[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Link zu LerntechnikFormen des Lesens von wissenschaftlicher Literatur

Erst durch das Lesen lernt man,
wieviel man ungelesen lassen kann.
Wilhelm Raabe

 

Über das Lesen

Aus einem Gespräch von Norbert Lossau mit dem Hirnforscher Ernst Pöppel: Schulbücher mit Zeitungsspalten.
WWW: http://www.welt.de/
die-welt/wissen/article6957033/
Schulbuecher-mit-Zeitungsspalten.html (10-03-28)
Dehaene, Stanislas (2009). Reading in the Brain. Penguin Viking.
Siehe dazu: http://readinginthebrain.pagesperso-orange.fr/figures.htm (11-08-21)
http://www.extremnews.com/
berichte/vermischtes/5b414919d9d7e1 (13-0929

Übrigens sind manche Menschen davon überzeugt, dass das von Gelehrten, Mönchen und anderen Trägern der Aufklärung unterstützte Lesen nicht besonders förderlich für die menschliche Gesundheit ist, denn die meisten LeserInnen tragen Brillen und haben Sehstörungen. Außerdem treten bei VielleserInnen Rückgratverkrümmungen, Radikulitis, Skoliosis und andere körperliche Erscheinungen auf, darüber hinaus leiden sie durch ihre bewegungsarme Lebensweise an Übergewicht. Des Weiteren findet man bei ihnen vermehrt Kopfschmerzen, vegetativ-vaskuläre Dystonie oder Nervenstörengen und eine geringe Immunabwehr. Außerdem werden beim Lesen als einer relativ neue Erscheinung in der Evolution Gehirnregionen verwendet, die ursprünglich für andere Fertigkeiten zuständig waren. So benachteiligt das Lesenlernen die Fähigkeit der Menschen, Menschengesichter wahrzunehmen (s. u.), wozu noch die nachweisbare Tatsache hinzukommt, dass man durch die Anzahl der Bücher, die man gelesen hat, nicht klüger wird, denn meist bekommt das Gehirn Informationen, die nicht nur nutzlos für das Leben sondern auch absolut systemlos sind. Vor allem beim Unterhaltungslesen bleibt der Verstand passiv und entwickelt sich auch nicht. Viele Leute glauben zwar, dass sie sich dadurch weiterentwickeln, wenn sie Bücher lesen, doch systemloses Lesen überlastet das Gehirn mit Informationen und verhindert deren Verwertung.

Das menschliche Gehirn wurde erst im Lauf der Evolution zum lesenden Gehirn, denn dass wir Bilder von Sinneseindrücken in unserm Gehirn ablegen, graphische Symbole entziffern, Laute und Zeichen einander zuordnen können, sind nur einige der komplexen Voraussetzungen des Lesens, sodass Lesen als eigenen Akt nur ganz beiläufig und instrumentell wahrgenommen wird. Während Fähigkeiten wie Sehen oder Hören auf einem eigenen genetischen Programm beruhen, das sich nur entfalten muss, gibt es für das Lesen keine solche genetische Verankerung, sondern der Mensch muss das Lesen erst erlernen.

