Schlafforschung
Überblick Hypertext "Der Schlaf"
- Der Schlaf - Grundlagen
- Die REM-Phasen
- Wieviel Schlaf braucht der Mensch?
- Wie kann man gut schlafen?
- Schlafstörungen
- Schlafmangel
- Schlafentzug
- Schlaf, Gedächtnis und Lernen
- Im Schlaf lernen
- Schlafverhalten und Schulleistung
- Schlaf und Traum
- Schlaf und Traum bei Kindern
- Trauminhalte
- Schlafforschung
- Test zum Nachtschlaf
- Test zur Tagesschläfrigkeit
- Schlafphasenwecker
- Kurioses zum Thema Schlaf
In den 1930er-Jahren zeichneten Hirnforscher erstmals die Hirnströme während des Schlafs in einem Enzephalogramm (EEG) auf. In den Zickzacklinien, die die von den Elektroden auf der Kopfhaut abgeleiteten Spannungsschwankungen nachzeichneten, erkannten sie ein Muster, das charakteristisch für den Zustand des Schlafens war und einem eigenen Rhythmus folgte. Diese systematischen Untersuchungen des Schlafs mithilfe der Enzephalographie begründeten die moderne Schlafforschung. Als einer der ersten soll der Hirnforscher Alois Kornmüller 1937 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch die Veränderungen der Hirnströme während des Schlafs, bei Ermüdung und nach der Einnahme von Wachmachern wie Koffein untersucht haben.
Die Schlafforschung unterscheidet heute insgesamt fünf Schlafphasen. Jede dieser Schlafphasen wird im EEG mit einer charakteristischen Zickzacklinie abgebildet. Von Phase 1 bis Phase 4 nimmt die Frequenz der Hirnströme ab, während die Amplitude, also die Stärke des elektrischen Signals, steigt. Diese vier Phasen – vom leichten bis zum tiefen Schlaf – durchläuft ein Mensch etwa innerhalb der ersten 50 bis 60 Minuten nach dem Einschlafen. In Stufe 4 schlafen wir tief, bewegen uns aber noch. Danach durchläuft der Schlafende die Phasen in umgekehrter Reihenfolge, von Phase 4 nach Phase 1. Schließlich wird der sogenannte REM-Schlaf erreicht. Die nächsten Stunden folgen dem gleichen Muster, der Mensch pendelt zwischen Leicht- und Tiefschlaf hin und her, wobei die REM-Schlafphasen länger werden und sich die Tiefschlafphasen verkürzen, je näher der Morgen rückt. Das als REM-Schlaf bekannte Phänomen wurde 1953 erstmals von einer Gruppe amerikanischer Forscher beschrieben. Die Abkürzung REM steht für Rapid Eye Movement und weist auf das schnelle Hin- und Herbewegen des Augapfels hin, das diese Schlafphase kennzeichnet. Ebenfalls charakteristisch für den REM-Schlaf ist die vollständige Lähmung des Bewegungsapparats sowie die Werte von Blutdruck und Puls, die denen des Wachzustands entsprechen. Das Gehirn ist in dieser Phase sogar stärker durchblutet als im Wachzustand. Es benötigt mehr Nährstoffe als sonst, was auf eine gesteigerte Aktivität hindeutet. Der REM-Schlaf wird auch als Traum-Schlaf bezeichnet, weil Menschen in dieser Schlafphase am ehesten träumen. Dies wurde seit den 1950er-Jahren mit zahlreichen Experimenten nachgewiesen, bei denen Probanden aus verschiedenen Schlafphasen geweckt und nach ihren Träumen befragt wurden. Weil der REM-Schlaf physiologisch gesehen ein einzigartiger Zustand ist, der sich sehr stark von den anderen Schlafphasen absetzt, fasst die Schlafforschung die Schlafphasen 1 bis 4 auch unter dem Begriff Non-REM- Schlaf zusammen. REM-Schlaf erscheint wie ein paradoxer physiologischer Zustand: Man ist hoch erregt und schläft zugleich sehr fest.
Neuere Untersuchungen konnten übrigens zeigen, dass Schlaf kein absoluter Zustand des Gehirns ist, sondern dass die verschiedenen Schlafphasen zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns ablaufen, was dazu führt, dass Neuronen und Neuronenverbände in einigen Arealen des Gehirns noch elektrische Signale abfeuern, während andere stumm daneben liegen.
