[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Mnemotechnik, Gedächtnistraining, Gedächtnishilfen, Gedächtnistricks

Leichter lernen mit Lernpostern!

Lernposter
Das Wort Mnemotechnik stammt aus dem Griechischen (mnêmon = aufmerksam) und erinnert an die Mutter der Musen Mnemosyne, die daher folgerichtig die Göttin des Gedächtnisses war.

Als Alternative zu Gedächtnishilfen wie Terminkalender und Notizbuch kann man sein Gedächtnis auch durch innere Hilfen trainieren. Um z.B. Namen oder Telefonnummern besser zu behalten, gibt es viele verschiedene Tricks und Kniffe. Alle haben eines gemeinsam: Sie füllen eine abstrakte Zahl oder ein abstraktes Wort mit Inhalt und Bedeutung. Und da das Gedächtnis Inhaltsreiches besser abspeichert als Abstraktes, kann man sich leichter erinnern. Beim Gedächtnistraining gibt es jedoch keine allgemeine Methode, die es einem erlaubt, Telefonnummern, Namen und die Dinge einer Einkaufsliste zu behalten. Es verhält sich wie im Sport: Wer viel Tennis trainiert, ist kein besserer Fußballspieler. Er hat lediglich eine bessere Grundkondition. Und das ist beim Gedächtnistraining auch so: Gedächtnistraining jeder Art - etwa das Lösen eines Kreuzworträtsels oder eine Partie Schach - steigert zwar das Wahrnehmungsvermögen und die Aufmerksamkeit (also gewissermaßen die Fitneß), nicht aber spezielle Gedächtnisfähigkeiten. Zudem erfordert Gedächtnistraining Zeit, Übung und Konzentration, etwa um beim Merken von Telefonnummern Eselsbrücken zu konstruieren.

Machen Sie diesen kleinen Test: Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Supermarkt und kaufen die folgenden Dinge ein (Klicken Sie auf die Liste und versuchen Sie, sich diese Lebensmittel nach einmaligem Durchlesen zu merken):

Einkaufsliste

Nach dem Schließen der Liste werden Sie feststellen, dass Sie sich von den vierzehn genannten Lebensmitteln noch an etwa fünf bis sieben erinnern können. Nun stellen Sie sich vor: Sie gehen in ein Restaurant und bestellen eine Gemüsesuppe, einen gemischten Salat und dazu ein Glas Weißwein; danach essen Sie Rindfleisch mit Sauce Hollandaise, trinken einen Rotwein, bestellen als Nachspeise Vanilleeis und dann einen Kaffee. Sie werden nun keine Probleme haben, sich die vielen unterschiedlichen Dinge zu merken, weil Sie über ein Skript zum Thema "Restaurantbesuch" verfügen. Sie besitzen eine Vorstellung davon, wie eine Speisefolge im Restaurant normalerweise aussieht: Suppe, Salat, Hauptgericht und Nachspeise. Solche Skripts sind nichts anderes als "natürliche" mnemotechnische Tricks, die Ihr Gedächtnis anwendet!

In einem Versuch wurde einer Gruppe von Schülern ein Text vorgelesen, den sie nach einigen Minuten wiedergeben sollten. Einer zweiten Gruppe wurde zusätzlich zum Text ein illustrierendes Bild gezeigt. Die zweite Gruppe war dadurch in der Lage, wesentlich mehr Inhalte aus dem Text zu reproduzieren (vgl. Scherling & Schuckall S. 16).

Hinweis: Die im folgenden beschriebenen Gedächtnistricks sind nur bedingt für das "normale" Lernen in der Schule oder im Studium geeignet - auch wenn so genannte "Lerntrainer" in oft teuren Kursen diesen Eindruck vermitteln, schließlich wollen sie ihre Kurse verkaufen -, denn bei umfangreichen Stoffgebieten kommt man recht rasch an die Grenze dieser linearen Verfahren, die wenig mit dem Sinn eines Stoffes zu tun haben, sondern bloße Hilfsmittel für eher sinnfremde Listen oder Aufzählungen darstellen, die partout nicht in den Kopf hinein wollen. Da studierendes Lernen in erster Linie Sinnstiftung darstellt, führt kein Weg am verstehenden Lernen vorbei, das letztlich wesentlich ökonomischer und nachhaltiger ist.

