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Die Hypothese der somatischen Marker

Literatur:
Damasio, Antonio R. (1997). Descartes' Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. München: List.
Damasio, Antonio R. (2000). Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins. München: List.
Der Text entstand unter Verwendung von
http://home.t-online.de/home/Bertram.Koehler/
Rahmen/Denken.htm (03-05-02)
Die Erlaubnis des Autors liegt vor.
Der Franzose René Descartes (1596 bis 1650) hat mit seiner Unterscheidung einer denkenden und einer ausgedehnten Substanz die bekannteste Formulierung des Geist-Körper-Dualismus geliefert und ist einer der meistzitierten Philosophen in der Dekade des Gehirns. Sein Irrtum bestand darin, den Geist vom Körper abgrundtief zu trennen, anzunehmen, das Denken vollziehe sich losgelöst vom Körper und sei das eigentliche Substrat des Selbst. Damasio (1997) stellt dem cartesischen Dualismus drei Thesen entgegen:

Im Zentrum seiner Theorie steht die Hypothese der somatischen Marker. Im Stirnlappen des Gehirns seien drei Fähigkeiten lokalisiert: zielorientiertes Denken, Entscheidungsfindung und Körperwahrnehmung. Letztere, eine Art Momentaufnahme dessen, was im Körper vor sich geht, ist der Hintergrund aller geistigen Operationen. Je nachdem, wie der Körper auf äußere Wahrnehmungen reagiert, das heißt, seinen Zustand verändert, verändert sich auch die Körperwahrnehmung. Sie begleitet unsere Vorstellungsbilder, neue wie erinnerte, und markiert sie als angenehm oder unangenehm. Diese Fähigkeit, Körperwahrnehmungen - Damasio nennt sie "somatische Marker" - mit Wahrnehmungen zu verknüpfen, ist uns teils angeboren, teils entwickelt sie sich im Zuge der Sozialisation des Individuums. Die somatischen Marker sind nach Damasio die Grundlage unserer Entscheidungen. Sie helfen uns beim Denken, indem sie Vorentscheidungen treffen und uns, ohne dass es uns bewusst würde, in eine bestimmte Richtung drängen, vor Dingen warnen, mit denen wir schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben, oder die Aufmerksamkeit auf etwas Wichtiges lenken. Auf diesem Weg beeinflussen sie eben auch das abstrakte Räsonieren, das wir als gefühlsneutral erleben.

< Evolutionsgeschichtlich war der Körper zuerst da, danach entwickelten sich die einfacheren Fähigkeiten des Gehirns wie die Wahrnehmung des Körperzustands, zuletzt die komplexeren wie abstraktes Denken und Selbstbewusstsein. Dies schlägt sich in unserem Denken noch heute nieder. Die jüngeren Fähigkeiten haben zwar eine gewisse Selbständigkeit erlangt, sind aber durchdrungen von den evolutionär früheren Strukturen, welche die biologischen Überlebensinteressen des Organismus vertreten.

Zweck des Denkens ist im Allgemeinen das Finden einer Entscheidung über verschiedene Handlungsmöglichkeiten, die die Zukunft beeinflussen können. Voraussetzung für Denken und Entscheiden ist, dass der Entscheidende Wissen besitzt

Und verfügt

Eine rationale Entscheidung erfordert die Kosten-Nutzen-Analyse aller Handlungsmöglichkeiten und ihrer Verzweigungen und erfordert meistens mehr Zeit, als in der betreffenden Situation zur Verfügung steht. Deshalb werden normalerweise keine rationalen Entscheidungen getroffen, sondern zur Beschleunigung des Verfahrens beurteilt der Entscheidende die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten gefühlsmäßig, indem er Assoziationen der vorhandenen Handlungsmöglichen mit den in seinen Vorstellungsbildern abrufbaren Möglichkeiten herstellt und sich auf die mit letzteren verbundenen guten oder schlechten Empfindungen verlässt. Unmittelbar negative Auswirkungen können durch Willenskraft unterdrückt und die Aufmerksamkeit auf langfristig eintretende positive Wirkungen gelenkt werden. Biologie und Kultur bestimmen dann das Endergebnis solcher Entscheidungen, wobei die Kultur langfristig und altruistisch positive Entscheidungen bevorzugt.