Quelle
Vaillant, Kristina (2009). Die wissenschaftliche Entdeckung des Schlafs. Einführung in das Thema. Konferenz Schlaf. Somnologie – Erkenntnisse einer neuen Wissenschaft. 13. Berliner Kolloquium der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung.
Ursachen für dauerhafte Müdigkeit durch Arbeit
Ein kurzes Mittagsschläfchen zu halten, setzt sich in Büros und Firmen immer öfter durch. Nun empfehlen auch NASA-Wissenschaftler den Blitzschlaf. Sie konnten durch Studien zeigen, dass Mitarbeiter, die nachmittags ein Schläfchen halten können, ihre Leistungsfähigkeit um 35% und die Qualität ihrer Entscheidungen sogar um 50% verbessern können. |
Griechische Forscher um Androniki Naska konnten im "Archive of Internal Medicine" in einer kontrollierten Studie belegen, dass Menschen, die mindestens dreimal pro Woche Siesta halten, das Risiko einer Herzerkrankung um etwa ein Drittel senken.
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft (idw) http://idw-online.de (02-05-06)
Probleme der Forschung
Während die Erforschung des Gehirns heute mittels funktioneller Magnetresonanztomografie, bei der starke, wechselnde Magnetfelder eingesetzt werden, um Stoffwechselvorgänge im Gehirn nahezu live und dreidimensional zu beobachten, beim wachen Menschen viele Möglichkeiten bietet, gibt es bei der Schlafforschung beinahe unüberwindliche Probleme, denn die Geräte sind auch heute noch sehr laut, sodass die ProbandInnen in der Mehrzahl nicht einschlafen können. Taube ProbandInnen sind daher die idealen Versuchspersonen.
Schlaf und Hunger
Untersuchen zeigen, dass Schlaf und Hunger direkt zusammenhängen, denn Schlafmangel bedeutet Stress für das Gehirn und darauf reagiert es. Vor allem die Hormone Insulin, Glukagon, Ghrelin und Leptin spielen dabei eine wichtige Rolle. Ghrelin ist für das Hungergefühl verantwortlich, Leptin übermittelt dem Gehirn Informationen über die Energiereserven des Körpers, Insulin und Glukagon regulieren den Blutzuckerspiegel.
Schläft ein Mensch zu wenig, produziert sein Magen das Hormon Ghrelin, so als wäre er leer – auch wenn er es nicht ist. Das signalisiert dem Gehirn Hunger und der Mensch isst, obwohl er es nicht müsste. Ein verringerter Leptinspiegel bedeutet für das Gehirn, dass die Fettreserven des Körpers erschöpft sind. Das geschieht bei Schlafmangel selbst dann, wenn genauso viele Fettzellen wie vorher da sind, und lässt den Betroffenen noch mehr essen.
Auch die Bauchspeicheldrüse wird durch Schlafmangel und die damit verbundene verringerte körperliche Bewegung beeinflusst, sie produziert weniger Glukagon und mehr Insulin als normalerweise. Das führt zu einem verstärkten Aufbau von Fettgewebe und auf Dauer zu einer Insulinresistenz der Zellen und Diabetes mellitus. Dabei stecken die Betroffenen in einem Teufelskreis, denn der Schlafmangel erzeugt dadurch zusätzlichen Stress, dass die Betroffenen sich darauf konzentrieren, endlich einzuschlafen und umso schwerer fällt es ihnen, sich tatsächlich fallen zu lassen.
Quelle
http://www1.wdr.de/fernsehen/ratgeber/servicezeit/sendungen/schlafstoerungen130.html (14-06-26)
Gewichtszunahme durch Schlaf?
