Medienerziehung
Der Begriff der Medienkompetenz als Spezialform der kommunikativen Kompetenz ist vielschichtig und es gibt aktuell einen intensiven Diskurs über die Abgrenzung der Begriffe Medienkompetenz, Medienbildung und Medienerziehung bzw. darüber, welche Modelle durch die Verwendung der jeweiligen Begriffe zum Tragen kommen. Manche sind der Ansicht, dass Medienbildung über das Konzept der Medienkompetenz hinausgehen muss, weil Medienbildung nicht auf die Beziehung Mensch–Medien fokussiert werden darf, sondern ganz allgemein auf die Beziehung des Menschen auf die Welt gerichtet sein muss. Dabei können sich Medienbildung und Medienkompetenz nicht ausschließen, wenn Medienbildung als Ziel des medienpädagogischen Handelns betrachtet wird, zu dessen Erreichen Medienkompetenz als Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgebildet werden muss. Medienbildung ist im wesentlichen ein Aspekt der Persönlichkeitsbildung als Prozess und als Ergebnis des Prozesses der Vermittlung von Welt und Selbst durch Medien. Medienbildung ist somit jener Prozess, in dem Heranwachsende und der Erwachsene ihr gesamtes Leben hindurch eine kritische Distanz zu den Medien und ihren Weiterentwicklungen aufbauen und eine Verantwortungshaltung gegenüber den Medien und im Umgang mit ihnen einnehmen kann Medienkompetenz wird oftmals mit einer begrifflichen Unschärfe als Media Literacy übersetzt, wobei aufgrund der technologischen Entwicklung jedoch das Konzept der Literarität, das ursprünglich lediglich auf den Umgang mit gedruckten Texten und Sprache ausgerichtet war, international zunehmend breiter definiert wird, denn unter den Kulturtechniken nimmt vor allem der Umgang mit audiovisuellen und digitalen Medien einen immer breiteren Raum ein. Hinzu kommt der Begriff der Digitalisierung bzw. der Begriff der digitale Bildung, sodass anstelle von Medienkompetenz mittlerweile immer öfter von digitaler Kompetenz gesprochen wird, jedoch ist der Begriff der Medienkompetenz wesentlich umfassender, denn er beinhaltet sowohl digitale als auch analoge Fähigkeiten und Fertigkeiten. Insgesamt geht es um eine Auseinandersetzung mit dem Gesamtphänomen der digitalisierten Welt und die umfassende Aneignung von auch reflexiver Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien und Inhalten.
Literatur
Anspach, Nicolas, T. Jennings, Jay & Arceneaux, Kevin (2019). A little bit of knowledge: Facebook’s News Feed and self-perceptions of knowledge. Research & Politics, 6, doi:10.1177/2053168018816189.
Hoppe-Graff, S. & Hye-On, K.(2002). Die Bedeutung der Medien für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. In Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 907-922). Weinheim: Beltz.
Nathanson, A. I. (2003). The effects of mediation content and form on children’s responses to violent television. Human Communication Research, 29, 111-134.
Züge, C., Möller, I., Meixner, S. & Scheithauer, H. (2008). Exzessive Mediennutzung und gewalthaltige Medien. In Scheithauer, H., Hayer, T. & Niebank, K. (Hrsg.), Problemverhalten und Gewalt im Jugendalter. Erscheinungsformen, Entstehungsbedingungen, Prävention und Intervention (S. 180-193). Stuttgart: Kohlhammer.
Weiner, J. (2011). „Medienkompetenz“ – Chimäre oder Universalkompetenz? APuZ 3.