Die hier beschriebenen Tricks verwenden übrigens auch Gedächtnissportler und Gedächtnisweltmeister, denn auch diesen helfen Assoziationen beim Einprägen ihrer oft aberwitzigen Aufgaben, d.h., sie verbinden neue Informationen mit etwas, das sie ohnehin schon wissen. Das Gedächtnistraining von Weltmeistern klingt daher nach Arbeit. Aber diese Menschen sind von den Fähigkeiten ihres Gedächtnisses so begeistert, d.h., der Gedächtnissport macht ihnen einfach soviel Spaß, sodass zu allem auch noch eine starke emotionale Komponente hinzukommt, die beim "normalen" Lernenden kaum realisiserbar ist, der bloß eine Prüfung bestehen will.

Die im folgenden beschriebenen mechanischen Techniken helfen vielleicht älteren Menschen, ihre Gedächtnisleistungen zu bewahren, SchülerInnen, StudentInnen und Berufstätige sollten aber eher weniger darauf setzen, denn mit diesen Methoden wird ein lernfähiges Gedächtnis in der Regel auch nicht trainiert, sondern nur ganz bestimmte Gedächtnisleistungen, etwa Personennamen, den Pincode der Scheck- oder Kreditkarte, Telefonnummern oder Wortlisten zu merken. Wesentlich wichtiger sind Konzentration, Wiederholung, Visualisierung und Organisation als Schlüssel zur guten Gedächtnisleistung.

NEU: Seit Beginn 2005 steht den BesucherInnen auch ein FORUM zu Fragen des Lernens und der Lerntechnik zur Verfügung, in dem einschlägige Methoden und Probleme diskutiert werden können.


Die auf diesen Seiten präsentierten Mnemotechniken werden übrigens auch in Seminaren marktschreierisch verkauft, wie man der rechts stehenden - natürlich anonymisierten und leicht verfremdeten - "Einladung" entnehmen kann:

MAXI BRAIN
Entdecken Sie das 8te Weltwunder … Ihr Gedächtnis

Seminar
Mi., 5. *** ***, 18.30 - 21.30 Uhr
Veranstalter: XY
Wissenschaftliche Leitung: Univ.Prof. XY
Begrüßung: o.Univ.Prof. XY
Trainer: Dragon Dust, Firma MAXI BRAIN, XY
Dragon Dust, erfolgreichster Gedächtnistrainer Europas führt Sie in die Geheimnisse von MAXI BRAIN ein! Dragon Dust ist einer der erfolgreichsten Gedächnistrainer Europas und hat bis heute über 2500 Seminare und Vorträge geleitet.
Sie lernen mit praktischen Übungen, basierend auf der altgriechischen MNEMO-Technik (Verknüpfung der beiden Hirnhälften beim Lernen), wie Sie sich sofort, messbar und mit viel Spaß Dinge besser merken können. Dabei sind folgende Themen im Vordergrund:
  • Namen sofort behalten und sie auch noch Wochen später wissen
  • Zahlensysteme beherrschen
  • Lernstoffe schneller lernen und ins Langzeitgedächtnis speichern
  • Prüfungen ohne Stress bestehen
  • Fantasie und Spaß beim Lernen entdecken
  • Freie Rede, Spickzettel aller Art im Kopf behalten
  • Kindern beim Lernen helfen
  • Als Lehrerin oder Lehrer in der Schule den Schüler/Innen beim Lernen helfen
Sie praktizieren die erlernte Technik für die einzelnen Themen noch während des Seminars. Durch die erreichten Erfolge besteht dauerhafte Motivation, die Techniken unmittelbar in Ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Mit dem Bauen von gehirngerechten "Eselsbrücken" kann das Gedächtnis enorm gesteigert werden. Im MAXI BRAIN Seminar lernen Sie wie's geht. Danach gehören Lernfrust, stupides Auswendiglernen und schlechtes Gedächtnis der Vergangenheit an! Damit Sie Ihre oft umfangreichen Aufgaben noch motivierter bewältigen!
Teilnehmergebühren: € 140,--, für Studierende € 80,--. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir bei diesem Seminar wegen der geringen Teilnehmergebühren keine Ermäßigungen gewähren können.
Feedbacks von ehemaligen Teilnehmern
Es war unglaublich; innert so kurzer Zeit so viel, so einfach gelernt. Ich hätte es nie geglaubt. Es wird mir im Leben und im Studium ganz sicher vieles einfacher fallen.

