der analogen Kameratechnik Zeit, die Fotos zu entwickeln und weiterzureichen, also Zeit genug, um alles noch einmal zu überdenken. Auch behielt man dank der Negative und Abzüge zumindest eine gewisse Kontrolle darüber, wer die Fotos zu sehen bekam. Im Zeitalter der digitalen Vernetzung ist eine solche Kontrolle nicht mehr gegeben. Ein Foto ist heutzutage in Sekunden erstellt und ebenso schnell weitergeleitet. Das Smartphone als mobiler Alleskönner mit Kamera und unzähligen sozialen Diensten macht es möglich. Und das Internet vergisst niemals, denn was einmal im Netz ist, bleibt im Netz. Besonders Kinder und Jugendliche sind sich dieses Risikos aber noch nicht bewusst, denn häufig bekommen sie eigene Smartphones, noch ehe sie mit diesen verantwortungsvoll umgehen können.

Förderung des Binge watching durch Cliffhanger

Einen Cliffhanger nennt man die Situation am Ende eines Films, bei der die Handlung nach eine Lösung verlangt, der Zuschauer aber bis zur Fortsetzung hängen gelassen wird, d. h., er muss also warten, bis es weiter geht. Als Cliffhanger wird dabei daher der offene Ausgang einer Episode auf ihrem Höhepunkt bei Serials, Fernsehserien, Seifenopern oder mit planvoll fortgesetzten Kinofilmen bezeichnet, wobei die Handlung meist in der nächsten Episode fortgesetzt wird. Auch in der Literatur etwa bei Comics gibt es solche Cliffhanger. Im Cliffhanger-Projekt des Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Freiburg wurden auch physiologische Daten erhoben und das Cortisol-Level vor, während und nach der Nutzung von solchen Serien untersucht und überprüft, ob es dabei Indikatoren für Stress gibt. Je komplexer das Narrativ war, je mehr Handlungsstränge sich verwoben, desto mehr führte eine Serie dazu, dass man sie spannend fand. Allerdings war nicht ausschlaggebend, wie eine Serie genau aufgebaut ist, sondern was dabei genau mit den NutzerInnen passiert, dass sie bzw. er starke Beziehungen zu den Charakteren entwickelt, d. h., wichtig sind die emotionalen Zustände, die dabei ausgelöst werden. Man geht daher auf Grund der Ergebnisse mehrerer Studien davon aus, dass Menschen Medien nutzen, um ihre Stimmungen in Balance zu bringen, d. h., wenn man gestresst ist, sucht man sich Medien aus, die etwas herunterholen und wenn man gelangweilt ist, sucht man etwas Stimulierendes. Wenn eine Serie dazu führt, dass man kein Gleichgewicht erreicht, weil am Ende immer noch etwas Aufregendes passiert, es also einen Cliffhanger gibt, die Szene besonders traurig macht oder aufwühlt, dann schaut man solange weiter, bis man wieder das Gleichgewicht erreicht. Wenn Serien gut gemacht sind, befindet man sich am Ende einer Folge daher nicht in einem Zustand, in dem man verbleiben möchte. Solche Serien sind daher so konstruiert, dass es eine interessante Geschichte innerhalb einer Episode gibt, aber auch eine Metageschichte, die wichtig ist für das Weiterschauen, weil man ja wissen will, wie es insgesamt weitergeht. Cliffhanger können dazu Wesentliches beitragen, aber natürlich auch, dass viele Serien character driven sind: Wie geht es mit den Figuren weiter, zu denen man eine Beziehung aufgebaut hat? Kann man sich mit ihnen identifizieren? Wie ambivalent sind sie? Zum guten Rezept solcher Serien gehört auch dazu, dass sich die Charaktere entwickeln. Viele Serien schaffen es auch, dass man weiterschaut, weil beim Abspann am Ende einer Folge das Fenster für die nächste aufgeht, so dass man neu getriggert ist, und wenn man nicht aktiv stoppt, fängt die nächste Folge automatisch an.

Literatur

https://www.unifr.ch/universitas/de/ausgaben/2020-2021/united-kingdom/nur-noch-eine-folge.html (21-11-06)


Auswirkungen exzessiver Mediennutzung auf den Lern- und Leistungsbereich


Siehe auch



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