Schnelllesen, Photoreading und andere Wundermethoden
Ich habe einen Kurs im Schnelllesen mitgemacht
und bin jetzt in der Lage, »Krieg und Frieden« in zwanzig Minuten durchzulesen.
Es handelt von Rußland.
Woody Allen
Eine nicht unwesentliche Rolle für das alltägliche Lesen aber im Besonderen auch für das Verarbeiten wissenschaftlicher Literatur spielt die Lesegeschwindigkeit, die sich seit dem Lesenlernen mit sechs Jahren bei manchen Menschen oft nur unwesentlich verändert hat. Viele Menschen wünschen sich daher, sie könnten schneller lesen, damit sie mehr Informationen in weniger Zeit bewältigen können.
Rosenbauer, Frank (1998). "Lies mal schnell!"
WWW: http://www.beltz.de/html/frm_psyheu.htm (04-04-22)
http://rosenbauer.de/psych.htm (06-04-14)
Literatur
Michelmann, Rotraut & Michelmann, Walter Uwe (1998). Effizient und schneller lesen - mehr Know-how für Zeit- und Informationsgewinn. Rowohlt: Reinbek.
Wer sein Lesetempo steigern will, muss daher eine neue Art des Lesens erlernen, wobei das meiste auf ein System von Evelyn Wood aus den 50ern des vorigen Jahrhunderts rekurriert, die mit Reading Dynamics ein drei- bis vierfaches Tempo versprach. Wissenschaftler stützten zunächst die Erfolgsmeldungen der AnwenderInnen, allerdings fanden sie auch, dass diese Lesetechnik zwar mehr Tempo aber letztlich weniger Verstehen bringt. Die meisten Konzepte des "Flächenlesens" gehen davon aus, dass unser Gehirn imstande ist, ganze Wortflächen zu verarbeiten, wobei die einzelnen Wörter schon irgendwie zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt würden. Vor allem sollte das innere Mitsprechen beim Lesen abgeschaltet werden und ein Text rein optisch aufgenommen werden. Neuere Schnelllese-Methoden versprechen eine bis zu zighundertfach höhere Lesegeschwindigkeite (aus der Computerwelt entlehnt auch als "Scannen" bezeichnet).
Siehe aber Mitsprechen als Lernhilfe
Solche Schnellerlesen-Angebote sollten jedoch kritisch geprüft werden, denn die meisten widersprechen allgemein bekannten physiologischen und funktionalen Gegebenheiten des menschlichen Gehirns. Eine immer wiederkehrende Behauptung beispielsweise lautet, man könne durch Augenübungen "breiter" blicken lernen und so mehr Text mit einem Mal erfassen ("peripheres Lesen", "Blickspannen-Erweiterung"), allerdings stoßen solche Übungen an die Grenzen der Natur des Auges. Das "fotografischenLesens" behauptet, jeder Text sei in Wahrheit ein 3-D-Bild und durch Hindurchschauen mit dem "magischen Auge" würde das offenbar. Allerdings lassen sich Blicksprünge beim Lesen (Saccaden) nicht willkürlich steuern, denn Lesen ist zu weiten Teilen ein automatischer Prozess, sodass Schnellesemethoden auch gefährlich werden können, wenn sie die gewohnte Leseart ändern wollen.
Die Grenzen des Schnelllesens werden vom Wernicke-Zentrum im menschlichen Gehirn bestimmt. Dieses Zentrum liegt in der linken Hirnhälfte, arbeitet praktisch nur sequenziell und bewältigt höchstens drei Wortpakete pro Sekunde. Das ergibt bei einem durchschnittlich geübten Leser 200 bis 250 Wörter in der Minute. Mit Schnelllesetechniken bringt man es durch Übungen auf bis zu 450 Wörter. Liest man dann noch schneller, kommt es zu einem Overload, d.h., die Augen folgen den Zeilen, aber man nimmt nichts mehr auf und unser Gehirn gelangt in eine Art Stresszustand: Die Herzfrequenz steigt, die Muskeln verspannen sich und im Gehirn sind vorwiegend Beta-Wellen (14–40 Hertz) messbar, d.h., es laufen Nebenprogramme ("random thinking"), also unwillkürliche Denkprozesse, was die Aufnahmefähigkeit reduziert, sodass man noch mehr unter Druckgerät.