Lesen ist übrigens in Bezug auf die menschliche Wahrnehmung eine der unnatürlichsten Tätigkeiten des menschlichen Gehirns, denn das Gehirn hat im Laufe der Evolution keine Strukturen entwickelt, die für das Lesen besonders geeignet wären. Lesen ist auch eine noch recht junge kulturelle Erfindung, die es erst seit rund 4000 Jahren gibt und basiert auf einer der größten Kulturrevolutionen in der Geschichte der Menschheit, dass gesprochene Sprache in grafische Elemente umgewandelt werden kann. Nach Pöppel wehrt sich das menschliche Gehirn geradezu gegen Lesen, denn das anstrengungslose Lernen und Verarbeiten von Informationen wird durch Lesen eher behindert. Bilder können mit deutlich weniger Anstrengung aufgenommen werden, denn die Hälfte des menschlichen Gehirns beschäftigt sich mit der Verarbeitung von visuellen Informationen. "Bevor der Mensch das Lesen lernte, wurde Wissen aus Gehörtem und bildlicher Repräsentation im Gehirn erzeugt. Daran waren beide Gehirnhälften beteiligt. Die Fähigkeit zu lesen hat uns dann zwar den Zugriff auf sehr viel größere Informationsmengen ermöglicht. Durch das Lesen, also der Abstraktion von Gesprochenem, konnte das Wissen vom einzelnen Menschen getrennt und in Büchern und Archiven gespeichert und weitergegeben werden. Doch wir üben da eine Tätigkeit aus, die uns von der Evolution nicht mitgegeben wurde. Der Wirkungsgrad der Wissensvermittlung durch Lesen ist unglaublich gering, wenn man sich nicht gewaltig konzentriert. Wenn ich einen wissenschaftlichen Text lese und seine Bedeutung verstehen will, erfordert das eine hohe Konzentration. Nur mit harter Arbeit lässt sich die Sache durchdringen. Doch jeder kennt auch, dass man bisweilen oberflächlich über einen Text hinwegliest und sich anschließend fragt, was man da überhaupt gelesen hat. Man nimmt also keine Informationen auf. Anders ist das beim Lesen von Gedichten, Novellen oder Romanen. Dabei entsteht in mir selber ohne Anstrengung eine individuelle Geschichte mit meinen inneren Bildern".

Ein Grundproblem, das Menschen und insbesondere SchülerInnen oft mit dem Lesen haben, liegt an der schlechten Gestaltung der Bücher bzw. Schulbücher, denn die einzelnen Textzeilen sind viel zu lang und erschweren so das Lesen. "Das hat mit den zeitlichen Abläufen der Informationsverarbeitung im Gehirn zu tun. Wir haben ein Gegenwartsfenster von zwei bis drei Sekunden, in dem wir uns gut auf etwas konzentrieren können. Danach ist das Gehirn wieder bereit für die Aufnahme der nächsten Information. Wir haben dieses Zeitfenster in allen Kulturen gefunden, bei Japanern ebenso wie bei Buschmännern oder Indianern. Das ist eine biologische Grundkonstante. Interessanterweise haben die Spalten in Tageszeitungen für dieses Bewusstseinsfenster genau die richtige Länge. Man liest eine Zeile innerhalb dieser natürlichen Zeitspanne. Und das ist für das Gehirn viel weniger anstrengend als das Lesen einer langen Buchzeile. Wir hätten also schon viel gewonnen, wenn die Texte in Schulbüchern in Form von Zeitungsspalten gedruckt würden. Das würde es den Kindern einfacher machen."

Beim Lesenlernen arrangiert sich nach den Erkenntnissen der Gehirnforschung das Gehirn neu, denn es werden Regionen miteinander verknüpft, die für andere kognitive Fähigkeiten wie Seh-, Sprach- und Gedächtnisprozesse vorgesehen sind. Unser Gehirn besitzt aber eine "offene Architektur", die so flexibel ist, dass es sich den jeweiligen Erfordernissen durch Änderung oder Umstrukturierung anpassen kann. Dank dieses offenen Designs sind Menschen mit einem Programm versehen, das sie befähigt, die von der Natur verliehene Ausstattung zu verändern und die vorhandenen Kapazitäten zu erweitern. Mit neuen Verknüpfungen beim Lesenlernen bildet sich aber nicht nur die materielle Struktur des Gehirns um, sondern auch das Denken verändert sich, sodass sich das Gehirn eines versierten Lesers von dem eines beginnenden Lesers, das eines Lesers überhaupt von dem eines Nicht-Lesers unterscheidet. Auf neuronaler Ebene nutzt etwa ein Mensch, der Chinesisch lesen lernt, eine ganz bestimmte Gruppe neuronaler Verbindungen, die sich von den Nervenbahnen, die beim Lesen von Englisch aktiviert werden, signifikant unterscheiden. Wenn sich chinesische Leser dann zum ersten Mal daran machen, Englisch zu lesen, versucht ihr Gehirn, chinesisch-basierte Nervenbahnen zu nutzen, denn viele der Denkweisen und -inhalte beruhen auf Erkenntnissen und Assoziationen, die beim Lesenlernen und späteren Lesen gewonnen wurden. Eine in Millisekunden gemessene Zeitspanne steht dem Leser beim schnellen, automatisierten Lesen zur Verfügung, um beim Lesen ein Bedeutungsverständnis und eigene Assoziationen zu entwickeln, wobei er beim Lesen erst dann mit dem Denken und in der Folge auch auch mit dem Fühlen beginnen kann. Also handelt es sich beim Lesen keinesfalls um einen passiven, abgeschliffenen Vorgang. Heute befindet sich das menschliche Gehirn in einem Übergang vom lesenden zu einem zunehmend digital geprägten scannenden Lesen, was vermutlich massive Auswirkungen auf die Gehirnstrukturen der nächsten Generationen haben wird (Wolf, 2009).