Die Kursabende würde ich unbedingt empfehlen! Spielerisch kann man sein Selbstvertrauen stärken und über die Aufnahmekapazität staunen! Maxi-Brain-Technik braucht sicher auch viel Übung in der Praxis. Aber Anregung haben wir erfahren. Ich will es unbedingt versuchen.

Kam mit einiger Skepsis an dieses Seminar, wurde allerdings positiv überrascht. Ich werde in Zukunft (versuchen) nach diesem System zu lernen. Habe allerdings Zweifel ob es auch so gut funktioniert, um eine fremde Sprache zu lernen, oder ob dafür der Aufwand zu gross ist.

Seit neuestem auch in Verbindung mit Gehirnfoschung und IT …

Kollektive Wissensgenerierung aus Gehirnforschung und IT ist jetzt lernbar
Die BRAINprocessing Methode* basiert auf Erkenntnissen der modernen Neurobiologie über die Wahrnehmungsmechanismen des menschlichen Gehirns. Das Besondere ist: Im Rahmen der Wissensgenerierung werden die etablierten bzw. gewohnten Denkbahnen und Denkprozesse umgangen. Neuartige Anwendungen für Schwarmintelligenz sind somit im Kollektiv möglich: Grundlagenforschung, Problemlösungsansätze, Konzeptentwicklung, Ideengenerierung, Validierung von Ideen, Personen- und Firmenprofile, Rekonstruktion und Prognose von Ereignissen sowie Zukunftsforschung.
Die BRAINprocessing Gesellschaft stellt dem Coachee eine - speziell für strukturierte Schwarmintelligenz entwickelte - Software bereit, welche auf der Basis seines individuellen Coachingplanes konfiguriert wird. Der Coachee nimmt neben dem Theorieteil als "Training on the Job" an realen Projekten teil. Hierzu dient die BRAINprocessing BRAINAGORA, der erste europäische Ideen- und Wissensmarktplatz basierend auf strukturierter Schwarmintelligenz.
Für die gesamte Coachingdauer sollten 8 - 12 Monate bei individuellem Lerntempo und -rhythmus eingerechnet werden. Im Schnitt sind 2 - 4 Stunden pro Woche erforderlich. Der ca. 50-stündige Coachinganteil wird auf Basis marküblicher Coachingsätze berechnet. Eine monatliche Lizenz sichert dem Coachee die aktuellste Software Version für seine Wissensgenerierung und sein Wissensmanagement.
Jeder Mensch kann diese Methode erfolgreich erlernen und effektiv einsetzen. Es werden keine bereits trainierten oder vorhandenen Fähigkeiten benötigt. Die strukturierte BRAINprocessing Methode erlaubt es, jeder Person, die eigenen natürlichen Anlagen der Wissensgenerierung zu nutzen. Hierbei fungiert die Methode als eine Sprache des Gehirns, die erlernt wird - nach dem Motto "Übung macht den Meister"!

*Namen der Methoden geändert


Tipp

Auf der Webseite der populärwissenschaftlichen Sendereihe Galileo verrät in einem kurzen Video eine Gedächtnisweltmeisterin jene Tricks, die in teuren Seminaren "verkauft" werden:

http://www.prosieben.at/tv/galileo/videos/clip/9199-gedaechtnis-contest-1.2030588/