In den letzten Jahrzehnten ist die Häufigkeit von Übergewicht bei jungen Erwachsenen gestiegen, während deren mittlere Schlafdauer um ein bis zwei Stunden sank. In einer amerikanischen Langzeitstudie mit über 68.000 Teilnehmerinnen wurde nun ermittelt, dass jene Frauen, die pro Nacht höchstens fünf Stunden Schlaf bekommen, im Schnitt 2,4 Kilogramm mehr wiegen als jene, die mindestens sieben Stunden schlafen. Im Laufe der Jahre legten diese Wenigschläferinnen auch noch etwa 1 Kilogramm mehr an Gewicht zu als die Langschläferinnen. Teilnehmerinnen mit höchstens fünf Stunden Schlaf wiesen ein 32 bzw. 15 Prozent höheres Risiko auf, im Laufe der Studiendauer mindestens 15 Kilogramm zuzulegen oder sogar fettleibig zu werden. Überraschenderweise trieben sie aber ähnlich viel Sport und aßen sogar weniger als ihre Geschlechtsgenossinnen, die mehr Schlaf bekamen.
Das gilt auch für Kinder: Je weniger Kinder schlafen, desto eher werden sie übergewichtig. Schliefen die in einer kanadischen Studie untersuchten Kinder pro Nacht höchstens zehn Stunden, wiesen sie gut 3,5-mal häufiger Übergewicht auf als solche, die mindestens zwölf Stunden Schlaf bekamen. Eine mögliche Ursache kann im Hormonhaushalt liegen, denn Schlafmangel senkt den Leptinspiegel, einem Hormon, das den Stoffwechsel aktiviert und den Hunger reduziert, während bei Schlafmangel der Spiegel des Hungerhormons Ghrelin ansteigt.
Präsentation auf der American Thoracic Society International Conference 2006
International Journal of Obesity
Schlaf und sportliche Leistung
Aus einigen Untersuchungen wusste man, dass ein höheres Schlafpensum die Laufgeschwindigkeit bei Leichtathleten verbessert. Mehr Schlaf kann aber auch das Leistungsvermögen von Schwimmern steigern, wie eine Studie der Universität Stanford (Kalifornien) an fünf Studenten zeigte. Dehnten diese nämlich ihr Schlafpensum auf zehn Stunden aus, so verbesserten sie sowohl die Geschwindigkeit als auch ihre Reaktionsfähigkeit. Bei einem 15-Meter-Sprint wurde ihre Zeit um durchschnittlich eine halbe Sekunde verbessert. Zusätzlich nahm die Tagesmüdigkeit der Studenten ab und auch ihre Stimmung besserte sich, vermutlich nicht nur durch den Schlaf, sondern wohl auch durch die Leistungssteigerung.
Quelle: OÖnachrichten vom 24.06.2008
Winterschlaf auch bei Menschen möglich?
Wissenschaftler der Universität Marburg fanden auf Madagaskar winterschlafende Lemuren, eine den Menschen verwandte Halbaffenart mit verlängerter Schnauze und langem, dicht behaartem Schwanz. Gerhard Heldmaier, Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Winterschlaf, fand zwei Schaltergene, die für die Steuerung des Winterschlafs entscheidende Enzyme aktivieren oder deaktivieren. So wird der Stoffwechsel von der normalen Kohlenhydratverbrennung auf Fettverbrennung umgestellt - ein entscheidender Prozess, um im Winterschlaf Energie zu sparen. Zwei weitere Schaltergene wurden etwa vor einem Jahr von einer amerikanischen Forschergruppe identifiziert.
Quellen
http://www.surfmed.at/surfmed-redaktionstool/main_1.php3?ressortname=news&artikel_id=1781 (03-02-26)
Bild nach Brockhaus
Das Gehirn schläft während des Schlafes nicht
Schlaf ist ein lebenswichtiges Bedürfnis, das Menschen zwingt, einen großen Teil ihres Lebens damit zu verbringen, wobei sie dann nicht in der Lage sind, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Aktuelle Erklärungsmodelle interpretieren die so extreme Verletzlichkeit beim Schlaf als den Preis für ein optimales Lernen, denn Schlaf begrenzt externe Störungen bei der Speicherkonsolidierung und neuronale Systeme werden durch synaptisches Down-Scaling zurückgesetzt. Dennoch erzeugt das schlafende Gehirn weiterhin neuronale Reaktionen auf äußere Ereignisse und zeigt das Vorhandensein kognitiver Prozesse, die von der Erkennung vertrauter Reize bis hin zur Bildung neuer Gedächtnisrepräsentationen reichen. Man vermutet, dass die üblichen Schwellen in einen Standby-Modus treten, in dem sie weiterhin relevante Signale verfolgen und so die Notwendigkeit, die interne Speicherkonsolidierung mit der Fähigkeit, bei Bedarf schnell aufzuwachen, ausbalancieren.
