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Der Schlaf - Grundlagen

Überblick Hypertext "Der Schlaf"


Wenn Schlaf keine absolut lebenswichtige Funktion hat, ist er der größte Fehler
der dem Evolutionsprozess je unterlaufen ist.
Allan Rechtschaffen

Der Weltschlaftag wurde 2008 von dem Weltverband für Schlafmedizin (WASM) ins Leben gerufen. Mit dem Tag möchte man die Vorteile eines guten und gesunden Schlafes betonen und die Gesellschaft auf die Auswirkungen, sowie auf die Behandlung und Prävention von Schlafstörungen aufmerksam machen. Der Weltschlaftag findet jeden dritten Freitag im März statt, z. B. 2017 daher am 17. März.
In Deutschland gibt es auch einen Tag des Schlafes, der 2000 vom Verein „Tag des Schlafes“ ins Leben gerufen wurde, um auf die Bedeutung des Schlafes aufmerksam zu machen, wobei der Aktionstag in Deutschland jährlich am 21. Juni stattfindet.


Obwohl der Mensch etwa ein Drittel seines Lebens im Schlaf verbringt, ist der Schlaf vergleichsweise wenig untersucht worden. Trotz intensiver Schlafforschung, beginnend etwa mit der Beschreibung des REM-Schlafs 1953, wurden bisher so wichtige Fragen, wie die nach der Funktion des Schlafes, nur in Ansätzen beantwortet.

Das Wort "Schlaf" ist altgermanischen Ursprungs und eine Nominalbildung zu "schlafen" (gotisch "sleps" und alt- und mittelhochdeutsch "slaf"). Auch das niederländische "slaap" und englische "sleep" gehen auf diesen Ursprung zurück. "Schlafen" bedeutet ursprünglich "schlapp werden" und ist mit dem Eigenschaftswort "schlaff" verwandt. 

Vom Hauptwort "Schlaf" leiten sich verschiedene Begriffe ab, die mit ihm nur mehr in indirektem Bedeutungszusammenhang stehen. So wird beispielsweise "entschlafen" als ein Hüllwort für "sterben" verwendet. Etwas "beschlafen" oder "überschlafen" heißt, es bis zum nächsten Tag bedenken, um so Distanz zu einem bestimmten Problem zu gewinnen. Zum "Beischlaf" (das Wort stammt aus dem 15. Jahrhundert) kommt es, wenn Mann und Frau "zusammen schlafen". Wie beim Ausdruck "entschlafen" ist auch hier ein Vorgang gemeint, der mit "schlafen" nicht direkt zusammenhängt und den man lieber nur umschreibt. Auch die "Schläfe" leitet sich von "Schlaf" ab, denn sie ist der Teil des Kopfes, auf welchem der Schlafende liegt. Einer, der zu viel oder zu lange schläft, wird als "Schlafmütze" bezeichnet. Dieser aus dem 17. Jahrhundert stammende Ausdruck bezog sich ursprünglich auf die Nachtmütze, die man beim Schlafen trug und wird seit dem 18. Jahrhundert im übertragenen Sinne gebraucht. Angeblich soll ihn Lessing erstmals so verwendet haben.
Die Wurzel "son" oder "somn" liegt dem Begriff "Schlaf" in verschiedenen indogermanischen Sprachen zugrunde: französisch "sommeil"; italienisch "sonno"; spanisch "sueño"; portugiesisch "somno"; rumänisch "somnul", schwedisch "somn"; dänisch "sovn"; russisch "son"; polnisch "sen"; bulgarisch "sun"; serbo-kroatisch "san"; tschechisch "spanek"; hindi "sona"; griechisch "hypnos". In anderen Sprachen heißt "Schlaf": ungarisch "alvas"; finnisch "uni"; türkisch "uyku"; hebräisch "shenah"; japanisch "nemuri"; chinesisch "shui jiao"; telugu (südindische Sprache) "nidura"; zulu "lala".