Auf Grund von Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren hatte man deshalb angenommen, dass beim Erlernen von bildorientierten und schriftorientierten Schreibsystemen jeweils ganz unterschiedliche Areale des Gehirns in Anspruch genommen werden, je nachdem, welches Schriftsystem erlernt wird. Stanislas Dehaene (2009) hat nun gezeigt, dass das Gehirn immer zwei parallele Netzwerkpfade verwendet, um ein Wort oder Schriftzeichen zu interpretieren, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß: Mit einem Pfad versucht das Gehirn, die Gestalt eines Worts wiederzuerkennen, wobei Buchstaben und Wörter als grafische Formen behandelt werden, während auf dem anderen Pfad, der beim Lesen der chinesischen Schriftzeichen verwendet wird, das Gehirn das Geschriebene analysiert, indem es die Handbewegungen nachvollzieht, die zum Schreiben notwendig sind, sodass statt der Gestalt Gesten die Hauptrolle spielen. Die lateinische Druckschrift hat heute nur noch wenig Bezug zur ursprünglichen Handschrift, während bei chinesischen Zeichen die Strichfolge einen entscheidenden Beitrag zur Gestalt auch noch gedruckter Zeichen leistet, wodurch diese deshalb auch im Gehirn der Lesenden stärker repräsentiert sind. Es zeigt sich nämlich, dass der Unterschied in den Aktivitätsmustern etwa zwischen chinesischen und französischen Probanden verschwinden, wenn den Franzosen eine lateinische Schreibschrift präsentiert wird.

Sokrates kritisierte übrigens, dass die Schrift die gesprochene Rede verfestigt und dass Lesen verglichen mit einem Gespräch ein passiver, eindimensionaler Vorgang sei, bei dem das Schaffen von Bedeutungen und eine Verknüpfung dieser leidet. Beim Lesen erwirbt der Mensch nicht automatisch Wissen, sondern er benötigt Vorkenntnisse und eigene Erfahrungen bzw. auch die Fähigkeit, so zu lesen, dass er die gelesenen Inhalte in ein Bezugsmuster einordnen kann.

TIPP: Maryanne Wolf, Entwicklungspsychologin und Neurowissenschaftlerin erklärt in ihrem Buch "Das lesende Gehirn" wie die Menschheit etwa 2000 Jahre brauchte, um einen alphabetischen Code zu entwickeln, eine Leistung, die Kinder heute innerhalb von 2000 Tagen vollbringen müssen. Beim Erlernen der Schrift werden bisher unverbundene Gehirnareale, die eigentlich dem Sehen oder Hören dienen, vollkommen neu vernetzt, wodurch im Kopf eines Lesers eine ganz eigene Hirnarchitektur entsteht, die auch von Kultur zu Kultur unterschiedlich ist, je nachdem das Kind deutsche, englische, japanische oder chinesische Zeichen entziffern lernt. Denn beim Lesen nehmen Menschen nicht einfach Informationen auf, sondern sie bilden eine eigene gedankliche Welt, die eben nicht wie andere Wahrnehmungsleistungen in den Genen angelegt ist. Die Autorin betont, dass es der liebevollen Zuwendung und der Anregung durch Laute, Reime und das Vorlesen bereits in der frühen Kindheit bedarf, um wortreiche LeserInnen hervorzubringen.