Ist der Schlaf also ein passiver Vorgang, der lediglich durch das Verschwinden des Wachzustandes zustande kommt, wie dies der römische Schriftsteller Lucretius behauptet hatte, oder ist er ein aktiver Vorgang, der durch die Erregung bestimmter Hirngebiete zustande kommt? Frederic Bremer versuchte mit Experimenten in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu belegen, dass der Wachzustand nur aufrechterhalten werden kann, solange Sinnesreize aus der Umwelt das Gehirn aktivieren. Nach Durchtrennung der Nervenbahnen, welche die Sinnesorgane mit dem Gehirn verbinden, beobachtete er einen dauernden Schlafzustand. Dieser Befund unterstützte die Annahme, dass Schlaf ein passiver Vorgang sei, der lediglich auf der Ausschaltung aktivierender Einflüsse beruhe.
Walter Hess entwickelte eine Methode, die es ermöglichte, über feine Metallelektroden, die permanent in bestimmten Gehirnregionen von Versuchstieren implantiert worden waren, um die Wirkung elektrischer Reize auf das Verhalten zu erforschen. Er beobachtete, dass nach Reizung bestimmter Hirnregionen ein Versuchstier seinen Ruheplatz suchte, seine typische Schlafstellung einnahm und einschlief. Obwohl es jederzeit weckbar war, mussten Weckreize eine gewisse Intensität erreichen, um das Tier zum Aufwachen zu bringen. Diese Befunde stellten die Theorie des passiven Schlafs in Frage, denn der Schlaf war offensichtlich durch Erregung von Hirnstrukturen hervorgerufen worden, und beruhte daher nicht lediglich auf dem Entzug aktivierender Sinnesreize.
Nachts, wenn Menschen schlafen, fährt der Körper viele Aktivitäten herunter, und die Grundbedürfnisse wie Hunger und Durst spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. So kommt es in der Regel nur sehr selten vor, dass Menschen nachts durstig werden, was vermutlich über die Ausschüttung bzw. Hemmung bestimmter Hormone durch das Gehirn geregelt wird.
Giuseppe Moruzzi und Horace Magoun entdeckten, dass die elektrische Reizung im Hirnstamm (Formatio reticularis) ein schlafendes Tier augenblicklich weckt. Aufgrund der Ergebnisse von Moruzzi erschien diese vor allem als eine aktivierende Struktur, deren Erregung zu einem aufmerksamen Wachzustand führt. Der Schlaf schien demnach durch das Ausbleiben dieser Aktivierung zustande zu kommen und damit einpassiver Vorgang zu sein. Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, dass die elektrische Reizung im hinteren (caudalen) Teil der Formatio reticularis nicht ein Aufwachen bewirkte, sondern Schlaf auslöste. Die Existenz schlaffördernder und schlafhemmender Gebiete im Hirnstamm wurde in einem weiteren Experiment belegt, indem man Kanülen in jene Blutgefäße implantierte, die den hinteren oder vorderen Hirnstamm versorgen. Die Injektion eines Narkosemittels in die vorderen Gefäße bewirkte "Schlaf", da die aktivierenden Gebiete des Hirnstamms gehemmt wurden, während eine Injektion in die hinteren Gefäße ein Aufwachen des schlafenden Tieres bewirkte, da die schlafbegünstigenden Strukturen gehemmt wurden.
Schlafen und Wachen sind daber zwei unterschiedliche, aber "gleichberechtigte" Zustände, bei denen der eine nicht lediglich durch das Fehlen des anderen erklärt werden kann Obwohl es Hirnstrukturen gibt, deren Reizung mehr den einen oder anderen Zustand begünstigt, gibt es kein eigentliches Schlaf- oder Wachzentrum. Wenn wir schließlich noch die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn betrachten, so finden wir, dass die meisten sowohl im Schlaf wie im Wachen aktiv sind und dass sich vor allem das Muster ihrer Entladungsaktivität ändert.