Übrigens: Schlaf ist evolutionär wesentlich älter als bisher vermutet

Als man versuchte herauszufinden, wann die Evolution den Schlaf hervorgebracht hat, entdeckte man, dass nicht nur Säugetiere sondern auch Reptilien, Fische und Insekten, aber auch Fadenwürmer, Süßwasserpolypen oder Quallen schlafähnliche Ruhephasen benötigen. Offenbar gibt es den Schlaf schon sehr lange. Bei anderen Organismen wie Pflanzen, Pilzen oder Bakterien ließ sich ein entsprechender Zustand nicht nachweisen. Bei Lebewesen, die schlafen, fand man Nervenzellen, die immer wieder Phasen reduzierter Aktivität brauchen, um sich zu regenerieren. Eine Art Wartung, nach der sie wieder voll einsatzfähig sind. Es gelang, im Labor isolierte Nervenzellen in einen schlafähnlichen Zustand zu bringen, indem man die Neuronen zusammen mit Gliazellen, die unter anderem für die Ernährung der Nervenzellen wichtig sind, auf einer mit Messfühlern ausgestatteten flachen Schale wachsen und sich miteinander vernetzen ließ. Sobald die Nervenzellen gereizt wurden, sendeten sie Signale an ihre Nachbarn, die diese wiederum weitergaben. Wurden die Neuronen aber lange genug gereizt, begannen die Nervenzellen plötzlich langsamer und im Gleichtakt zu feuern, mit regelmäßigen Pausen dazwischen. Offenbar waren die Neuronen erschöpft und ruhten sich auf diese Weise aus.

Bekanntlich treten Fische in einen schlafähnlichen Zustand ein, aber man wusste bisher nicht, ob ihr Schlaf dem von Landtieren ähnelt. Leung et al. (2019) haben jüngst entdeckt, dass neuronale Signaturen beim schlafenden Zebrafisch analog zu denen des Menschen sind, was darauf hindeutet, dass sich die Gehirnaktivität schon vor mindestens 450 Millionen Jahren entwickelt hat. Beim Schlaf von Zebrafischen gibt es zwei Zustände, die denen von Säugetieren, Reptilien und Vögeln ähnlich sind, nämlich langsame Schlafwellen (Slow-Wave Sleep) und paradoxen Schlaf (Propagating-Wave Sleep), wobei letzterer dem REM-Schlaf der Säugetiere ähnlich ist. REM-Schlaf und Propagating-Wave Sleep werden interessanterweise durch das Melanin-konzentrierende Hormon reguliert. Dadurch lässt sich vermuten, dass Schlaf nicht bei Knochenfischen und höheren Wirbeltieren unabhängig voneinander entstanden ist, sondern nur einmal in der Evolution bei einem gemeinsamen Vorfahren, der noch im Wasser lebte.

Literatur

Borbély, Alexander (1984). Das Geheimnis des Schlafs. Neue Wege und Erkenntnisse der Forschung.
WWW: https://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/INHALT.htm (22-12-03)

Dieses empfehlenswerte Buch ist seit einiger Zeit vergriffen, sodass es der Autor im Internet verfügbar gemacht. Obwohl damit nicht mehr der allerneueste Stand der Forschung wiedergegeben wird, handelt es sich nach wie vor um eine sehr umfassende Einführung in das Geheimnis des Schlafs auf allgemeinverständlichem Niveau.

Louis C. Leung, Gordon X. Wang, Romain Madelaine, Gemini Skariah, Koichi Kawakami, Karl Deisseroth, Alexander E. Urban & Philippe Mourrain (2019). Neural signatures of sleep in zebrafish. Nature, doi:10.1038/s41586-019-1336-7.

Schlafphasen im Überblick

Menschen unterscheiden sich recht deutlich danach, wieviel Schlaf sie zur Regeneration benötigen. Nicht Morgenmüdigkeit ist ein Indiz für zu wenig Schlaf, sondern wenn man während ruhiger Tagesphasen sehr müde wird. Um das individuellen Schlafbedürfnis herauszufinden, eignet sich ein dreiwöchiger Urlaub am besten.