Wer mehr Information aufnehmen und verarbeiten will, muss auf die visuellen Gehirnfunktionen umschalten, denn diese verarbeiten schneller und umfassender. Das Gehirn erkennt den Inhalt eines Bildes in 1/24 Sekunde. Lernt man also, schriftliche Information visuell aufzunehmen, steigt die Kapazität um ein Vielfaches, wobei Informationen mit bis zu 3000 Wörtern pro Minute rezipiert werden könnten. Dafür muss man sich in einen physisch entspannten, mental aber klaren Zustand versetzen, also tiefe Herzfrequenz, geringe Muskelspannung und im Gehirn Alpha-Wellen (8–14 Hertz). Dieser Alpha-Zustand ist die Grundlage der meisten visuellen Lesetechniken und eine Voraussetzung dafür, dass die Information selbst bei sehr hohem Tempo kognitiv aufgenommen werden kann. Sich in einen Alpha-Zustand zu versetzen kann man nach Aussagen mancher Seminaranbieter innerhalb einer Stunde lernen und nach zwei, drei Tagen Übung sei man fähig, Informationen drei- bis fünfmal schneller zu verarbeiten. Allerdings bedeutet dieses schnellere Scannen eines Textes nicht unbedingt eine Erhöhung des Verständnisses bzw. Einprägen eines Lernstoffes. Dieses Scannen ist nur dann hilfreich, wenn man in einem Text rasch Informationen finden will (vgl. Sohmer 2009).
Nach Michelmann & Michelmann (1998) ist jeder Versuch, das in der Grundschule erlernte Lesen zu verändern, ein "Eingriff in den Kopf", daher empfehlen sie eher, ein "effizientes Lesen" zu entwickeln (s.u.).
Dennoch werden zahlreiche Wundermethoden angepriesen, die zu einer Verbesserung der Lesegeschwindigkeit führen sollen. Das liest sich auf einschlägigen Webseiten so:
XYZ® - die sensationelle Lesemethode!
Die Informationsflut, die zu bearbeiten ist, steigt kontinuierlich ins Unermessliche. Hier kommt XYZ® gerade richtig, denn diese neue Art mit Büchern und anderem gedrucktem Material umzugehen, verspricht einen Zeitgewinn bis zu 90%, bei gleichzeitiger Verbesserung der Behaltensleistung! Gehört laufende Weiterbildung und die Verarbeitung von neuer Fachliteratur und Information auch zu Ihrem täglich Brot? Ihre Akten wachsen zu meterhohen Stapeln an? Allein die Vorstellung, ständig neue Information verarbeiten zu müssen, macht Sie mutlos?
Die bahnbrechende Methode zur Aufnahme und Verarbeitung von gedrucktem Material in Höchstgeschwindigkeit, mit höchstmöglichen Nutzen! Entwickelt wurde diese Methode von dem Amerikaner Paul Scheele, der sich seit seinem Studium mit Lernen und beschleunigten Lernmethoden beschäftigt. Die Basis seiner Entwicklung XYZ® sind die Grundprinzipien von Accelerated Learning, auch Suggestopädie oder Superlearning gennant.
XYZ® wird weltweit gelehrt, natürlich in den USA, weiters in Mexiko, Argentinien, Brasilien, Island, etlichen europäischen Ländern, auch im Fernen Osten wie Korea und Japan. In Japan boomt die Methode zur Zeit, in kürzester Zeit wurden 1 Million Titel des Bestsellers "XYZ®" von Paul Scheele verkauft und die Kurse sind ständig ausgebucht, was uns wieder einmal zeigt, dass die Japaner die Nase vorn haben.....