Zwischen Anfänger und Leseexperten gibt mit mehreren Zwischenstufen, aber es sollte das Ziel sein, Leseexperte zu werden, um ein Lesen zu lernen, dass über das reine Analysieren und Erfassen von Informationen hinausgeht. Nur so kann man Wissen erwerben, wofür wir Texte interpretieren müssen und das bedeutet letztlich Arbeit, da beim Lesen der Sinn der Wörter, Wortgruppen, Sätze erkannt und auch Verbindungen hergestellt werden müssen, denn Bekanntes und Unbekanntes müssen identifiziert werden. Wer daher zu schnell liest, kann diese Unterscheidung nicht mehr treffen. Wenn man beim Lesen so schnell fortschreitet, dass man die Bedeutung des Gelesenen nicht mehr aktivieren kann, weil man nur nach Informationen Ausschau hält, verfehlt man den Aspekt des verstehenden Lesens. Ein idealer Leser kann dieses Gleichgewicht zwischen Effizienz und Vertiefung halten. Bildungseinrichtungen fördern ein effektives, zielgerichtetes Lesen, das schnelle Erfassen von Informationen, doch Lesen heißt aber nicht nur Informationen aufnehmen, sondern es geht darum, in eine andere Welt einzutauchen, die wir real im normalen Leben niemals ausleben könnten, etwa auch verbotene Gefühle und Vorstellungen zu wagen, sich in einen Mörder hineinzuversetzen. So kann man Dinge entdecken, die sonst nie erlebr oder erfahren erfahren werden können. Bei einem solchen Lesen geht man weit über das hinaus, was ein Autor Schwarz auf Weiß in Form von gedruckten Buchstaben hinterlassen hat, sondern entdeckt dabei Zusammenhänge und Wahrheiten in Bezug auf die eigene Person - "deep reading" und "deep understanding".

Ebooks werden langsamer gelesen
Eine Vergleichsstudie an 24 Personen mit dem iPad von Apple, dem Kindle von Amazon und mit einem gedruckten Buch zeigte übrigens, dass das Lesen auf Papier am schnellsten geht, wobei das Lesen auf dem iPad um sechs Prozentund auf dem Kindle um elf Prozent langsamer ist.

Das Lesen im Studium

Das meiste Wissen während eines Studiums eignet man sich nicht in Vorlesungen oder Seminaren an, sondern durch die weitgehend selbständige Bearbeitung von wissenschaftlicher Literatur. Das gilt zwar schon für die ersten Semster, doch gewinnt das Literaturstudium im Verlaufe des Studiums immer mehr an Bedeutung. Da dafür in der Regel nicht unbegrenzt Zeit vorhanden ist (man oft sogar unter Zeitdruck steht), erfordert das ein möglichst rationelles Lesen, d. h., die Aufnahme- und Speicherkapazität sollte dabei möglichst hoch sein. In unserem Zusammenhang geht es in erster Linie um das studierende Lesen, das gründliche Durcharbeiten eines Textes. In erster Linie muss beachtet werden, dass nicht jeder Text auf die gleiche Weise gelesen werden kann.

Ein Text kann im Lernprozess sehr unterschiedlich eingesetzt werden. So werden etwa Nachrichten, Lehrbücher, Informationstexte, Gebrauchsanweisungen oder Kommentare in verschiedenen Textformn verfasst (vgl. Ballstaedt 1997):

Die Wahl der Textsorte hängt davon ab, welche Wissensform bzw. welches Themengebiet vermittelt werden soll. So ist es kontraproduktiv, ein Kochrezept in narrativer Form zu verfassen. Es ist aber die Aufgabe des Autors zu entscheiden, welcher Texttyp für seine Inhalte geeignet ist.

In der einschlägigen Literatur werden verschiedene Arten des Lesen beschrieben. Ein Roman wird beispielsweise Satz für Satz gelesen (lineares Lesen), während eine Zeitung im Gegensatz dadzu nur überflogen wird, um sich einen Überblick zu verschaffen (selektives Lesen). Werden nur spezielle Informationen (z.B. aus einem Lexikon) gesucht, kann man dies als konsultierende Lesen bezeichnen. Beim differenzierenden Lesen werden z.B. aus Lehrbüchern gewissenhaft Informationen aufgenommen. Jeder Autor muss sich dieser verschiedenen Formen des Lesens bewusst sein, und je nach seiner Absicht den Text dementsprechend gestalten. Vor allem bei langen Texten besteht das Problem, dass der Leser nicht den gesamten Inhalt aufnehmen und behalten kann. Dem Leser ist dabei meist nicht von Vornherein klar, welcher Inhalt besonders wichtig ist und welchen er lernen soll. Damit der Lernende einen Schwerpunkt erkennt, können für ihn etwa Lernziele formuliert und am Beginn des Textes mitgeteilt werden. Diese beinhalten, welche Inhalte der Leser nach dem Lesen des Textes gelernt haben sollte. Dadurch ist eine gezieltere Informationsaufnahme möglich.

