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Empirische Forschungsmethoden in Pädagogik und Psychologie

Ziel von Forschung in der Psychologie und Pädagogik ist es, Aussagen und Theorien über den jeweiligen Forschungsgegenstand zu ermöglichen. Da Aussagen und Theorien nur dann wissenschaftlich sind, wenn sie eine über die subjektive Meinung und Alltagserfahrung des Einzelnen hinausgehende Gültigkeit beanspruchen können, bedient man sich zu ihrer Gewinnung spezieller Methoden. Insbesondere empirische Forschungsmethoden stellen sicher, dass alle am Wissenschaftsprozess Beteiligten (scientific community) das Zustandekommen der Ergebnisse der Forschung nachvollziehen können. Forschungsmethoden bezeichnen somit den planmäßigen und systematischen Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Etwas methodisch zu tun, meint, bei der Gewinnung von Erkenntnis zielgerichtet, systematisch und überlegt vorzuugehen. Das bedeutet nicht, dass solche Methoden eine starre Abfolge von bestimmten Handlungen darstellen, die Schritt für Schritt ausgeführt wird, sondern alle Methoden müssen den jeweiligen Fragestellungen, Forschungszielen und Bedingungen angepasst werden. Im Forschungsprozess werden die gesetzten Handlungsschritte im Verlauf der Zeit wieder neu bewertet, wobei auch die jeweilige verwendete Methode stets wieder in Frage gestellt werden muss. Die Vermittlung von Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Forschungsmethoden, wie sie in fast allen sozialwissenschaftlichen Studien vermittelt werden, gelten heute auch als Schlüsselqualifikationen nicht nur des wissenschaftlichen Arbeitens, denn ein "wissenschaftliches", also systematisches und methodisch geleitetes Vorgehen ist in jedem Beruf von Nutzen.

Die Methodenausbildung nimmt daher sowohl im Diplomstudiengang Psychologie als auch in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen einen breiten Raum ein. Gerade im Grundstudium bzw. im Bachelorstudiengang widmet manches Institut der Methodenlehre mehr als 25% der gesamten Veranstaltungszeit. Viele Studienanfänger fragen sich, weshalb dieser Aufwand betrieben wird und wofür und weshalb in der Psychologie überhaupt Methoden benötigt werden. Die Begründung ergibt sich zum einen aus dem Gegenstand und zum andern aus dem Anspruch der Wissenschaft Psychologie. Es bedarf einer breiten Palette an Methoden zur Beantwortung der vielfältigen Fragen, die die Psychologie stellt. Methodenvielfalt ist auch deshalb nötig, da Erleben, Verhalten und Handeln oft nicht direkt beobachtbar sind und mit methodischer Hilfe erst erschlossen werden müssen (z. B. die Merkmale Intelligenz oder Gedächtnisleistung).

Aber Quantitäten sind nicht alles, wenn es darum geht, die Motive, Bedürfnisse und Entscheidungsgründe von Menschen aufzudecken und zu verstehen, wobei mit qualitativen Methoden wie Gruppendiskussionen, Fokus-Gruppen oder Tiefeninterviews Techniken des Hineinversetzens, Nachbildens und Nacherlebens eingesetzt werden, um die Erlebnisse, Verhaltenshintergründe und Motive der Menschen ganzheitlich zu untersuchen, wobei im Vordergrund die Frage nach dem "Warum" steht. Menschen neigen dazu, die Gründe ihres Verhaltens als rationaler zu erleben und zu beschreiben als sie es tatsächlich sind, sodass verschiedene Techniken eingesetzt werden müssen, um die künstlichen, reflektierten Überlegungen der Menschen über ihre Motive zu vermeiden und daher z.B. nur das "liefern", was der Forscher erwartet. Möglichkeiten sind hier etwa Assoziationsverfahren wie freies, gestütztes oder fortlaufendes Assoziieren, projektive Techniken wie Satzergänzung, die Collagentechnik, das Rollenspiel, Strukturlegetechniken, Stehgreiferzählungen, das Vervollständigen von Szenen usw. Insbesondere bei qualitativen Forschungen ist es wichtig, das Forschungsprogramm, d.h. Interview- oder Moderationsleitfaden sorgfältig und überlegt aufzubauen, denn wichtig ist nicht nur, was und wie man etwa mit GruppenteilnehmerInnenn diskutiert, sondern auch mit welchem Aufbau, denn die Zielrichtung, zunächst offen und unstrukturiert von den allgemeinen Alltagswahrnehmungen der Menschen zu strukturierteren und geführten Aussagen zu kommen, darf nicht aus den Augen verloren werden.