XYZ® hat mit Schnelllesen recht wenig zu tun. XYZ® ist eine ganz andere Art, mit Büchern und anderer Information umzugehen. Das Kernstück des PhotoReading Whole Mind System ist eine Technik, mit der Texte mit einer Geschwindigkeit von 25.000 Worten pro Minute aufgenommen werden können. Man photographiert sozusagen den Text, in dem man in den sogenannten "PhotoFokus" geht, einer Sehweise, die auch zum Wahrnehmen der bekannten 3D-Bilder Voraussetzung ist. Der mental photographierte Text ist dann im Unterbewusstsein gespeichert und wird dann auf verschiedenen Wegen aktiviert, d.h. ins Bewusstsein gebracht.
Die XYZ® führt zu einer Steigerung des Verständnisses von gelesenen Material, zu einer Verbesserung der Behaltenleistung, zu leichterem Zugang auf bereits vorhandenen Wissen und auch zu einem enormen Zeitgewinn.
Interessant ist, dass alle neuen Methoden, die eine Beschleunigung von Lernprozessen ermöglichen, auf dem Zusammenwirken von bewusster und unbewusster Informationsverarbeitung aufbauen, also die Kraft des Unterbewusstseins nutzen. Dr. Lozanov (Bulgarien) hat das erstmals in den 60er Jahren eingesetzt und das entwickelt, was dann unter dem Namen Superlearning (Suggestopädie) bekannt wurde und heute noch immer als Geheimtipp gilt. Im Sport werden diese Prinzipien im "Inner Game" eingesetzt, was das Erlernen von komplizierten Abläufen, zum Beispiel beim Golfspielen oder Bogenschießen, zu einem Kinderspiel werden lässt, so wie ein Sprachunterricht mit "Superlearning" oder die Aufbereitung eines anderen Inhalts mit dieser Methode das Lernen für die Teilnehmer revolutioniert!
Das XYZ®- Lesesystem erlernt man in zwei Tagen und man hat in diesen zwei Tagen die ersten Erfolge. Bleibt man dran und praktiziert diese neue Art des "Lesens", steigern sich die Erfolge und bald kann man sich ein Leben ohne XYZ® nicht mehr vorstellen!
Teilnehmer von "XYZ®"- Seminaren sind sich darüber einig, dass XYZ® mehr ist, als Information in einem Bruchteil der Zeit zu bearbeiten. Für die meisten eröffnet sich durch die XYZ®- Lesemethode ein neuer, aufregender Zugang zur Welt, in der die Kraft des Unterwusstseins auch in anderen, alltäglichen Situationen genutzt wird. Das kann zu schnelleren, richtigen Entscheidungen führen oder dazu, dass ein Messebesuch in kurzer Zeit erfolgreich absolviert wird.
Oder unter dem Titel "Speed Reading funktioniert gar nicht!" trudelt eine Mail in den Postkasten:
„Hab‘s ausprobiert, und wenn ich versuche schneller zu
lesen, dann verstehe ich nix mehr – Speed Reading funktioniert gar
nicht...“
So etwas hören wir oft, und dann denke ich immer, dieser
Mensch hat einfach von dem größten Geheimnis des SpeedReadings noch nie
etwas gehört.
Denn wenn man das kennt, dann funktioniert Speed Reading hervorragend und man gewinnt fast immer...
Hätten Sie auch Lust zu gewinnen?
Auf dieser Seite verrate ich Ihnen wie...
Wenn Sie das wichtigste Geheimnis des Speed Readings verstehen, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass Sie nicht in wenigen Tagen sehr viel schneller lesen werden... und Ihre täglichen Leseberge in der halben Zeit bewältigen ;-)
Und auf dieser geheimnisvollen Seite wird dann ein Selbstlernkurs für nur 99,- Euro verkauft.
Dabei wird immer wieder betont: Dabei geht es nicht um simple Speed Reading-Tricks die Sie auch in der Volkshochschule oder an der Universität lernen können. Sondern um praxiserprobte Techniken, die schon Hunderten von Menschen geholfen haben extrem schnell Wissen aufzunehmen.