Der Schlaf wird grob in drei Phasen unterteilt, die sich durch unterschiedlich stark ausgeprägte Hirnströme (s.u.) unterscheiden lassen: Leichtschlaf, Tiefschlaf und die sogenannten REM-Phasen, die durch schnelle Bewegung der Augen unter den Lidern (englisch: Rapid Eye Movement) gekennzeichnet sind. Etwa alle neunzig Minuten beginnt ein neuer Schlafzyklus, in dem diese drei Schlafphasen in unterschiedlicher Länge durchlaufen werden.

Zu Beginn der Nacht haben die "Durchgänge" einen großen Anteil an Tiefschlaf und nur sehr kurze REM-Phasen. Später verlängern sich die REM-Abschnitte. Die meiste Zeit befinden sich schlafende Menschen im Leichtschlaf. Nach Auffassung von Schlafmedizinern benötigt der Mensch den Leichtschlaf, um überhaupt in die erholsamen Schlafphasen zu gelangen.

Verkürzt man systematisch den Schlaf, so geht das zunächst zu Lasten des Leichtschlafs. Bis auf eine individuell verschiedene Mindestschlafzeit von etwa fünf bis sechs Stunden kann so die Schlafdauer reduziert werden, ohne dass die Leistungsfähigkeit verloren geht.

Die ideale Nachtruhe ist in der ersten Hälfte durch längere Tiefschlafphasen gekennzeichnet. In der zweiten Nachthälfte wird der Schlaf dann leichter, die Länge der REM-Phasen nimmt zu. Der Tiefschlaf ist für die körperliche Erholung wichtig, aber auch für das Lernen.

Schlafphasen

Tiefschlaf und REM-Schlaf sind als völlig unterschiedliche cerebrale Funktionszustände anzusehen, was auch einer Zweiteilung des Gedächtnisses entspricht: prozedurale Gedächtnisbildung wird vorwiegend durch Prozesse im REM-Schlaf gesteuert, die deklarative Gedächtnisbildung eher durch Prozesse im Tiefschlaf (SWS) Informationsverarbeitung und Informationsaufnahme im Schlaf.


Träumen ist wie ein Batterieaufladen fürs Wachleben.
Wim Wenders

Schlafphasen im Detail

Der gut gemeinte Rat, Schäfchen zu zählen, wenn man nicht einschlafen kann, ist nach Untersuchungen von Allison Harvey (Universität Oxford) nicht sehr wirkungsvoll. Er empfiehlt bei Einschlafstörungen vielmehr, an schöne und entspannende Erlebnisse zu denken, wie z.B. an den letzten Urlaub am Strand oder einen erholsamen Spaziergang an einem See. Mit solchen Bildern im Kopf schläft es sich viel leichter ein.

Forscher der Mayo-Klinik in Rochester/USA empfehlen, Haustiere aus Schlafzimmern zu verbannen. Menschen, die mit ihren Vierbeinern in einem Zimmer schlafen, sind am nächsten Tag oft müde. Der Grund: Die tierischen Lieblinge schnarchen nachts.

Im Internet wird unter Bezug auf diese Aktivitätsphasen das "Remote Influencing" von Gerald O’Donnell, dem Begründer der "The Academy of Remote Viewing and Remote Influencing", beworben, was eine Mischung aus Humbug und Hokuspokus darstellt.

