Anwendung der operanten und instrumentellen Konditionierung - Die behavioristischen Ansätze
Das Modell der operanten Konditionierung scheint eher in der Lage zu sein, die Reaktion von Verhaltensweisen auf Ereignissen der Umwelt zu beschreiben, als die klassiche Konditionierung, denn mit Hilfe des operanten Konditionierens ist es möglich, nicht nur die Häufigkeit bereits verfügbarer Verhaltensweisen zu beeinflussen, sondern auch Verhalten zu erzeugen, das für den Organismus bzw. das Individuum vollkommen neu ist.
Siehe dazu auch
- Der Behaviorismus
- Signallernen, Reiz-Reaktionslernen, S-R-Lernen
- Operante und instrumentelle Konditionierung
- Die Verhaltenstherapie
- Weitere Behavioristen
Zur Effektivität des operativen Konditionierens siehe auch Aggressionshemmung
Kritische Anmerkungen
Die häufigsten Kritiken, die sich die Anhänger des Behaviorismus gefallen lassen mussten ist die Übertragbarkeit der Laborversuche auf komplexe Verhaltensweisen, die nicht ohne weiteres möglich scheint. Das S-R-Lernen ermöglicht nur ein Erlernen von neuen Reizen, nicht jedoch Lernen von neuen Reaktionen auf ein bestimmten Verhalten. Das instrumentelle Konditionieren ermöglicht dies zwar, benötigt aber wiederum das vorherige Auftreten eines bestimmten Verhaltens; es ist somit situationsbedingt.
Weiterhin birgt die oft benutzte Strafe als Instrument der Verhaltensmodifikation die Gefahr einer Generalisierung der gesamten Situation (Ein Kind, das z.B. negative Erfahrungen mit einem Lehrer gemacht hat, überträgt die negativen Gefühle auf alle Lehrer bzw. die gesamte Schul- oder Lernsituation.). Versucht man den Menschen mit seinen kognitiven Fähigkeiten in den behavioristischen Ansätzen zu erfassen, stößt man hier an eine weitere Grenze. Die Behavioristen waren mehr an der sichtbaren Verhaltensformung interessiert, als an den intrinsischen Motiven, den Abläufen im Gehirn eines Menschen, die das Verhalten steuern.
Shaping & Chaining
Dabei geht man prinzipiell so vor, dass stufenweise jene Verhaltensformen verstärkt werden, die eine Annäherung an das gewünschte Endziel (der Konditionierung) darstellen. Verstärkt werden im Verlauf der Konditionierung also die Verhaltenselemente, die dem gewünschten Endverhalten jeweils etwas näher kommen. Man bezeichnet diesen Prozeß als Shaping.
Häufig genügt es jedoch nicht, ein bestimmtes Verhalten neu zu lernen, sondern es ist notwendig ganze Ketten einzelner Verhaltensweisen zu bilden. So besteht z.B. jede Sportart aus einer Kette einzelner Verhaltensweisen. Das Gleiche gilt für andere komplexe Handlungen (z.B. das Verfassen eines Referates).
Wenn man solche komplexen Verhaltensketten erzeugen möchte, so wendet man das Prinzip des Chaining an. Dabei geht man (im Tierexperiment) so vor, dass zuerst das letzte Verhalten in der Kette primär verstärkt wird. Dieses Verhalten wird somit zum sekundären Verstärker für die davorliegende Reaktion. So wird der Verhaltenskette jeweils eine Verhaltensweise nach der anderen zugefügt. Jedes Glied der Kette wird zum diskriminativen Reiz für die nächste Reaktion und zum Verstärker für die vorhergehende Reaktion.
Die Dressur von Tieren beruht normalerweise auf der Kombination von Shaping und Chaining. Beide Verfahren sind jedoch auch beim Menschen anwendbar.
Ein bewundernswertes Beispiel einer Tierdressur
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=txq_BogA1NM&e
Die Maus "Brain Storm" überwindet in Rekordzeit einen Hindernis-Parcours und folgt dabei vorgeschriebenen Bahnen. Dabei hält sie sich strikt an ihre Route und denkt nicht eine einzige Sekunde daran, eine Abkürzung zu nehmen oder vom eingeschlagenen Weg abzuweichen.
Anwendung des operanten Konditionierens in der Praxis
Laß nicht zu, dass sie dich loben.