Diese Methode wird schon weniger marktschreierisch verkauft, bietet aber im Grunde nur das, was man anhand unserer Arbeitsblätter leicht selbst erarbeiten kann - mit einem Unterschied: die Motivation ist bem Einsatz von 79.- Euro höher.
Wenn Sie also unsere Lerntechniken ausprobieren, die an und für sich gratis sind, und sich dafür mehr motivieren wollen, schicken Sie uns einfach 50.- Euro ;-)Für diese phantastischen Behauptungen gibt es allerdings bis heute keine empirischen und damit nachprüfbaren Belege, vielmehr erschöpfen sich die Erfolge in den klingelnden Kassen der Anbieter.
In allen Untersuchungen ließ sich kaum ein wesentlicher Unterschied zwischen den Lernmethoden belegen. Allerdings empfanden manche Menschen, die an solchen Sitzung teilgenommen hatten, das Lernen als entspannter und angenehmer. In der Regel profitieren alle Methoden vom bekannten Hawthorne Effekt (siehe Kasten) und dem Versuch einer Reduktion der kognitiven Dissonanz, da eine Methode, in die man so viel Geld und Zeit investiert, funktionieren "muss".
Eine Verbesserung der Leseleistungen ist im Allgemeinen relativ leicht möglich, wenn man sich mit den grundlegenden Prinzipien des Lesens vertraut macht. Diese Methoden haben im Gegensatz zu den oben geschilderten Angeboten den Vorteil, dass sie wissenschaftlich belegbar sind und letztlich auch funktionieren. Die oben angepriesenen Methoden funktionieren allein aus diesem Grund, allerdings ist das Neuro-Brimborium, das darum oft gemacht wird, eher hinderlich und weckt Erwartungen, die diese Methoden nicht erfüllen können.
Aus der Forschung: Brysbaert (2019) hat basierend auf einer Metaanalyse von 190 Studien aus den letzten zwei Jahrzehnten festgestellt, dass die durchschnittliche stille Leserate für Erwachsene im Englischen 238 Wörter pro Minuteund für Sachbücher und 260 Wörter pro Minute für Belletristik beträgt. Man fand außerdem relativ große interindividuelle Unterschiede, d. h., die Spannbreite reichte von 175 bis 300 Wörtern bei Sachtexten, bei fiktionalen Texten waren es 200 bis 320. Bei laut gesprochenen Texten schafften Leserinnen und Leser etwa 183 Wörter pro Minute. Diese Schätzungen sind wesentlich niedriger als die in wissenschaftlichen und anderen Schriften oft zitierten Zahlen. Es zeigte sich auch, dass die Leseraten für Kinder, ältere Erwachsene und LeserInnen mit Englisch als Zweitsprache niedriger waren. Die Leseraten entsprachen übrigens der maximalen Hörgeschwindigkeit und erfordern also keine spezielle Annahme einer lesespezifischen Sprachverarbeitung. Die Ergebnisse lassen sich nach Ansicht des Autors auch auf andere Sprachen übertragen, die das lateinische Alphabet verwenden, doch müsse man dabei die sprachlichen Besonderheiten berücksichtigen, denn so gibt es im Englischen und Deutschen zahlreiche Funktionswörter wie Artikel, Fürwörter, Konjunktionen oder Verhältniswörter, doch werden im Deutschen Hauptwörter häufiger zusammengesetzt als im Englischen, sodass deutschsprachige LeserInnen vermutlich eine etwas geringere Leseleistung aufweisen.