Die Formulierung von Lernzielen ist besonders sinnvoll, wenn es sich um eine große Stofffülle oder wenig Zeit zur Bearbeitung verfügbar ist. Haben Sie schon einmal eine Zeitbudgetanalyse für Ihr Studium durchgeführt? Haben Sie schon für die nächste Woche, dieses Semester, dieses Studienjahr einen groben Zeit und Arbeitsplan erstellt? Je nach Zielsetzung können bei StudentInnen und SchülerInnen folgende Arten des Lesens unterschieden werden:

Auch ein Großteil der studentischen Lernprozesse stützt sich auf Lesen, also das Durcharbeiten von schriftlichen Informationen. Um diese meist unüberschaubaren Mengen von Fachbüchern, Forschungsberichten, Fachartikeln, Skripten, Dokumentationen und Notizen bewältigen zu können, bedarf es besondere Techniken. "Wissenschaftliches Lesen" muss viel Text in kürzerer Form aufnehmen und dennoch die wesentlichen Informationen speichern können. Empirische Untersuchungen zum Leseverhalten belegen auch, dass jemand, der ohne gezieltes Interesse liest, versteht und behält weniger als Personen, die beim Lesen des gleichen Textes nur nach der Antwort auf eine einzige Frage suchen. Konkret formulierte Fragestellungen an einen Text wirken wie Greifhaken, an denen mit den Antworten auf die Hauptfrage auch die anderen Informationen im Gedächtnis hängen bleiben.

Ebenen der Verarbeitung von Texten

Jeder Text weist in der Regel zwei Merkmale auf: Kohärenz und Linearität. Unter Kohärenz versteht man, dass der Text als Ganzes gesehen werden kann. Dies bedeutet, dass die Inhalte des Textes miteinander verbunden sind und für den Leser keine Inhaltslücken oder -brüche bestehen. Die Linearität eines Textes bedeutet, dass der Autor die Inhalte in eine sinnvolle und verständliche Reihenfolge bringt. Der Leser folgt später dieser Reihenfolge und liest den Text von der ersten bis zur letzten Zeile so, wie vom Autor vorgegeben. Sollen im Text nicht-lineare Zusammenhänge aufgezeigt werden, geschieht dies über Verweise im Text auf bereits Gelesenes oder auf noch Kommendes (z.B. durch Fußnoten oder Exkurse).

Die kognitive Verarbeitung von Texten ist jedoch kein linearer Prozess, vielmehr verlaufen nach Ballstaedt (1997) und Strittmatter (2000) fünf Ebenen der Verarbeitung parallel und beeinflussen sich gegenseitig.

Der Leseprozess ist daher eine komplexe Tätigkeit und kann von verschiedensten Einflussfaktoren gestört werden. Wird etwa der Lesefluss unterbrochen, können die zu vermittelnden Informationen nicht behalten werden. Damit diese möglichen Einflüsse minimiert werden, sollten von AutorInnen einige didaktische Maßnahmen getroffen werden, die inhaltlicher und formaler Natur sein können. Das sollten auch StudentInnen und SchülerInnen beachten, die etwa in Seminaren oder manchen Unterrichtsgegenständen Lerntexte verfassen.