Im Gehirn von Menschen und Tieren werden ständig neue Verbindungen gebildet, um Erinnerungen zu festigen und um sich Erlerntes zu merken. Allerdings lässt sich das aber nicht grenzenlos fortsetzen, denn manches muss auch wieder verschwinden. Möglicherweise dient der Schlaf genau diesem Zweck, der Reduktion und der Säuberung. Nachgewiesen wurde das bei Fruchtfliegen, die dafür genetisch so verändert wurden, dass man die Entwicklung von Synapsen beim Lernen direkt beobachten konnten. Tatsächlich entstanden während Lernsituationen und in einem engen sozialen Umfeld neue Verbindungen. In der folgenden Phase des erhöhten Schlafbedürfnisses ging die Anzahl aber wieder deutlich zurück, außer die Tiere wurden am Schlafen gehindert. Im Schlaf werden die Verbindungen schwächer oder verschwinden ganz, was auch sinnvoll ist, denn starke Verbindungen kosten sehr viel Energie. Daher wird der unnötige Ballast, sozusagen das Hintergrundrauschen des Tages, einfach "gelöscht".
Im menschlichen Gehirn gibt es zahlreiche gleichzeitig aktiven Ruhenetzwerke, wobei beim Einschlafen das "Default Mode Netzwerk“ und ein im spontanen Zeitverlauf gegenläufiges Netzwerk wirksam sind. Diese beiden Netzwerke sind im Wachzustand eng aneinandergekoppelt und stehen für unterschiedliche Aufmerksamkeitsprozesse, wobei das „Default Mode Netzwerk“ eher nach innen gerichtete Aufmerksamkeitsvorgänge unterstützt, während das gegenläufige Netzwerk eher mit der Verarbeitung von Außenreizen beschäftigt ist. Die niedrige Aktivität im „Default Mode Netzwerk“ während des Schlafes erklärt übrigens, warum die Menschen im Schlaf zu keiner bewussten Wahrnehmung fähig sind. Das zeigt sich an zeitlich gegenläufigen Signalaktivitäten, denn wenn das eine Netzwerk eine hohe Signalstärke zeigt, weist das andere niedrigere Signale auf bzw. vice versa. Diese Gegenläufigkeit kann jeder Mensch an sich selber beobachten, denn es ist schwierig, gleichzeitig etwa seinen knurrenden Magen zu beobachten und einem Vortrag zu lauschen. Diese Gegenläufigkeit ist auch bei den typischen Konzentrationsstörungen sichtbar, wo es nicht gelingt, die nach außengerichtete Lerntätigkeit vom innen kommenden Desinteresse abzukoppeln ;-) Das Gegennetzwerk wird ab dem zweiten Schlafstadium von seiner gegenläufigen Aktivität entkoppelt, bleibt jedoch über alle Schlafphasen vorhanden, denn nur so kann das Gehirn einfache Weckreize immer noch verarbeiten.
Während des Einschlafprozesses selbst verändern und interagieren diese beiden Zentren allerdings miteinander, indem der Hippokampus, die für Gedächtnisprozesse zentrale Region, bereits im leichten Schlaf aus dem Netzwerk ausgekoppelt wird, während der Frontallappen, zuständig für höhere Steuerungsprozesse, mit zunehmender Schlaftiefe sogar ganz aus dem Netzwerk ausgeschlossen wird. Diese nun simultanen Veränderungen könnten eine Erklärung für den weitgehenden Bewusstseinsverlust im Schlaf sein.
Legendre et al. (2019) konnten zeigen, dass das schlafende Gehirn - die Experimente wurden während kurzer Schlafphasen während des Tages durchgeführt - sinnvolle Sprache im Vergleich zu irrelevanten Signalen durch einer Veränderung der Wellenstruktur verstärkt, wobei diese Verstärkung relevanter Reize nur vorübergehend ist und dann im Tiefschlaf wieder verschwindet. Offenbar trennt das menschliche Gehirn selbst im Schlaf Wichtiges von Unwichtigem, denn ProbandInnen regierten im Experiment kaum auf sinnloses Gerede, aber auf eine Stimme, die bedeutsame Inhalt geäußert hatte. Die Wirkung der Schlaftiefe konnte auf spezifische Schwingungen zurückgeführt werden, die relevante Informationen im leichten Schlaf fördern, während langsame Wellen relevante Signale im Tiefschlaf aktiv unterdrücken. So funktioniert die Auswahl der relevanten Reize auch im Schlaf weiter, wird aber durch spezifische Hirnrhythmen stark moduliert. Dieser Mechanismus ist evolutionär durchaus sinnvoll, denn relevante Signale in dieser Schlafphase verarbeiten zu können, bringt erheblichen Nutzen mit sich, etwa wenn ein rasches Wachwerden erforderlich ist.