Untersucht man die Frequenzbereiche eines EEGs beim Menschen, dann findet man fünf verschiedene Formen von Gehirnaktivitäten:

Demnach kann man genau genommen fünf Stadien unterscheiden, wobei der Wachzustand sich durch a-Wellen auszeichnet (8-13 Hz) und Schlaf im physiologischen Sinne erst vorhanden ist, wenn keine a-Wellen mehr auftreten:

  1. Übergang vom Wachen zum Schlafen
    a-Wellen (8-13 Hz) tauchen nicht mehr kontinuierlich auf, sondern erscheinen zunehmend gruppiert, welches den Übergang vom Wachen zum Schlafen anzeigt.
  2. Einschlafstadium
    Im Einschlafstadium lassen sich niedrigamplitudige flache b-Wellen-Aktivität (über 13 Hz) und Theta-Wellen (4-7 Hz) beobachten. Gegen Ende dieser Phase zeigen sich Vertexzacken, die 170-180 msec. andauern und eine Amplitude von 100 mV aufweisen. Die Vertexzacken stellen psychophysiologisch den Einschlafmoment dar.
  3. Leichter Schlaf
    In dieser Phase lassen sich niedrigamplitudige Wellen von 12-17 Hz sowie K-Komplexe und Spindelgruppen (11-15 Hz) nachweisen.
    Die K-Komplexe und Spindeln sind wenig erforscht. Diese lassen sich über die sensomotorischen Areale, daher auch sensomotorische Rhythmen genannt (SMR), ableiten. Die Spindeln (SMR) signalisieren eine Hemmung der sensomotorischen Areale. Die K-Komplexe kommen über eine starke innere Entladung der sensorischen Systeme zu stande. Sie tauchen irregulär in mehreren Sekundenabschnitten auf und kennzeichnen den leichten Schlaf. Siehe unten!
  4. Mittleltiefer Schlaf
    In dieser Phase konnten noch gelegentlich Spindeln mit unregelmäßig auftauchenden hohen Wellen von 0,5-3 Hz und 300 mV (Delta-Wellen) aufgefunden werden.
  5. Tiefschlafstadium
    In diesem Stadium läßt sich eine langsame Delta-Aktivität von 0,5-4 Hz nachweisen. In dieser Phase sind fast ausschließlich Delta-Wellen zu beobachten.

Neuere Forschungen (Tamminen et al., 2010) zeigen, dass je mehr Schlafspindeln eine Testpersonen pro Nacht durchläuft, desto erfolgreicher konnten sie am nächsten Tag neu gelernte Wörter mit dem Rest ihres bisherigen Wortwissens verbinden. Die Gehirnaktivität der Spindeln zeigt dabei an, dass neue Wörter vom Hippocampus als Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher des Neokortex geschoben werden. Dieses Lernen im Schlaf ist dabei mehr ein aktiver Integrationsprozess und nicht bloß die Verfestigung von Gelerntem, wobei davon sowohl das semantische als auch das prozedurale Gedächtnis betroffen sind. Besonders günstig ist es, noch direkt vor dem Schlafengehen zu lernen, wobei es diese Verarbeitung im nächtlichen Schlaf auch dann gibt, wenn das Lernen schon am Vormittag erfolgt war. Wie die für das Lernen entscheidenden Schlafspindeln entstehen, ist noch kaum geklärt, man vermutet jedoch, dass die Synapsen im temporären Speicher und im Neocortex tagsüber bei Neugelerntem sensibel werden, was Netzwerke schafft, die im Schlaf die Aktivierung von Spindeln erleichtern.

Damit sich beim Schlafen der Körper erholt und Erinnerungen festigen kann, muss der Schlaf weitgehend kontinuierlich sein und Gehirn und Körper abschalten, doch gleichzeitig muss der Schlafzustand aber auch fragil bleiben, damit man bei einer möglichen Gefahr aufwacht - ein Erbteil der Evolution. Damit beide Funktionen geleistet werden können, wechselt der Schlaf alle 25 Sekunden zwischen zwei Zuständen, einem kontinuierlichen Schlaf zur Erholung und Festigung von Erinnerungen, bei dem aber Sinnesreize kaum ins Bewusstsein gelangen, und einem eher fragilen Zustand für die Wachsamkeit, wobei Gehirn und Herz jeweils 25 Sekunden in Alarmbereitschaft gehen, bevor sie für 25 Sekunden gleichsam wieder in einen offline Modus gehen (Lecci et al., 2017). Gefunden wurde dieser kurze Rhythmus übrigens bei Mäusen und auch bei Menschen bestätigt. was auch erklärt, dass ein Geräusch in der Nacht nebeneinander Schlafende nicht gleichzeitig wecken muss, denn beide waren vermutlich in unterschiedlichen Phasen!