Die Gewichte für solche Entscheidungen (somatische Marker) und entstehen im präfrontalen Cortex, in dem auch Signale von allen Sinnesorganen und Körperteilen einlaufen, Vorstellungsbilder aktiviert und sekundäre Gefühle erzeugt werden. Somatische Marker können Entscheidungen bewusst oder unbewusst beeinflussen, bei Tieren geschieht das unbewusst Das Wirken somatischer Marker im Unbewussten bezeichnet man auch als Intuition. Durch diese werden negative Assoziationen bereits im Unterbewussten eliminiert und die Denkprozesse auf erfolgreiche Pfade konzentriert.

Evolutionär gesehen, ist der älteste Entscheidungsapparat für die fundamentale biologische Regulation zuständig, dann kommt der Apparat für den persönlichen und sozialen Bereich hinzu und die jüngste Errungenschaft sorgt für eine Reihe abstrakt-symbolischer Operationen, zu denen das künstlerische und wissenschaftliche Denken, das utilitaristisch-technische Denken und die Entwicklung von Sprache und Mathematik gehören. In den zuletzt entstandenen Apparaten wird jedoch auf die Anwendung der früher entwickelten Prinzipien zurückgegriffen.

Entscheidungsfindung ist um so schneller und einfacher möglich, je besser das zugrundeliegende Wissen kategorisiert und klassifiziert sowie durch Marker bewertet vorliegt. Die Wissenspräsentation erfordert die Konzentration der Aufmerksamkeit, um die wesentlichen Vorstellungsbilder unter weitgehendem Ausschluss unwesentlicher im Arbeitsgedächtnis zu halten bzw. eine Zeitlang immer wieder aufs Neue zu präsentieren. Auch für diesen Prozess sind die somatischen Marker hilfreich. Salzman & Newsome (1994) fanden, dass eine Veränderung im Gleichgewicht der Signale zugunsten einer Neuronenpopulation, die einen bestimmten Inhalt repräsentiert, zu einer Entscheidung für diesen Inhalt führte - ein Vorgang, dem offenbar ein "Alles-oder-nichts" - Mechanismus zugrunde liegt. Somatische Marker übernehmen dabei die Rolle von Kriterien, indem verschiedene Inhalte automatisch verschiedene Grade von Aufmerksamkeit erhalten, wobei das Zentrum der bewussten Verarbeitung nach einer "vorgegebenen" Rangfolge von Element zu Element wandern, wobei diese Elemente über einen Zeitraum von einigen hundert bis tausend Millisekunden in relativ stabiler Form im Arbeitsgedächtnis repräsentiert bleiben.

Kategorisierung und Klassifizierung des Wissens erfordert wie auch die Bildung von Sätzen aus Worten die Herstellung einer Ordnung mit Hilfe von Wertungen, die möglicherweise ebenfalls unter Mitwirkung somatischer Marker erzeugt werden.

Die emotionale Beeinflussung von Körperfunktionen durch Signale aus dem Gehirn kann zuverlässig über eine Messung der Hautleitfähigkeit gemessen werden. Diese Beeinflussung erfolgt unbewusst, bei normalen Menschen kann sie sowohl durch direkte Sinnesreize als auch durch die Erzeugung von Vorstellungsbildern ausgelöst werden. Bei präfrontalen Hirnschäden werden zwar direkte Reaktionen ausgelöst, jedoch können Vorstellungsbilder keine Reaktionen auslösen. Diese Tatsache ist den betreffenden Personen sogar bewusst Gezielte Versuche beweisen, dass solche Menschen zwar einwandfrei logisch denken können, aber daraus keine Zukunftsvorstellungen entwickeln und vorausschauende Handlungsentscheidungen treffen können. Ihre Entscheidungen bleiben immer "kurzsichtig". Sie können aus ihren momentanen Überlegungen keine Wertungen ableiten, die zeitlich längeren Bestand haben und akkumuliert werden können, mit anderen Worten: sie können keine somatischen Marker für diese Situationen und Handlungen bilden.