Quellen
Borbély, A. (1984). Schlaf und Gehirn. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.
Legendre, Guillaume, Andrillon, Thomas, Koroma, Matthieu & Kouider, Sid (2019). Sleepers track informative speech in a multitalker environment. Nature Human Behaviour. doi:10.1038/s41562-018-0502-5.
Sämann, P. G., Wehrle, R., Hoehn, D., Spoormaker, V. I., Peters, H., Tully, C., Holsboer, F. & Czisch, M. (2011). Development of the brain’s default mode network from wakefulness to slow wave sleep. Cerebral Cortex, (doi: 10.1093/cercor/bhq295)
Die besten Bücher zum Thema Schlaf
Mittagssschlaf
Im Wechsel von Schlafen und Wachen gibt es also tageszeitliche Schwankungen, wobei neben der Hauptschlafphase in der Nacht eine zweite Phase zur Mittagszeit folgt. Man merkt dies durch vermehrte Müdigkeit , Konzentration und Reaktion lassen nach, die Fehlerquote steigt. In einer Studie wurde mittels Pupillometrie festgestellt, dass ein 20-Minuten-Schlaf die Aufmerksamkeit extrem erhöht. Man sollte allerdings keinesfalls viel länger als diese zwanzig Minuten schlafen - maximal 30 Minuten -, sonst fällt man in die Tiefschlafphase. Manche plädieren deshalb für einen Mittagsschlaf, denn wer seine Mittagspause dazu nützt, ein kurzes Schläfchen (Power-Nap) einzulegen, kann seine Aufmerksamkeitsausfälle um 34 Prozent verringern. Wer 30 Minuten schläft, steigert die Reaktionsfähigkeit um bis zu 16 Prozent und verringert die Aufmerksamkeitsausfälle um 34 Prozent. Allerdings sollte man in keinem Fall mehr als 30 Minuten schlafen und nach dem Aufwachen das Gesicht kalt waschen.
Power-Napping - Schlafen zwischendurch
Es gibt übrigens auch
The Science of the Perfect Nap
und dort findet sich
How Long to Nap for the Biggest Brain Benefits
In Japan und den USA ist der "Power Nap“ (Mittagsschlaf von 20-30 Minuten) im Kommen, denn dort werden Arbeitnehmern Schlafräume zur Verfügung gestellt. In Japan heißt das Schlafen zwischendurch "inemuri", was soviel bedeutet wie "anwesend sein und schlafen". Inemuri ist in Japan in allen öffentlichen Bereichen zu finden und wird weitgehend toleriert: In der Schule, am Arbeitsplatz, im Parlament, in der U-Bahn, sogar im Theater und im Konzert. Auch in den USA gilt es nicht nur als trendige Management-Methode, sondern als leistungssteigernde Maßnahme. Da nun auch Harvard-Forscher und die NASA nachgewiesen haben, dass ein mittäglicher Kurzschlaf die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit messbar steigert, gibt es immer mehr Firmen die Power-Napping sogar aktiv organisieren. Fluglinien erlauben ihren Piloten ein Nickerchen, aber auch große Konzerne wie IBM und Apple lassen mittags Power-Ruhen.
Allerdings sollten Menschen, die nicht durchschlafen können, ihren Rhythmus nicht zusätzlich belasten. Für alle anderen ist ein Mittagsschlaf vom Typ „Power Napping“ durchaus sinnvoll. Wichtig ist nur die strenge Limitierung, weil MittagsschläferInnen möglichst nicht tiefer als bis in Schlafphase zwei einschlafen sollten, um den Kreislauf und den gesamten Schlafrhythmus nicht durcheinander zu bringen.