Das Gehirn gibt den Takt vor
Sowohl beim Sprechen als auch beim Zuhören verarbeitet bzw. produziert das menschliche Gehirn die Informationen in einem bestimmten Takt, wobei in jeder Sprache eine Zuhörerin bzw. ein Zuhörer ungefähr eine Informationseinheit (Silben, Wörter) in 200 Millisekunden erkennt, d. h., das Sprachsignal ist also durch eine vorherrschende Modulation des Amplitudenspektrums zwischen etwa 4,3 und 5,5 Hz gekennzeichnet. Interessanterweise ist diese Zeitspanne auch die typische Dauer der Augenfixation beim Lesen von Buchstabenschriften – nur bei Zeichenschriften dauert es mit etwa 250 Millisekunden länger.Gagl et al. (2021) haben gezeigt, dass deutsche LeserInnen geschriebenen Text mit ~5 Hz abtasten. Eine Meta-Analyse von 142 Studien aus 14 Sprachen bestätigte dieses Ergebnis und zeigte, dass die Abtastfrequenzen in den verschiedenen Sprachen zwischen 3,9 Hz und 5,2 Hz variieren, wobei diese Variation systematisch von der Komplexität der Schriftsysteme abhängt, also ob es sich um zeichenbasierte oder alphabetische Systeme handelt und davon, wie deutlich die orthographischen Klarheit ausgeprägt ist. Schließlich konnten Gagl et al. (2021) empirisch eine positive Korrelation zwischen dem Sprachspektrum und der Augenbewegungsabtastung bei gering qualifizierten nicht-muttersprachlichen LeserInnen nachweisen, wobei eine Post-hoc-Analyse vorläufige Hinweise auf die gleiche Beziehung bei gering qualifizierten muttersprachlichen Lesern lieferte.
Auf der Grundlage dieser übereinstimmenden Belege vermutet man nun, dass die Sprachverarbeitungssysteme des menschlichen Gehirns während des Lesens eine bevorzugte Verarbeitungsgeschwindigkeit besitzen, wobei die Geschwindigkeit der gesprochenen Sprachproduktion und -wahrnehmung auf das okulomotorische System übertragen wird. Dadurch fungiert das Gehirn als eine Art Taktgeber für die Verarbeitungsgeschwindigkeit sowohl beim Hören bzw. Sprechen als auch beim Lesen.
Zentrum für Kategorisierung von Wörtern im Gehirn entdeckt
Gagl et al. (2022) haben nun auch herausgefunden, dass okzipito-temporale Gehirnsysteme für die lexikalische Kategorisierung entscheidend sind, d. h., für den Prozess der Bestimmung, ob eine orthografische Wahrnehmung ein bekanntes Wort ist oder nicht, so dass die weitere lexikalische und semantische Verarbeitung auf diejenigen Wahrnehmungen beschränkt werden kann, die Teil des mentalen Lexikons sind. Konkret geht es darum, dass ein Filterprozess im Gehirn dafür verantwortlich ist, dass man beim Lesen bekannte von unbekannten Wörtern trennen kann, was einen Kernprozess des Lesens darstellt. Wenn Menschen lesen, bewegen sich ihre Augen sehr effizient und schnell von Wort zu Wort, wobei der Lesefluss in der Regel nur dann gestört wird, wenn man einem Wort begegnet, das man noch nicht kennt. Die Forscher und Forscherinnen haben ein Berechnungsmodell für dieses lexikalische Kategorisierungsmodell entwickelt, das scheinbar widersprüchliche Benchmark-Ergebnisse aus der veröffentlichten Literatur erklären könnte, wobei mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie auch gezeigt werden konnte, dass das lexikalische Kategorisierungsmodell erfolgreich die Gehirnaktivierung im linken ventralen okzipito-temporalen Cortex vorhersagt, die während einer Worterkennungsaufgabe ausgelöst wird, wobei dies besser gelingt als bei anderen bisher vorgeschlagenen Modellen. Wann liefert die nun kausale Belege für dieses Modell, indem sie empirisch nachweisen konnten, dass ein Training des Prozesses der lexikalischen Kategorisierung die Leseleistung verbessern kann, was sind Zusammenhang mit bestimmten Sprachstörungen vielversprechend zu sein scheint. Die exakte Modellierung von kognitiven Prozessen im menschlichen Gehirn könnte es demnach ermöglichen, Denk- und Wahrnehmungsprozesse wesentlich besser zu verstehen und so Trainingsansätze zur Kompensation von Funktionsstörungen zu entwickeln, wie etwa im Bereich der Lese- und Rechtschreibschwäche.Verbesserung der Lesegeschwindigkeit
Ungeübte, erwachsene Leser schaffen im Durchschnitt 90 bis 160 Wörter pro Minute (WpM), ein geübter Leser mit ähnlichen geistigen Fähigkeiten dagegen 500 WpM und er erfasst dabei noch mehr von dem Gelesenen. Möglich sind nach einem gewissen Training sogar rund 900 WpM.