MarginalienDas Lesen von langen Texten fordert vom Leser dauernde Konzentration. Er hat im Leseprozess keine Möglichkeit nachzudenken oder sich zu orientieren, wenn ihm keine Möglichkeit geboten wird. Solche Möglichkeiten stellen beispielsweise Überschriften dar. Sie strukturieren den Text und geben dem Leser kurz Zeit, das Gelesene zu verarbeiten. Außerdem können sie als Gliederungspunkte, in Form von Nummerierungen, oder als thematischer Überblick fungieren. Darüber hinaus können sie auch Aufschluss über die Sichtweise der Autorin oder des Autors geben. Eine weitere Möglichkeit zur Orientierung bieten Markierungen (Siehe dazu Randmarkierungen, Randkommentare, Markieren und Hervorheben). Sie informieren den Leser, an welcher Stelle der Information er sich gerade befindet. Dies erfolgt durch Inhaltsinformationen in der Kopf- oder Fußzeile oder durch Stichwörter am Beginn eines Absatzes oder am Rand. Werden Textteile markiert geschieht dies durch Umrandung oder farbliche Hervorhebungen. Einzelne Wörter können dementsprechend formatiert werden. Bei Texten, die aus über 2500 Wörtern bestehen, sollte eine kurze, präzise Zusammenfassung erstellt werden. Diese führen dem Leser die Kernaussagen des Textes nochmals vor Augen und helfen ihm diese besser zu behalten. Zusammenfassungen können dem Text entweder vorausgestellt (als Überblick) oder nachgestellt (als Rückblick) werden. Es ist zu beachten, dass sich die Zusammenfassung nur auf den Text bezieht und keine neuen Inhalte enthält.

Siehe auch Der Umgang mit schwierigen Texten: Ein Leitfaden

Der Leseprozess wird erheblich durch die Sprache beeinflusst. Sind im Text komplizierte und unbekannte Wörter enthalten, kann dieser nur erschwert verstanden werden. Der Autor muss deshalb darauf achten, dass keine Fremdwörter, Kunstwörter oder nicht gebräuchliche Wörter im Text verwendet werden. Dies gilt natürlich nicht für Fachtermini, diese sind unabkömmlich, müssen jedoch erklärt werden. Am besten ist es, wenn die Sprache des Textes am Sprachgebrauch des Lesers orientiert ist. Unübersichtliche Sätze behindern ebenfalls das Verständnis beim Lesen. Je länger Sätze sind, desto informationsgeladener und komplexer sind diese. Einschübe, Umkammerungen und Floskeln sind daher beim Schreiben zu vermeiden. Werden Sätze in sich verschafchtelt, führt dies auch zu Problemen. Es ist auch möglich, komplexe und schwierige Informationen in einfache Sätze zu verpacken.

Eine weitere Maßnahme besteht darin, dass das Gelesene mit dem Vorwissens verbunden werden muss. Durch diese Verknüpfung von Neuem und Alten, kann der Leser besser aufnehmen und behalten. Dies wird vor allem durch Beispiele, Exkurse und Vergleiche erreicht. Bei Beispielen, werden abstrakte Inhalte anschaulich dargestellt und bei Vergleichen, werden bereits vorhandene Strukturen mit den Neuen verglichen. Komplexe und schwierige Zusammenhänge können in Form von Exkursen aufgezeigt werden. Vor allem der Einsatz von "advance organizer" aktiviert Vorwissen, denn vor der Informationsaufnahme wird das Vorwissen mit den Kernideen des neuen Wissens verbunden.

Die formale Gestaltung eines Textes

Durch die Gestaltung können unter anderem die Lesegeschwindigkeit, Fehlerhäufigkeit undt die Ermüdungserscheinungen beeinflusst werden. Vor allem der Einsatz von augenfreundlicher Schrift und die übersichtliche Seitengestaltung sind von Bedeutung. Unter augenfreundlicher Schrift versteht man serife Schriftarten, die eine Schriftgröße von 12pt besitzen und weder kursiv oder fett formatiert wurden. Kursive oder fette Schriften können das Auge sehr schnell ermüden. Auch muss beachtet werden, dass zwischen den Zeiten ein Abstand von 1,5pt eingehalten wird und auch die Wort- und Buchstabenabstände optimal gewählt werden. Die übersichtliche Seitengestaltung betrifft vor allem den Umgang mit Leerflächen, damit das Blatt nicht zu überladen und unübersichtlich wirkt. Jeder Text sollte also so gestaltet sein, dass er optisch den Anforderungen des Lesers entspricht und ihn zum Denken anregt. Eine Möglichkeit, um den Leser zum Denken anzuregen, ist der Einsatz von Selbstkontrollaufgaben. Hier hat der Leser die Möglichkeit seinen Lernerfolg anhand der in Kapitel "schriftliche Prüfungsverfahren" beschriebenen Aufgaben zu überprüfen.