Wer sich ein Experiment zur Schlafsteuerung machen will, kann beim Power-Napping einen kleinen, schweren Gegenstand in die Hand nehmen, denn wenn man ihn fallen lässt, ist es Zeit, den Mittagsschlaf zu beenden, da die Muskelrelaxation den Übergang in die tieferen Schlafphase kennzeichnet.
Bildquelle: http://img.gawkerassets.com/img/18z4m4xo9y1zdjpg/original.jpg (13-09-31)Kurioses zum Power-Napping
Wie einer Werbemail zu entnehmen war, ist Powernapping schon ein Geschäftszweig geworden, denn angeblich lösen Powernaps Blockaden durch Verwendung der Brainwave Technologie, was immer das sein mag. Hat irgendetwas mit Eisbergen zu tun, wie einem beigefügten Bild zu entnehmen ist. Für das Powernapping braucht man nicht einfach Ruhe, sondern Powernap-Entspannungs-Audios. Zu den über hundert Powernaps in drei Längen bekommt man übrigens auch noch jede Menge Boni bekommen, u.a. den Magic-Fokus-Powernap für bessere Konzentration.Schlaf und Mondphasen
Der Glaube, dass der Mond eine außergewöhnliche Wirkung auf die Menschen besitzt, ist uralt und seit Menschengedenken ranken sich Erzählungen über dessen geheimnisvollen Kräfte. So ist auch Mondholz, das bei Neumond geschlagen wird, nach Studien nicht härter und widerstandsfähiger. Zwar kann das Mondlicht Auswirkungen auf das Tierreich haben, aber das bedeutet im Umkehrschluss noch lange nicht, dass es beim Menschen auch so sein muss. Weder kommen bei Vollmond mehr Kinder zur Welt noch passieren mehr Unfälle. Menschen brauchen offensichtlich für unerklärliche Dinge Erklärungen, d.h., sie müssen sich die Welt erklären und dabei helfen diese Mondmythen. Wenn jemand glaubt, dass er wegen des Vollmondes schlechter schläft, weiß er, dass seine Schlafstörung vorbeigehen werden, wodurch es ihm besser geht und er weniger leidet.
Studien haben längst widerlegt, dass der Mond einen Einfluss auf auf Schlafqualität und somit Schlafstörungen hat, denn Menschen, die angeblich bei Vollmond schlecht schlafen, leiden in der Regel fünf Tage vor oder nach Vollmond ebenfalls unter Schlafstörungen. Eine Studie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München konnte keine klaren Hinweise darauf finden, dass die Mondphasen neben Ärger, Sorgen, Alkohol, einem übervollen Magen oder diversen Leiden, die einem den Schlaf rauben können, über die Schlafqualität von Menschen mitentscheiden. Man wertete vorhandene Datensätze über den Schlaf zahlreicher Testpersonen aus und fand zahlreiche weitere unveröffentlichte Studien, die ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Das liegt vermutlich daran, dass beim Thema Schlaf und Mond bevorzugt solche Studien publik gemacht werden, die einen vermuteten Zusammenhang bestätigen können, seltener aber solche, die ihn widerlegen oder widersprüchliche Ergebnisse liefern (Publikationsbias). In manchen Studien schienen sich die Mondphasen besonders auf Frauen auszuwirken, in anderen hingegen besonders auf Männer. Aktuell untersuchten die Wissenschaftler Schlafdaten von 1265 Probanden aus 2097 Nächten, wobei sich kein statistisch belegbarer Zusammenhang zwischen Schlaf und den Mondphasen fand. Man erklärt das damit, dass wenn Menschen schlecht schlafen und es zufällig Vollmond war, sie diesen für den Verursacher ihres Problems halten. War aber kein Vollmond, und sie hatten eine unruhige Nacht, wundern sie sich seltener darüber, dass gar kein Vollmond war. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine selektive, also verzerrte Erinnerung, denn jeder Mensch wacht mehrfach nachts auf, und jeder Mensch braucht manchmal etwas länger zum Einschlafen. Die meisten dieser Ereignisse werden umgehend vergessen, doch wenn man bei einem Aufwachereignis oder einem Einschlafproblem aus dem Fenster schaut und zufällig Vollmond ist, bleibt das im Gedächtnis haften.