Auch bei pädagogischen Fragestellungen sind empirische Methoden wichtig, etwa wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, ob die Mitarbeit im Unterricht in gemischtgeschlechtlichen Schulklassen besser ist als in gleichgeschlechtlichen. Gegenstand von Forschung in der Pädagogik ist es, Aussagen und Theorien, die mit dem Prozess der Erziehung und Sozialisation verbunden sind, zu ermöglichen. Da solche Aussagen und Theorien aber nur dann wissenschaftlich sind, wenn sie eine über unsere subjektive Meinung und Alltagserfahrung hinausgehende Gültigkeit beanspruchen können, bedient man sich zu ihrer Entwicklung spezieller Methoden, den sogenannten Forschungsmethoden. Sie stellen sicher, dass alle am Wissenschaftsprozess Beteiligten das Zustandekommen der Ergebnisse nachvollziehen können. Forschungsmethoden bezeichnen also den planmäßigen und systematischen Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Etwas methodisch zu tun, meint, etwas nicht sprunghaft und planlos, sondern zielgerichtet, systematisch, überlegt und mitteilbar zu tun. Das heißt aber nicht, dass Methoden eine starre Abfolge von bestimmten Handlungen bilden, die Schritt für Schritt verfolgt wird. Im Gegenteil: Methoden müssen immer den Bedingungen angepasst werden, d.h., sie sind adaptiv, die Handlungsschritte müssen immer wieder neu bewertet werden, d.h., sie sind regulativ, außerdem muss die angewandte Methode immer wieder selbst neu in Frage gestellt werden, d.h., sie sind also reflexiv. Da jegliches wissenschaftliches Arbeiten, auch außerhalb von Forschungsprojekten, ohne einen Handlungsplan von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, können Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Forschungsmethoden heute als Schlüsselqualifikationen wissenschaftlichen Arbeitens bezeichnet werden.


Inhaltsübersicht Forschungsmethoden der Psychologie und Pädagogik


Empfehlenswerte ergänzende Texte

Susanne Haab: Neue Formen der Datenerhebung im Internet - am Beispiel von Fokusgruppen
Fokusgruppen weisen ein breites Einsatzgebiet auf. Gleichzeitig sind Gruppenprozesse mehrschichtig und komplex. Deshalb ist die Planung, Durchführung und Analyse von Fokusgruppen ein anspruchsvolles Unterfangen. Dabei ist die Entscheidung, Fokusgruppen in traditioneller Form oder Online durchzuführen, nur eine von vielen Ermessensfragen. Online-Fokusgruppen können sowohl in synchroner als auch in asynchroner Form realisiert werden. Der Studientext von Susanne Haab beinhaltet ein Instrumentarium für die Planung von Fokusgruppen sowohl traditioneller als auch virtueller Art.