Wer dich lobt, darf dich auch tadeln.
Und du mußt dann sein Geseires
auch noch durch Verständnis adeln.
Robert Gernhardt
Alltagsverhalten (Abergläubisches Verhalten)
Die Bezüge zwischen unserem Alltag und den Prinzipien des operanten Konditionieren sind sehr vielfältig. Unser alltägliches Verhalten ist in vielen Bereichen durch Verstärkung und Bestrafung gesteuert (z.B. soziale Anerkennung für Verhaltensweisen, die der Allgemeinheit dienen; Bestrafung von Verhaltensweisen, die anderen schaden oder Nachteile bringen). Solche Bereiche sind z.B. die Erziehung, die Sozialisation, unser Verhalten in sozialen Gruppen und in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Eine interessante und typische, alltägliche Verhaltensweise ist das sog. abergläubische Verhalten, das von Skinner auch experimentell untersucht wurde.
Abergläubisches Verhalten kann häufig beobachtet werden und zeigt sich generell darin, dass eine Person kausale Beziehungen zwischen bestimmten Verhaltensweisen (z.B. Kleidungsstück XY tragen) und bestimmten Verhaltensfolgen (z.B. Erfolg bei einer Prüfung) sieht, die "in Wirklichkeit" nicht vorhanden sind. Solche abergläubischen Verhaltensweisen können z.B. das Tragen von Glücksbringern (Talisman) oder bestimmten Kleidungsstücken sowie ritualisierte Handlungen (z.B. erst den linken, dann den rechten Socken anziehen) sein.
Im Labor kann man abergläubisches Verhalten erzeugen, indem man z.B. eine Taube alle 15 Sekunden nicht-kontingent verstärkt, d.h. wenn eine Verstärkung (z.B. Futterpille) erfolgt, unabhängig davon, welches Verhalten gerade gezeigt wurde. Es werden somit Verhaltensweisen verstärkt, die zufällig unmittelbar vor der Verstärkung gezeigt werden. Als Folge davon treten bei den Versuchstieren z.T. bizarre Verhaltensweisen auf, z.B. eine bestimmte Flügelstellung oder Kopfbewegung, die unmittelbar vor der Verstärkung erfolgte.
Wie bereits angedeutet, entsteht abergläubisches Verhalten durch das Lernen nicht-kausaler (bzw. scheinbar kausaler) Verhaltens-Folge-Beziehungen. Man lernt, dass bestimmte Verhaltensweisen und Verhaltensfolgen kovariieren bzw. häufig gemeinsam auftreten. Je wichtiger die Folge eines Verhaltens ist (z.B. der Regen als "Folge" des Regentanzes; der Sonnenaufgang als Folge eines Gesanges), desto schwieriger ist eine Löschung des abergläubischen Verhalten. Das Risiko eines Ausbleibens der Folge wäre zu groß.
Auch im Usenet - einem Bereich des WWW - funktioniert das Prinzip der unregelmäßigen Verstärkung recht zuverlässig, etwa wenn es gilt, mit Trollen und Crosspostern umzugehen. Durch ein zufälliges Muster an Antworten (=Token), die auf die Postings der Trolle folgen, kann man bei diesen das Aufkommen ihrer Beiträge steuern. Dabei ist es wichtig, in keinem Fall auf die Inhalte einzugehen, sondern nach dem Zufallsprinzip dem Troll einen beliebigen Token (=Zufallsposting) vorzuwerfen. Schon nach kurzer Zeit ist der Troll der Meinung, dass es ihm gelungen ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und beginnt umso heftiger zu posten. Das führt im Erfolgsfall auch dazu, dass der Troll durch Erschöpfung einen zeitweiligen Rückzug vornimmt. Allerdings besteht die Gefahr, abei den Betreffenden eine Abhängigkeit auszulösen, sodass vor einem exzessiven Einsatz gewarnt werden muss. Nur psychologisch geschulte UserInnen sollten diese Methode mit Maß anwenden.
In manchen Fällen kann es zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung kommen. Ein Studierender, der es vor einer Prüfung unterlässt, sein sonst übliches abergläubisches Verhalten zu zeigen, kann deshalb besonders nervös und unsicher werden und tatsächlich zu einer schlechten Prüfungsleistung kommen.
