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Rechte versus linke Gehirnhälfte?

Unzählige Selbsthilfebücher, Begabungstests, Gruppentrainings und sogar Smartphone-Apps basieren auf der Annahme, dass analytisch und logisch begabte Menschen ihre rechte Gehirnhälfte stärker benutzen, während Kreative und künstlerisch Talentierte eher mit der linken Seite arbeiten. Diese früher auch von manchen Experten vertretene Meinung, dass Menschen je nach Begabung die rechte oder linke Gehirnhälfte verstärkt benutzen, ist aber ein Mythos. Es konnte in Studien bis heute kein Beweis dafür gefunden werden, dass die Menschen in einer Gehirnhälfte bei bestimmten Entscheidungen mehr Aktivitäten zeigten als in der anderen, und es wurden auch keine Hinweise gefunden, dass bei kreativ oder analytisch begabten Menschen auf einer Gehirnseite mehr Neuronen vorhanden sind.

Technischen Methoden wie Elektroenzephalogramm (EEG) und Kernspintomographie bringen nämlich auch Probleme mit sich, denn je genauer geforscht wird, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass Wissenschaftler falsche Schlüsse ziehen. Die Phrenologen des 18. Jahrhunderts waren noch davon überzeugt, dass ein bestimmtes Areal im Gehirn für eine bestimmte Funktion verantwortlich und angeboren sei (Landkarten des Gehirns). Seit einigen Jahrzehnten geistert eine andere, ähnlich falsche Annahme durch die populäre Literatur: Anatomisch gesehen existieren zwar zwei Hirnhälften und diese weisen auch einige Unterschiede im Hinblick auf funktionelle Aspekte auf, d.h., einige Sprachzentren sind in der linken Hirnhälfte lokalisiert, was allerdings nicht bedeutet, dass diese nun der "Sitz menschlicher Ratio" wäre und die rechte der menschliche Gefühle. Was die Emotionen anbelangt, befindet sich das limbische System mitten im Gehirn, insofern ist in diesem Fall die Aufteilung – Emotion rechts, analytisches Denken links – so schon anatomisch nicht haltbar. Die Aufteilung von Emotion auf der einen und Ratio bzw. Vernunft auf der anderen Seite ist daher wissenschaftlich nicht tragfähig. Diese Rechts-links-Trennung erscheint aber Laien unter den AutorInnen eben so einfach, deshalb wird sie seit Jahrzehnten immer wieder hervorgeholt, jedoch die Hirnforschung ist längst weiter.

Die funktionelle Organisation des menschlichen Gehirns folgt speziellen Ordnungsprinzipien. So werden etwa taktile Sinneseindrücke, die über benachbarte Hautbereiche wahrgenommen werden, im entsprechenden Teil unseres Gehirns ebenfalls in benachbarten Repräsentationen verarbeitet. So entsteht im menschlichen Gehirn eine vollständige Abbildung des menschlichen Körpers, der bekannte Penfieldsche "Homunkulus". M.R. Longo et al. (University College London) berichten 2010 unter dem Titel "An implicit body representation underlying human position sense" in den Proceedings der National Academy of Sciences, dass Menschen von ihrem eigenen Körper ein völlig verzerrtes Bild haben. In dieser Untersuchung mussten die ProbandInnen ihre linke Hand unter ein Brett legen und dann die Position von Fingerspitzen oder Knöcheln markieren, wobei die Länge der geschätzten Hand dabei durchschnittlich ein Drittel kürzer war, die Breite wurde allerdings um zwei Drittel zu groß eingeschätzt.

Um die Lage des eigenen Körpers im Raum sogar mit geschlossenen Augen wahrnehmen zu können, verarbeitet das Gehirn verschiedene sensorische Reize, die über Muskeln oder Haut wahrgenommen werden, was eben nicht ausreicht, um die absolute Position zu bestimmen, denn dafür benötigt man Wissen über Größe und Form der einzelnen Körperteile sowie deren Verhältnis zueinander, denn kein Signal liefert dem Gehirn direkte Informationen über diese metrischen Eigenschaften der Gliedmaßen. Für diese Informationen besitzen Menschen aber ein gespeichertes Modell des Körpers, das etwa das dieses mentale Modell des Homunkulus widerspiegelt, der symbolisch alle Körperteile oder -regionen auf der Großhirnrinde anhand ihrer Empfindsamkeit nachzeichnet, wobei z.B. der Daumen einen bei weitem größeren Bereich als alle restlichen Finger einnimmt, weil er deutlich mehr sensorische Punkte besitzt. Zwar wissen Menschen, wie ihre Hand wirklich aussieht, allerdings wird dieses Wissen offenbar nicht bei der räumlichen Wahrnehmung verwendet. Das Gehirn vermittelt teilweise ein bis zu zwei Drittel breiteres Bild vom eigenen Körper und so den Eindruck, man sei zu dick, wobei dieses Phänomen mehr Frauen als Männer betrifft, sodass sich schlanke Frauen teilweise zu dick finden und so infolge von falscher Ernährung an Essstörungen leiden.

Siehe auch Aufbau des Gehirns & Funktionen des Gehirns

Entstanden unter Verwendung von http://www.martin-reiche.de/NeuroLab/somatotopTransparent.gif (01-02-09)

Wie man heute weiß, arbeiten aber an der Erkenntnis viele Zentren zusammen. So sind unzählige Sprachzentren, mehrere Dutzend Instanzen des Sehens bis hin zur Repräsentation des Körpers auf der Hirnoberfläche bekannt. Jede einzelne Hirnregion ist für sich genommen "blind", denn sie produziert lediglich eine feststehende Antwort. Erst nachdem sich verschiedene Regionen "kurzgeschlossen" haben, kommt das zustande, was man als Wahrnehmung von Realität bezeichnen kann. Es gibt etwa fünfzig visuelle Zentren, die alle auf eine Art unabhängig und autonom voneinander arbeiten. All diese Zentren sind mit der visuellen Welt beschäftigt, wie Farbe, Bewegung, Winkeln, Formen, Kontrast etc., wobei eine Art Konversation zwischen den fünfzig Zentren besteht, die zur Erkenntnis führen.

Der Mund und die Hände sind in Bezug auf die Gehirnmasse die aufwändigsten Körperteile und so etwas wie Schrittmacher der Entwicklung des Gehirns. Daher brauchen Kinder viele Jahre, bis sie das Greifen und Tasten in all seinen Feinheiten erlernt haben. Neben über dreißig Muskeln und etwa fünfzig Nervenbahnen verfügt z.B. die Hand über einen außergewöhnlichen Tastsinn, wobei in den Fingerspitzen 2500 Sensoren pro Quadratzentimeter liegen, die das menschliche Gehirn mit unvorstellbar großen Mengen an Informationen versorgen, wenn diese etwa einen Gegenstand anfassen. Der Tastsinn hat dabei eine große Ähnlichkeit mit dem Sehsinn, denn auch Hände erzeugen beim Berühren von Gegenständen eine Art pixelartiges Bild, mit dessen Hilfe sie dann Objekte wie zum Beispiel eine Puppe, einen Baustein oder ein Spielzeugauto unterscheiden kann. Das Greifen benötigt gleichzeitig viel Wissen und Erfahrung, denn der Mensch schließt aus seinem Gedächtnis, mit welcher Kraft und mit welcher Fingerstellung er z.B. ein Weinglas, eine Schere oder einen Blumenstrauß anfassen muss, denn Timing und Druck der Finger erfordern bei jedem Objekt ein anderes Greifmuster, das erlernt und später abgerufen werden muss. Dabei agiert die menschliche Hand allerdings nicht auf Grund von Anweisungen, sondern innerhalb einer diesen gelernten Mustern inhärenten Dynamik von selbständigen Regelkreisen (siehe dazu Kybernetik). Die Landschaften des Körpers, wie sie sich im Gehirn darstellen, sind in der Architektur im Gehirn aller Wirbeltiere, also auch von uns Menschen, bisexuell, denn während sich im Äußeren die Geschlechtsmerkmale deutlich unterscheiden, sind sie auf der Landkarte des Gehirns, also in ihren Abbildungen in den Milliarden Neuronen im Kopf, fast nicht zu unterscheiden.

In einer Studie werteten amerikanische Forscher die Daten von Bildern aus dem Kernspintomographen von Personen im Alter von 3 bis 20 Jahren aus und entdeckten, dass jedes menschliche Gehirn über zweihundert unterschiedliche biologische Merkmale (Biomarker) hat, die sich mit dem Alter verändern. Wenn man diese Merkmale parallel betrachtet, ergibt sich eine biologische Signatur, an der man das Alter des Menschen mit einer Genauigkeit von 92 Prozent erkennen kann (Brown et al., 2012).

Literatur

Timothy T. Brown, Joshua M. Kuperman, Yoonho Chung, Matthew Erhart, Connor McCabe, Donald J. Hagler, Vijay K. Venkatraman, Natacha Akshoomoff, David G. Amaral, Cinnamon S. Bloss, B.J. Casey, Linda Chang, Thomas M. Ernst, Jean A. Frazier, Jeffrey R. Gruen, Walter E. Kaufmann, Tal Kenet, David N. Kennedy, Sarah S. Murray, Elizabeth R. Sowell, Terry L. Jernigan, Anders M. Dale (2012). Neuroanatomical Assessment of Biological Maturity. Current Biology, 10.1016/j.cub.2012.07.002.

Einige Grundprinzipien der Wahrnehmung am Beispiel des optischen Systems

Wahrnehmungen sind kein passives Aufzeichen von Sinnesreizen, sondern eine aktive mentale Rekonstruktion der Welt, die uns umgibt. So gehört zum Sehen" sehr viel mehr, als ein Bild von der Netzhaut abzugreifen und auf eine Art organischen Bildschirm im Gehirn eins zu eins zu projizieren. Das Netzhautbild liefert höchst abstrakte Informationen, die letztendlich eine Art symbolische Repräsentation der Außenwelt darstellen, also ein selbstgefertigtes Modell der Welt. Was wir letztlich Sehen, hängt von unbewussten kognitiven Entscheidungen und Schlussfolgerungen ab, also von der im Hintergrund unbeeinflussbar ablaufender Verarbeitung des Netzhautbildes durch das Gehirn - leicht nachvollziehbar in den unzähligen optischen Täuschungen.