Antonio R. Damasio ist klinischer Neurologe, Direktor des Department of Neurology der University of Iowa. Zusammen mit seiner Frau Hanna hat er das weltgrößte Archiv für Störungen im Denken, Fühlen und Handeln aufgebaut, um daraus Einsichten in die Arbeitsweise des menschlichen Geistes zu gewinnen. Damasio beschreibt Emotionen, Gefühle, Bewusstsein und die Entstehung eines Selbst auf der phänomenalen Ebene des subjektiven Erlebens und des beobachtbaren Verhaltens zusammen mit den neurobiologischen, neuroanatomischen und neurophysiologischen Korrelaten. Er stützt sich dabei vor allem auf seine enorme klinische Erfahrung mit neurologischen Patienten, wobei er die beobachteten psychischen Ausfälle mit den festgestellten Hirnschäden (Läsionen) korreliert, die insbesondere mit dreidimensionalen bildgebenden Verfahren wie Kernspintomographie diagnostiziert werden. Neurologische Erkrankungen stellen beobachtbare tragische Experimente der Natur dar, die gegenüber ethisch kaum vertretbaren Tierversuchen auch noch den Vorteil haben, dass mit Menschen eine sprachliche Kommunikation möglich ist, menschliches Verhalten leichter interpretierbar ist und dabei auch spezifisch menschliche geistig-seelische Phänomene untersucht werden können. Damasio beruft sich auf Charles Darwin, William James und Sigmund Freud, die sich ausführlich mit verschiedenen Aspekten der Emotionen beschäftigt haben, wobei man aber Darwins Werk über Emotionen aus den Augen verlor, die Vorstellungen von James unfair angegriffen und rundweg abgelehnt hat. Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts erschienen Emotionen zu subjektiv und vage und der als vornehmste menschliche Eigenschaft erachteten Vernunft so entgegengesetzt, dass ihre Erforschung vernachlässigt wurde. Damasio zitiert den amerikanischen Psychologen und Philosophen William James: "Wenn wir uns eine starke Emotion vorstellen und dann versuchen, in unserem Bewusstsein jegliches Gefühl für seine Körpersymptome zu eliminieren, stellen wir fest, dass wir nichts zurückbehalten, keinen "Seelenstoff", aus dem sich die Emotion zusammensetzen ließe, und dass ein kalter und neutraler Zustand intellektueller Wahrnehmung alles ist, was übrigbleibt." Siehe dazu Gehorcht auch die Gehirnentwicklung der Darwinschen Selektion? Damasio schreibt, dass William James mit dieser vor etwa einem Jahrhundert vorgelegten wahrhaft verblüffenden Hypothese über das Wesen von Emotionen und Gefühlen seiner und unserer Zeit weit voraus war und den Mechanismus erfasst hat, der entscheidend für das Verständnis von Emotionen und Gefühlen ist. Nach Damasio sind Emotionen (emotions) komplizierte Kombinationen von chemischen und neuralen Reaktionen des Gehirns, die eine regulatorische Rolle spielen mit dem ursprünglichen biologischen Zweck, günstige Umstände für das Überleben des Organismus zu schaffen. Emotionen benutzen den Körper (Eingeweide, Muskel-Skelett-System) als ihr Theater, haben aber auch einen Einfluss auf diverse Gehirnfunktionen. Emotionen beruhen auf angeborenen Gehirnfunktionen, die einer langen evolutionären Entwicklung entstammen. Individuelle Lernprozesse und kulturelle Einflüsse verändern jedoch die Emotionen hinsichtlich ihrer Auslöser und ihres Ausdrucks. Von diesen emotionalen Veränderungen des Körpers und der Gehirnfunktionen entstehen im Gehirn wiederum Repräsentationen, die im Bewusstsein wahrgenommen werden können. Für diese Repräsentationen der emotionalen Veränderungen reserviert Damasio den Begriff Gefühle (feelings). Quellen: Pohl, Wolf (2001). Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Eine Rezension. Aufklärung und Kritik, Heft 1.

Damasio erklärt, dass Erinnerungen an Ereignisse und damit verbundene Gefühle das Denken bestimmen. Auf diese Art und Weise ist es uns auch möglich, Entscheidungen zu fällen, die also nicht auf einem "kühlen Kopf" beruhen, sondern das Gehirn ganz wesentlich auf körperliche Reaktionen und die Rückkopplung von körperlichen Zuständen angewiesen ist. Zuständig für solche körperlichen Signale sind nach Damasio bestimmte Konvergenzzonen im Gehirn. Dort werden körperliche, emotionale und geistige Eindrücke verknüpft und gespeichert. Diese Zonen können dann reaktiviert werden, das heißt, der Körper erstellt das gespeicherte Gesamtbild  mit der ganzen "körperlichen Landkarte" ( Blutdruck, Pulsgeschwindigkeit...) erneut und nutzt diese Erfahrungen für seine Entscheidungen. Bei Elliot und auch bei anderen Patienten sind also genau diese Zonen im Gehirn zerstört und somit keine Emotionen mehr für das Gehirn wahrnehmbar. Fazit aus diesen Untersuchungen ist also, dass das Denken und damit verbundene Entscheidungen auf die Verbindung zwischen Körper und Geist beruhen, und diese Fähigkeit in einem bestimmten Bereich im Gehirn verankert ist.