Übrigens: Lachgas, das wohl älteste moderne Narkosemittel, hat neben der schmerzstillenden auch eine euphorisierende Wirkung, wobei sich neben namensgebenden Lachanfällen sich auch Zwerchfellkrämpfe einstellen können, die von Außenstehenden als Lachen interpretiert werden. Nun hat man eine Wirkung von Lachgas auf das Gehirn entdeckt, dann beim Einatmen entstehen in den ersten drei Minuten extrem langsame Hirnwellen, die das Gehirn von der Vorder- zur Rückseite durchqueren. Diese Deltawellen treten vor allem in der traumlosen Tiefschlafphase auf, wobei die vom Lachgas verursachten Hirnwellen noch einmal deutlich langsamer sind als die der Deltawellen während der Tiefschlafphase. Man vermutet, dass Lachgas in den ersten drei Minuten Signale aus dem Hirnstamm unterdrückt, die dafür sorgen, dass man wach bleibt.

Literatur

Lecci, Sandro, Fernandez, Laura M. J., Weber, Frederik D., Cardis, Romain, Chatton, Jean-Yves, Born, Jan & Lüthi, Anita (2017). Coordinated infraslow neural and cardiac oscillations mark fragility and offline periods in mammalian sleep. Science Advances, 3, doi: 10.1126/sciadv.1602026.
Tamminen, Jakke, Payne, Jessica D., Stickgold, Robert, Wamsley, Erin J. & Gaskell, M. Gareth (2010). Sleep Spindle Activity is Associated with the Integration of New Memories and Existing Knowledge. The Journal of Neuroscience, October 27, 2010, 30(43):14356-14360; doi:10.1523/JNEUROSCI.3028-10.2010.

Mittels Stimulation der Gehirnwellen das Lernen verbessern

Das National Research Council in den USA hatte 2008 die künftige Bedeutung von Gehirn-Maschine-Schnittstellen betont, neuronal gesteuerten Prothesen, kognitiven und sensorischen Prothesen, intelligenten Systeme, die so aufgebaut sind, wie menschliche Gehirne, kognitiven Systeme, die das Internet nutzen, um sich Wissen anzueignen, oder auch Möglichkeiten, Zustände oder Intentionen über neurophysiologische Daten zu erkennen. Da auf Grund der Informationsflut nicht mehr alles im menschlichen Gedächtnis abgespeichert werden kann, sollen Techniken entwickelt werden, die die neurokognitiven Prozesse optimieren, welche der Informationsaufnahme ins Gedächtnis zugrunde liegen. Dafür muss zuerst das Kurzzeitgedächtnis verstärkt werden, um dann die Informationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Wenn diese beiden Prozesse zeitlich koordiniert würden, kann dies das Erinnern und Wiederabrufen verbessern, wobei diese Synchronisierung durch die Stimulation von Gehirnwellen (Gammawellen, Thetawellen) unterstützen können.

Quelle:
Rötzer, F. (2009). Darpa will das Gedächtnis der Soldaten optimieren.
WWW: http://www.heise.de/tp/blogs/3/142902 (09-08-02)

Beeinflussung der Beta-Aktivität

Beta-Wellen werden im Gehirn dann gemessen, wenn tonische Kontraktionen (unbewusste Muskelanspannungen über eine längere Zeit, die den Körper im Wachzustand aufrecht halten) stattfinden, die aber auch im REM-Schlaf besonders aktiv sind. Die Beta-Aktivität fällt immer unmittelbar vor dem Ausführen einer bewussten Bewegung deutlich ab. Mittels transkranieller Wechselstromstimulation haben Alek Pogosyan et al. (2009) die Beta-Aktivität im Gehirn so stark verändert, dass ProbandInnen ihre Arme nur noch sehr viel langsamer bewegen konnten, wenn sie im Versuch mit einem Joystick einen Punkt auf dem Bildschirm steuern sollten, wobei sie etwa zehn Prozent länger benötigten, um die Verfolgung aufzunehmen. Allerdings wirkte die Reduktion des Tempos nur bei bewussten Bewegungen, denn die spontane Reaktionszeit der Probanden wurde nicht in gleicher Weise verändert.