Das Sehsystem füllt unser gesamtes Sehfeld mit Farbe aus, obwohl der Randbereich der Netzhaut nur schwarz-weiß sieht. Selbst schwere Sehstörungen wie lokale Blindheit kaschiert das Gehirn, indem es die Löcher mit Informationen füllt Hat man im Gehirn lokale Blutarmut z.B. durch Anstrengung, niedrigen Blutdruck oder erfolgt durch Ausschüttung von Glutamat eine temporären Störung des Ionengleichgewichts, kann dies eine Hyperaktivität der Gehirnzellen der primären Hirnrinde im Hinterkopf bewirken. Dies macht sich als "Flimmer-Skotom" bemerkbar: eine zickzackförmige Region aus sogenannten Phosphenen mitten im Sehfeld, die mit etwa 10 Hertz flimmern - eine leichte temporäre Sehstörung. Nach der Hyperaktivität bleiben die Nervenzellen eine Zeitlang "stumm" und verursachen das eigentliche Skotom: einen anfangs winzigen blinden Fleck meist im Zentrum des Gesichtsfeldes, der zur Peripherie linear wandert und dabei bis zur zwanzigfachen Fläche anwachsen kann. Aber das Skotom wächst nicht eigentlich, sondern da unser Auge ähnlich einem Fish-Eye-Objektiv arbeitet, wird der mittlere Bereich des Sehfeldes um etwa das zwanzigfache vergrößert. Das Skotom bleibt eigentlich vier bis sechs Millimeter groß. Die fehlende Bildfläche ist aber nicht schwarz, sondern wird vom Sehsystem gefüllt, was so vollkommen geschieht, dass man das Skotom meist gar nicht bemerkt. Darin drückt sich die Erwartung unseres Gehirns aus, dass die Welt weiter existiert, auch wenn ein Teil des Sehsystems ausgefallen ist.
Ein weiteres Phänomen unseres Sehens ist, dass wir nur Dinge wahrnehmen können, deren Abbild sich auf der Netzhaut bewegt, während still stehende Objekte unsichtbar bleiben. Unser Gehirn veranlasst das Auge, permanent eine winzige Zitterbewegung (etwa 50 pro Sekunde) auszuführen, sodass sich statt der Welt sich die Netzhaut bewegt. Daher ist die oft bemühte Kamerametapher falsch, denn diese lieferte ein verwackeltes Bild, während das menschliche Gehirn durch Interpolation eine hohe Schärfe erreicht. Bei manchen optischen Täuschungen kommt es zu Bewegungseindrücken, die bei Menschen ein Schwindelgefühl oder bei längerem Betrachten bizarre Halluzinationen hervorrufen können.
Unter normalen Umständen rechnet das Gehirn die zwei leicht unterschiedlichen Sinneseindrücke, die paarig angelegten Augen, Ohren und auch die Nasenlöcher erhalten, zu einem einzigen, stimmigen Sinneseindruck um. Wird jedoch einem Auge ein völlig unterschiedliches Bild vorgesetzt als dem anderen, funktioniert diese Zusammenrechnung nicht mehr, denn die Person hat das Gefühl, er würde zwischen beiden Bildern hin- und herschalten - was als binokulare Rivalität bezeichnet wird. Einen ähnliche Effekt gibt es auch für das Gehör, denn auch hier hat man dann das Gefühl, dass das Gehirn zwischen den beiden Tönen hin- und herschaltet, wenn das eine Ohr mit einem anderen Ton beschallt wird als das andere.
Leuchtet man bei Dunkelheit flach von unten mit einem engen Lichtstrahl in die Pupille, sieht man zarte bäumchenförmige Strukturen. Es handelt sich dabei um die Schatten der Blutgefäße, die paradoxerweise vor der Netzhaut liegen. Die Schatten verschwinden nach kurzer Zeit wieder, tauchen aber erneut auf, leuchtet man nun aus einer anderen Richtung flach in die Pupille. Obwohl wir also permanent durch dieses feine Netzwerk hindurchsehen, erscheint das Bild nicht zerstückelt. Die fehlenden Bereiche werden von unserem Sehsystem ergänzt, wobei die Informationen aus den erzitterten Bildern gewonnen werden.
helmholtzHermann von Helmholtz (Bild links) hat beschrieben, dass wenn man auf eine blaue, grüne oder weiße Fläche starrt, man nach kurzer Zeit kontrastarme Gebilde sieht, die sich am besten als "Bakterien unter dem Mikroskop" beschreiben lassen: Tanzende rote Punkte kreuz und quer durch das Gesichtsfeld, jeder Punkt nur zwei bis vier Zehntel Sekunden sichtbar und geschwungene Kurven zurücklegend. Gut sehen kann man diese gegen den Himmel. Es handelt sich dabei aber nicht um die Schatten von Einschlüssen im Glaskörper, sondern - da die Punkte nicht bei roten Flächen erkennbar sind - um die roten Blutkörperchen in den feinen Netzhautkapillaren. Diese Punkte zu sehen, widerspricht unserer Seherfahrung, weshalb sie unter normalen Bedingungen vom Sehsystem erfolgreich herausgerechnet werden.
Durch solche Berechnungen schafft es unser Sehsystem auch, unvollständige Netzhautbilder von Felsen, Wolken oder auch Gesichtern zu erkennen, da es die fehlenden Teile einfach ergänzt, d.h., es versucht, aus vorhandenen bruchstückhaften Informationen von sich aus auf das Ganze zu schließen - ein Phänomen, das schon lange im Rahmen der Gestaltpsychologie untersucht und belegt wurde.
Helmholtz hatte - wie erst jüngst US-Physiologen wieder nachwiesen - auch mit seiner Behauptung recht, dass die beiden Augen unabhängig voneinander gesteuert werden. Er meinte nämlich, dass unsere Augen zur Ermöglichung der Wahrnehmung von Raumtiefe und um doppeltes Sehen zu vermeiden, unabhängig voneinander agieren und getrennte Signale empfangen und dass das Gehirn erst lernen muss, diese Signale zu koordinieren. Der deutsche Physiologe Ewald Hering glaubte hingegen, dass beide Augen durch gemeinsame Signale von der Gehirnzentrale gesteuert werden ("Gesetz der gleichen Innervation"). Die Physiologen Ewald King und Wu Zhou haben in Nature (393, S. 692) in einem Experiment aber die Position von Helmholtz bestätigt: Sie maßen an Rhesusaffen, die auf Lichtpunkte blickten, die Position beider Augen und durch Mikroelektroden die Aktivität der prämotorischen Neuronen. Das überraschende Ergebnis: Das Feuern von vier Fünftel der prämotorischen Neuronen korrelierte mit der Bewegung nur eines Auges. Dafür schienen die Motorneuronen in den Augen zusammenzuarbeiten, denn wenn sich ein Auge allein bewegte, änderten auch die Neuronen im anderen Auge ihre Aktivität. Es findet offenbar auf der Ebene der Motorneuronen eine wesentlich stärkere Koordination statt, als Hering dachte, und dass diese nicht nur im Sinne simpler Ein-Aus-Schalter arbeiten, sondern selbst ohne Umweg über das Hirn ein neurales Netzwerk bilden, das die Bewegungen der Augen miteinander koordiniert. Solche assoziierte Muskeln könnten auch für die feine Koordination anderer Tätigkeiten verantwortlich sein, etwa der Finger und Augen eines Pianisten.   

Ein daher generell überbetontes aber vor allem in Lernratgebern viel diskutiertes Thema sind die unterschiedlichen Funktionen der beiden Hemisphären des Großhirns und die Konsequenzen, die sich daraus für Lernprozesse angeblich ergeben sollen. Das Großhirn ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil des menschlichen Gehirns. Untersuchungen haben ergeben, dass es eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Hälften gibt: Der linken Hemisphäre werden Funktionen wie logisches Denken, Sprache und analytisches Denken zugeschrieben, der rechten Musikalität, Kreativität und räumliches Vorstellungsvermögen. Außerdem steuern beide Hälften jeweils die Bewegungen der anderen Körperseite.

Unsere Großhirnrinde besteht physiologisch aus zwei sogenannten Hemisphären, die deutlich voneinander getrennt sind; betrachtet man sie genauer, stellt man fest, dass die linke zum größten Teil aus vielen kurzen neuronalen Verbindungen besteht, während in der rechten lange Verbindungen überwiegen, die weiter voneinander entfernte Hirnareale miteinander verknüpfen. Zudem ist in den meisten Fällen die linke Gehirnhälfte etwas größer als die rechte.

Anfänglich ging man davon aus, dass beide Hirnhälften die gleichen Funktionen erfüllen, allerdings mit dem Unterschied, dass die linke Hirnhälfte im wesentlichen die rechte Seite des Körpers und die rechte die linke Seite des Körpers steuert. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten aber Physiologen wie Broca und Wernicke bei Unfallopfern, dass ganz bestimmte Teile der linken Hemisphäre für grundlegende Sprachfunktionen wichtig sind, während ein Ausfall der entsprechenden Teile auf rechten Seite keinen Einfluss auf die Sprache hat: Linke und rechte Hirnhälfte scheinen teilweise verschiedene Funktionen zu erfüllen.