In der Newsgroup de.sci.psychologie schrieb am 11.8.2006 Ulrich Gresch (http://www.psychoprobleme.de/) im Thread "Komorbidität bei Alkoholismus" zur Bedeutung der empirischen Forschung:

"… die empirische Forschung ist im Kern antiautoritär. Letztlich zählen nur Logik und Fakten - die Meinungen von Autoritäten lässt man zwar gelten, betrachtet sie aber als Hypothesen, die es durch Logik und Fakten zu widerlegen gilt. Allerdings räume ich ein, das den Betrieb empirischer Wissenschaft auch außerwissenschaftliche, autoritäre und ökonomische Tendenzen mitbestimmen. Man muss lernen, das eine vom anderen zu unterscheiden. Die Wissenschaft an sich ist keine Diktatur und keine Demokratie, weil man die Wahrheit weder dekretieren, noch über sie abstimmen kann. Die Crux ist, dass viele Menschen fast süchtig sind nach Autoritäten, nach großen und starken Männern und dass sie Logik und Fakten wenig beeindrucken. Sie wollen sich die Welt von Koryphäen erklären lassen. Dieses Phänomen betrifft natürlich auch die Psychologie und Psychotherapie - und dies sogar in besonderem Maße. Darum haben wir hier soviele Gurus, meinst männlichen Geschlechts mit treu ergebenen Jüngern, oft weiblichen Geschlechts. Obwohl heute die überwiegende Mehrheit der Psychologinnen Frauen sind (kein Scherz), sind die tonangebenden Gestalten immer noch Männer, doppelgesichtige Männer: die eine Seite ist liebevoll väterlich, die andere zürnend, zwanghaft, intrigant. Demgegenüber hat die empirische Forschung kein Geschlecht, Logik und Fakten sind weder männlich, noch weiblich. Es ist offensichtlich so, dass nicht nur Politik, Kommerz und meist männliche Eitelkeiten den wissenschaftlichen Fortschritt in der Psychologie behindern, sondern auch die Mythen des großen Mannes, die leider auch in vielen weiblichen Köpfen fest verankert sind. Frauen, die den Geist der Zahlen, Daten und Fakten bekämpfen, um eine weibliche Sicht durchzusetzen, sollten sich also klar machen, dass sie damit männliche Autorität und Eitelkeit in der Wissenschaft nicht schwächen, sondern stärken. Denn sie bekämpfen damit jenen Mechanismus, der zuverlässig an jeder Autorität nagt und nagt und nagt …" (Hervorhebungen von mir; W.S.).

Empfehlenswerte Literatur zu quanitativer und qualitativer empirischer Forschung

Abel, J., Möller, R. &.Treumann, K.P. (1998). Einführung in die empirische Pädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.

Atteslander, Peter (2000). Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: de Gruyter.

Bortz, J. & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer

Friedrichs, Jürgen (1990). Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Gorz, D. & Kraimer, K. (Hrsg.) (1991). Qualitative-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Hoffmeyer - Zlotnik, J.H.P. (Hrsg.) (1992). Analyse verbaler Daten. Uber den Umgang mit qualitativen Daten. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Huber, G.L. & Mandl, H. (Hrsg.) (1994). Verbale Daten. Eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Erhebung und Auswertung. Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Janssen, J. & Laatz, W. (1994). Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows. Eine anwendungsorientierte Einführung in das Basissystem. Berlin: Springer.

König, René (Hrsg.) (1973). Handbuch der empirischen Sozialforschung. Band 2: Grundlegende Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung: erster Teil. Stuttgart: Enke.

König, E. u. Zedler, D. (Hrsg.) (1995). Bilanz qualitativer Forschung. Bd. 1: Grundlagen qualitativer Forschung; Bd. 2: Methoden. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

Kromrey, Helmut (2000). Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung. Opladen: Leske + Budrich.

Lamnek, S. (1993). Qualitative Sozialforschung. Bd. 1: Methodologie; Bd. 2: Methoden u. Techniken. Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Schnell, Rainer, Hill, Paul B. & Esser, Elke (1999). Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg.

Wellhöfer, Peter R. (1997). Grundstudium Sozialwissenschaftliche Methoden und Arbeitsweisen. Stuttgart: Enke.

    

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