Die Suchtwirkung der neuen Medien ist teilweise mit abergläubischen Verhalten erklärbar: "Es gibt einen ganz wichtigen Punkt dabei, den viele Leute mit dem Glückshormon verwechseln. Dopamin, denken viele Menschen, wäre ein Glückshormon. Aber es gibt eine ganz spannende Untersuchung, die zeigt, Dopamin ist nicht Glück, sondern die Erwartung von Glück. Ein Affe wird in einem Gehege trainiert. Immer wenn ein Lämpchen angeht, weiß der Affe, dass er einen Hebel runterdrücken kann. Dadurch geht eine Klappe auf und dahinter liegt Futter. Das lernt der Affe und versteht den Mechanismus. Die Forscher messen jetzt das Dopamin im Affen-Körper. So können sie zeigen, dass das Maximum nicht dann erreicht ist, wenn es die Belohnung gibt, also wenn das eigentliche Glücksgefühl einsetzen müsste, sondern dann, wenn die Lampe angeht und der Affe anfängt zu erwarten, dass da gleich etwas Tolles ist. Jetzt waren die Forscher gemein und haben in das Experiment einen Zufallsmechanismus eingebaut. Das heißt, die Lampe leuchtet, der Affe drückt den Hebel, und hinter der Klappe liegt nur noch mit einer 50-prozentigen Chance das Futter. Was passiert also mit dem Dopamin im Affenhirn? Viele sind jetzt der Meinung, es müsste abnehmen. Der Affe ist genervt, weniger glücklich und freut sich nicht mehr so. Das Gegenteil ist der Fall. Das Dopamin schießt durch die Decke ab dem Zeitpunkt, an dem der Zufallsmechanismus eingebaut wurde. Grund dafür ist das kleine Wörtchen "Vielleicht". Also, der Affe weiß nicht mehr, ob er belohnt wird oder nicht. Und das ist wie Heroin für unser Hirn. Jetzt kann man das aufs Menschsein übertragen. Man öffnet seine sozialen Medien oder irgendeine Newsseite und scrollt gefühlt fünf Kilometer mit dem Daumen runter, um am Ende festzustellen, verdammte Axt, da war doch nichts Interessantes dabei. Das ist genau der Fall von "Dopamin und vielleicht". In den seltenen Fällen, dass ich doch etwas Interessantes sehe, werde ich eben belohnt, und es fühlt sich gut an. Die restliche Zeit habe ich jedoch nur die Sorge, etwas zu verpassen. Vielleicht übersehe ich etwas. Vielleicht ist in der Sprachnachricht doch etwas Interessantes drin." Aus einem Interview von Florence-Anne Kälble mit dem Psychologen Leon Windscheid und Autor des Buchs "Hey Hirn! Warum wir ticken, wie wir ticken".
Psychotherapie (Verhaltenstherapie)
Löschung
Gestörtes Verhalten (unangemessenes Verhalten oder zu große Verhaltenshäufigkeit) wird meist durch positive Verhaltenskonsequenzen aufrechterhalten, auch wenn die negativen Konsequenzen manchmal auf den ersten Blick überwiegen (Selbstmordversuche, desktruktives Verhalten). Häufig halten subtile positive Verstärkungen das Verhalten aufrecht. Man spricht hier auch von sekundären Verstärkungen bzw. von sekundärem Krankheitsgewinn.
Beispiele: Stottern, Bettnässen, Selbstmordversuche, unterrichtsstörendes Verhalten u.ä. werden oft durch die dem Verhalten folgende soziale Zuwendung bzw. Aufmerksamkeit aufrechterhalten. Die Therapie solcher Verhaltensweisen beruht darauf, durch Löschung (Extinktion) bzw. Nichtbeachtung (=Bestrafung durch Entzug von Zuwendung) gekoppelt mit positiver Verstärkung gewünschter Verhaltensweisen und/oder Verstärkung des Ausbleibens des Problemverhaltens eine positive Änderung herbeizuführen. Bei inkonsequenter bzw. unvollständiger Löschung des Problemverhaltens ergibt sich die Gefahr erhöhter Persistenz des Problemverhaltens (intermittierende Verstärkung!).