Quelle:
Pogosyan Alek, Gaynor, Louise Doyle, Eusebio, Alexandre & Brown, Peter (2009). Boosting Cortical Activity at Beta-Band Frequencies Slows Movement in Humans. Current Biology,10.

Siehe dazu Die REM-Phase und die Ontogenese des REM-Schlafes

Elefanten schlafen übrigens des Nachts mit Unterbrechungen nur etwa vier Stunden, denn den größten Teil des Tages sind sie damit beschäftigt, große Mengen an Gräsern, Blättern, Rinde, Ästen, Dornbüschen und Früchten zu sich zu nehmen und die Nahrung mühsam zu zerkauen. Sie benötigen täglich etwa 250000 Kilokalorien und zwischen 70 und 150 Liter Wasser, was etwa in der Trockenzeit alles andere als einfach ist.

Neben der Regeneration hat der Schlaf auch Einfluss auf den menschlichen Stoffwechsel. So wird im Nachtschlaf das appetitzügelnde Hormon Leptin freigesetzt, im Wachzustand das appetitanregende Hormon Ghrelin. Wird dieses Gleichgewicht durch zu wenig Nachtschlaf verschoben, kann das appetitzügelnde Leptin nicht seine Wirkung entfalten, was zu einer Gewichtszunahme führen kann.

Der Schlaf hat auch eine Bedeutung für das Lernen und für die Speicherung von Gedächtnisinhalten. Der Prozess der Gedächtniskonsolidierung findet vor allem im Schlaf statt. Offensichtlich werden im Hippocampus sämtliche am Tag gesammelten Eindrücke, Erlebnisse und Informationen zwischengelagert, wobei der Hippocampus nur eine begrenzte Kapazität besitzt. Damit nicht alles gleich wieder vergessen wird, müssen die Erinnerungen in den Neokortex "überspielt" werden, denn dort sitzt das Langzeitgedächtnis. In der REM-Phase, in der zumeist geträumt wird, kommt es zur Festigung motorischer Fertigkeiten wie etwa dem Radfahren und im Non-REM-Schlaf, in den Leicht- und Tiefschlafphasen, werden deklarative Inhalte wie etwa am Tag erlernte Vokabeln verfestigt.

Im Schlaf wird auch das Immunsystem aktiviert, denn es nimmt darin die Zahl und Aktivität der natürlichen Abwehrzellen gegen Bakterien und Viren deutlich zu.

Schlaf ist übrigens auch für das Zusammenleben der Menschen wichtig: Ninad Gujar (Universität von Kalifornien, Berkeley) untersuchte den Einfluss von Schlaf auf die Gemütslage, indem 36 ProbandInnen an zwei Terminen unterschiedliche Emotionen in menschlichen Gesichtern einzustufen hatten, wobei eine Hälfte der TeilnehmerInnen vor einem der Durchgänge 60 bis 90 Minuten schlafen musste. Nach einem Schlaf reagierten die Probanden empfänglicher auf fröhliche Gesichtsausdrücke, während sie ohne Schlaf verstärkt auf negative Empfindungen wie Wut oder Angst achteten.

Quelle: OÖnachrichten vom 02.07.2008

Schlafentzug - Vorschlafen

Robert Stickgold vom Massachusetts Institute of Technology fand heraus, dass der Schlaf vor einer Prüfung eine große Rolle dabei spielt, wie gut wir abschneiden. Seiner Ansicht nach können wir Gelerntes tatsächlich im Schlaf verankern. Um 20% konnten die Versuchspersonen ihre Leistungen verbessern, wenn sie vor der Prüfung eine Nacht gut durchschliefen. Mit jeder weiteren Nacht vor der Prüfung verbesserten sich die Leistungen. Bei den Probanden die nach dem Lernen in der Nacht keinen Schlaf fanden, sanken die Leistungen auf Anfängerniveau herab.