Wenn ein Sprecher Worte spricht, so produziert er Schalldruckwellen, die an das Innenohr weitergeleitet und in Nervenimpulse umgewandelt in das Gehirn des Hörers eindringen. Dort werden sie im Bruchteil einer Sekunde einer komplizierten Analyse nach Frequenzen, Amplituden und zeitlichen Beziehungen der Schwingungen und Schwingungsüberlagerungen unterzogen und dann als menschliche Sprachlaute identifiziert. Danach werden sie in Hirnzentren gelenkt, die angeborenermaßen für menschliche Sprache zuständig sind - das Wernicke- und das Broca-Areal, wo nacheinander Phoneme und Phonemgruppen, primäre Wortbedeutungen, syntax- und grammatikabhängige Wortbedeutungen (linke Hirnrinde) sowie Sprachmelodie und affektiv-emotionale Bestandteile der Sprache (rechte Hirnrinde) analysiert werden. Jedes als Wort, Wortgruppe und Satz identifizierte Ereignis wird - für uns unbewusst - mit Inhalten des Sprachgedächtnisses verglichen, und es werden diejenigen bereits vorhandenen Bedeutungen aktiviert oder neu zusammengestellt, die den größten Sinn machen. Hierbei wird meist auch der weitergehende Bedeutungs- und Handlungskontext einbezogen, wobei in eindeutigen Fällen dies blitzschnell abläuft.

Diese Vermutung wurde durch die Experimente von Roger Sperry scheinbar bestätigt: Die beiden Hirnhälften sind physiologisch voneinander getrennt, werden aber durch einen dicken Nervenstrang (Balken oder Corpus Callosum) verbunden. Zur Behandlung bestimmter Formen der Epilepsie wird der Balken operativ durchtrennt, um in einer Hirnhälfte auftretende Anfälle auf diese zu beschränken; durch die fehlende Verbindung kann sich ein epileptischer Anfall dann nicht auf die andere Hirnhälfte ausbreiten und ist leichter zu kontrollieren. Bei diesen sogenannten "split-brain"-Patienten entdeckte Sperry eine Reihe eigentümlicher Ausfälle, aus denen er auf die unterschiedlichen Funktionen der beiden Hirnhälfte schließen konnte. So können diese Patienten zum Beispiel ein Wort, dass auf der linken Seite ihres Gesichtfeldes steht, mit Hilfe der rechten Hirnhälfte lesen und mit der linken Hand, die ebenfalls von dieser Seite kontrolliert wird, schreiben -- sie können aber nicht sagen, was sie gelesen und geschrieben haben, solange sie das Wort nicht auch mit der linken Hirnhälfte "sehen"; das primäre Sprachzentrum scheint also wie vermutet auf der linken Seite zu liegen.   In der Summe geht man davon aus, dass die linke Hirnhälfte mehr für gesprochene und geschriebene Sprache sowie mathematische Fähigkeiten zuständig ist, die rechte hingegen mehr für räumliches Vorstellungsvermögen und das Erkennen von Mustern. Mit dem "mehr" sind wir aber auch schon beim Kern der Antwort auf die ursprüngliche Frage: Es gibt keine "Links-" oder "Rechtshirnler", weder auf der physiologischen Ebene noch im eigentlichen Gebrauch.  

Sogar bei Sperry wies die Mehrzahl der untersuchten Patienten keine deutlichen Unterschiede in der Funktion der beiden Hirnhälften auf, bei anderen waren sie sogar im Sinne der Theorie vertauscht. Tatsache ist zwar, dass meist die Hirnhälfte größer ist, in der das primäre Sprachzentrum liegt, doch dies muss keineswegs immer die linke sein -- und dass sie größer ist, muss noch lange nicht bedeuten, dass wir diese Hälfte mehr nutzen, sondern nur, dass Sprache so komplex ist, dass ihre Verarbeitung und Produktion mehr Raum im Gehirn benötigt.  

Übrigens: Bei professionellen Schlagzeugern funktionieren manche Bereichen des Gehirns besser als die anderer Menschen, da sie lernen mussten in der Lage zu sein, mehrere Bewegungen gleichzeitig zu steuern, d. h., sie müssen unterschiedliche Bewegungen mit Händen und Beinen machen, was für das Gehirn sehr anspruchsvoll ist. Bei Schlagzeugern sind die beiden Hirnhälften besser miteinander verknüpft, damit sich deren Gehirn die Gedankenarbeit und die Steuerung ihrer Muskeln besser einteilt. Bei Schlagzeugern wächst diese Struktur und passt sich an, je mehr sie üben und je kompliziertere parallele Bewegungen sie ausführen.

Auf angebliche und tatsächliche Geschlechtsunterschiede im Denken verweist die häufig gestellte Frage, wie sich die beiden Aussagen miteinander vereinbaren lassen sollen, dass Frauen mehr mit der einen, Männer mehr mit der anderen Hirnhälfte denken, andererseits aber Männer logischer denken und Frauen sprachlich gewandter sein sollen: Wenn es nämlich überhaupt eine Differenzierung der beiden Hemisphären gibt, liegen die Zentren beider Fähigkeiten immer in der selben Hemisphäre. Bei diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden geht man davon aus, dass die Geschlechtshormone eine unterschiedliche Entwicklung des Gehirns einleiten, wodurch der "Feinbau" des Gehirns offensichtlich so beeinflusst wird, dass sich die Schaltungen der Nervenzellen unterschiedlich entwickeln. So hat man festgestellt, dass Mädchen schneller lesen lernen als Jungen, Jungen dagegen eine frühe Überlegenheit bei visuell-räumlichen Fähigkeiten zeigen. Männer schneiden daher beim räumlichen Vorstellungsvermögen, mathematischen Schlussfolgerungen und beim Werfen und Fangen besser ab. Frauen erkennen zusammenfassende Objekte schneller, sie zeigen größere verbale Gewandtheit, Überlegenheit bei Rechenaufgaben und manuellen Präzisionsaufgaben.

Überzeugen mag die Forderung, "mehr mit der rechten Hirnhälfte zu denken", was bedeutet, dass wir immer darauf achten sollen, das Ganze einer Situation zu sehen; das althergebrachte analytische Denken der westlichen Welt soll dem ganzheitlichen Denken der östlichen Welt mehr Einfluss einräumen. Eine nette Idee, die aber in Anbetracht der Tatsachen, dass eine deutliche Bevorzugung einer Gehirnhälfte meist nicht vorliegt, nicht so ganz greift; bedeutender ist in diesem Zusammenhang mehr die Größe des Balkens, der für den Informationsaustausch zwischen beiden Hälften verantwortlich ist: Integrierendes Denken ist weniger die Frage des Gebrauchs einer Gehirnhälfte, sondern das Zusammenspiel beider.

Der Corpus callosum ist nämlich sowohl für die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften zuständig als auch für die Abschirmung, d.h., er muss die Gehirnhälften jeweils vor Signalen der anderen schützen, wenn nur eine Hemisphäre aktiv sein soll. So blockiert er bei Bewegungen, die nur eine Körperhälfte betreffen, die andere Gehirnhälfte, die für die andere Seite zuständig ist, sodass auf diese Weise unwillkürliche Bewegungen auf der nichtbeteiligte Körperseite vermieden werden. Sind aber beide Körperhälften aktiv wie beim Spielen eines Musikinstruments, funktioniert der Balken wie eine Brücke, auf der die Hirnhälften kommunizieren. Es gehört übrigens zu den Problemen beim Erlernen eines Instruments, diese beiden Hälften gleichzeitig anzusprechen bzw. wie bei vielen Instrumenten zu dissoziieren. Bei älteren Menschen findet der Austausch häufig auch dann statt, wenn die Menschen stillsitzen, d.h., die Kommunikation über den Corpus callosum im Gehirn erschwert Bewegungen, die nur mit einer Körperhälfte ausgeführt werden sollen, und die Reaktionszeit verlängert sich dadurch. Auch bei Kindern, bei denen der Balken noch nicht vollständig entwickelt ist, kommt es daher zu Fehlfunktionen in der Koordination bzw. Dissoziation.

Aus dieser Funktionsteilung sind vielfach Forderungen nach einem Lernen laut geworden, das eine stärkere Beteiligung der rechten Großhirnrindenhälfte beinhalten soll, die in unserer sprachlich-analytischen Lerntradition zu kurz komme. Wie Hans Schachl (1998) aber zeigte, sind diese Forderungen kritisch zu betrachten, da die Hemisphären zwar tatsächlich spezialisiert aber die Funktionsbereiche keineswegs klar getrennt sind. So übernimmt auch die rechte Hemisphäre, die zum Beispiel über ein umfangreiches Lexikon verfügt, Aufgaben bei der Sprachbearbeitung. Ebenso ist die linke Hälfte an der Verarbeitung von Musik beteiligt. Aus der Spezialisierung der Hemisphären eindeutige Schlussfolgerungen für das Lernen abzuleiten, ist daher ziemlich problematisch. Auch die Untersuchungen von Guy Vingerhoets (2003) zum Blutdurchfluss während der Rezeption emotionaler Informationen bestätigen dies.

Die beiden Hirnhälften sind also nicht einfach dichotom in einen sprachlichen und nicht sprachlichen Bereich zu unterteilen, sondern vielmehr ist davon auszugehen, dass die beiden Hirnhälften dazu in der Lage sind, zwischen eingehenden Informationen weit stärkere Differenzierungen vorzunehmen als sprachlich und nicht sprachlich. Das Bild wird noch viel komplizierter, wenn man Besonderheiten bei Frauen gegenüber Männern und Linkshändern einbezieht und insbesondere solchen Personen mit Linkshändigkeit in der Familie. Das permanente Zusammenwirken beider Hälften macht es sehr schwierig, kortikale Aktivitäten innerhalb des Gehirns überhaupt genau zu lokalisieren. So findet das etwa das Wiedererkennen von Gesichtern, die außerordentlich komplexe Stimuli darstellen, in beiden Hirnhälften statt. Das größte Problem der "right brain-left brain"-Theorie ist aber die fehlende Möglichkeit, den Inhalt neurologischer Reaktionen zu messen, denn Aktivität in den jeweiligen Hirnhälften sagt nichts über die tatsächliche Verarbeitung aus, auch dann nicht, wenn sich Korrelationen zwischen Recall und/oder Recognition finden lassen.

Auch Gene haben mit der Sprache zu tun, etwa das Chromosom 11: Beim Williams-Syndrom, das durch eine Veränderung dieses Gens verursacht wird, reden Betroffene zwar viel und gern, sind sehr kommunikativ und herzlich, aber mit dem Inhalt des Gesprochenen hapert es. Ein anderer Gendefekt, der die Sprache beeinträchtigt und vor allem große Probleme mit der Grammatik verursacht, liegt auf dem Chromosom 7.