Aversionstherapie
Diese Form der Therapie beruht auf Bestrafung durch negative, aversive Reize (z.B. E-Schocks oder Übelkeit erregende Medikamente) und ist vor allem bei problematischen Verhaltensweisen angezeigt, die aus der Sicht der betroffenen Person unmittelbar positive Konsequenzen haben (z.B. Alkoholismus, Drogen, Rauchen, Glücksspiele). Die eigentlich negativen Konsequenzen dieser Verhaltensweisen treten meist mit großer zeitlicher Verzögerung auf (z.B. gesundheitliche Schäden), so dass sie kaum eine verhaltenssteuernde Wirkung haben. Daher ist es notwendig, die kurzfristig positiven Verstärker zu verändern bzw. negative Konsequenzen herbeizuführen.
Interventionen mit Hilfe aversiver Ereignisse finden darüber hinaus Anwendung bei selbstschädigendem Verhalten (z.B. Kopf gegen Mauer schlagen), wenn andere Therapiemöglichkeiten versagt haben.
Positive Verstärkung
Wenn erwünschtes bzw. normales Verhalten zu selten auftritt oder völlig fehlt (z.B. Autismus, fehlende Mitarbeit im Unterricht, Hygieneverhalten in der Psychiatrie), dann ist positive Verstärkung die beste Methode. Dabei gibt es wiederum eine Reihe von Möglichkeiten, wie die Verstärkung durchgeführt wird (z.B. "Münzökonomie", s.u.).
Shaping
Ein 3-jähriger Junge mit der Diagnose Autismus zeigte kein normales soziales und verbales Verhalten, vielmehr waren unkontrollierte Wutanfälle und selbstschädigendes Verhalten zu beobachten. Der Junge war durch Einsicht nicht erreichbar. Nach einer Augenoperation wegen grauem Star weigerte er sich, eine Brille aufzusetzen, obwohl dieses unbedingt notwendig war, damit sich das Sehen normal entwickeln konnte.
Zuerst wurde ein sekundärer Verstärker gelernt: auf ein Klicken hin erhielt das Kind einen primären Verstärker (Süßigkeit oder Obst) - nach kurzer Zeit war das Klicken selbst zum konditionierten sekundären Verstärker geworden. Dann begann das eigentliche Training: das Kind wurde zunächst für das Aufnehmen des Brillengestelles (noch ohne Gläser) durch den Klickton verstärkt, dann für das Halten, schließlich für das Umhertragen. Sukzessive wurde dann auch das Heranbewegen des Gestelles an die Augen verstärkt, bis der Junge schließlich das leere Brillengestell aufzusetzen bereit war. Zu Beginn setzte das Kind das Brillengestell in seltsamen Positionen auf den Kopf. Bis zum korrekten Tragen der Brille war es dann nur noch ein kurzer Schritt - als Ergebnis trug das Kind die Brille schließlich bis zu 12 Stunden am Tag (nach Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 227).
Tokensysteme (token economy, Münzökonomie)
Tokensysteme beruhen auf dem Prinzip der intermittierenden Verstärkung. Ein Problem bei der Umsetzung von Verstärkungsplänen in die Praxis besteht darin, dass nicht immer und in allen Situationen willkürlich über wirksame Verstärker verfügt werden kann. Eine Lösung des Problems besteht darin, sog. "tokens" (Chips, Spielmarken) zu verwenden, die gegen die eigentlichen Verstärker eingetauscht werden können. Whitlock (1966) berichtet z.B. von dem Fall eines Jungen, der Probleme beim Lesenlernen hatte. Im Rahmen eines Förderkurses bekam er für jede richtige Reaktion eine Spielmarke. Sobald er 36 Marken gesammelt hatte, konnte er dafür bestimmte Verstärker einhandeln (z.B. Vorlesen einer Geschichte, Kinobesuch). Zu Beginn des Programms wurde jede richtige Reaktion (d.h. jedes korrekt gelesene Wort) verstärkt. Im Laufe der Zeit wurde die Verstärkungshäufigkeit reduziert (eine Spielmarke pro zwei Wörter, pro vier Wörter, pro gelesener Seite, pro Geschichte und schließlich pro vier Geschichten), bis schließlich am Ende (nach 15 Stunden Förderkurs) die Verstärkung gänzlich ausgeblendet wurde. Die Leseleistung des Kindes konnte durch das Tokenprogramm wesentlich verbessert werden. Diese Verbesserung erwies sich darüber hinaus als zeitlich stabil und ging auch mit einer positiven Einstellungsänderung einher.