Natürlich hängt die Lesegeschwindigkeit davon ab, ob der Text leicht oder schwierig ist. Komplizierte und ineinander verschachtelte Sätze verlangen zeitaufwändiges Nachdenken zur Entschlüsselung der Satzstruktur. Beim Lesen finden deshalb Regressionen statt, die zu einem Verständnis eines längeren Satzes unbedingt notwendig sind. Bei leichteren Texten ist der Denkapparat ungeübter Leser manchmal jedoch unzureichend ausgelastet, denn der Nachschub funktioniert zu langsam und es droht Langeweile und Unkonzentriertheit. Solchen Lesern ist ein Lesetraining, eventuell sogar ein systematischer Aufbaukurs im Lesen anzuraten, in dem der Lesevorgang optimiert wird. Bei einem solchen Lesetraining geht es vor allen Dingen darum, schlechte Lesegewohnheiten auszumerzen, die sich im Laufe der Jahre verfestigt haben:
- Das Wort-für-Wort-Lesen ("Fixieren"), verbunden mit einer zu geringen Blickspanne. Bis vor wenigen Jahren glaubte man, dass die Augen während des Lesens über den Text gleiten; heute weiß man, dass sie beim Lesen eine Sprung-Stopp-Bewegung vollziehen, das heißt, die Augenbewegung geht ruckweise vor sich. Aufgenommen wird während der Haltepunkte. Während der Augenbewegung sieht man dagegen nichts. Wieviel bei den Haltepunkten aufgenommen wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: nämlich der Blickspanne und dem Vorrat des Lesers an sogenannten Wortbildern. Um das Springen zu üben, kann man mit dem Bleistift und einem Lineal senkrechte Linien auf die Buchseite einzeichnen. Dann springt man mit dem Auge jeweils von Linie zu Linie und trainiert die Augen, eine Zeile nicht mehr Wort für Wort zu erfassen, sondern in zwei oder drei Sprüngen. Fangen Sie zuerst mit drei Strichen an und üben später mit zwei Strichen. Bei ausreichender Übung ist es sogar möglich, mehrere Zeilen auf einmal zu erfassen.
- Unsere Augen und unser Gehirn können mehr, als wir denken. Wir haben Lesen in der Schule aber leider auf eine Art und Weise gelernt, die nicht optimal ist. Wenn Sie diese Techniken schon in der Schule gelernt hätten, würden Sie sie heute als ganz selbstverständlich erachten und sich über jeden wundern, der auf eine andere Weise liest. Also, versuchen Sie es einfach!
- Rückwärtsspringen auf bereits Gelesenes ("Regression"). Der Blick springt oft schon in der gleichen Zeile mehrfach zu bereits Gelesenem zurück. Dies ist meist ein Zeichen mangelnder Konzentration und ist für einen zügigen Lesefluss äußerst hinderlich. Man kann gegen die Regression dadurch angehen, dass man den Text der bereits gelesenen Zeilen durch ein Stück festes Papier abdeckt.
- Stummes Mitsprechen ("Subvokalisieren") bzw. das laute Lesen ist für die Steigerung der Lesegeschwindigkeit hinderlich, da Auge und Gehirn schneller als die Sprechwerkzeuge arbeiten. Dem widerspricht nicht, dass zur Einprägung komplizierter Sachverhalte der Lernweg Sprechen zur Unterstützung des Lernweges Lesen herangezogen werden sollte.)
- Visuelle Abschweifungen sind besonders zeitraubend, weil das Auge erst wieder den Anschlusspunkt suchen muss und ihn in vielen Fällen nicht auf Anhieb findet, sondern einige Wörter oder Zeilen nochmals lesen muss. Je mehr Dinge auf dem Schreibtisch liegen, desto mehr Anreize bieten wir dem Auge abzuschweifen.