Kleine Anmerkung: So verblüffend und einfach in diesem Video die Möglichkeit des Einprägens eines Einkaufszettels mit 15 oder 20 Punkten beschrieben wird, so unrealistisch bzw. unpraktisch wird diese Methode im Alltag sein, denn ein Einkaufszettel für einen Supermarkt wird in der Regel im Laufe einer Woche nach und nach zustandekommen (auf dem Pinboard in der Küche), und warum sollte man dan die Zeit investieren, sich diesen vor der Abfahrt auch noch etwa über die Körperroute einzuprägen, statt ihn einfach einzustecken. Hinzu kommt, dass man dann unter Umständen vor einem Regal steht und versucht herauszufinden, ob die Stecknadeln im Knie nicht vom Einkauf der vorigen Woche stammen oder ob es dieses Mal nicht die 10 dag Schinken sind, die man sich um das Knie gewickelt hat. Außerdem bestehen Einkaufszettel für den Supermarkt nicht aus so völlig unterschiedlichen Dingen wie in dem Video, sondern etwa aus 10 dag Parmaschinken, 15 dag Räucherschinken und 20 dag Toastschinken, was schon etwas umständlicher in der Körperroute insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Gewichtsangaben unterzubringen ist. Hinzu kommt auch bei einem mittels der Loci-Technik nur im Gedächtnis gespeicherten Einkaufszettel, dass man nicht wie sonst einen "Überblick" über die einzukaufenden Dinge hat, d.h., nicht an der räumlichen Organisation eines bestimmten Supermarktes orientiert den zeit- und wegesparendsten Einkauf an Hand eines einzigen Blickes durchführen kann.
Eine nette Spielerei, aber eben nicht wirklich zeitsparend!

Hilfreich hingegen ist die in diesem Video demonstrierte Methode, wichtige Nummern in Zahlen umzusetzen, denn diese kann für viele Menschen alltagstauglich sein.

Siehe dazu auch Kurioses aus der Welt des Lernens - Wundermethoden des Lernens


Seit der Antike werden Gedächtnishilfen benutzt, wobei die meisten auf bildlichen Vorstellungen beruhen. Gedächtnistricks waren ein wichtiges Hilfsmittel, bevor Schreibutensilien und Bücher verbreitet waren. Die Schauspieler des griechischen Theater merkten sich lange Monologe, die sie mit Steinblöcken in der Arena in Verbindung brachten und auch heute noch gibt es zahlreiche Schauspieler, die zum Erlernen des Textes die Utensilien der Bühne verwenden. Beim Erlernen eines Textes hilft sicherlich auch, wenn dieser in einem Versmaß geschrieben ist, was etwa bei den Theaterstücken der Antike der Fall war. Heute wird – wenn überhaupt - nur noch Lyrik in Reimen verfasst, wobei moderne Lyrik in den seltensten Fällen überhaupt noch den Reim oder ein konkretes Versmaß benutzt.

Im Kern der Gedächtniskunst als einer Methode steht die Schaffung eines memorialen Systems, in dem Erinnerungen in Form von Gedächtnisbildern an imaginären Orten (loci oder topoi) abgelegt werden. In der antiken Rhetorik (Cicero, De Oratore) wurde die freie Rede durch solche imaginierten Orte - z.B. die Räume eines Hauses - erleichtert, durch die der Redner memorierend wandern konnte, während er die geistigen Bilder abrief, um den Fortgang der Rede zu kontrollieren. Aber auch andere imaginierte Topologien wie Landschaften, Gemälde, Körperteile, Geschichten und dergleichen konnten als memoriale Systeme dienen.