Ein wesentlicher Aspekt der Wirksamkeit eines Tokensystems besteht im Übergang von kontinuierlicher zu intermittierender Verstärkung. Zum einen ist kontinuierliche Verstärkung außerhalb eines psychologischen Labors kaum möglich. Zum anderen führt die intermittierende Verstärkung zu größerer Persistenz des Verhaltens.
Tokensysteme wurden mit großem Erfolg auch in psychiatrischen Anstalten eingesetzt. Dort wurde meist versucht, z.B. Hygieneverhalten, Pünktlichkeit oder ähnliches zu verstärken, aber auch direkt therapeutische Wirkungen zu erzielen (z.B. Belohnung für nicht-wahnhafte Äußerungen oder aktives Kontaktverhalten; als Verstärker wurden verwendet: besonderes Essen, verlängerte Fernsehzeit, Einzelzimmer, Gespräch mit Psychologen).
Kontingenzmanagement
Eine weitere Variante eines Verstärkungsplans wird als Kontingenzmanagement bezeichnet. Hier werden keine Spielmarken verwendet und keine intermittierende Verstärkung, sondern es wird festgelegt, auf welch genau definiertes Verhalten hin eine ebenfalls genau definierte Verstärkung erfolgt. Zwischen Reaktion und Verstärkung muß eine eindeutige, explizite Beziehung bestehen, d.h. für die verstärkte Person muß ohne jeden Zweifel klar sein, dass eine bestimmte Verhaltensweise für das Auftreten der Verstärkung verantwortlich ist. Ein typisches Beispiel wäre der Fall eines Schülers, der mit seinen Eltern vereinbart hat, das er nur dann, wenn er seine Hausaufgaben erledigt hat, mit seinen Freunden spielen darf.
Für die Anwendung im Unterricht hat es sich dabei als besonders zielführend erwiesen, Kontingenzverträge abzuschließen. Für die Durchführung solcher Maßnahmen wurden detaillierte Regeln entwickelt. Ein Kontingenzvertrag zwischen einer Schülerin und ihren Eltern kann z.B. vorsehen, dass pro Stunde, die sich die Schülerin mit Mathematikaufgaben beschäftigt, eine Belohnung erfolgt. Wichtig bei einem solchen Vertrag ist u.a., dass die Belohnung der investierten Anstrengung angemessen ist.
Premack-Prinzip: Dieses Prinzip besagt, dass Verhaltensweisen mit hoher Auftretenshäufigkeit als Verstärker für Verhaltensweisen mit niedriger Auftretenshäufigkeit verwendet werden können. Diese Möglichkeit erhöht die Anwendbarkeit der Prinzipien des operanten Konditionierens im Alltag. So ist z.B. das Verhalten "Auf den Spielplatz gehen" (hohe Präferenz zum Zeitpunkt X) als Verstärker geeignet für "Hausaufgaben machen" (niedrige Präferenz zum Zeitpunkt X).
Ein Lehrer, der zu seiner Klasse sagt: "Tobt euch meinetwegen zuerst einmal aus, danach konzentrieren wir uns auf Mathematik" handelt gegen dieses Prinzip, denn mit Austoben hätte er einen wirksamen Verstärker für das Lösen der Mathematikaufgaben gehabt.
Als Verstärker werden Aktivitäten genutzt, die Kinder oder Schüler ohnehin ausführen würden. Das Premack-Prinzip eröffnet dem Lehrer nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, um Aktivitäten zur Stärkung wünschenswerter Verhaltensweisen im Klassenzimmer zu benutzen. Dies wird jedoch häufig nicht erkannt.
Siehe auchEin Tokensystem mit Gummibärchen für den ultimativen Lernerfolg ...
