Die Wachen haben eine gemeinsame Welt;
im Schlafe wendet sich jeder seiner eigenen zu.
Heraklit von Ephesos
Trauminhalte
Inhalte der Träume, an die wir uns erinnern, sind nicht das, was tatsächlich im Gedächtnis im Schlaf passiert, denn im Traumschlaf erfährt der Schlafende diese Träume nicht bewusst. Erst wenn man geweckt wird, zeigt das Gehirn noch in bestimmten Regionen Aktivitäten und wenn nun im Wachzustand die Gehirnstruktur aktiviert wird, die für geordnete Erinnerungen zuständig ist, dann sucht diese sich die im Gehirn verstreuten Aktivitäten zusammen und konstruiert daraus einen Traumbericht. D.h., man träumt also erst im Wachzustand, denn wenn etwa der Wecker klingelt, wacht man auf und erst dann wird die bestehende chaotische Aktivität im Gehirn, die aus dem Traumschlaf noch in Resten übrig ist, vom Bewusstsein dafür hergenommen, eine Geschichte zu erzählen. Schließlich sorgt unser Gehirn stets dafür, das alles seine Ordnung hat und mit einem Chaos wenig anfangen kann. Seien Träume auch noch so "verrückt", sie haben in der Regel eine logische Struktur.
Nach Untersuchungen von Schlafforschern träumen Männer mehr von Männern, Frauen dagegen ausgewogener, was vermutlich damit zusammenhängt, dass man gern von dem träumt, was einem wichtig ist. Für Männer ist die Auseinandersetzung mit der männlichen Welt wichtig für ihr Selbstgefühl und ihr Vorwärtskommen, während das Interesse von Frauen hingegen eher geteilt ist, denn sie wollen für die Männer interessant sein, sich aber auch mit den Frauen solidarisieren.
Empirische Studien zeigten, dass sich die Trauminhalte trotz eines erheblichen kulturellen Wandels in den letzten Jahrzehnten kaum verändert haben. Auch die Unterschiede zwischen den Kulturen sind eher gering; so träumen die Menschen in kleinen, traditionellen Gesellschaften häufiger von Tieren als in Industriestaaten und die Häufigkeit der physischen Gewalt variiert zwischen verschiedenen Gesellschaften. Die Träume aller Menschen sind eher durch Gewalt als durch Freundlichkeit gekennzeichnet, Menschen träumen öfter vom Unglück als vom Glück, die negativen Gefühle überwiegen die positiven. Beinahe in allen Kulturen und Gesellschaften träumen Männer häufiger von Gewalt als Frauen. Menschen träumen in der Regel von emotional bedeutsamen Inhalten, die mit ihrem Denken und Fühlen bei wachem Bewusstsein übereinstimmen. Trauminhalte drücken in der Regel daher das Selbstbild und unser Verständnis anderer Menschen aus. Kinder träumen mehr Tiersymbole und dies nimmt mit zunehmend Alter linear ab.
Nicht selten wiederholen sich Träume über längere Zeiträume, wobei dies häufig bei Träumen der Fall ist, die unangenehme oder gar traumatische Erfahrungen widerspiegeln. Bei Menschen, die ein schweres Trauma erlebt haben, findet sich auch ein Zusammenhang zwischen Albträumen und der Veränderung des Schlafrhythmus. Die Betroffenen wachen in der Nacht häufiger auf, und der REM-Schlaf ist zerstückelt, wobei dafür vermutlich die Ausschüttung von Stresshormonen verantwortlich ist, die dann den Schlaf stören und die Erholung durch den Nachtschlaf mindern.