Linkshänder sollen nach einem weit verbreiteten Vorurteil kreativer sein als Rechtshänder, da bei Linkshändern die dominante Hand von der rechten Gehirnhälfte gesteuert wird, also jener, die eher kreativ und ganzheitlich arbeiten soll. Tatsächlich gibt es Statistiken, die belegen, dass in kreativen Berufen ein höherer Prozentsatz von Linkshändern arbeitet. Viele Forscher glauben jedoch, dass das ein Folge des "Immer-Etwas-Anders-Seins" der Linkshänder ist.

Übrigens: Bei einem zehnjährigen Mädchen, dessen rechte Großhirnhälfte sich wegen einer frühen Entwicklungsstörung (vermutlich vor der 7. Schwangerschaftswoche) im Mutterleib nicht ausbildete, übernahm ihre linke Hälfte die Aufgaben der fehlenden Hemisphäre, wobei sie beinahe über ein normales Sehvermögen verfügt. Es kam also zu einer Aufhebung der üblichen Arbeitsteilung, die beim Sehen nach einem diagonalen Prinzip funktioniert: Die linke Hälfte der Großhirnrinde erhält Informationen aus dem rechten Gesichtsfeld und umgekehrt. Zur normalen visuellen Wahrnehmung sind in der Regel beide Gehirnhälften notwendig. Bei dem Mädchen empfängt aber die linke Hälfte sämtliche Signale von den Augen. Offenbar gibt es während der frühen Hirnentwicklung im Embryo im Sehnerv noch keine Botenstoffe, die die Nervenzellen daran hindern, in die Hirnhälfte auf der gleichen Seite einzuwachsen.

Eine Studie der Universität Zürich hat gezeigt, dass das menschliche Gehirn, wenn es nötig ist, schnell umlernen kann, denn schon nach der zweiwöchigen Ruhestellung einer Hand passen sich die zuständigen Gehirnregionen an diesen erzwungenen Wechsel an. Es verändern sich dabei in Kürze sowohl das sensorische als auch das motorische Hirnareal, wobei die Gehirnsubstanz der ruhig gestellten rechten Hand abnimmt, während das für die andere Hand zuständige Areal wächst.

Bildquelle

Spinola, Roland (1997). Das Herrmann Dominanz Instrument (H.D.I.) zur Analyse bevorzugter Denkstile.
WWW: http://haa-s.de/lernen/hdiana.pdf (01-02-09)

Siehe auch Sprachzentrum breitet sich im Laufe der Entwicklung aus.

Ebenfalls Gebrauch von einer angeblichen unterschiedlichen Lateralisation machen die Suggestopädie bzw. das daraus abgeleitete Superlearning. In seinem 1978 erschienenen Buch "Suggestologica" postuliert Lozanov, der Mensch schöpfe nur 4-20% der Leistungsfähigkeit seines Gehirns aus und durch den suggestopädischen Ansatz könnten nun auch die restlichen 96-80% genützt werden (Metzig & Schuster 2000, S. 196). Den Namen "Superlearning" erhielt diese Methode 1979 von Ostrander & Schroeder. Lozanovs hebt besonders hirnbiologische Aspekte hervor und bezieht sich unter dem Begriff der horizontalen Integration auf die unterschiedliche funktionale Spezialisierung beider Hemisphären. Lozanovs Ansatz ist daraufhin ausgerichtet, beide Hemisphären zu stimulieren und so ein effizienteres Lernen zu ermöglichen. Vor allem einer Stimulation der rechten Hemisphäre kommt dabei besondere Bedeutung zu. Sie wird von Lozanov als die in der westlichen Welt vernachlässigte, subdominante Gehirnhälfte aufgefasst. Funktional ist sie beschreibbar als ein auf Phantasie und Intuition ausgerichtetes Funktionsgefüge, das Paradoxie und akausales Denken toleriert, für Mustererkennung und bildhaften Vergleich zuständig ist und Gefühle in die Informationsverarbeitung mit einbezieht. Die linke, laut Lozanov dominante Hemisphäre, lässt sich funktional kennzeichnen durch einen rationalen und analytischen Denkprozess, bei dem kontrolliertes und sequentielles Vorgehen im Vordergrund stehen und Ordnung und Strukturierung von Informationen erfolgen. Die gleichzeitige Stimulation von linker und rechter Hemisphäre, durch Faktenwissen einerseits und Musik anderseits, wird schließlich als horizontale Integration bezeichnet (Metzig & Schuster 2000, S. 200 f.). Als vertikale Integration beschreibt Lozanov dann noch die Stimulation des Gehirns in seinem vertikalen Aufbau, vom Cortex, der für die Kognition verantwortlich ist, über das Vorderhirn, wo Emotion und Motivation gleichermaßen angeregt werden sollen, zum Hirnstamm, der zentralnervöse Funktionen wie Herzschlag und Atmung steuert, bis hin zum Cerebellum, welches für die Motorik zuständig ist (Metzig & Schuster 2000, S. 201 ff.). Siehe dazu im Detail Suggestopädie und Superlearning

Literatur

Edelmann, W. (1988). Suggestopädie/Superlearning. Heidelberg: Asanger.

Lozanov, G. (1978). Suggestology and Outlines of Suggestopedy. New York: Gordon & Breach.

Metzig, W. & Schuster, M. (2000). Lernen zu lernen. Heidelberg: Springer.

Ostrander, S. N. & Schroeder L. (1990). "Superlearning". Die revolutionäre Lernmethode, Leichter lernen ohne Stress. München: Goldmann Verlag.

Lokalisten vs Holisten

Die Neurowissenschaft hatte sich lange Zeit der Leitfrage zugewandt, wo Gehirnfunktionen zu lokalisieren sind und die Forschungsbemühungen der Vertreter der Lokalisationstheorie führten u. a. zur Ausarbeitung von detailreichen Karten des Gehirns, die Gehirnregionen festhielten, die für bestimmte Funktionen verantwortlich sein sollten. Von Anfang an begleiteten die Vertreter der Lokalisationstheorie kritische Stimmen. Haughlings-Jacson äusserte sehr früh eine Kritik an den Ausführungen von Broca und stellte die These auf, dass die Organisation komplexer psychischer Prozesse aufgrund ihres Aufbaus und nicht aufgrund ihrer Lokalisation erklärt werden sollten. Für Marie, Goldstein und Head - als Vertreter der holistischen Richtung, welche der Lokalisationstheorie entgegengesetzt wurde - stellte das Gehirn ein Organ dar, das an allen geistigen Aktivitäten als Ganzes beteiligt ist. Weder die Lokalisten noch die Holisten konnten jedoch mit ihren theoretischen Ansätzen die Entstehung und Funktionsweise der höheren geistigen Fähigkeiten hinreichend erklären. Den ersten überzeugenden Erklärungsansatz lieferte Alexander Lurija, der davon ausging, dass eine Funktion eher als ein "funktionelles System" begriffen werden sollte. Psychische Prozesse beim Menschen, als komplexe funktionelle Systeme lassen sich in bestimmten Hirnregionen nicht lokalisieren. Es lassen sich demnach drei fundamentale Einheiten des Gehirns unterscheiden, die an jeder Form psychischer Tätigkeit beteiligt sind:

Die Einheit zur Steuerung des Tonus und der Wachheit

Jede geordnete, zielgerichtete Handlung setzt die Aufrechterhaltung einer optimalen Spannung voraus. Es lassen sich dafür drei Ursachen festmachen: Metabolismus (Stoffwechsel), Eintreffen von Reizen aus der Außenwelt (Orientierungsreflexe) und Absichten, Pläne, Vorhaben und Programme, die Menschen im Laufe der Zeit herausbilden. Bedeutend für das Verständnis der Arbeitsweise dieser funktionellen Einheit, die in Formatio reticularis angesiedelt ist, ist das Prinzip der graduellen Veränderung. Anders als die Neuronen des Neo-Kortex, die nach dem Alles-Oder-Nichts-Prinzip arbeiten, können in der ersten funktionellen Einheit stufenlose Veränderungen stattfinden. Somit kann man nicht einfach von Aktivierung oder Deaktivierung sprechen, sondern von zahlreichen Schattierungen und Übergangszuständen.

Die Einheit zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen

Lurija lokalisiert diese Einheit in der konvexen Oberfläche der Hemisphären, von denen sie die hinteren Regionen einschließlich der visuellen (okzipitalen), akustischen (temporalen) und allgemein sensorischen (parietalen) Regionen umfasst. Lurija formuliert drei Gesetze, die die Arbeitsweise der einzelnen Zonen bestimmen:

Lurija geht über das Informationsverarbeitungsmodell hinaus und stellt in seiner Theorie die These von der Existenz einer weiteren Einheit auf, die für Programmierung, Steuerung und Kontrolle von geistigen Tätigkeiten verantwortlich ist.

Die Einheit für Programmierung, Steuerung und Kontrolle von geistigen Tätigkeiten

Ein unbestrittenes Verdienst von Lurija ist der Einbezug von Plänen und Programmen zur Erklärung der menschlichen Kognition. Der Mensch reagiert nicht nur passiv auf einfließende Informationen, sondern hat auch Absichten, entwirft Pläne und Programme seines Handelns, beobachtet die Ausführung von Handlungen und steuert sein Verhalten, so dass mit diesen Absichten und Programmen Übereinstimmung erzielt wird; schließlich kontrolliert er seine bewusste Tätigkeit, indem er die Wirkung seines Handelns mit den ursprünglichen Absichten vergleicht und entstandene Fehler berichtigt.

Die überwiegenden Teile der dritten Einheit des Gehirns sind vor allem im Stirnlappen lokalisiert. Dieser Teil des Gehirns ist mit allen anderen kortikalen Bereichen und auch mit der Formatio reticularis verbunden, d. h., dass die dritte funktionelle Einheit von der ersten Impulsströme erhält - der entsprechende Tonus wird "geladen" -, dies bedeutet aber auch, dass sie die erste funktionelle Einheit beeinflusst. Zentrale Rolle beim Verständnis der Funktionsweise der Einheit für Programmierung, Steuerung und Kontrolle von geistigen Tätigkeiten spielt die Sprache, denn die höheren psychischen Vorgänge finden auf der Basis sprachlicher Tätigkeiten statt.