Token als Familienwährung
Unter dem Titel "Fernsehstunden kaufen! Der Tina Taler ist die neue Familienwährung" schreibt Claudia Riedler in den OBerösterreichischen Nachrichten:
Die Idee der neuen Familienwährung stammt von Katrin und Tomas Grimm aus Deutschland. Sie waren die Streitereien mit ihrem fünfjährigen Sohn leid und suchten nach einem Weg, den Fernsehkonsum in Grenzen zu halten. Am Anfang der Woche erhält das Kind eine feste Anzahl von Fernsehtalern. Diese können jeweils gegen das Anschauen einer Fernsehsendung getauscht werden. "Damit wird ein selbstbestimmer Umgang mit den Konsumwünschen gefördert", sagt Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge. Grimm empfiehlt: "Unser mittlerweile Sechsjähriger bekommt zehn Fernsehtaler für die Woche von Montag bis Freitag." Was beim Fernsehen funktioniert, lässt sich genauso gut auch für das Naschen, Computer spielen oder ganz allgemein für Wünsche anwenden. So ist im Laufe der Zeit der Tina Taler entstanden, benannt nach dem Mädchen, das auf den bunten Plastik-Geldstücken abgebildet ist. "Damit stellen wir den Familien ein praktisches und kindgerechtes Erziehungs-Hilfsmittel zur Verfügung", sagt der Erfinder. Je nach Entwicklung der Kinder eignen sich die Taler für Vier- bis Elfjährige.
Quelle:
Oberösterreichische Nachrichten vom 07.11.2005
Abbau unerwünschten Verhaltens in der Praxis
In der erzieherischen Praxis steht man oft vor dem Problem, ein bestimmtes Verhalten abschwächen zu wollen (z.B. Aggression, Unterrichtsstörung). Bei solchen Problemverhaltensweisen ist zu beachten, dass diese durch bestimmte Verstärker aufrechterhalten werden. So kann beispielsweise das aggressive Verhalten eines Kindes durch die Aufmerksamkeitszuwendung seitens der Erzieher verstärkt werden.
Wenn Kinder manchmal grundlos aggressiv reagieren, müssen Eltern Regeln aufstellen, die in solchen Fällen zur Anwendung kommen, denn Kindern müssen in der Erziehung Grenzen aufgezeigt werden. Aggressive Kinder müssen lernen, dass ihr Verhalten falsch ist und dass sie die natürlichen Konsequenzen ihrer Handlungen selbst tragen müssen. So sollte ein Kind, der beispielsweise einen Gegenstand beschädigt hat, den Schaden selbst beheben müssen. Ein Kind, das in einem Spiel mit anderen einen Wutanfall bekommt, sollte aus diesem Spiel zunächst ausgeschlossen werden. Die Konsequenz muss dabei nach den Regeln der Lernpsychologie möglichst schnell erfolgen und die Eltern müssen die Sanktionen regelmäßig durchsetzen. Das ist oft einfacher, wenn dem Kind oder Jugendlichen ohne große Diskussion erklärt wird, warum sein Verhalten falsch war. Wichtig ist es jedoch, dass Lob ausgesprochen wird, wenn sich das Kind oder der Jugendliche an die Regeln gehalten hat oder von sich aus in einer kritischen Situation besonnen reagiert hat. Eine positive Zuwendung in einer solchen Situation fördert das gelobte Verhalten, während Vorwürfe und Ermahnungen eher zu dem Benehmen provozieren, das man verhindern möchte. Eine sehr wirksame Reaktion auf Aggressivität ist häufig Gelassenheit, denn ärgerlich und gereizt zu reagieren, führt meist zu einer Eskalation, aus der beide nur mehr sehr schwer herauskommen können. Dem Paradigma der operanten Konditionierung folgend ist daher eine massive Abschwächung in Form von Nichtbeachtung dieser aggressiven Verhaltensweisen (Löschung) die angemessene Strategie, um deren Auftreten zu verringern. In der Praxis stellt sich dies jedoch manchmal als äußerst schwierig dar, denn gerade bei aggressivem Verhalten ergibt sich für den Erzieher früher oder später doch die Notwendigkeit, zu intervenieren. Dieser Eingriff stellt jedoch wiederum eine Aufmerksamkeitszuwendung dar, und da sie nur sporadisch erfolgt, wirkt sie in diesem Fall als intermittierende Verstärkung. Damit wird das Gegenteil der ursprünglichen Absicht erreicht: das aggressive Verhalten wird nicht abgeschwächt sondern eher noch weiter bekräftigt.
Entgegenwirken kann man diesem Effekt durch die Vermeidung eines inkonsequenten Erzieherverhaltens, d.h. Nichtbeachtung oder Bestrafung müssen konsequent angewendet werden. Sehr wichtig ist darüber hinaus, parallel zur Abschwächung des Problemverhaltens das Entstehen neuer, erwünschter Verhaltensformen (wie prosoziales Verhalten) durch kontinuierliche Verstärkung zu fördern. Für das Problemverhalten muß also ein Alternativverhalten angeboten werden.