Diese Gestaltungsrichtlinien gelten vor allem für gedruckten Text, sind jedoch für Texte am Bildschirm ähnlich, wobei das Lesen am Bildschirm für den Lernenden mühsamer und anstrengender ist, als vergleichsweises Lesen einer Zeitung. Darüber hinaus, kann ein Bildschirmtext vom Lernenden nur langsamer gelesen werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Lesen eines Bildschirmtexte um ein Fünftel langsamer vor sich geht als das Lesen von Druck auf Papier. Das Medium hat jedoch eher geringen Einfluss auf die Verarbeitung des Textes beziehungsweise dessen Verstehen. Daher gilt auch für Bildschirmtext, dass Strukturiertheit oder Wortwahl die Verarbeitung beeinflussen. Aufgrund der erhöhten Ermüdungserscheinungen beim Lesen am Bildschirm sollten aber keine langen Fließtexte verwendet werden, vielmehr sollte der Text in kleinere Blöcke unterteilt werden, um dem Lernenden die Verarbeitung zu erleichtern. Als Faustregel kann hier gelten, dass der Text nicht länger als eine Bildschirmseite sein sollte. Ist der Text so lange, dass er nicht mehr auf einer Bildschirmseite dargestellt werden kann, besteht zwar die Möglichkeit zu scrollen, es muss jedoch berücksichtigt werden, dass gescrollter Text noch langsamer gelesen wird.

Textauswahl

Da man selten alles lesen kann, was man zu einem Thema findet, muss von vornherein ein Teil der gefundenen Literatur aussortiert werden. Manchmal reicht zur Einschätzung eines Buches ein Blick ins Inhaltsverzeichnis. Da Kapitelüberschriften aber täuschen können, sollte man einige Passagen querlesen (Klappentext, Einleitung, Schluss, Kapitel überfliegen). Oft sind nur einzelne Kapitel eines Buches relevant für eine konkrete Fragestellung. Zur Einschätzung der Qualität eines Buches ist auch das Lesen von Rezensionen hilfreich. Hat man einen brauchbaren Text gefunden, geht es darum, ihn zielgerichtet zu lesen, d.h., man muss wissen, was von dem Text erwartet wird (Fragestellung der Arbeit), so dass man Relevantes von Irrelevantem unterscheiden kann (Fragen man an den Text). Nach dem Überblick über den Inhalt beginnt das Exzerpieren, das eine wichtige Voraussetzung dafür ist, um später aus dem Text zitieren zu können. Daher sollte man nie vergessen, zu dem Exzerpt den Beleg dazuzuschreiben und zu einzelnen Zitaten die Seitenzahl. Obwohl dieses Verfahren relativ zeitaufwändig scheint und bei längeren Texten oder ganzen Büchern gar nicht so einfach ist, ist es wohl das nachhaltigste Lernverfahren, denn die Anfertigung des Exzerptes erspart häufig das wiederholte Lernen. Die gesammelten Exzerpte sollte man von Beginn an thematisch ordnen, damit man später gezielt auf sie zugreifen kann.

Ein praktischer Tipp
Lesen Sie ein Fachbuch also wie eine Zeitung oder eine Illustrierte.
Beispiel: Für eine Lehrveranstaltung soll ein Referat erstellt werden. Das Thema und eine umfangreiche Literaturliste sind vorgegeben. Die angegebene Literatur wird auf ihre Relevanz überprüft, dabei wird man zunächst kursorisches Lesen bevorzugen. Hat man sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt und verfügt über einen Überblick, kann man in Frage kommende Bücher schon unter bestimmten Gesichtspunkten selektiv lesen, relevante Kapitel und Abschnitte aussondern. Beim vergleichenden Lesen extrahiert man die unterschiedlichen Meinungen verschiedener Autoren. Dies ermöglicht es die gegebene Problematik differenzierter darzustellen. Das eigentliche Bearbeiten eines Buches oder Artikels geschieht dann durch das studierende Lesen, wobei man hier vielleicht auch schon an die Prüfung denkt.