Durch primäre Gefühle ausgelöste Körperbewegungen können normal ausgeführt werden, wenn die gleichen Bewegungen infolge Hirnschäden nicht willkürlich ausgeführt werden können. Weiterhin können manche durch Gefühle ausgelöste Muskelbewegungen normalerweise nicht willkürlich erzeugt werden. Bei Schädigung der Amygdala oder des cingulären Cortex sind dagegen weder primäre noch sekundäre Gefühle vorhanden.

Die Empfindung eines sekundären Gefühls beruht auf der Rückmeldung von chemischen und Nervensignalen aus dem Körper in das Gehirn und ist nur möglich, wenn die auslösenden Vorstellungsbilder im Gehirn nebeneinander mit den somatosensiblen Bildern bestehen und das Selbst diese Bilder zusammendenkt. Primäre Gefühle können deshalb erst im Nachhinein empfunden werden. Wenn gerade keine besonderen Gefühle empfunden werden, empfängt das Gehirn ständig körperliche Signale, welche die Grundlage seines Selbstbewusstseins bilden, ihm aber nicht ständig bewusst sind. Grundlage des Selbstbewusstseins ist das Hintergrundempfinden des eigenen Körpers.

Im Denkprozess verknüpft das Gehirn Vorstellungsbilder und Ereignisse mit den parallel vorhandenen Empfindungen des Körperzustandes und bewertet und beeinflusst somit die Ergebnisse des Denkens. Euphorische Empfindungen beschleunigen die Denkprozesse und fördern die Kreativität. Manisch-depressive Zustände hemmen die Denkprozesse, verringern die Anzahl der Assoziationen, fördern die Konzentration auf immer die gleichen Vorstellungen und die Fortdauer der negativen emotionalen Reaktionen.   

Weitere Literatur

Markowitsch Hans .J. (1997). Varieties of memory: Systems, structures, mechanisms of disturbance. Neurol Psychiatr Brain Sci, 5, 37-56.
Markowitsch, Hans .J. (1998). Gedächtnisstörungen. Stuttgart: Kohlhammer.
Salzman, C. D. & Newsome, W. T. (1994). Neural mechanisms for forming a perceptual decision. Science 264, S. 231-237.

Elliot ist einer von vielen Patienten, deren Krankengeschichte von den Damasios beobachtet und in ihren Forschungen verwendet wird. Sein Gehirn war durch einen apfelsinengroßen Tumor zum Teil zerstört, nach der Gehirnoperation war er jedoch in guter körperlicher wie geistiger Verfassung. In durchgeführten psychologischen Tests erwies er sogar eine überdurchschnittliche Intelligenz und verfügte über ein gutes Gedächtnis, Wahrnehmungs- und Lernvermögen.

Deutlich wurde aber nach Elliots Krankheit, dass ihm seine Fähigkeiten, rationale Entscheidungen zu treffen, völlig abhanden gekommen war. Er konnte sich seine Arbeitszeit nicht mehr einteilen, ging zweifelhafte Geschäfte ein und verlor sein ganzes Vermögen. Schließlich trennte er sich von seiner Frau und seinen Kindern, ging noch eine kurze zweite Ehe ein und ließ sich letztendlich nur noch durchs Leben treiben. Er hatte offensichtlich einen direkten Bezug zu seinen Gefühlen verloren. Diese Tatsache zeigen auch Tests, bei denen Elliot Bilder mit erschütternden Inhalten gezeigt wurden, auf die er früher auch stark emotional reagiert hätte. Er war sich zwar über die schockierenden Inhalte der Bilder in Klaren, zeigte jedoch keine emotionale Regung.

"Elliot wusste, ohne zu fühlen!", sagt Antonio Damasio. Er zog aus den Untersuchungen des Patienten Elliots den Schluss, dass dieser seine Gefühle, oder die Wahrnehmung seiner Gefühle bei seiner Krankheit verloren hat. Er kann keine Verbindung mehr ziehen von seinen Gedanken und Taten zu seinen Gefühlen. So hat er mit seinen Emotionen auch seine Wertmaßstäbe verloren.