Quelle: http://www.n-tv.de/3184754.html (03-09-24)
Eine konkrete Studie ist jedoch nicht auffindbar, sodass es sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Hoax handelt. Allerdings sind solche Phänomene in der Psychologie etwa im Zusammenhang mit dem "Positionseffekt" recht belegt, auch wenn sie bei komplizierten, längeren Wörtern nicht in der Eleganz funktionieren wie bei diesem einfachen Text.
Für eine gute Leseleistung benötigt man ausreichend Licht (mindestens 1000 Lux, was dem Tageslicht bei bedecktem Himmel entspricht). Dabei darf nicht nur der Arbeitsplatz beleuchtet sein, sondern auch der restliche Raum, denn die Augen schauen immer wieder nach, was aus dem Dunkeln kommen könnte.
Entwicklung eines effizienten Lesens
Der Impuls, in einem Text sofort loszulesen, lässt eine Zeitfalle zuschnappen: das Lesen ohne Plan. Daher spart es Zeit und macht den Kopf frei, sich vorher darauf zu besinnen, welches Ergebnis durch den Lese- oder Scanvorgang erzielt werden soll. Daher stellt man sich folgende Fragen: Was ist der Informationsbedarf? Kann dieser Text ihn befriedigen? Muss man dazu den gesamten Text durchlesen? Wichtig ist auch, zwischen Lesen und Lernen zu unterscheiden, denn möchte man sich auch bei einer begrenzten Lesezeit wenigstens beim ersten Durchgang durch einen Text soviel wie möglich merken, weil man für einen zweiten Durchgang keine Zeit mehr hat, dann funktioniert das in der Regel nicht, denn der Lesevorgang wird durch Lernversuche gestört. Darum sollte man die Lernsequenzen von der Lesearbeit trennnen und auch etwa die Faktensuche besser als separaten Vorgang gestalten. Dazu kann man etwa die Suchwort-Technik nutzen.
Für das effiziente Lesen sollte man sich daher anders durch einen Text bewegen:
- Wer das Lesen rasch hinter sich bringen will, blockiert das Verstehen. Man gewinnt Zeit, wenn man das Lesen vorbereitet. "Was will ich aus dem Text herausholen, was ist mein Leseziel?"
- Nie das Ziel während der Lesearbeit aus den Augen verlieren, indem man es schriftlich festhält neben das Lesematerial legt.
- Am besten gelingen Notizen, wenn man Stichworte aufschreibt und grafisch verknüpft, sich eine Art "Textbild" macht. Damit den Text auf das Wesentliche reduzieren (Schlüsselwörter, Symbole) und diese sparsam mit Strichen und Pfeilen kombinieren.
- Nach der Leseergonomie sollten die Bausteine in einen Leseblick passen, also nicht zu eng nebeneinanderstehen, sondern mindestens den Durchmesser eines Leseblicks (etwa drei Zentimeter) voneinander entfernt sein.
- Am besten benutzt man leeres DIN-A4-Papier quer, denn Linien sperren die Gedanken ein und das Hochformat verführt zum sturen Auflisten.
- Auch wenn die Methode arbeitsintensiv erscheint, unter dem Strich spart man Zeit. Ein Textbild herzustellen kostet nur Sekunden, denn aufwendiges Gestalten (wozu man häufig durch den Computer verführt wird!) ist notwendig.