Die Mnemotechnik galt lange als eine geheime Kunst, die für Gelehrte in Ermangelung externer Wissensspeicher den Schlüssel zur Weisheit bedeutete. Laut Cicero und Quintilian soll die erste Gedächtnishilfe dieser Art um das Jahr 500 v.Chr. von dem griechischen Dichter Simonides von Keos (557-467 v. Chr.) entwickelt worden sein - dieser jedoch erwähnt in keiner seiner Schriften jene Erfindung, die ihm in der Folge zugeschrieben wird:
Bei einem Festmahl, das von einem thessalischen Edlen namens Skopas veranstaltet wurde, trug Simonides zu Ehren seines Gastgebers ein lyrisches Gedicht vor, das auch einen Abschnitt zum Ruhm von Kastor und Pollux enthielt. Der sparsame Skopas teilte dem Dichter mit, er werde ihm nur die Hälfte der für das Loblied vereinbarten Summe zahlen, den Rest solle er sich von den Zwillingsgöttern geben lassen, denen er das halbe Gedicht gewidmet habe. Wenig später wurde dem Simonides die Nachricht gebracht, draußen warteten zwei junge Männer, die ihn sprechen wollten. Er verließ das Festmahl, konnte aber draußen niemanden sehen. Während seiner Abwesenheit stürzte das Dach des Festsaals ein und begrub Skopas und seine Gäste unter seinen Trümmern. Die Leichen waren so zermalmt, dass die Verwandten, die sie zur Bestattung abholen wollten, sie nicht identifizieren konnten. Da sich aber Simonides daran erinnerte, wie sie bei Tisch gesessen hatten, konnte er den Angehörigen zeigen, welches jeweils ihr Toter war. Die unsichtbaren Besucher, Kastor und Pollux, hatten für ihren Anteil an dem Loblied freigebig gezahlt, indem sie Simonides unmittelbar vor dem Einsturz vom Festmahl entfernt hatten.
Cicero De oratore, II

Dieses Ereignis soll ihm verdeutlicht haben, dass es vor allem die Ordnung ist, die ein gutes Gedächtnis ausmache. Die Motivation, Simonides als Erfinder der Mnemotechnik zu tradieren, mag darin zu suchen sein, dass er im Sehvermögen den stärksten aller Sinne sah und Malerei als schweigende Dichtung verstand. Diese Verbindung von Wort und Bild findet sich in der klassischen Gedächtniskunst, indem zu erinnernde Worte durch Bilder symbolisiert werden. Mit dem Wissen um die rhetorische Mnemotechnik läßt sich der Simonides-Mythos als Paradebeispiel der mnemotechnischen Vorgehensweise verstehen:

Für jeden dieser Schritte, die Bildfindung, die Gestaltung und Ordnung der Bilder und die Wahl des Raumes, entwerfen die Rhetoriker einen Regelkatalog, den es zu beachten gilt. Als erster Schritt gilt meist das Beschaffen von Stellen im Raum, an denen die Bilder plaziert werden können. Diese Plätze können, so gut ausgewählt, immer wieder benutzt werden. Die Orte (loci) werden in einer unabänderlichen Reihenfolge im Raum angeordnet, z. B. in einem Haus mit vielen Zimmern, entlang eines langen Weges oder in einem Tempel. Diese Räume können sowohl ausgedacht als auch Vorstellungen von echten Gebäuden sein. Die räumliche Ordnung ist das Kernstück der Mnemotechnik und muß besonders beachtet werden, denn wird die Ordnung der loci richtig behalten, ist es möglich die Erinnerung an jeder beliebigen Stelle einsetzen zu lassen und sich je nach Belieben vor oder rückwärts zu bewegen. Daher schlägt der Auctor ad Herennium auch vor, jeden fünften Ort mit einem speziellen Zeichen zu versehen, z. B. mit einer goldenen Hand, da die Hand fünf Finger hat und Gold besonders auffällig ist. Empfohlen wird außerdem, einen gewissen Abstand zwischen den Orten einzuhalten und sie, um sie nicht zu verwechseln, optisch deutlich voneinander zu unterscheiden. Auch finden sich Regeln über die Größe und die Helligkeit der loci. Ist so ein Ordnungsschema entstanden, können Bilder für das zu Erinnernde gefunden und angeordnet werden. Während die Orte des künstlichen Gedächtnisses meist aus dem öffentlichen Raum stammen, entspricht die Auswahl der Bilder den subjektiven Vorlieben und geheimen Phantasien des Mnemotechnikers. Die Bilder, die das zu Erinnernde repräsentieren, müssen möglichst auffällig sein, um einen Eindruck zu hinterlassen. Hier zeigt sich der systematische Bezug der Memoriallehre zur rhetorischen Affektenlehre. Die Rede soll nicht nur Affekte erzielen, sie entsteht auch aus solchen. Die Bilder, die am besten abrufbar sind, sind die, die auch im wörtlichen Sinne am stärksten beeindrucken. Der Affekt wird also zur wichtigen Stütze des mnemotechnischen Verfahrens. Die Grundidee der klassischen Mnemotechnik ist, dass das natürliche Gedächtnis nicht ausreichend sei und durch verschiedene Techniken verstärkt und ergänzt werden kann. Daraus läßt sich erkennen, dass die antiken Rhetoriker bereits die wichtigsten psychologischen Grundannahmen dieser Lerntechnik kannten bzw. intuitiv anwendeten.