Nach eingehenden Untersuchungen Elliots, bei denen die Damasios zahlreiche Vergleiche mit anderen Patienten konstruierten, war es ihnen möglich, eine bestimmte Gehirnregion für die Herstellung der Verbindung von Emotionen, also Gefühlen und Denken ausfindig zu machen. Eben diese Gehirnregion war bei Elliot durch den Tumor zerstört. Fälle wie Elliot, so Damasio, zeigen deutlich, dass das Gehirn auf körperliche und emotionale Rückkopplung unbedingt angewiesen sei und man demnach auch nicht  körperliche und psychische Krankheiten trennen könne Die Wahrnehmung von Gefühlen beruht nach Damasio auf der Abstimmung des Gehirns mit den körperlichen Reaktionen. Das Gehirn "beobachtet", was der Körper aufgrund von neuronalen Prozessen tut und so ändert sich auch die Wahrnehmung des Gehirns. Tausende von diesen Kreisläufen konstruieren am Ende die sogenannte Realität.

Hypothese der somatischen Marker damasio descartes irrtumAntonio R. Damasio ist klinischer Neurologe, Direktor des Department of Neurology der University of Iowa. Zusammen mit seiner Frau Hanna hat er das weltgrößte Archiv für Störungen im Denken, Fühlen und Handeln aufgebaut, um daraus Einsichten in die Arbeitsweise des menschlichen Geistes zu gewinnen.

Damasio beschreibt Emotionen, Gefühle, Bewusstsein und die Entstehung eines Selbst auf der phänomenalen Ebene des subjektiven Erlebens und des beobachtbaren Verhaltens zusammen mit den neurobiologischen, neuroanatomischen und neurophysiologischen Korrelaten. Er stützt sich dabei vor allem auf seine enorme klinische Erfahrung mit neurologischen Patienten, wobei er die beobachteten psychischen Ausfälle mit den festgestellten Hirnschäden (Läsionen) korreliert, die insbesondere mit dreidimensionalen bildgebenden Verfahren wie Kernspintomographie diagnostiziert werden. Neurologische Erkrankungen stellen beobachtbare tragische Experimente der Natur dar, die gegenüber ethisch kaum vertretbaren Tierversuchen auch noch den Vorteil haben, dass mit Menschen eine sprachliche Kommunikation möglich ist, menschliches Verhalten leichter interpretierbar ist und dabei auch spezifisch menschliche geistig-seelische Phänomene untersucht werden können.

Damasio beruft sich auf Charles Darwin, William James und Sigmund Freud, die sich ausführlich mit verschiedenen Aspekten der Emotionen beschäftigt haben, wobei man aber Darwins Werk über Emotionen aus den Augen verlor, die Vorstellungen von James unfair angegriffen und rundweg abgelehnt hat. Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts erschienen Emotionen zu subjektiv und vage und der als vornehmste menschliche Eigenschaft erachteten Vernunft so entgegengesetzt, dass ihre Erforschung vernachlässigt wurde.

Damasio zitiert den amerikanischen Psychologen und Philosophen William James: "Wenn wir uns eine starke Emotion vorstellen und dann versuchen, in unserem Bewusstsein jegliches Gefühl für seine Körpersymptome zu eliminieren, stellen wir fest, dass wir nichts zurückbehalten, keinen "Seelenstoff", aus dem sich die Emotion zusammensetzen ließe, und dass ein kalter und neutraler Zustand intellektueller Wahrnehmung alles ist, was übrigbleibt." Siehe dazu Damasio Gehorcht auch die Gehirnentwicklung der Darwinschen Selektion?

Damasio schreibt, dass William James mit dieser vor etwa einem Jahrhundert vorgelegten wahrhaft verblüffenden Hypothese über das Wesen von Emotionen und Gefühlen seiner und unserer Zeit weit voraus war und den Mechanismus erfasst hat, der entscheidend für das Verständnis von Emotionen und Gefühlen ist.

Nach Damasio sind Emotionen (emotions) komplizierte Kombinationen von chemischen und neuralen Reaktionen des Gehirns, die eine regulatorische Rolle spielen mit dem ursprünglichen biologischen Zweck, günstige Umstände für das Überleben des Organismus zu schaffen. Emotionen benutzen den Körper (Eingeweide, Muskel-Skelett-System) als ihr Theater, haben aber auch einen Einfluss auf diverse Gehirnfunktionen. Emotionen beruhen auf angeborenen Gehirnfunktionen, die einer langen evolutionären Entwicklung entstammen. Individuelle Lernprozesse und kulturelle Einflüsse verändern jedoch die Emotionen hinsichtlich ihrer Auslöser und ihres Ausdrucks.