Alle Arten bewusster Tätigkeiten bilden stets ein funktionelles Ganzes, das nur aufgrund des Zusammenwirkens der drei hier beschriebenen Einheiten zustande kommt. Das Verständnis des Wahrnehmungsvorgangs als einer komplexen psychischen Tätigkeit ist von grundlegender Bedeutung. Für Lurija beginnt die Wahrnehmung mit der Zerlegung der vom Gehirn aufgenommenen Wahrnehmungsmanigfaltigkeit in viele Komponenten oder Hinweise, die anschließend kodiert oder synthetisiert und in die korrespondierenden mobilen Systeme eingefügt werden. Der Prozess von Auswahl und Synthese der entsprechenden Merkmale ist ein aktiver Vorgang; er befindet sich unter dem unmittelbaren Einfluss von Aufgaben, die sich dem Individuum stellen. Die Wahrnehmung findet zudem stets mit direkter Beteiligung der Sprache statt.

Für die Gestaltung von Lernprozessen lassen sich aus diesen Erkenntnissen einige Schlussfolgerungen ableiten: Schon zur Verbesserung der Wahrnehmung ist es notwendig, Sinnbezüge und Assoziationen hervorzurufen, daher sollte schon bei der Präsentation neuen Wissens stets das vorhandene Wissen aktiviert und als Hilfe herangezogen werden. Visuelle Reize sollten stets mit sprachlichen Codes verknüpft werden.
Im Prozess der Wahrnehmung spielt die Aufmerksamkeit - d. h. die Gerichtetheit und Selektivität psychischer Vorgänge - eine zentrale Rolle. Abgesehen von der elementaren physiologischen Aufmerksamkeit, die für das Wachsein zuständig ist und u. a. durch entsprechende Mechanismen in der Formatio reticularis hervorgerufen wird, ist die komplexe Funktion der Aufmerksamkeit in den höheren Regionen des Gehirns angesiedelt. Diese ist jedoch nicht allein biologisch bedingt, sondern vornehmlich durch gesellschaftliche Einflüsse, also der Einführung von Faktoren in die komplexe Steuerung selektiver psychischer Aktivität, die durch die wechselseitigen Beziehungen eines Kindes mit Erwachsenen im Laufe der Zeit geschaffen wurden.

Theorie der dualen Codierung

Da man beobachten kann, dass einige Menschen besser lernen, wenn sie Texte vor sich haben, während andere Bilder oder Filme bevorzugen, postulierte Paivio (1971) in der "Theorie der dualen Codierung" zwei in ihrer Funktion unabhängige Systeme zur Verarbeitung von Informationen beim Menschen: Das verbale System setzt Informationen in sprachliche Form um, während das imaginale, visuelle System Informationen zu einer gedanklichen Bilderwelt in Form von räumlichen Vorstellungen verarbeitet. Von einigen Wissenschaftlern wird das verbale System grob mit der linken Großhirnhälfte, das imaginale System mit der rechten in Verbindung gebracht.

Tatsächlich scheinen räumlichen Vorstellungen viele Ähnlichkeiten mit realen Objekten zu haben. So zeigten Experimente von Shepard, dass Personen mentale Gebilde (z.B. die Vorstellung von einem Würfel) im Geiste rotieren können. In einem Experiment wurden die Teilnehmer aufgefordert zu entscheiden, ob zwei Abbildungen das gleiche Objekt darstellen. Dazu mussten die Objekte jedoch gedanklich gedreht und zur Deckung gebracht werden. Die Versuchsteilnehmer benötigten um so mehr zeit, je größer der Rotationswinkel war. Im Durchschnitt rotierten die Teilnehmer die geistigen Objekte mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 Grad pro Sekunde. Obwohl Vorstellungsbilder viele Ähnlichkeiten mit realen Objekten aufweisen, sind sie dennoch keine Spiegelbilder der Wirklichkeit. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass Vorstellungsbilder vom Wissen beeinflusst werden. Ein einfaches Beispiel: Welche Stadt liegt östlicher, Prag oder Wien? Viele Menschen ziehen ihr abstraktes Wissen über die Lage der beiden Länder heran, um die Frage zu beantworten, und kommen dadurch zu einer falschen Antwort.

Es gibt demnach einen engen Zusammenhang zwischen unserem Wissen und unseren Vorstellungsbildern. Vorstellungsbilder sind daher auch nicht nur an visuelle Informationen geknüpft, sondern auch an sprachliche. So einleuchtend die Vermutung auch klingen mag, dass einige Menschen eher in räumlichen Vorstellungen denken, sie hält einer genauen Prüfung nicht stand. Zum einen existieren räumliche Vorstellungsbilder nicht getrennt von verbalem Wissen. Zum anderen ist es weniger eine Frage der Persönlichkeit als vielmehr der Umstände (z.B. der Aufgabe, die wir lösen sollen), ob wir in Sprache oder in Vorstellungsbildern denken. Es gibt keinen Menschen, der nur mit einer Hinhälfte denkt. Es wäre daher auch falsch anzunehmen, dass es Lerner gibt, die prinzipiell besser mit Texten oder Bildern lernen. Wir alle sind in einigen Fällen Verbalisierer und in anderen Visualisierer. Es spricht vieles dafür, dass die Dinge, die wir wahrnehmen, sehr schnell in einen abstrakten Code umgewandelt werden. Dieser Code kann mehr räumlicher Natur (Vorstellungsbilder) oder mehr linearer, sequentieller Art (Faktenwissen) sein. Der abstrakte Code erfasst in jedem Fall die Bedeutung der Information und weniger die wahrgenommenen Details. Aus diesem Grund werden bedeutungshaltige Informationen deutlich besser erinnert, als bedeutungslose (z.B. bedeutungslose Buchstabenkombinationen). Ein klassisches Experiment von Posner belegt, dass wahrgenommene Informationen sehr schnell in einen abstrakten Code umgewandelt werden. Den Teilnehmern an diesem Experiment wurden sehr schnell nacheinander zwei Buchstaben gezeigt. Die Aufgabe bestand darin, möglichst schnell zu entscheiden, ob die beiden Buchstaben identisch waren. Ein Beispiel: Den Teilnehmern wurde ein "A" gezeigt, dann folgte ein kurzes Zeitintervall und darauf der Buchstabe "c". Es zeigte sich, dass die Teilnehmer für die Buchstaben A - A genau so lange benötigten, wie für die Paarung A - a, wenn zwischen dem ersten und dem zweiten Buchstaben mindestens ein Intervall von zwei Sekunden lag. Das lässt sich nur damit erklären, dass der Buchstabe A nach etwa zwei Sekunden in einen abstrakten Bedeutungs-Code umgewandelt wurde. Ansonsten hätte der Vergleich von A (Großbuchstabe) und a (Kleinbuchstabe) länger dauern sollen.

Quelle

Satow, Lars (2002). eLearning und eTesting. Eine Einführung. Unveröffentlichtes Manuskript.
WWW: http://userpage.fu-berlin.de/~satow/ (03-07-12)

Kinesiologie, Edu-Kinestetik und Brain-Gym

Eine völlig überzogene bzw. ans Absurde grenzende Fehlinterpretation früher Erkenntnisse zu den Hemisphärenfunktionen erfolgte durch die Kinesiologie und Edu-Kinestetik. Nach deren Auffassung entstehen Lernblockaden dadurch, dass der Gehirnintegrationsmechanismus der beiden Hemisphären gestört ist. Die Edu-Kinestetik verspricht nun durch spezielle Brain-Gym-Übungen dem Lernenden Zugang zu den "unzugänglichen", "blockierten" Teilen des Gehirns zu ermöglichen, so dass gelernt werden kann. Gymnastische Übungen sollen die "Integrationsfähigkeit" des Gehirns fördern und auf diese Weise Lernblockaden aufheben oder lindern, Ausgeglichenheit verschaffen, den Menschen vor dem Lernen "anschalten" und dafür sorgen, dass man während des Lernens im Gleichgewicht bleibt. Dazu erfolgt unter anderem eine "Sondierung" des Corpus Callosum und der Gehirn- und Körperdominanzmuster, eine "Balancierung" der Wernicke- und Broca-Funktionen und der vestibulären Funktionen usw. Im Originalton: "Der Schwerpunkt liegt auf dem Überkreuzen der Mittellinie, die die linke logische Gehirnhälfte und die rechte kreative Gehirnhälfte mit der jeweiligen Körperseite verbindet. Durch gezielte körperliche Übungen (...) wird über das Corpus Callosum die Bahnung hergestellt. Die neuronale Verknüpfung der beiden Gehirnhälften über die Mittellinie ermöglicht das Sehen mit beiden Augen, das Hören mit beiden Ohren und koordinierte Körperbewegungen. (...) Diese bilateralen Fähigkeiten der rechten und linken Gehirnhälfte arbeiten dann im Zusammenspiel mit dem Mittelhirn (Oben-Unten-Dimension) und dem Hirnstamm (Vorne-Hinten-Dimension). (...) Erst wenn alle drei Dimensionen des Gehirns miteinander kommunizieren, ist Stressfreies Lernen möglich." Siehe dazu im Detail den Kurzüberblick: Psychotechnische "Schulen".