Es gab aber schon zu dieser Zeit Kritiker der Methoden der Mnemotechnik: So soll Themistokles - ein athenischer Staatsmann und Feldherr, der die attische Flotte 480 zum Sieg bei Salamis über die Perser führte - sich geweigert haben, die Kunst des Gedächtnisses einzustudieren. Er behauptete, eine Wissenschaft des Vergessens sei einer des Erinnerns vorzuziehen. Quintilian befürchtete, dass die Bilder und erdachten Orte das beeinträchtigten, was unser Gedächtnis aus eigener Kraft behalten könne.


Anmerkung
Menschen haben ein besonderes Gedächtnis für die Verknüpfung von persönlich Erlebtem mit Orten und Zeiten, das episodische Gedächtnis.

Spezielle Mnemotechniken


Bücher der "Ars Memoranda" dienten Priestern im Mittelalter zum Training des Gedächtnisses und als mnemotechnisches Hilfsmittel, mit dessen Hilfe sie sich den Inhalt der Evangelien leichter vergegenwärtigen konnte. Ein prächtiges Beispiel dafür ist der links stehende Holzschnitt aus einer "Ars Memoranda per figuras Evangelistarum", die um 1470 wahrscheinlich in Süddeutschland angefertigt wurde. Ein Klick auf das Bild öffnet eine größere Version nebst der Erklärung dieses "Bildrätsels" zum Matthäus-Evangelium.

Dieses alte Hilfsmittel für das Einprägen ist auch heute beim Lernen von besonders widerspenstigen Inhalten nützlich, indem man sich zu einer Theorie oder einem Sachverhalt eine möglichst anschauliche, bildhafte Illustration ausdenkt.

Diese illustrierten Inhalte können durchaus lustig, ja grotesk sein, und sollten ganz nach persönlichen Vorlieben ausgewählt werden. Je ungewöhnlicher und spaßiger eine solche Phantasieillustration ist, umso besser bleibt der Inhalt an ihr "kleben". Es erfordert ein wenig Mühe und Einfallsreichtum, um ein solches Vorstellungscomic zu finden, aber es kann mit seiner Hilfe geradezu blitzartig eine unauslöschliche Einprägung hergestellt werden. Und was sollte eine strenge "Prüfungsaufsicht" schon Böses denken, wenn man als Schreibunterlage ein Comic-Heft verwendet, das ja offensichtlich nicht das Geringste mit dem Prüfungsstoff zu tun hat ;)

Visualisierung von Lernstoffen

Warum ist dieses Visualisieren für das Lernen so wichtig? Wenn man einem Ausländer erklären möchte, was ein Hund ist, kann man ihm einfach einen Hund zeigen, ihn aufmalen oder einen nachmachen. Dieses Nachmachen ist ebenfalls eine Art der Visualisierung, die zwar nicht wie ein Bild auf Papier längere Zeit Bestand hat, sie wird dem Ausländer aber im Gedächtnis bleiben, und er hat verstanden, was das Wort "Hund" bedeutet.

