Schlaf und Traum bei Kindern
Kinder schrecken hin und wieder aus Angstträumen auf und haben dann Mühe, wieder einzuschlafen. Das liegt daran, dass ihr REM-Schlafanteil höher als derjenige von Erwachsenen.
Wovon träumen Kinder? Wie träumen Kinder? Dieser Frage ist der amerikanische Schlaf- und Traumforscher David Foulkes (2002) nachgegangen, indem er Traumberichte von Kindern verschiedener Altersklassen systematisch sammelte und untersuchte.
Bei kleinen Kindern ist es besonders schwierig, einen verlässlichen Traumbericht zu erhalten. Ein Problem besteht darin, dass nicht immer eindeutig feststellbar ist, ob das Kind Traumerlebnisse von wachen Erlebnissen zu unterscheiden vermag. Hinzu kommt, dass die ohnehin schwierige sprachliche Mitteilung eines Traumes durch das begrenzte Ausdrucksvermögen des Kindes noch problematischer wird. Im Unterschied zur Wahrnehmung vieler Eltern tritt Angst in den Träumen der Drei- bis Fünfjährigen eher nicht auf, denn wovor sich Kinder in diesem Alter fürchteten, ist die Situation des Aufwachens, d. h., sie sind im Dunkeln, allein und alles ist ruhig. Dieses Erleben nach dem Erwachen jagt ihnen Angst ein und sie rufen nach den Eltern. Wenn die Erwachsenen sie dann fragen, ob sie einen schlechten Traum hatten, stimmen die Kinder einfach den Eltern zu, weil sie es nicht besser wissen.
Kinder lernen erst im Laufe ihrer Entwicklung so zu träumen wie dies Erwachsene tun, wobei Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren generell nur sehr selten träumen. Außerdem träumen sie nicht in bewegten Bildern, sondern sehen eher statische Momentaufnahmen, und kommen auch im Unterschied zu älteren Kindern in ihren Träumen noch nicht selbst als Person vor. Dass kleine Kinder im Traum keine bewegten Bilder sehen, hängt mit ihrem mangelnden räumlichen Vorstellungsvermögen zusammen, denn dieses entwickelt sich erst im Alter von fünf bis neun Jahren.
Die erste systematisch untersuchte Altersklasse umfasst Drei- bis Vierjährige, wobei von diesen Kindern in der Regel nur kurze Traumberichte zu erhalten sind, die wenig bewegt und gefühlsbetont waren. Oft ging es im Traum um Spiele in bekannter Umgebung, häufig kamen Tiere vor.
In der Gruppe der Fünf- bis Sechsjährigen, die bereits im Kindergartenalter waren, ergaben sich doppelt so lange Traumberichte wie bei den Jüngeren. Im Traum war mehr Bewegung und Aktivität enthalten, die vorkommenden Personen waren vor allem Familienmitglieder und Bekannte. Die Rolle des Träumers selbst war jedoch auffällig passiv. Interessanterweise zeigten sich in diesem Alter Unterschiede zwischen Träumen von Mädchen und Buben: Freundliche Kontakte, angenehme Gefühle und ein Happy-End des Traumes waren bei Mädchen häufiger, unangenehme und konflikthafte Themen bei den Buben. Diese Unterschiede waren bei sieben- bis achtjährigen Kindern nicht mehr nachzuweisen.
Im Vergleich zur jüngeren Altersklasse wurde der Träumende im frühen Schulalter häufiger selbst die handelnde Hauptperson. Im Alter von neun bis zwölf Jahren (Präadoleszenz) spielten Träume im allgemeinen zu Hause, im Freien oder in der Schule. Die beteiligten Personen waren Familienmitglieder oder Spielkameraden, und bei Buben kamen häufig unbekannte Personen männlichen Geschlechts vor. Im Vergleich zu jüngeren Altersklassen waren angenehme Gefühle häufiger. Bei den älteren Buben kamen aggressive Träume doppelt so oft vor wie bei den Mädchen.
In der Adoleszenz (Dreizehn- bis Fünfzehnjährige) war ein angenehmer Inhalt von Träumen wieder weniger häufig (besonders bei Buben), und die bizarren Züge nahmen zu. Familienmitglieder kamen seltener vor.
Insgesamt geht aus den Untersuchungen hervor, dass, entgegen oft geäußerten Vermutungen, Träume von Kindern nicht überwiegend beunruhigend und angsterregend sind. Ihre Veränderungen vom Kleinkindalter bis zur Adoleszenz spiegeln offenbar kognitive Entwicklungsstufen auf dem Hintergrund der realen Lebenssituation (Elternhaus, Schule, Entwicklung der persönlichen und geschlechtlichen Identität) wider.