https://www.pressetext.com/news/ facebook-nutzer-ueberschaetzen-ihr-wissen.html (19-05-06)
Digitale Kompetenz ist inzwischen ebenso wie Lesen, Schreiben und Rechnen eine Kulturtechnik geworden, die für ein selbstbestimmtes Leben, berufliches Wirken und gesellschaftliche Teilhabe unabdingbar ist. Wer die Veränderungsprozesse einer globalisierten, kulturell vielfältigen und wissenschaftlich-technisch geprägten Welt verstehen und aktiv mitgestalten will, muss mit digitalen Medien reflektiert umgehen können, denn es gibt kaum noch einen Lebensbereich, der nicht mittel- oder unmittelbar von der Digitalisierung betroffen ist. Daher muss digitale Kompetenz auch selbstverständlicher Bestandteil der Allgemeinbildung sein, denn der Einsatz digitaler Medien bietet zahlreiche Möglichkeiten des individuellen Lernens. Die neuen Medien sind aber kein Allheilmittel, d.h., der kritische und reflektierte Umgang mit ihnen ist notwendigerweise zu erlernen. Verbote helfen übrigens nicht weiter, vielmehr sollten Kinder und insbesondere Jugendliche über die Chancen und Risiken digitaler Medien aufgeklärt werden, was etwa für den Umgang mit persönlichen Daten als auch für die Nutzung von Medien im Unterricht angeht. Der Konsum von Medien kann sich sowohl positiv als auch negativ auf den Lern- und Leistungsbereich auswirken. Fernsehen etwa erhöht den aktiven Wortschatz, bestimmte Videospiele trainieren das strategische und vernetzte Denken oder die räumliche Wahrnehmung. Beim exzessiven Gebrauch von Medien kommt jedoch die Verdrängungstheorie zur Geltung. Hiermit ist gemeint, dass die Zeit die für Medien verwendet wird nicht mehr für andere Aktivitäten wie Lernen zur Verfügung steht. Es wird vermutet, dass dies eine sowohl negative Auswirkung auf den Lernerfolg als auch auf die Lese- und Schreibfertigkeit hat (vgl. Züge et al. 2008, S 188).
Der Erwerb von Medienkompetenzen ist für Kinder und Jugendliche eine bedeutsame Entwicklungsaufgabe. Zum einen sind Kinder und Jugendliche den Medien nicht ausgesetzt, sondern interessiert daran, sich diese anzueignen und dadurch auch mehr Wissen und Erfahrungen zu sammeln und andererseits wird der kompetente Umgang mit den Medien in der heutigen Berufs- und Arbeitswelt erwartet. Die Bedeutung der Medienkompetenz in der heutigen Zeit wird dadurch ersichtlich. Daher ist es auch notwendig, den Kindern und Jugendlichen den verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu ermöglichen und zu erlernen und den Umgang mit Medien als eigenständige Entwicklungsaufgabe zu betrachten (vgl. Hoppe-Graff & Hye-On 2002, S. 911, 920).
Baacke (1997) untergliedert den erfolgreichen Erwerb der Medienkompetenz in vier Dimensionen: Die erste Dimension ist das Erlangen der Fähigkeit zu einer medienkritischen Haltung. Die zweite Dimension beschreibt das Wissen über heutige Medien, die dritte Dimension beinhaltet die Fähigkeit der bewussten Mediennutzung und die vierte Dimension äußert sich in der bewussten Mediengestaltung (vgl. Züge et al. 2008, S. 190). Die Medienkompetenz wird heute bereits als wichtige Schlüsselqualifikation betrachtet und erlangt in der Ausbildung immer mehr an Bedeutung (vgl. Züge et al. 2008, S. 190).
Selbstüberschätzung des eigenen Wissens durch soziale Medien
Da etwa die Hälfte der Internetnutzer Facebook nutzt, um auf Nachrichten zuzugreifen, ist es nicht verwunderlich, dass Social Media zunehmend als eine wesentliche Quelle für politische Informationen angesehen werden. Obwohl der durchschnittliche Social Media-Nutzer nur auf einen kleinen Teil der politischen Inhalte klickt, die in seinem News Feed verfügbar sind, korreliert die Nutzung von Social Media mit seinem politischem Wissen. Da der News-Feed von Facebook aber nur Artikelvorschauen liefert, denken die LeserInnen, dass sie mehr wissen, als sie es tatsächlich tun, insbesondere Menschen, die motiviert sind, Emotionen zu suchen. Menschen neigen daher zu übersteigertem Selbstvertrauen in ihr eigenes Wissen, nachdem sie nur die Vorschau eines Facebook-Artikels gelesen haben. Es findet offenbar eine Verschlagwortung in der Kommunikation im Internet statt, denn man sieht reißerische Überschriften, einen kurzen Teaser und ein aufregendes Bild. Solche Nachrichten werden dann tausendfach geteilt und unreflektiert als Information betrachtet, was nicht zuletzt daran liegt, dass Menschen mit einer gewaltigen Informationsflut konfrontiert werden. Es gibt auf diese Informationsflut zwei Reaktionsweisen, einerseits das Eingeständnis, mit dieser Informationsflut nicht zurechtzukommen, andererseits aber auch die Entwicklung eines großen Selbstvertrauens in das eigene Wissen. Anspach et al. (2019) stellten fest, dass Menschen, die eher von Emotionen getrieben werden, auch bei hohem Informationsdefizit davon überzeugt sind, richtig zu liegen und ihr eigenes Wissen über Fakten stellen. Daher neigen solche Menschen zu übersteigertem Selbstvertrauen trotz minimalem Informationen. Da es durch die Menge an Informationen im Internet zunehmend unmöglich geworden ist, in die Tiefe zu gehen, ist die Glaubwürdigkeit der Informationen der Glaubwürdigkeit des Absenders gewichen, d. h., wenn Menschen der Quelle vertrauen, gehen sie davon aus, dass die Informationen schon geprüft wurden und teilen diese dann in den sozialen Medien. Dadurch entstehen Gerüchte, und wenn ein Gerücht oft genug weitergesagt wurde, wird es zur Wahrheit.