Bilder erzeugen beim Aufschlagen von Büchern oder Zeitungen mehr Aufmerksamkeit und Neugier als der Text. Bei der Betrachtung von Bildern kommen oft Fragen auf, die durch die eigene Phantasie beantwortet werden wollen. Häufig wecken Bilder emotionale Reaktionen, etwa indem man sich in die Situation der abgebildeten Personen hineinversetzen möchte. Bilder helfen dem Lehrer im Unterricht, die Diskrepanz zwischen der eingeschränkten Sprachkompetenz und dem tatsächlichen Wissen der Schüler zu überbrücken. Bilder sind zur Erklärung von Gegenständen, konkreten Zuständen und Handlungen hilfreich und können eine wichtige Ergänzung oder sogar Ersatz sein, wenn etwa die Sprache nicht oder nicht im vollen Rahmen zur Verfügung steht, wie es im Fremdsprachenunterricht oft der Fall ist. Denn gerade hier ist es wichtig, dass alle Schüler das Erklärte verstanden haben und sie dem Unterricht weiter folgen können. Durch die Ergänzung von Texten mit Bildern kann einer Überforderung durch einen zu hohen Schwierigkeitsgrad des Textes entgegengewirkt werden. Die Schüler können anhand der Zeichnung bereits grob erahnen, worum es im Text geht und dadurch eventuell einiges mehr selbst aus dem Zusammenhang erschließen. Oft wird die Kombination von Text und Zeichnungen in Bedienungsanleitungen oder der Beschreibung von Gerätekonstruktionen verwendet (vgl. Scherling & Schuckall S. 14 ff). Auch Zusammenhänge können durch Visualisierung verdeutlicht werden, da Bilder zunächst als Ganzes wahrgenommen werden und die Orientierung in einem Thema erleichtern bzw. auch Verknüpfungen von Sachverhalten "vor Augen führen". Abläufe können z.B. besser durch Flussdiagramme oder grammatische Zusammenhänge übersichtlicher durch ein Schema dargestellt werden. Diese zeigen die gesamten Beziehungen auf einen Blick und setzen sich besser im Gedächtnis fest, als ein geschriebener Text über den gleichen Sachverhalt (vgl. Stary S. 18 f).

Johann Amos Comenius arbeitete in seiner "Böhmischen Didaktik" die Mnemonik zu einer repräsentationistisch-symbolischen Ordnung um. Comenius schlug vor, die Anatomie des Menschen anhand eines Modells in Form einer beschrifteten ledernen Nachbildung zu lehren. Auf diese Weise gelangte er zu einer Übereinstimmung zwischen zu erinnerndem Sachverhalt und des dazu verwendeten memorialen Systems, welches durch die Beschriftung wiederum mit Symbolen versehen wurde. Überrollt vom Siegeszug der literalen Speicher - ermöglicht durch die Erfindung des Buchdrucks - galt die Mnemotechnik schließlich sogar als unseriös und obskur. Die Wiederentdeckung wurde unter anderem durch die elektrischen Massenmedien gefördert, die den Anteil der nicht-literalen Medien an der Welterfahrung wieder vergrößerten und den Konflikt zwischen der topologisch-sinnlichen Imagination und dem logisch-symbolischen Repräsentationismus wiederbelebten, der seit dem 17. Jahrhundert geruht hatte (Wrede 1996).

Für LehrerInnen stellt sich häufig das Problem, wie man als Lehrer die geeigneten Bilder oder andere visuelle Darstellungen findet, um das Lernziel zu erreichen, denn es müssen in jedem Fall die Schüler mit ihren Erfahrungen berücksichtigt werden. Daher sollten nicht nur LehrerInnen, sondern auch die SchülerInnen Bilder erstellen. Gerade durch die eigene Kreation von Illustrationen bleiben zu erlernende Zusammenhänge eher im Gedächtnis haften, als wenn man sie nur aufgrund der Visualisierung durch den Lehrer sieht.

Auch mathematische Jongleure in Fernsehsendungen, die sich entweder lange Zahlenreihen, die Namen des Publikums oder alle Telefonnummern von Bekannten oder Unbekannten merken können, rufen immer wieder Erstaunen hervor.

Das Geheimnis der meisten Gedächtnistricks, das eigentlich keines ist, liegt in dem psychologischen Phänomen der Assoziation. Assoziieren ist das Verknüpfen unterschiedlicher Gedankeninhalte, wobei hier "Eselsbrücken" unseren Gedanken auf die Sprünge helfen sollen, indem wir aus unseren Inputdaten absurde Bilder im Kopf erzeugen. Je sinnloser die Bilder, desto einfacher sind sie zu behalten. Alltagssituationen sind sicherlich schwerer zu behalten als z.B. einen Freund, der in einer Mülltonne Elefanten zählt. Eine theoretische Begründung findet sich in Paivios (1971) Konzept zweier Verarbeitungsprozesse ("Doppelkodierungstheorie": visuell und verbal), dass zu lernende verbale Inhalte mit Assoziationen angereichert und für eine gewisse Zeit im Focus der Aufmerksamkeit bleiben müssen.