Bestrafung I
Bestrafung sollte nur eingesetzt werden, wenn es unbedingt notwendig ist, z.B. bei gefährlichem oder sehr schädlichem Verhalten. Dabei ist zu beachten, dass Bestrafung nur wirksam ist, wenn sie richtig eingesetzt wird (kontingent, ohne Fluchtmöglichkeit, konsequent, intensiv/deutlich, positive Alternative erkennbar, Verstärkung der bestraften Reaktion verhindern). Konsequentes Verhalten ist dabei besonders wichtig, da seltene Verstärkungen zu besonders resistentem Verhalten führen.
Beim Einsatz von Bestrafung in der Schule (hier ist vornehmlich an nicht-körperliche Bestrafung zu denken) ist zu beachten, dass die Gefahr besteht, dass der Lehrer aversive Stimulusqualitäten annimmt (der Schüler kann z.B. Hassgefühle gegenüber dem Lehrer entwickeln, und dann ist der entstandene Schaden größer als der Gewinn durch die Unterdrückung eines bestimmten Verhaltens).
Bestrafung II
Es gilt generell, dass der zweite Typ der Bestrafung vorzuziehen ist, da weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind als bei der Bestrafung von Typ 1. Es gibt zwei Möglichkeiten der Bestrafung II:
Time-out: Der Betreffende wird aus einer angenehmen Situation ausgeschlossen. Z.B. lässt man einen Schüler nicht mehr weiter an einem Spiel mitmachen, man lässt ihn einen bereits versprochenen Film nicht ansehen oder lässt ihn nicht an einer Sportveranstaltung teilnehmen.
Folgekosten erhöhen: der Betreffende muß bereits verabreichte Verstärker wieder zurückgeben; z.B. Zurückzahlen von Taschengeld.
Beide Möglichkeiten setzen voraus, dass in der Vergangenheit eine Verstärkung erfolgt ist.
Siehe dazu auch
Programmierter Unterricht
Das Scheitern des Programmierten Unterrichts
Fehlkonditionierung in der Erziehung - der falsche Einsatz von Strafe
Einer der klassischen Erziehungsfehler ist die Androhung von Strafe, die aber nie ausgeführt wird. Bloße Drohungen wirken nach den Lerngesetzen nur für kurze Zeit. Wenn keine Taten folgen, lernen Kinder, dass ihre Eltern bloße Verbaltiger sind. Genauso problematisch ist das inkonsequente Strafen. Kinder können dann nicht einschätzen, was sie von den Eltern erwarten können. Auch müssen Strafen von beiden Elternteilen in gleicher Weise über die familiäre Bühne gehen. Die häufigsten Erziehungsfehler der basieren letztlich auf Basis der klassischen bzw. operanten Konditionierung, also durch Wiederholung und Verstärkung.
Unbedachte Belohnung
Vor allem bei Kleinkindern geben viele Eltern Süßigkeiten oder Spielzeug zur Ablenkung im Falle von Fehlverhalten. Damit wird unerwünschtes Verhalten nicht gedämpft sondern verstärkt. Hier handelt es sich um eine unbedacht gegebene Belohnung. Aber auch Schimpfen, lange Diskussionen oder Gardinenpredigten können ebenfalls als positive Verhaltensfolge, also als Belohnung empfunden werden.
Handlungen oder Kommentare in Erregung
Handlungen oder Äußerungen, die in emotionalen Ausnahmezuständen erfolgen, in Wut oder Ärger, sind wenig geeignete Erziehungsmittel. Vor allem demütigende und globalisierende Äußerungen: "Du bist einfach dumm!" Dadurch werden Fehler des Kindes von diesem nicht auf ein konkretes Teilverhalten bezogen, sondern auf die ganze Persönlichkeit des Kindes.
Ignorieren erwünschten Verhaltens
So gut wie alle Eltern ignorieren zu oft erwünschtes Verhalten, d.h., dass sie das, was gut funktioniert, nicht loben oder positiv kommentieren. Kinder wollen wissen, ob ihr Verhalten richtig oder erwünscht ist. Also: loben Sie Ihr Kind auch bei Kleinigkeiten, wenn es sich freundlich verhält, wenn das Zimmer aufgeräumt ist, wenn es pünktlich ist, wenn es sich mit dem Geschwister gut verträgt. Wenn erwünschtes Verhalten ignoriert wird, lernt das Kind, dass es mit unerwünschtem Verhalten wie Radau und Randale eher Aufmerksamkeit erreicht als mit erwünschtem Verhalten.