Medien- und Werbewirkungsforschung

Die Konsumentenpsychologie geht vielfach von zwei unterschiedlichen Qualitäten der Informationsverarbeitung zwischen den beiden Gehirnhälften aus. Fast einhellig ist man der Meinung, dass die linke Gehirnhälfte überwiegend für das Verstandeslernen und die verbale Verarbeitung, die rechte Gehirnhälfte stärker für Emotionen und die Bildverarbeitung zuständig sei. In der Medien- und Werbewirkungsforschung versuchte man früh, aus der "Zwei-Hemisphären-Theorie" ("two-hemisphere theory") Konsequenzen zu ziehen. Jerome Singer und Herbert E. Krugman maßen Augenbewegungen und Gehirnströme beim Lesen von Zeitschriften und beim Fernsehen und kamen zu dem Schluss, dass Fernsehen die rechte Gehirnhälfte und damit mehr das Gefühl anspricht, während gedruckte Medien wie Anzeigen dagegen die linke Gehirnhälfte ansprechen. Fernsehen könne folglich nicht zur Übermittlung logisch aufgebauter Argumentationsketten verwendet werden, vielmehr liege die Stärke des Fernsehens in der Beeindruckung durch die Ganzheit der Darbietung. Emotionale und logische Elemente in Anzeigen werden im Gegensatz zum Fernsehen gemeinsam aufgenommen, da die Verarbeitung nicht unter der zeitlichen Flüchtigkeit des Fernsehspots steht. Bei der Fernsehwerbung kommt es zu einer Speicherung des Bilds als Merkvorgang, jedoch ohne dessen verbale Argumentation, da diese nach einem anderen System an einem anderen Ort abgelegt wird und bei der Erinnerung nicht mehr mit dem Bild zusammengeführt werden kann.

In einer 1980 veröffentlichten amerikanischen Studie ergab sich, dass Lesen von Werbung in Zeitschriften zu mehr Gehirnaktivität als das Sehen von Werbung im Fernsehen führt. Dies interpretierte man als Hinweis darauf, dass Anzeigen in Printmedien konzentriertere Aufmerksamkeit als Fernsehspots auslösen. Werbung in Zeitschriften spräche danach mehr die linke als die rechte Gehirnhälfte an, was intensiveres Erfassen und besseres Behalten bedeute.

In diesem Zusammenhang äußern sich J. R. Rossiter und L. Percy (1983) sehr kritisch zur Bedeutung der Hirnforschung für die Marktkommunikation. Einige Autoren fordern, die weit entwickelten physiologischen Studien deutlich von spekulativen Annahmen zu unterscheiden, die auf der "right brain-left brain"-Forschung basieren. Obgleich nicht abgestritten wird, dass der rechte Kortex-Bereich physiologisch auf die Verarbeitung visueller, musischer und emotionaler Informationen spezialisiert ist, während der linke Kortex-Bereich stärker auf die Verarbeitung sprachlicher Informationen spezialisiert ist, wird darauf hingewiesen, dass die kortikalen Mechanismen doch komplizierter sind, als derzeitige populäre Berichte glauben machen.

Quelle

Hirnforschung (Zwei-Hemisphären-Forschung)MediaLine.FAKTEN.Medialexikon.

Mentaltraining - Oder: was sich ein Mentaltrainer so zusammenreimt

"Wenn wir im Denkhirn etwas als positiv bewerten (oder der Bewältigungsglaube für eine Aufgabe ist 100%), mixt das Chemiehirn (gemeint ist das limbische System; W.S.) einen entsprechenden Hormonmix (Endorphine, Serontonin und Co) und gibt den Befehl über den Hirnstamm an die entsprechenden Drüsen, positiven Hormone auszuschütten.
Das wirkt sich natürlich auch auf die gesamte Körperchemie aus. Und die bleibt dann eine Zeit lang - mitunter stundenlang wirksam.
Wir fühlen uns gut, sind motiviert und auch entsprechend leistungsfähig.
Die rechte und linke Hirnhälfte arbeiten optimal zusammen. Das ganze Potenzial kann entfaltet werden.
Wenn wir etwas als negativ bewerten (oder der Bewältigungsglaube für eine Aufgabe sinkt auf etwa 80%), etwas als Belastung, oder Überforderung empfinden, läuft ganz automatisch das gleiche ab, natürlich im negativen Sinne. Das Chemiehirn erzeugt Stresshormone - Energie wird dem Denkhirn entzogen. Über den Hirnstamm läuft auch die Anweisung an Körper-Drüsen zum entsprechenden Hormonausstoß (u.a. Adrenalinausstoß in den Nebennieren).
Das bewirkt aber auch im Hirn, dass das Corpus callosum (Nervenfaserstrang zwischen linker und rechter Hirnhemisphäre) blockiert ist. Eine Gehirnhälfte wird bevorzugt.
Die Folge davon ist, der Körper wird zwar auf Leistungsbereitschaft gebracht (Blutzucker wird umgewandelt), aber dem Denkhirn wird auch Energie entzogen.
Wir fühlen uns dann schlecht, lustlos, gestresst und können unser (geistiges) Leistungspotenzial nicht mehr voll entfalten.
Wenn wir eine außerordentliche Anforderung spüren, (der Bewältigungsglaube sinkt auf 50%), verspüren wir eine starke Bedrohung. Das Chemiehirn mixt die entsprechende Chemie. Das Gesamtsystem (der Körper) wird auf Kampf oder Flucht mobilisiert, das Denken wird ausgeschaltet.
Oft existiert gar keine reale Bedrohung sonder nur mentaler Stress!
Und genau hier setzt das Mentaltraining an. Durch entsprechende Techniken kann die Stimmung, die Leistungsbereitschaft, die Entfaltung des Hirnpotenzials sehr stark beeinflusst werden."

Hier hat wohl ein entsprechender Hormonmix im Denkhirn stattgefunden ;-)

Quelle

bleibt besser anonym ;-)

Kurioses: Man sollte sein Baby links tragen!

Übrigens empfehlen nach einem Bericht einer Frauenzeitschrift Wissenschaftler Eltern dazu, Kinder immer einmal wieder links zu tragen, wobei es sogar am besten sei, Kinder immer links zu tragen, denn davon profitiert das Gehirn. Denn trägt man Kinder links, wird die rechte Gehirnhälfte besser angesprochen und genau diese Gehirnhälfte sei für Emotionen zuständig. Es heißt dann: „Wer sein Kind also links trägt, stärkt automatisch die Bildung zum Kind. Das ist sogar wissenschaftlich belegt, denn die Mutter sei links besser in der Lage, die Bedürfnisse des Babys zu erfassen und auf diese zu reagieren. Es handelt sich also vielmehr um einen Instinkt, der über zig Jahre hinweg erhalten blieb.“ Um dann hinzuzufügen: „Schadet es denn jetzt, auch mal rechts zu tragen? Natürlich nicht.“

Mentaltraining bei Sportlern

In der Studie von Roland & Zilles (1996) wurde nachgewiesen, dass bei Bewegungsvorstellungen im Vergleich zu tatsächlich ausgeführten Bewegungen alle Gehirnareale zur Bewegungsprogrammerstellung, -planung und -anpassung aktiv sind, nur der primäre Motorcortex nicht. Das bedeutet, dass bei Bewegungsvorstellungen genau dieselben Prozesse in unserem Gehirn stattfinden, wie sie bei tatsächlichen Bewegungen auftreten, nur wird das Ergebnis nicht an die ausführenden Organe weitergeleitet. Durch solche geübten Bewegungsvorstellungen kann man in vielen Sportarten dieselben Trainingseffekte erzielen, wie durch tatsächliches Üben, denn dadurch kommt es zu einem Festigen der Bewegung, einer Verbesserung der Bewegungsgenauigkeit usw.

Literatur

Roland, P. E. & Zilles, K. (1996). Functions and structures of the motor cortices in human. Curr. Opin. Neurobiol., 6, 773–781.

Menschliche Vorliebe für die rechte Seite?

Schon Ungeborene im Mutterleib zeigen eine deutliche Präferenz für die rechte Seite und auch bei Neugeborenen ist diese Bevorzugung zu beobachten. Im Alter von drei bis sechs Monaten verschwindet der Effekt jedoch. Da sich die Rechtsvorlieben des Armes, des Fußes, des Auges und des Ohres erst viel später im Leben ausprägen, blieb es bisher unklar, ob sie eine Folge der Tendenz sind, lieber zu einer bestimmten Seite zu schauen. Die meisten Menschen bevorzugen bekanntlich das rechte Auge, das rechte Ohr, den rechten Fuß und die rechte Hand in einem Rechts:Links-Verhältnis von etwa 2:1. Auch Vögel bevorzugen das rechte Auge, sodass sie wie fast alle anderen Wirbeltiere, schon als Embryo ihren Kopf am liebsten nach rechts drehen. Dadurch wird noch vor dem Schlupf hauptsächlich das rechte Auge durch Licht stimuliert. Bochumer Forscher haben herausgefunden, dass dieser Effekt das noch junge Vogelgehirn asymmetrisch verändert, und dass diese Asymmetrie weitere Links-Rechts-Unterschiede in der Wahrnehmung und in kognitiven Prozessen bedingt.

Soziale Berührungen sind ein wichtiger Aspekt der menschlichen sozialen Interaktion, denn in allen Kulturen findet man bei Menschen das Küssen, das Wiegen von Kleinkindern oder das Umarmen. Diese Verhaltensweisen sind notwendigerweise asymmetrisch, aber die Faktoren, die ihre Lateralisierung bestimmen, sind bisher noch kaum geklärt. Da die Hände oft an solchen sozialen Berührungen beteiligt sind, können motorische Präferenzen zu einem asymmetrischen Handeln führen. Soziale Berührungen treten jedoch oft in emotionalen Kontexten auf, was darauf hindeutet, dass Verzerrungen durch Asymmetrien in der emotionalen Verarbeitung moduliert werden könnten, sodass man durch solche soziale Berührungen Einblicke in lateralisierte Gehirnnetzwerke entdecken kann, die Emotionen und Handlungen verbinden. Metaanalysen zeigen, dass seitliche Verzerrungen in allen Formen der sozialen Berührung auftreten, aber aber diese nicht vollständig durch Händigkeit bestimmt werden. So gibt gibt es allgemein eine Präferenz, den Kopf beim Küssen nach rechts zu neigen, eine Umarmung mit der rechten Hand zu initiieren und Babys im linken Arm zu wiegen. Beim Küssen und Umarmen geht man davon aus, dass Menschen eine dominante Führungshand haben, mit der sie die Bewegung initiieren, doch in emotionalen Situationen verschiebt sich die Seitenpräferenz allerdings nach links, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um den Ausdruck einer positiven oder negativen Emotionen handelt. Man vermutet, dass die Verschiebung nach Links in emotionalen Situationen dadurch entsteht, dass Emotionen vornehmlich in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden, die die Bewegungen der linken Körperhälfte steuert. Demnach gibt es also bei diesen sozialen Berührungen Seitenverzerrungen, die durch den emotionalen Kontext ausgelöst werden, und zwar am stärksten bei der Umarmung. Offenbar interagieren motorische und emotionale Netzwerke im Gehirn, die miteinander eng verschaltet sind (Ocklenburg et al., 2018)