Da es also keinen wissenschaftlichen Beweis für den Zusammenhang von Schlaflosigkeit und Vollmond gibt, muss man bei einem solchen Zusammenhang vielmehr von dem psychologischen Effekt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ausgehen. Das bedeutet, dass viele Menschen allein durch die Erwartung, dass sie bei bestimmten Mondphasen schlecht schlafen dann auch schlecht schlafen, sodass nicht der Mond sondern die Anspannung zu den erwarteten Störungen führt, denn bekanntlich schläft ein Mensch umso besser, je entspannter er schläft.
Als weiterer psychologischer Effekt liegt in der selektiven Wahrnehmung der Schlafgestörten, den erfährt ein Betroffener nach einer schlaflosen Nacht, dass Vollmond gewesen war, greift er diese Tatsache als bequemes Erklärungsmuster auf, und jene vielen Male, in denen man trotz Vollmond durchgeschlafen hat, fallen in dann nicht mehr ins Gewicht. Auch Schlafwandeln hat mit dem Mond nichts zu tun, denn beim Faktum, dass Schlafwandler häufig auf eine Lichtquelle zugehen spielt auf Grund der geringen Lichtintensität in diesem Zusammenhang keine Rolle. Manche Menschen berichten beim Schlafwandeln von lebhaften Träumen, während sie zwischen Wachsein und Schlaf feststecken. Da man im Labor eine Parasomnie-Episode durch Schlafentzug und Geräusche auslösen kann, konnte man Betroffene nach den Nächten mit schlafwandlerischen Vorfällen befragen, woran sie sich erinnern und was ihnen hinsichtlich der vergangenen Nacht durch den Kopf ging. Cataldi et al. (2024) haben nun Parasomnie-Episoden mit hochdichter Elektroenzephalographie (EEG) aufgezeichnet und die Teilnehmer unmittelbar danach zu ihren Erfahrungen befragt. Im Vergleich zu den Berichten über kein Erlebnis (19 %) gingen den Berichten über bewusste Erlebnisse (56 %) langsame EEG-Wellen mit hoher Amplitude in den vorderen kortikalen Regionen und eine Aktivierung der hinteren kortikalen Regionen voraus, ähnlich den zuvor beschriebenen EEG-Korrelaten von Träumen. Die Erinnerung an den Inhalt des Erlebnisses (56 %) war im Vergleich zu keiner Erinnerung (25 %) mit einer höheren EEG-Aktivierung in der rechten medialen Temporalregion vor Beginn der Bewegung verbunden. Interessanterweise erwähnten die Untersuchten praktisch nie das Geräusch, das die Parasomnie-Episode ausgelöst hat. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die EEG-Korrelate von Parasomnie-Erfahrungen denjenigen ähneln, die für Träume berichtet werden, und somit möglicherweise zentrale physiologische Prozesse widerspiegeln, die am Schlafbewusstsein beteiligt sind.
Literatur
Cataldi, Jacinthe, Stephan, Aurélie M., Haba-Rubio, José & Siclari, Francesca (2024). Shared EEG correlates between non-REM parasomnia experiences and dreams. Nature Communications, 15, doi:10.1038/s41467-024-48337-7.
Kurioses: Auch Quallen schlafen
Untersuchungen (Nath et al.,2017) haben gezeigt, dass auch Mangrovenquallen der Gattung Cassiopea
jede Nacht eine Ruhephase zeigen, liegen dabei für Quallen untypisch
kopfüber mit nach oben zeigenden Tentakeln auf dem Meeresboden. Dabei
kontrahieren die Nesseltiere regelmäßig ihren Körper, wobei dieses
Zeichen der Aktivität in den Nachstunden gedrosselt wird. Dass diese
Tiere tatsächlich schlafen, wurde dadurch nachgewiesen, dass sie beim
Zwang, ins offene Meer zu schwimmen, je nach Zeitpunkt unterschiedlich
reagierten: Tagsüber war ihre Reaktion dreimal so schnell wie in der
Nacht.
Quelle: Nath, Ravi D., Bedbrook, Claire N., Abrams,
Michael J., Basinger, Ty, Bois, Justin S., Prober, David A., Sternberg,
Paul W., Gradinaru, Viviana & Goentoro, Lea (2017). The Jellyfish
Cassiopea Exhibits a Sleep-like State. Current Biology, doi:
10.1016/j.cub.2017.08.014.
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