Bei allen Formen des Lesens wissenschaftlicher Literatur sollten Sie Ihre Arbeit möglichst umfangreich und übersichtlich dokumentieren, wobei das vom Führen eines Arbeitsbuches bis zum Anlegen einer Datenbank reichen kann. Siehe dazu Wie man Exzerpte anfertigt

Viele Menschen lesen Fachbücher genauso wie Romane: vorne mit der ersten Seite beginnen und dann das Buch Seite für Seite durcharbeiten. Es gibt eine viel bessere Methode für das Lesen von Informationstexten jeder Art: Überfliegen Sie Ihre Lektüre zuerst. Lesen Sie bei einem Buch den Klappentext. Schauen Sie sich das Inhaltsverzeichnis genau an. Überfliegen Sie alle Überschriften oder Zwischenbemerkungen, wie Graphiken, Kästchen oder Marginalien (Seitenrandhinweise). Blättern Sie einfach ein bißchen herum und tauchen Sie selektiv dort ein, wo etwas für interessant ist. Ein guter Trick ist auch, jeweils die ersten und letzten Absätze eines Buchkapitels zu lesen, denn am Anfang erfährt man oft, worum es geht und am Ende kann man die Schlußfolgerungen oder sogar eine Zusammenfassung lesen. 

Siehe dazu die Arbeitsblätter Verbesserung der Lesegeschwindigkeit, Entwicklung eines effizienten Lesens und Schnelllesen, Photoreading und andere Wundermethoden.

Lesen auf dem WC

Laut Statistik nehmen 50 Prozent der Erdbevölkerung ein Buch auf das WC, und Jack Sim, der Gründer der „World Toilet Organization“, sagt, das Lesen auf der Toilette in ganz Europa und Amerika verbreitet ist. Laut Statistik nimmt jeder dritte Engländer (26 Prozent der Frauen und 49 Prozent der Männer) auf dem Weg zum WC etwas zum Lesen mit, wobei 65 Prozent Zeitungen vorziehen, 14 Prozent planen ihre laufenden Aufgaben, zehn Prozent lesen Zeitschriften und nur acht Prozent ein Buch. Zur Zerstreuung des lesenden Publikums ist in Großbritannien ein auf Toilettenpapier gedrucktes Lehrbuch der japanischen Origami-Kunst erschienen. In Deutschland verbringt jeder Einwohner täglich im Durchschnitt 20 bis 25 Minuten beim Lesen auf der Toilette. Man findet bereits die Werke der Klassiker auf Klopapier, etwa die Gedichte von Heinrich Heine. Aber weitesten ist diese Form der Buchveröffentlichung in Amerika entwickelt, wo es mehrere Verlage gibt, die sich auf die Publikation von Literatur für die Lektüre auf dem Klo spezialisieren. Zu den Spezialisten auf diesem Gebiet zählen „Uncle John's Bathroom Reader“ und „Red-Letter Press, Inc.“ mit vor allem unterhaltender Information wie Kreuzworträtseln, kurzweiligen Enzyklopädien und Witzsammlungen.

Quellen

http://zeitzuleben.de/ (99-10-20)
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/5SchritteMethode.html (02-11-08)
http://www.RZ.UniBw-Muenchen.de/~s11bwild/list/meta.htm (99-08-15)
http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/ZSB/studientechniken11.html (02-11-30)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Texte_analysieren.htm (03-06-02)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Lesen.htm (03-06-02)
http://www.unilife.de/bund/rd/38244.htm (05-01-03)
http://www.extremnews.com/berichte/vermischtes/5b414919d9d7e1 (13-09-29
Ballstaedt, S. (1997). Wissensvermittlung - Die Gestaltung von Lernmaterial. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
Strittmater, P. & Niggemann, H. (2000). Lehren und Lernen mit Medien - Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Wolf, Maryanne (2009). Das lesende Gehirn: Wie der Mensch zum Lesen kam - und was es in unseren Köpfen bewirkt. Spektrum.

 



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