Wussten Sie, dass Hunde ein hervorragendes Gedächtnis besitzen? Hunde vergessen keinen Jogger, der sie einmal gebissen hat!


Matthäus

Ars Memorandi Die Entschlüsselung


Mnemotechnik und Musik

Auf der Website der Universität Köln findet sich ein recht witziger Beitrag zur Mnemotechnik - der "Der „823-Rap" zu § 823 BGB (Schadensersatz) von Jura-Prof. Dr. Klaus Peter Berger, in welchem ein Paragraph des deutschen Rechts in Form eines Rap mnemotechnisch aufbereitet wurde:

823 ist ein leichter Paragraph
ich kenne die Voraussetzungen alle schon im Schlaf

Eigentum, Gesundheit, ein absolutes Recht
wer das verletzt, dem geht es wirklich schlecht

Die Vorschrift betrifft noch weitaus mehr
auch Sport, Reise, Jagd und Straßenverkehr

Geschützt ist selbst der Gewerbebetrieb
jedenfalls das, was von ihm übrig blieb

Und die berühmte Sicherungspflicht,
trifft selbst die, die sonst nichts anficht

Für den Zurechnungszusammenhang
kommt es dann auf den Schutzbereich an

Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden
hat der Schädiger selber zu tragen

Auch der Geschädigte ist mit dran
wenn man ihm Mitverschulden nachweisen kann

Selbst damit ist noch lange nicht alles vorbei
es gibt ja noch das Schutzgesetz in Absatz zwei

Fehlt es allerdings an der Kausalität
kommt 823 sowieso viel zu spät!


Siehe auch Mnemotechnik in der Praxis: Kein Weg nach Oslogrolls

Quellen

Jorde, Andreas (o.J.). Methode des zeitgesteuerten Auswendiglernens.
WWW: http://ourworld.compuserve.com/homepages/W_Schmid/lernen.htm (98-05-08)
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/Auswendiglernen.html (02-11-11)
Kiefer, Jens (o.J.). Gedächtnis als kulturwissenschaftliches und literaturtheoretisches Problem.
WWW: http://www.textem.de/texte/essays/memory/kap1.htm (02-12-22)
http://www.lehrerwissen.de/textem/texte/essays/jens/memory/kap1.htm (04-01-02)
Streidt, Werner D. (o.J.). Wie kann ich mein Gedächtnis verbessern?
WWW: http://www.fhd-stuttgart.de/~ws01/psycho.htm (96-12-09)
Klumpp, Bruno (1997a). Lernen mit Bilderraster.
WWW: http://www.knowhow-kompakt.com/dm/memory/dmme002.htm (98-05-08)
Klumpp, Bruno (1997b). Die Forum-Romanum-Methode.
WWW: http://www.knowhow-kompakt.com/dm/memory/dmme003.htm (98-05-08)
Klumpp, Bruno (1997c). Bilderketten.
WWW: http://www.knowhow-kompakt.com/dm/memory/dmme004.htm (98-05-08)
Paivio, A. (1971). Imagery and verbal processes. New York: Holt, Rinehart and Winston.
Scherling, Theo & Schuckall, Hans-Friedrich (2000). Mit Bildern lernen. München: Langenscheidt.
Stary, Joachim (1997). Visualisieren. Berlin: Cornelsen Verlag.
Wrede, Oliver (1996). Mnemotechnik in grafischen Benutzeroberflächen.
WWW: http://owrede.khm.de/publications/de_mtgui (02-12-22)
http://www.wdr.de/tv/Quarks_Co/gedaechtnis/index.html (99-07-07)
http://virtualc.prz.tu-berlin.de/~stiehl/textveil.htm (99-07-07)
http://www.gazette.de/Archiv/Gazette-14-Mai-Juni1999/Buchkunst.html (03-03-07)
MNEMONICS. LoveToKnow 1911 Online Encyclopedia. 2003, 2004 LoveToKnow.
http://95.1911encyclopedia.org/M/MN/MNEMONICS.htm (04-03-12)



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