Handlungsmöglichkeiten für Eltern, Lehrer und Erzieher
Abgesehen davon, dass Kinder und Jugendliche heute einem unkontrollierbaren Medieneinfluss unterliegen, ist die den Eltern und LehrerInnen zugemutete Medienkompetenzvermittlung kaum zu leisten, denn sie sprengt den dafür zur Verfügung stehenden Zeitrahmen und übersteigt in vielen Fällen auch deren pädagogische Fähigkeiten, geistigen Kapazitäten und deren Wissenshorizont. Dabei wird von manchen Medienpädagogen die Medienkompetenz mehr und mehr zu einer Universalkompetenz der digitalen Gesellschaft aufgebläht, denn es gibt kaum ein problematisches soziales Phänomen, das nicht auf einen Mangel an Medienkompetenz zurückgeführt wird. Im übrigen erschöpft sich schulische Medienerziehung meist darin, dass die SchülerInnen lernen, mit den gängigen Officeprogrammen umzugehen, mäßig sicher im Internet zu surfen, problemlos E-Mails zu schreiben und vielleicht eine eigene Website zu erstellen, oft im Rahmen der sozialen Medien, die eine eigene Problematik hinsichtlich Medienkompetenz und Medienerziehung darstellen. Die Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die für die erfolgreiche Erschließung des im Internet zur Verfügung stehenden Informationsangebots unabdingbar notwendig sind, scheitert häufig schon an der geringen Lesefähigkeit und dem mangelnden Textverständnis vieler Kinder und Jugendlicher (Weiner, 2011).
Für Eltern wird es zunehmend schwieriger, das Mediennutzungsverhalten ihrer Kinder im Blick zu behalten, vor allem aufgrund der immer größeren Verbreitung mobiler Geräte. Dennoch haben Studien (Nathanson, 2003) gezeigt, dass Eltern viel zur Überwachung des Medienkonsums ihrer Kinder und der Vermittlung kritischer Nutzungskompetenzen beitragen und dadurch dem negativen Effekt von Mediengewalt entgegenwirken können.
Grundsätzlich kann der Schutz vor Medieninhalten, welche die Entwicklung der Kinder gefährden durch zwei Bereiche vollzogen werden. Der passive Schutz besteht in der gesetzlichen Verankerung wie der Kennzeichnungspflicht von Filmen und Spielprogrammen sowie dem Kinder- und Jugendschutz (vgl. Züge et al. 2008, S.188). Die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) hat die Aufgabe der Kennzeichnung von Filmen durch 5 Stufen. Stufe 1 ist jenes Filmmaterial, das ohne Altersbeschränkung freigegeben ist. Stufe 2 ist gekennzeichnet durch eine Freigabe ab sechs Jahren. Stufe 3 erlangt die Freigabe ab zwölf Jahren, Stufe 4 ab 16 Jahren und Stufe 5 erlangt keine Jugendfreigabe von Filmmaterial (vgl. Züge et al. 2008, S. 188f). Diese 5 Stufen sind für Eltern und Erzieher ein Richtmaß zur Orientierung und verhindern den Erwerb solchen Materials von Kindern, die diese Altersbeschränkung noch nicht erfüllen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Stufe 1 keine Gewaltszenen vorweist und für jeden völlig unbedenklich wäre. Speziell deshalb nicht, da jedes Kind individuell auf Medieninhalte reagiert, ist eine Kontrolle von Seiten der Eltern und Erzieher daher trotzdem notwendig (vgl. Züge et al. 2008, S. 188f). Der passive Schutz kann weiters dadurch erlangt werden, dass die Zugänglichkeit zu solchen Programmen für Kinder beschränkt wird. Eine gesetzliche Regelung, gewalthaltiges Filmmaterial nicht vor 22:00 Uhr zu senden, kann diese Beschränkung ermöglichen (vgl. Züge et al. 2008, S. 189).