Von diesen emotionalen Veränderungen des Körpers und der Gehirnfunktionen entstehen im Gehirn wiederum Repräsentationen, die im Bewusstsein wahrgenommen werden können. Für diese Repräsentationen der emotionalen Veränderungen reserviert Damasio den Begriff Gefühle (feelings).

Quellen: Pohl, Wolf (2001). Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Eine Rezension. Aufklärung und Kritik, Heft 1.

Antonio R. Damasio ist klinischer Neurologe, Direktor des Department of Neurology der University of Iowa. Zusammen mit seiner Frau Hanna hat er das weltgrößte Archiv für Störungen im Denken, Fühlen und Handeln aufgebaut, um daraus Einsichten in die Arbeitsweise des menschlichen Geistes zu gewinnen. Damasio beschreibt Emotionen, Gefühle, Bewusstsein und die Entstehung eines Selbst auf der phänomenalen Ebene des subjektiven Erlebens und des beobachtbaren Verhaltens zusammen mit den neurobiologischen, neuroanatomischen und neurophysiologischen Korrelaten. Er stützt sich dabei vor allem auf seine enorme klinische Erfahrung mit neurologischen Patienten, wobei er die beobachteten psychischen Ausfälle mit den festgestellten Hirnschäden (Läsionen) korreliert, die insbesondere mit dreidimensionalen bildgebenden Verfahren wie Kernspintomographie diagnostiziert werden. Neurologische Erkrankungen stellen beobachtbare tragische Experimente der Natur dar, die gegenüber ethisch kaum vertretbaren Tierversuchen auch noch den Vorteil haben, dass mit Menschen eine sprachliche Kommunikation möglich ist, menschliches Verhalten leichter interpretierbar ist und dabei auch spezifisch menschliche geistig-seelische Phänomene untersucht werden können. Damasio beruft sich auf Charles Darwin, William James und Sigmund Freud, die sich ausführlich mit verschiedenen Aspekten der Emotionen beschäftigt haben, wobei man aber Darwins Werk über Emotionen aus den Augen verlor, die Vorstellungen von James unfair angegriffen und rundweg abgelehnt hat. Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts erschienen Emotionen zu subjektiv und vage und der als vornehmste menschliche Eigenschaft erachteten Vernunft so entgegengesetzt, dass ihre Erforschung vernachlässigt wurde. Damasio zitiert den amerikanischen Psychologen und Philosophen William James: "Wenn wir uns eine starke Emotion vorstellen und dann versuchen, in unserem Bewusstsein jegliches Gefühl für seine Körpersymptome zu eliminieren, stellen wir fest, dass wir nichts zurückbehalten, keinen "Seelenstoff", aus dem sich die Emotion zusammensetzen ließe, und dass ein kalter und neutraler Zustand intellektueller Wahrnehmung alles ist, was übrigbleibt." Siehe dazu Gehorcht auch die Gehirnentwicklung der Darwinschen Selektion? Damasio schreibt, dass William James mit dieser vor etwa einem Jahrhundert vorgelegten wahrhaft verblüffenden Hypothese über das Wesen von Emotionen und Gefühlen seiner und unserer Zeit weit voraus war und den Mechanismus erfasst hat, der entscheidend für das Verständnis von Emotionen und Gefühlen ist. Nach Damasio sind Emotionen (emotions) komplizierte Kombinationen von chemischen und neuralen Reaktionen des Gehirns, die eine regulatorische Rolle spielen mit dem ursprünglichen biologischen Zweck, günstige Umstände für das Überleben des Organismus zu schaffen. Emotionen benutzen den Körper (Eingeweide, Muskel-Skelett-System) als ihr Theater, haben aber auch einen Einfluss auf diverse Gehirnfunktionen. Emotionen beruhen auf angeborenen Gehirnfunktionen, die einer langen evolutionären Entwicklung entstammen. Individuelle Lernprozesse und kulturelle Einflüsse verändern jedoch die Emotionen hinsichtlich ihrer Auslöser und ihres Ausdrucks. Von diesen emotionalen Veränderungen des Körpers und der Gehirnfunktionen entstehen im Gehirn wiederum Repräsentationen, die im Bewusstsein wahrgenommen werden können. Für diese Repräsentationen der emotionalen Veränderungen reserviert Damasio den Begriff Gefühle (feelings). Quellen: Pohl, Wolf (2001). Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Eine Rezension. Aufklärung und Kritik, Heft 1.

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