Onur Güntürkün (Ruhr-Universität Bochum): "Um eine solche Vorliebe bei Erwachsenen nachzuweisen, muß man die Menschen in einer Situation beobachten, in der sie sich spontan und ohne jeden Druck von außen entscheiden, den Kopf zu einer Seite zu drehen. So kam ich auf die Idee, sie beim Küssen zu beobachten." Zweieinhalb Jahre lang nutzte der Bochumer Biopsychologe Wartezeiten an Flughäfen und Bahnhöfen, Aufenthalte am Strand und in Parks in Deutschland, den USA und der Türkei, um Daten für seine Studie zu sammeln. Er wertete 124 Küsse von Paaren zwischen ca. 13 und 70 Jahren aus, für jedes Paar nur einen Kuß, bei mehreren Küssen zählte nur der erste. Um sich für die Auswertung zu qualifizieren, mußte ein Kuß mehreren Kriterien genügen: Es mußte Lippenkontakt geben, die Küssenden mußten sich gegenüberstehen, keiner durfte etwas in der Hand halten (denn das könnte eine Seitenvorliebe hervorrufen), und es mußte eine eindeutige Kopfbewegung zu beobachten sein. Das Ergebnis zeigte, dass 80 der 124 Küsse mit nach rechts gedrehten Köpfen stattfanden, sodass sich daraus schließen läßt, dass die Rechtsvorliebe des Kopfeserhlaten bleibt und somit auch die anderen Asymmetrien der Wahrnehmung und der Handlung nach sich ziehen. Für die Entwicklung zum Rechts- oder Linkshänder muß es jedoch noch andere genetische oder auch kulturelle Ursachen geben, denn hier ist das Verhältnis 8:1.

Dass Babys zu 85 Prozent spontan auf den linken Arm genommen werden, wurde bisher entweder mit der Tatsache erklärt, dass Rechtshänderinnen die besser geschulte Hand frei haben wollen, oder mit dem auf der linken Körperhälfte liegenden Herzen, dessen Geräusche das Baby beruhigen. Victoria Bourne und Brenda Todd (University of Sussex) glauben hingegen, dass die verschieden arbeitenden Gehirnhälften die entscheidende Rolle spielen und durch das Halten im linken Arm die emotionale rechte Gehirnhälfte direkter angesprochen wird, wodurch die Mutter-Kind-Bindung gestärkt wird. Sie prüften ihre Hypothese an 20 rechtshändigen Frauen, von denen mehr als die Hälfte eine Babypuppe spontan in dem linken Arm nahm. Diese Frauen verarbeiteten Emotionen auch mit der rechten Gehirnhälfte. Frauen, die zur Emotionsverarbeitung die linke Hälfte oder beide Seiten nutzen, nahmen die Puppe auch in den rechten Arm. Die Emotionshälfte des Gehirns wurde dadurch identifizieret, indem man den Frauen das Foto eines Mannes zeigte, der nur auf der rechten Gesichtshälfte lächelt, während die linke einen neutralen Ausdruck hat, sowie das Spiegelbild dieses Fotos. Menschen, die Gefühle rechts verarbeiten, nehmen das Gesicht, das auf der linken Seite lächelt, als glücklicher wahr und umgedreht. Bourne glaubt, dass diese Erkenntnisse auch bei der Behandlung postnataler Depressionen helfen könnten. Müttern werde nämlich häufig empfohlen, das Kind auf der linken Seite zu halten, um die Bindung zum Kind zu stärken, was bei Frauen jedoch, die mit der linken Gehirnhälfte ihre Gefühle verarbeiten, verkehrt wäre. Allerdings kranken solche Tests mit Rechtshändern häufig daran, dass unter den Probanden früh umgeschulte Linkshänder sind. Außerdem spielten bei der konkreten Wahl des Armes auch andere Faktoren wie Kraft, Geschicklichkeit oder eine akute Verletzung eine Rolle, was solche Ergebnisse verfälschen könnte.

Literatur

Güntürkün, Onur (2003). Adult persistence of head-turning asymmetry. Nature, 421, S. 711.

Ocklenburg, Sebastian, Packheiser, Julian, Schmitz, Judith, Rook, Noemi, Güntürkün, Onur, Peterburs, Jutta, Grimshaw, Gina M. (2018). Hugs and kisses – The role of motor preferences and emotional lateralization for hemispheric asymmetries in human social touch. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 95, 353-360.

Online-Wissenschaftsdienst "Nature Science Update" 2004.

Die bis zu 4500 kg schweren Walrosse sind nach neuesten Beobachtungen ausschließlich rechtsflossig. Die etwas längere rechte Flosse wird zum Ausgraben von Muscheln benötigt.

Werbung und Gehirnlateralisation

Mit der Gedächtniswirkung im Intermediavergleich haben sich sogar Untersuchungen aus dem Bereich der Neurochirurgie befasst und festgestellt: Fernsehen spricht die rechte Gehirnhälfte und damit mehr das Gefühl an. Anzeigen sprechen dagegen die linke Gehirnhälfte an. Die Informationen werden mit ihren Details gespeichert ("Gedächtnis") und sind einzeln reproduzierbar ("Erinnerung"). Bei der Fernsehwerbung komme es zwar zu einer Speicherung des Bildes als Merkvorgang, jedoch ohne dessen verbale Argumentation, da diese nach einem anderen System an einem anderen Ort abgelegt wird und bei der Gedächtniswirkung nicht mehr mit dem Bild zusammengeführt werden kann. Diese Befunde fußen auf der Annahme, dass die Gehirnhälften unabhängig voneinander funktionieren: Die linke Hälfte speichert Wissen und reproduziert das Gespeicherte analog seiner logischen Verknüpfung in Folgeketten. Demgegenüber ist die rechte Gehirnhälfte mehr für die gefühlsmäßigen, nicht linearen Sinneseindrücke zuständig. Während die linke stärker die detaillierten Erträge von Lernprozessen ausgibt, reflektiert die rechte Gehirnhälfte nur ganzheitliche "Erinnerungsklumpen" (Bilder), die nicht präzise durchgegliedert sind.

Geschlechtsunterschiede in der Gehirnlateralisation

Studien an Neglektpatienten lassen vermuten, dass jede Hemisphäre eine Aufmerksamkeitsverschiebung in die kontralaterale Richtung kontrolliert (Posner, Walker, Friedrich & Rafal, 1987; Arguin & Bub, 1993). Die Aktivations-Orientierungs Hypothese (Reuter-Lorenz & Kinsbourne, 1990) postuliert weiter, dass visuelle Stimuli, die in einem visuellen Feld erscheinen, die kontralaterale Gehirnhälfte aktivieren und somit eine Verschiebung der Aufmerksamkeit in die kontralaterale Richtung bewirken. Gedächtnisaufgaben wie z.B. Buchstabensequenzen oder Punktkombinationen können ebenfalls die linke bzw. rechte Hemisphäre aktivieren (Lauber, Jonides, Koeppe, Awe, Schumacher, Smith & Minoshima, 1994). Folglich könnten auch diese Aufgaben eine kontralaterale Verschiebung der Aufmerksamkeit nach sich ziehen. Es wurden daher mögliche Lateralitätseffekte überprüft, indem Versuchspersonen kognitive Aufgaben lösen sollten, die die linke bzw. rechte Hemisphäre aktivierten. Außerdem wurden diese Aufgaben mit einer räumlichen Probeaufgabe kombiniert. Die Versuchspersonen wurden mit einer räumlichen Gedächtnisaufgabe (Erinnern einer Punkteanordnung) und mit einer verbalen Gedächtnisaufgabe (Erinnern einer Buchstabensequenz) getestet.

Im ersten Experiment war die sekundäre Probeaufgabe eine Identifizierung von Zahlen im rechten und linken visuellen Feld. Für die weiblichen Versuchspersonen zeigte sich kein signifikanter Unterschied der relativen Genauigkeit der Zahlenidentifikation im rechten bzw. linken visuellen Feld zwischen der räumlichen und verbalen Aufgabe. Dagegen war bei den männlichen Versuchspersonen dieser Unterschied signifikant. Die verbale Aufgabe beeinflußte die Zahlenwiedergabe im rechten visuellen Feld. Ebenso beeinflußte die räumliche Aufgabe die Wiedergabe der Zahlen im linken visuellen Feld.

In einem zweiten Experiment wurde getestet, ob diese Ergebnisse aufgrund räumlicher Aufmerksamkeit oder eines Identifikationsmechanismus für Buchstaben auftraten. Die Primäraufgabe war identisch mit der des ersten Experiments, allerdings wurde die Probeaufgabe abgeändert: anstatt Zahlen zu identifizieren, mußten die Versuchspersonen nun so schnell wie möglich auf ein schwarzes Quadrat reagieren, das in der Peripherie des Bildschirms erschien.

Die Ergebnisse zeigten, dass bei den männliche Versuchspersonen die Aktivierung einer Hemisphäre eine Verschiebung der Aufmerksamkeit in das kontralaterale visuelle Feld bewirkt. Die Buchstabengedächtnisaufgabe beeinflußte die Verarbeitung von Zahlen im rechten visuellen Feld. Keines dieser Ergebnisse konnte bei den weiblichen Versuchspersonen erzielt werden, was eine geringere Lateralisierung indiziert.