Der passive Schutz kann jedoch nur als Unterstützung für den aktiven Schutz wirken, den vor allem Eltern und Erzieher ausüben sollten. Gerade diese Bezugspersonen können viel für eine positive Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen beitragen. Im Folgenden werden 3 Regeln aufgezeigt, die Eltern beim aktiven Schutz unterstützen können (vgl. Züge et al. 2008, S. 189):
- Regel 1 empfiehlt, den Kindern eine positive Medienumgebung zu vermitteln. Diese kann dadurch erreicht werden, dass z.B. der Fernseher nicht als Babysitterersatz, als Strafe oder Belohnung oder als Hintergrundgeräusch eingesetzt wird. Auch ein eigener Fernseher im Zimmer des Kindes wäre für diese Regel nicht empfehlenswert.
- Regel 2 empfiehlt, Kinder und Jugendliche zu einem aktiven und kritischen Medienkonsum zu fördern. Dies kann erreicht werden, indem sich Eltern und Erzieher mit den Kindern Filme und Spiele gemeinsam ansehen und spielen. Die Auseinandersetzung der Eltern mit den Kindern von Gewaltszenen und Handlungen der Charaktere ist von hoher Bedeutung. Weiters sollte in Bezug auf diese Regel, das wöchentliche Fernsehprogramm gemeinsam ausgewählt werden, um so den bewussten und sinnvollen Umgang der Medien bei den Kindern zu fördern.
- Regel 3 empfiehlt den Medienkonsum zeitlich zu begrenzen und auch medienfreie Tage festzulegen. Der Medienkonsum sollte dabei pro Tag nicht mehr als 1 bis 2 Stunden ausmachen. Besonders zu beachten ist bei dieser Regel Vorbildwirkung der Eltern und Erzieher.
Die Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland gibt Eltern auf Grund der Ergebnisse von Forschungen folgende knappen Hinweise zum Medienkonsum von Grundschulkindern:
- Filmgewalt wirkt immer in einem Kontext. Aggressive Medieninhalte führen nicht zu aggressivem Verhalten, sondern sie wirken vorrangig in einem Bündel von Faktoren (z.B. Umgang mit Gewalt in der Familie, Kindergarten oder Schule).
- Gewalthaltige Szenen wirken nicht unbedingt, wenn sie besonders brutal, blutig oder gewalttätig sind, sondern wenn sie einen individuellen Sinn durch ihre Nähe zu den Erfahrungen der Rezipienten bekommen.
- Die differenzierte Wahrnehmung von Gewaltszenen ist stark beeinflusst durch das Alter und Geschlecht der Kinder sowie ihr soziales Umfeld.
- Die Fähigkeit, verschiedene Formen der Gewaltdarstellung (Nachrichten, Reality-TV, Spielfilm, Trickfilm usw.) zu erkennen, zu differenzieren und zu bewerten, nimmt mit Alter und Schulbildung zu.
- Gewalthandlungen werden dann als solche erkannt und (negativ) bewertet, wenn die Folgen für das Opfer sichtbar sind, d.h. wenn das Opfer leidet, blutet, regungslos daliegt oder in ein Krankenhaus muss.
- Jungen und Mädchen nehmen Gewalt im Fernsehen unterschiedlich wahr. Jungen sehen als Gewalt vorwiegend körperliche Verletzungen mit drastischen Folgen an, Mädchen hingegen stufen schon Prügeleien als Gewalt ein.
- Action- und Zeichentrickgewalt wird als weniger ''schlimm'' angesehen, wenn sich die dargestellte Gewalt im Sinne des guten Medienhelden rechtfertigen lässt und wenn die Folgen der Gewalthandlungen nicht sichtbar sind.
Siehe auch
- Lernen mit dem Computer
- Hyperlearning, Hypermedia, Hypertext
- eLearning, E-Learning
- Vor- und Nachteile einzelner Präsentationsmedien
- Die Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Medien
- Thesen zur Wirkung von Gewalt in den Medien
- Neue Medien und ihre Wirkung auf das Gehirn
- Medien und Medienwirkungsforschung
- Onlinespiele, Isolation und Gewalt
- Stressbewältigung, soziales Umfeld und Internetgebrauch
- Der Einfluss von Medien auf die Entwicklung von Heranwachsenden
- Exzessive Nutzung von Medien durch Jugendliche
- Der Einfluss des Fernsehens auf die geistige und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen
- Medienerziehung
- Medien und Kinder
- Ausmaß der Gewalt im Fernsehen
- Fernsehen und Gewalt
- Wie wirkt sich der Fernsehkonsum auf die schulische Leistung Jugendlicher aus?
- Lehrfilme im Grundschulunterricht
- Moderne Medien stören das Einprägen und Lernen
- Web 3.0 und Social Media
- Extra: Netiquette - wie man im Internet und in den sozialen Netzwerken miteinander umgeht
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