Man kann die Augen planvoll durch einen Text führen, indem man einen passenden Bewegungsreiz erzeugt, etwa durch
- Blättern im Sekundentakt für einen systematischen Überblick über einen Text: Setzen Sie die rechte Hand blätternd rechts oben an, streichen Sie jeweils über den gesamten Text zweier Buchseiten nach unten links und wieder zurück. Die linke Hand fängt die Buchseiten auf und hält sie fest. Der Kopf bleibt ruhig, die Augen richten Sie auf die Buchmitte. Die Bewegung der Hand führt die Augen über die Textfläche. So wird einiges systematisch wahrgenommen und das Gehirn verarbeitet das Gesehene und produziert ein Bild vom Inhalt. Wichtig: nicht dabei lesen! Ein Buch mit 240 Seiten kann man so in wenigen Minuten durcharbeiten. Das Blättern im Sekundentakt eignet sich auch sehr gut dafür, Zeitschriften durchzusehen, um herauszufinden, welche Beiträge interessant sein könnten. Bei einem 200-seitigen Magazin hat man das in kaum mehr als drei Minuten bewerkstelligt.
Beim Lesen selbst gilt die goldene Regel: Wenig sofort lesen ist besser als der beste Vorsatz, später viel zu lesen. Daher neue Texte sofort lesesystematisch bearbeiten, gegebenenfalls bestimmte Stellen punktuell lesen und dann weglegen. Gelesenes sollte man senkrecht durchstreichen, und zwar mitten durch die Spalten nach unten.
Will man etwas im Text markieren, klebt man am besten kleine selbstklebende Notizzettel daran oder legt Papierstreifen ein, auf die man das eine oder andere Stichwort notiert. Diese kann man im Gegensatz zu Markierungen immer wieder entfernen. Das Highlighting-Paradox: Grelle Neonfarben fallen in einer grauen Bleiwüste auf, aber der Reiz ist für die Augen einfach zu stark, denn sie werden reflexartig angezogen und damit vom Text abgelenkt. Augenfänger sind auch starke Kontraste, wie sie beim Unterstreichen entstehen, was die Leseleistung reduziert.
NEU: Seit Beginn 2005 steht den BesucherInnen auch ein FORUM zu Fragen des Lernens und der Lerntechnik zur Verfügung, in dem einschlägige Methoden und Probleme diskutiert werden können.
Literatur
Brysbaert, M. (2019). How many words do
we read per minute? A review and meta-analysis of reading rate.
doi:10.31234/osf.io/xynwg2
Gagl, Benjamin, Gregorova, Klara, Golch, Julius, Hawelka, Stefan,
Sassenhagen, Jona, Tavano, Alessandro, Poeppel, David & Fiebach,
Christian J. (2021). Eye movements during text reading align with the
rate of speech production. Nature Human Behaviour,
doi:10.1038/s41562-021-01215-4.
Gagl, B., Richlan, F., Ludersdorfer, P., Sassenhagen, J., Eisenhauer, S., Gregorova, K. & Fiebach, C. J. (2022). The lexical categorization model: A computational model of left-ventral occipito-temporal cortex activation in visual word recognition. PLOS Computational Biology, doi:10.1371/journal.pcbi.1009995.
McNamara, D. (2000). Preliminary Analysis of Photoreading. NASA Ames Research Center. Moffet Field, CA.
WWW: http://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20000011599_2000009345.pdf (06-12-19)
Sohmer, Vera (2009). Reden ist Gold, mailen ist Silber.
WWW: http://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Reden-ist-Gold-mailen-ist-Silber/story/24669640 (09-08-11)
Stangl,
W. (2021). Das Gehirn gibt den gleichen Takt beim Lesen und beim Hören
bzw. Sprechen vor – arbeitsblätter news. Werner Stangls
Arbeitsblätter-News.
WWW: https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/das-gehirn-gibt-den-gleichen-takt-beim-lesen-und-beim-hoeren-bzw-sprechen-vor/ (2021-12-07).
http://zeitzuleben.de/ (99-10-20)
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/5SchritteMethode.html (02-11-08)
http://www.RZ.UniBw-Muenchen.de/~s11bwild/list/meta.htm (99-08-15)
http://www.vnr.de/artikel/Effizient+lesen+++11+Lesestrategien+f%C3%BCr+die+Praxis.html (08-11-07)
http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/ZSB/studientechniken11.html (02-11-30)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Texte_analysieren.htm (03-06-02)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Lesen.htm (03-06-02)
http://www.unilife.de/bund/rd/38244.htm (05-01-03)
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