Online-Studie zu Trauminhalten
In einer großen Online-Befragung (Mathes, Schredl & Göritz, 2014) wurden die häufigsten Traumthemen ermittelt, wobei an der Studie 2893 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren teilnahmen. Sie beschrieben dabei ihren zuletzt erlebten Traum, wobei die Umgebung, die auftretenden Charaktere, Gefühle und der Zeitpunkt des Traums benannt werden mussten. Man ordnete die Träume den 56 Traumthemen des Typical Dream Questionnaire zu, wobei ein Traum mehreren Themen zugewiesen werden kann:
- fliegen (12 Prozent aller Träume wiesen diesen Inhalt auf)
- etwas wieder und wieder versuchen (11 Prozent) – Bezug zu Arbeit und Beruf
- verfolgt werden (9 Prozent)
- sexuelle Erlebnisse (7 Prozent)
- Schule und Studium (6 Prozent) – Bezug zu Arbeit und Beruf
- zu spät kommen (4 Prozent) – Bezug zu Arbeit und Beruf
- eine tote Person lebt oder eine lebende Person ist tot (4 Prozent)
- körperlich angegriffen werden (3 Prozent)
- schwimmen (3 Prozent)
- fallen (2 Prozent)
- Geld finden (2 Prozent) – Bezug zu Arbeit und Beruf
- eine Prüfung nicht bestehen (1 Prozent) – Bezug zu Arbeit und Beruf
Diese Rangliste stimmte mit anderen internationalen Studien an
kanadischen, amerikanischen, japanischen, chinesischen und
deutschen Träumern überein. Männer träumen übrigens häufig von
Geld, Frauen eher von Menschen. Männer träuten häufiger als Frauen
davon, Geld zu finden, die Kontrolle über ein Fahrzeug zu
verlieren oder von sexuellen Erlebnissen. Frauen träumen häufiger
als Männer von toten oder lebenden Personen. Diese Traumthemen
lassen sich am besten mit der Annahme eines Kontinuums
zwischen Wachen und Träumen erklären, denn im Traum
wird vielfach das fortgeführt und verarbeitet, was man tagsüber
erlebt hat.
Entstehen absurde Trauminhalte durch Overfitting?
Menschen berichten häufig von äußerst absurden Träumen, sodass
Hoel (2020) versuchte mit einem Ansatz der AI ihr Entstehen zu
erklären. Er ging davon aus, dass Gehirne ähnlich funktionieren
wie die neuralen Netzwerke einer künstlichen Intelligenz. Wenn ein
KI-Netzwerk für eine ausgewählte Aufgabe lernen soll, tritt das
Problem des Overfitting (Überanpassung) auf, d. h., dass
die AI angesichts der zur Verfügung gestellten Daten zwar die
nahezu perfekte Lösung findet, diese Lösung aber nur auf die
tatsächlich zur Verfügung gestellten Daten anwendbar ist. Auf
diese Weise kann die AI zwar diese Daten bearbeiten, aber keine
Ergebnisse neuer Datenpakete vorhersagen. Um dieses Problem zu
umgehen, fügt man dem AI-System eine gewissen Menge an
Datenrauschen bei, um zu verhindern, dass sich die AI
ausschließlich auch die relevanten Daten konzentriert, also offen
bleibt für andere Daten, um auch weitere Inhalte erlernen erlernen
zu können. Niels Hypothese ist nun, dass dieser Effekt auch bei
Menschen auftritt, während sie träumen, da das Gehirn während des
Schlafes die Ereignisse, Erlebnisse und Erfahrungen des Tages
verarbeitet und so Träume erzeugt, zu denen ebenfalls ein Rauschen
hinzugefügt wird, um das Overfitting des Gehirns zu verhindern.
Bei den absurden Inhalten der Träume handelt es sich
möglicherweise um falsche Informationen, die das Gehirn benötigt,
um die realen Erinnerungen zu festigen.
Literatur
Hoel, E. (2020). The Overfitted Brain: Dreams evolved to
assist generalization.
WWW: https://arxiv.org/pdf/2007.09560.pdf (20-11-20)
Mathes, Jonas, Schredl, Michael & Göritz, Anja S. (2014). Frequency of Typical Dream Themes in Most Recent Dreams: An Online Study. Dreaming, 24, 57-66.
Überblick Hypertext "Der Schlaf"
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