Ein bis zwei Nächte können die meisten Menschen gut kompensieren, denn ist man erst einmal aus dem Bett, ist die Müdigkeit schnell wieder vorüber. Wenn man aber über einen längeren Zeitraum wenig schläft, kann sich das in Form von Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen und Leistungseinbußen auswirken. Studien zeigen, dass sich bei Schlafmangel die Aktivität von zahlreichen Genen merklich verändert, was sich auf viele Vorgänge im Körper auswirkt, wobei manche Menschen anfälliger sind als andere.

Wird man mehrere Nächte hintereinander (mindestens 4 Nächte) aus dem REM-Schlaf geweckt, erhöht sich der prozentuale REM-Anteil in den ungestörten Nächten von 20% auf 27% bis 29%. Diesen Effekt bezeichnet man als REM-rebound-Effekt. Dabei handelt es sich um eine kompensatorische REM-Erhöhung, die allerdings erst nach 4 Tagen Wachheit im Schlaf eintritt.

Fiß und Ellmann (1973) unternahmen folgendes Experiment:

  1. Versuchspersonen schliefen 4 Nächte ungestört.
  2. in den darauffolgenden 2 Nächten wurden die Probanden in den REM-Phasen geweckt
  3. im Anschluß erhielten die Probanden eine Erholungsnacht.

Ergebnisse

Die REM-Phasen wurden unter Punkt 3 im Vergleich zu Punkt 1 kürzer. Der Non-REM-Schlaf stellte sich zu den Zeitpunkten ein, an denen unter Punkt 2 die Wecktermine lagen. Dieses wurde als konditionierte Vermeidungsreaktion interpretiert. Bei totaler Schlafdeprivation, d.h. Entzug von SWS und REM-Schlaf kommt es in der 1. Nacht zu einer Zunahme von SWS. In der 2. Nacht steigt der REM-Schlaf wieder. Allerdings wird nur ein kleiner Teil des SWS und des REM-Schlafes nachgeholt.

Vorschlafen sinnlos

Übrigens: Manche Menschen versuchen, als Vorbereitung auf schlaflose Zeiten Vorzuschlafen. Das funktioniert jedoch nicht, denn dadurch gerät nur der Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander. Wer am Nachmittag zwei bis drei Stunden vorschläft, fühle sich anschließend schlapp und müde, und zusätzlich ist der Schlafdruck für die kommende Nacht beeinträchtigt und die Schlafqualität kann sich dadurch verschlechtern. Eher hilft gegen Tagesmüdigkeit hilft ein "Power Nap".

Um gegen Tagesmüdigkeit vorzubeugen, hilft am Morgen helles Tageslicht und eine kalte Dusche, denn dabei fließt weniger Blut in die Hände und Beine und weniger Wärme wird abgegeben, d. h., der Körperkern erreicht Betriebstemperatur. Der Mittagsschlaf oder Power Nap hilft, das Nachmittagstief zu überwinden, darf aber nur 20 Minuten dauern.

Quelle: MEDSTANDARD vom 26.02.2007


Rekord im Nichtschlafen

Der offizielle Rekord im Nichtschlafen wurde unter ärztlicher Aufsicht 1965 von einem damals 17jährigen US-Schüler mit 264 Stunden aufgestellt.