Zusammenhang zwischen Schlafqualität der Eltern und der Kinder
Zu wenig Schlaf sowie eine schlechte Schlafqualität beeinträchtigen das menschliche Immunsystem, machen reizbarer und führen zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, was aber nicht nur für Erwachsene sondern auch für Kinder gilt. Urfer-Maurer et al. (2017) haben in einer Untersuchung gezeigt, dass wenn Mütter unter Schlafproblemen leiden, häufig ihre Kinder nachts auch weniger gut schlafen. Kinder von Müttern, die selbst von Ein- und Durchschlafproblemen betroffen sind, schlafen insgesamt weniger als Kinder von Müttern ohne solche Schwierigkeiten, d. h., sie schliefen später ein, weniger lang durch und wiesen nach EEG-Messungen weniger Tiefschlaf auf. Kein Zusammenhang fand sich mit Schlafproblemen von Vätern. Man erklärt sich das damit, dass Mütter durchschnittlich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich daher das Schlafverhalten von Mutter und Kind stärker angleicht. Neben genetischen Faktoren vermutet man auch, dass Eltern und ihre Schlafgewohnheiten den Kindern als Vorbilder dienen. Eine andere Erklärung wäre auch, dass Ein- und Durchschlafprobleme der Eltern dazu führen, dass diese sowohl ihren eigenen als auch den Schlaf ihrer Kinder genauer beobachten, und dass diese selektive Aufmerksamkeit die Schlafqualität beeinträcht.
Kleinkinder schlafen anders
Langsame Wellen im Schlaf verhalten sich wie Wanderwellen und sind daher auch ein Marker für die Konnektivität des Gehirns, wobei sich diese während des Tiefschlafs über den Cortex ausbreiten und einen Zusammenhang mit dem Alter zeigen, denn beim Schlaf von Erwachsenen ist diese Wellenausbreitung reduziert und wird lokaler. Schoch et al. (2018) haben nun im Detail gezeigt, dass es bei Kindern eine Verringerung der Distanz der Tiefschlaf-Wellen über die Nacht hin, die besonders bei den jüngsten Kindern auftritt. Man beobachtete dabei eine interessante Wechselwirkung der Dynamik der langsamen Wellenausbreitung (Propagation) über die Nacht hinweg mit dem. Beim Vergleich des ersten und letzten Quintils ergab sich ein Trendniveauunterschied zwischen den Altersgruppen: 2- bis 4,9-jährige Kinder zeigten eine Abnahme der langsamen Wellenausbreitungsdistanz über die Nacht um 11 Prozent, die in den beiden älteren Altersgruppen nicht beobachtet wurde. Unabhängig vom Alter nahm die cortikale Beteiligung über eine Nacht um 10,4-23,7 Prozent ab. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die nächtliche Dynamik bei der langsamen Wellenausbreitungsdistanz eine erhöhte Plastizität in den zugrunde liegenden cerebralen Netzwerken widerspiegelt, die spezifisch für diese frühen Entwicklungsperioden sind. Man vermutet, dass die Aktivitätsmuster nicht passive Spuren von Gehirnprozessen sind, sondern dass sie eine aktive Rolle bei der Gehirnentwicklung spielen. Möglicherweise werden die Gehirnzellen von den Wellen angeregt, was dann zu Veränderungen im Gehirn führen kann. Vielleicht unterstützen die langsamen Wellen Gedächtnisprozesse und helfen den kindlichen Gehirnen dynamisch zu bleiben, damit sie sich an Veränderungen in ihrer Umwelt gut anpassen können.
Literatur
Borbély, A. (1994). Das Geheimnis des Schlafs. Neue Wege und Erkenntnisse der Forschung.
WWW: http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/KAP4.htm (12-03-21)
Foulkes, D. (2002). Children's Dreaming and the Development of Consciousness. Harvard University Press.
Schoch, Sarah, Riedner, Brady, Deoni, Sean, Huber, Reto, LeBourgeois, Monique & Kurth, Salome (2018). Across-night dynamics in traveling sleep slow waves throughout childhood. Sleep, 41, doi:0.1093/sleep/zsy165.
Urfer-Maurer, N., Weidmann, R., Brand, S., Holsboer-Trachsler, E., Grob, A., Weber, P. et al. (2017). The association of mothers' and fathers' insomnia symptoms with school-aged children's sleep assessed by parent report and in-home sleep-electroencephalography. Sleep Medicine, 38, 64–70.
Überblick Hypertext "Der Schlaf"
- Der Schlaf - Grundlagen
- Die REM-Phasen
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