Die Aufschaukelfalle
Das Kind möchte Süßigkeiten, ein bestimmtes Spiel spielen oder Fernsehen und äußert den entsprechenden Wunsch. Es sprechen aus Elternsicht gute und auch für Kinder einsehbare Gründe gegen die Realisierung des Wunsches. Sie sagen ohne viel zu argumentieren:"Nein!" Nun wiederholt das Kind seinen Wunsch. "Ich möchte aber doch." Nach einiger Zeit gibt die Mutter nach. Das Kind hat für die Zukunft gelernt, dass ein Nein nicht ernst zu nehmen ist.
Falsche Anweisungen
Geben Sie keine Anweisungen, die ein Kind nicht befolgen kann. Geben Sie klare Anweisungen, aber überfordern Sie das Kind nicht. Gerade wenn es um Verhaltensänderung geht, muß das, was man von einem Kind fordert, sorgfältig "dosiert" und genau beschrieben werden. Das Kind lernt dann nämlich Hilflosigkeit.
http://www.elternschule.neumuenster.de/erziehungsfehlerfalle.htm (02-10-11)
Siehe auch:
Operante Konditionierung bei Skinner
Microteaching
Teilweise am lerntheoretischen Konzept des Verstärkungslernens orientiert sich auch das Microteaching, das für die Lehreraus- und -fortbildung entwickelt wurde. Es stützt sich ursprünglich explizit auf behavioristische Lerntheorien und zielt ausdrücklich auf den Erwerb beruflich relevanter Fähigkeiten (skills) ab.
Nach den Prinzipien Modelllernen, Lernen in kleinen Schritten und Verstärkungslernen soll angemessenes Lehrerverhalten systematisch eingeübt werden. Komplexe unterrichtliche Handlungsstrategien werden in möglichst einfache Fertigkeiten zerlegt. Der Lernprozeß folgt dann immer dem gleichen Muster: Der jeweilige skill wird zunächst durch ein reales, auf Video aufgezeichnetes und/oder symbolisches Modell (schriftliche Beschreibung) präsentiert. Dann führt ihn der übende Teilnehmer in einer reduzierten (weniger Schüler, kürzere Zeitspanne), einer echten (wirkliche Schüler) oder einer simulierten (Mitstudierende, Kollegen als "Schüler") Unterrichtssituation durch. Die Übungssituation wird auf Video aufgezeichnet und anschließend vorgeführt. Dies ermöglicht unmittelbare Selbst- oder Fremdverstärkung, wenn der infrage stehende skill angemessen realisiert wurde.
Die Teilnehmer können, wenn nötig, die Übungssituation (und das anschließende Video-Feedback) wiederholen. Sie sollen so lange üben, bis sie den jeweiligen Skill gut beherrschen. Eine komplexe Handlungsstrategie wird aufgebaut, indem die zur Strategie gehörenden einzelnen skills schrittweise nacheinander eingeübt werden.
Zwar liegt bei dieser Trainingsform das Schwergewicht eindeutig auf der Beeinflussung und Veränderung beobachtbaren Verhaltens, innere Verarbeitungsprozesse werden jedoch insofern beeinflußt, als zur schriftlichen Darstellung der skills nicht nur eine Verhaltensbeschreibung, sondern auch Ausführungen über deren Stellenwert innerhalb einer komplexen Handlungsstrategie und ihre Bedeutung für den Unterricht gehören.
Quelle: Voß, B. (1987). Individualisierung des Lehrerverhaltenstrainings unter Berücksichtigung differentieller Aspekte. Frankfurt.
Weitere Quellen
https://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/experimentbspconditioning.html (01-01-22)
http://www.uni-bielefeld.de/idm/personen/shorsman/lerntheorie.html (01-01-22)
http://www.psychologie.uni-bielefeld.de/ae/AE12/LEHRE/Lernen.htm (01-01-22)
Edelmann, W. (1995). Lernpsychologie. Weinheim: Psychologie-Verlags-Union.
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