Aus Studien weiß man, dass nach 24 Stunden Schlafentzug die Reizschwelle sinkt, nach 64 Stunden Wahnvorstellungen auftreten. Irgendwann tritt dann der Tod ein. Mögliche Zwecke des Schlafes:

Richtiges Aufwachen ebenfalls wichtig

Nach Ansicht von Experten stellt der Snooze-Button bzw. die Schlummer-Taste bei elektronischen Weckern ein Problem für Menschen dar, die generell Probleme beim Schlafen und beim Aufstehen haben. Etwa die Hälfte der Menschen drückt vor dem Aufstehen mindestens ein Mal auf die Schlummer-Taste. Diese Angewohnheit ist allerdings für das Aufstehen nicht förderlich, da es den Schlafrhythmus durcheinanderbringt, und meist fühlt man sich durch die wenigen zusätzlichen Minuten nicht wirklich wacher. Nach Ansicht von Experten ist die Schlummerfunktion bzw. Snooze-Funktion bei einem Wecker für viele Menschen daher äußerst ungünstig, denn direkt nach dem Wecker-Läuten schüttet das Gehirn Hormone aus, die wach machen sollen. Wenn man aber durch die Schlummerfunktion immer wieder kurz wegnickt, verlangsamt sich dieser hormonale Prozess, der für den restlichen Tag eher schlapp machen kann. Zwar trifft das nicht auf alle Menschen zu, denn es gibt viele Menschen, die eher schrittweise aufwachen sollten, etwa Menschen mit sehr niedrigem Blutdruck, die nicht sofort beim ersten Weckerton aus dem Bett springen können. Nicht nur der Schlaf sondern auch das richtige Aufwachen ist also sehr individuell. Besser als das Drücken der Schlummer-Taste ist die Einführung einfacher Routinen, die den Start in den Tag zu erleichtern. 

In zwei neueren Studien haben aber Sundelin, Landry & Axelsson (2023) die Prädiktoren und Auswirkungen dieses Schlummerns nochmals eingehend untersucht. In der ersten Studie beschrieben die Befragten ihre Aufwachgewohnheiten und bestätigten, dass Schlummern weit verbreitet ist, insbesondere bei jüngeren Menschen und späteren Chronotypen. Auch morgendliche Schläfrigkeit und kürzerer Schlaf waren bei diesen Schlummernden häufiger anzutreffen. In der zweiten Studie handelte es sich um eine Laborstudie mit Polysomnographie mit gewohnheitsmäßigen Schläfern, die zeigte, dass ein 30-minütiges Schläfchen die Leistung bei kognitiven Tests direkt nach dem Aufstehen im Vergleich zu einem abrupten Aufwachen verbesserte oder zumindest nicht beeinträchtigte. Statistische Faktoren wiesen dabei auf eine unterschiedliche Stärke dieser Evidenz hin, denn Schlummern führte zu etwa 6 Minuten verlorenem Schlaf und verhinderte gleichzeitig das Aufwachen aus dem Slow-wave-Schlaf. Es gab hingegen keine eindeutigen Auswirkungen des Schlummerns auf die Cortisol-Wachreaktion, die morgendliche Schläfrigkeit, die Stimmung oder die nächtliche Schlafarchitektur. Eine kurze Snooze-Phase könnte also dazu beitragen, die Schlafträgheit bei späten Chronotypen und Menschen mit morgendlicher Schläfrigkeit zu verringern, ohne den Schlaf wesentlich zu stören.

Bildquelle: Das Logo des Ratgebers für Schlafstörungen (http://www.charite.de/dgsm/rat/welcome.html) und wurde dem folgenden Band entnommen:
Hobson, J. Allan (2000). Schlaf. Gehirnaktivität im Ruhezustand.
Heidelberg: Spektrum Akad. Verlag. http://www.charite.de/dgsm/rat/welcome.html (03-02-02)

Literatur

Sundelin, Tina, Landry, Shane & Axelsson, John (2023). Is snoozing losing? Why intermittent morning alarms are used and how they affect sleep, cognition, cortisol, and mood. Journal of Sleep Research, doi:10.1111/jsr.14054.
Stangl, W. (2023, 23. Oktober). Soll man in der Früh die Snooze-Taste (Schlummertaste ) drücken oder nicht? arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/soll-man-morgens-die-snooze-taste-schlummertaste-druecken-oder-nicht/


Überblick Hypertext "Der Schlaf"




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