Literatur

Kyle R. Cave, Heather Davidson & Daniela B. Sellner, Vanderbilt University, USA

 

Rechts- und linkshemisphärischer Ärger

Johannes S. Hewig (Lehrstuhl für Biologische und Klinische Psychologie der Universität Jena) überprüfte die Theorie, dass die linke Gehirnhälfte vor allem eine Bedeutung für die Organisation positiver Gefühle und Annäherungsverhalten hat, wohingegen die rechte Hirnhälfte für die Organisation von negativen Gefühlen und Vermeidungsverhalten von Bedeutung ist. Er konnte zeigen, dass ein annäherungsbezogener Ärgerstil (Anger-out) mit eher linksseitiger Aktivierung des Frontalhirns einhergeht, während ein aktiv vermeidender bzw. rückzugsbezogener Ärgerstil hingegen die vordere rechte Hirnhälfte aktiviert. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die motivationale Tendenz mit der frontalen Asymmetrie der Gehirnaktivierung verbunden ist.

Quelle

Journal of Personality and Social Psychology 2005.

 

Wahnvorstellungen

Wenn ein Gehirn aufgrund der Schädigung der rechten Gehirnhälfte unvollständige oder gar falsche Informationen erhält, versucht die linke Gehirnseite, diese Signale dennoch in einen sinnvollen Kontext einzuordnen. Dabei schießt sie nicht selten übers Ziel und kreiert Geschichten oder Zusammenhänge, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Ist dann auch noch jener Hirnbereich geschädigt, der falsche oder unrealistische Erinnerungen aussortiert, gelangen die falschen Eindrücke ins Bewusstsein. In der rechten Hemisphäre sind die Zentren für die Selbsterkennung, die emotionale Vertrautheit mit Dingen und Personen sowie das Erkennen der Grenzen des eigenen Ichs. Gibt es also dort eine Schädigung, wird die Beziehung zwischen dem psychischen, emotionalen und auch physischen Selbst und der Umwelt gestört. Diese fehlenden Funktionen versucht das Gehirn auszugleichen, indem es die linke Hirnhälfte, die unter anderem das Sprachzentrum enthält, auf den Plan ruft und aktiviert. Das führt häufig zu einer Überkompensation, in deren Verlauf eine Art "kreativer Erzähler" ausführliche und meist falsche Erklärungen für wahrgenommene Reize erschafft. Zwar besitzt das Gehirn eine Art Korrekturprogramm, das solche Fehler erkennt und eliminiert, aber durch die Schäden im Stirnlappen ist dieses ebenfalls häufig in Mitleidenschaft gezogen und kann diese Aufgabe nicht mehr erfüllen, sodass die anhaltenden Wahnvorstellungen auch dann bestehen bleiben, wenn dem Betroffenen die Realität deutlich vor Augen geführt wird.

Quelle

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/299387.html (09-01-16)

Addieren und Subtrahieren

Einer älteren Theorie zufolge war die Entwicklung der Mathematik beim Menschen nicht mit der Ausbildung eines speziellen Mathematikbereiches im Gehirn verbunden, sondern das Gehirn nutzte zum Rechnen schon vorhandene Ressourcen, da sich die neuronalen Schaltkreise für links-rechts-räumliche Augenbewegungen auch für die Addition und Subtraktion von Zahlen eignen. Bei Menschen, die von links nach rechts lesen, befinden sich kleine Zahlen gedanklich auf der linken Seite und größere Zahlen auf der rechten Seite. Da bei der Addition größere Zahlen entstehen, gleicht diese einer Bewegung nach rechts, während bei der Subtraktion kleinere Zahlen entstehen und daher einer Bewegung nach links entspricht.

André Knops et al. (2009) bestätigte das nun mittels eines MRT-Experimentes, bei welchem die Versuchspersonen zunächst ihre Augen nach links und rechts bewegen mussten, während Aufnahmen ihres Gehirns gemacht wurden. Anschließend bestimmte man die Hirnareale, die bei der Bewegung nach rechts oder links angesprochen wurden. Im zweiten Teil des Versuches mussten die Personen im Kopf addieren und subtrahieren, wobei sich zeigte, dass genau dieselben Areale angesprochen wurden wie bei der Bewegung der Augen. Mit Hilfe eines Computerprogramms konnte dann aus den aufgezeichneten Daten sogar vorhergesagt werden, ob die Testpersonen addiert oder subtrahiert hatten.

Quelle

André Knops, Bertrand Thirion, Edward M. Hubbard, Vincent Michel, Stanislas Dehaene (2009). Recruitment of an Area Involved in Eye Movements During Mental Arithmetic. Science DOI: 10.1126/science.1171599 - Published Online May 7, 2009

Die Fangfrage: Warum vertauscht ein Spiegel rechts-links und nicht oben-unten?

Dass ein Spiegel links und rechts vertauscht ist ein großer Irrtum, denn er vertauschtnicht links und rechts, sondern vorne und hinten. Was sich links vor dem Spiegel befindet, ist ja tatsächlich auch links zu sehen, genauso wie etwas rechts vor dem Spiegel auch rechts zu sehen ist, nur scheinen die Gegenstände sich nicht vor, sondern hinter dem Spiegel zu befinden. Wenn man einen Gegenstand im Spiegel betrachtet, so hat man den Eindruck, in diese Blickrichtung (zum Spiegel hin) auf den Gegenstand draufzuschauen, tatsächlich blickt man aber genau von der umgekehrten Richtung (vom Spiegel zurück) auf den Gegenstand.

Derselbe Effekt ergibt sich, wenn man einen Text auf eine Transparentfolie schreibt. Betrachtet man diese von der Rückseite, so erscheint der Text spiegelverkehrt. Dabei hat man aber nicht links und rechts vertauscht, sondern vorne und hinten.

Ein Spiegel kann im Prinzip auch oben und unten vertauschen, indem man ihn auf den Boden legt, denn vorne und hinten entspricht so den Richtungen oben und unten. Man blickt dann nach unten auf den Spiegel und sieht die Decke. Ein Spiegel, der sich in manchen Aufzügen an der Decke befindet, vertauscht ebenfalls oben und unten.

Hohlspiegel können jemanden auf den Kopf stellen, denn da ist die Spiegelfläche rund wie eine Satellitenschüssel, von der die Lichtstrahlen so reflektiert werden, dass sie wie eine Linse diese in einem Punkt bündeln und danach wieder auseinander projizieren, wodurch das Bild auf dem Kopf gestellt wird.

Die eigentliche Antwort auf diese falsche Frage ist, auf die falsche Behauptung schon in der Frage hinzuweisen, denn diese verführt erst dazu, in die falsche Richtung weiterzudenken. Warum bereitet dieses "Problem" dennoch so viele gedankliche Schwierigkeiten? Wenn man sich im Spiegel betrachtet, vergleicht man das mit der Situation, in der man einer wirklichen Person gegenüber steht, einem Spiegelzwilling. Wie aber hat der Spiegelzwilling diese Position eingenommen? Er ist durch eine halbe Drehung der Person dorthin gelangt und hat sich dabei mit dem Gesicht zu dieser aufgebaut. Dann liegt aber die Uhr an dessen linken Handgelenk der freien rechten Hand gegen! Um das "im Kopf" wieder zurecht zu rücken, vertauscht man links und rechts. Deshalb glaubt man, der Spiegel vertausche links und rechts. Tatsächlich hat man das aber selbst bewerkstelligt, weil man sich in der Vorstellung halb umgedreht hat.

Rein physikalisch betrachtet kehrt ein Spiegel immer nur eine Richtung um, und zwar die, die senkrecht auf seiner Oberfläche steht.

Übrigens: Nach einer Untersuchung der Universität Lübeck kann man das Gehirn durch Spiegelkratzen austricksen, wobei Kratzen nach einem Mückenstich völlig natürlich ist, denn Kratzen verursacht leichten Schmerz und damit einen Reiz, der wichtiger ist als der Juckreiz und deshalb schneller von Nervenfasern ans Gehirn weitergeleitet wird. Der Schmerzreiz unterdrückt also den Juckreiz, doch hört man auf zu kratzen, lässt der Schmerz nach und das Jucken beginnt erneut. In der Untersuchung ließ man Probanden statt einer juckenden Stelle auf dem rechten Arm die entsprechende Stelle auf dem linken Arm vor einem Spiegel kratzen. Offenbar hat das Gehirn einen Konflikt in der Wahrnehmung, den es auflösen muss, und projizieret das Gefühl des Kratzens auf die juckende Stelle auf dem anderen Arm.

Rechts- und linkswedelnde Hunde als Folge der Asynchronität der Gehirnhälften ;-)

Italienische Forscher haben übrigens herausgefunden, dass Hunde bei vertrautem Anblick nach rechts wedeln, bei Einsamkeit und Furcht wedeln sie jedoch eher links, allerdings können die unterschiedlichen Schwanzwedel-Richtungen praktisch nicht mit bloßem Auge festgestellt werden. Vertraute Personen entlocken auch ein stärkeres Wedeln als Katzen, die als Beute oder Spielkamerad ausgemacht werden. Als Erklärung vermutet man, dass die Gehirnhälften auch beim Hund asynchron arbeiten.

Konzentrationsübung

Lesen Sie im folgenden Text die Farben und nicht die Wörter:

GELB GRÜN ROT SCHWARZ BLAU BLAU ORANGE GELB GRÜN ROT SCHWARZ VIOLETT ORANGE GELB GRÜN BLAU GELB SCHWARZ BLAU GRÜN ROT ORANGE ROT ROT SCHWARZ VIOLETT ORANGE GELB GRÜN BLAU GELB ...

Zugabe? Sagen Sie abwechselnd das Wort und Farbe…

Auf einer hier nicht genannten webpage wird behauptet, dass bei der Durchführung dieser Übung "die beiden Gehirnhälften in Konflikt" kämen und man "geistig ins Stolpern" gerät. Die Schwierigkeit beim Lesen entsteht natürlich nicht aus einem Konflikt der Gehirnhälften, sondern ergibt sich aus der Tatsache, dass wir üblicherweise einen Text lesen und nicht die Farbe der Buchstaben wiedergeben bzw. beim Lesen automatisch die Buchstabenfolgen in sinnvolle Worte codieren und nicht auf die Farbe achten.

 

Quellen und Literatur



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