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Ergebnisse neuerer Gehirnforschung

Du kannst dein eigenes Gehirn
mit deinem eigenen Gehirn erforschen, aber nicht ganz.
Hans Magnus Enzensberger

 

Vor fast zweieinhalb Tausend Jahren prägten altgriechische Philosophen wie Platon, Aristoteles und Sokrates den Satz: Der Geist formt den Körper. Heute wissen wir, dass auch das Umgekehrte gültig ist. Das menschliche Gehirn ist nach allgemeiner Ansicht das Organ, welches die spezifisch menschlichen Fähigkeiten verleiht, etwa das Sprachvermögen, das Selbstbewusstsein oder auch die durch das Denken mögliche Transzendenz. Doch die Wissenschaften, die sich mit dem Gehirn beschäftigen, sind trotz intensiver Forschung auch noch heute weit davon entfernt, zu verstehen, wodurch das Gehirn seine erstaunliche Leistungsfähigkeit erhält. Die Einteilung von Zuständigkeiten im Gehirn ist trotz der umfangreichen Forschung sehr grob, denn was genau in den Nervenzellen und zwischen ihnen passiert, weiß man bisher ebenso wenig wie was bei Denkprozessen passiert. Welche Botenstoffe oder Signale schütten die Nervenzellen aus? Wie werden diese auf die anderen Zellen übertragen? Was unterscheidet eine Nervenzelle aus dem Hörbereich von einer aus dem "ewegungsbereich? Und vor allem: Was passiert bei Hirnkrankheiten? Wie verändern sich Stoffwechsel oder Signale? Im Human Brain Project etwa will man zwar das gesamte Wissen über das menschliche Gehirn auf einem Computer nachbilden bzw. simulieren, doch das Gehirn hat eine völlig andere Arbeitsweise, denn im Gegensatz zu Computern, die präzise und mit Hochgeschwindigkeit funktionieren, arbeitet das Gehirn mit einer Ansammlung von teilweise sehr langsamen Bauteilen bzw. Mechanismen, wobei es dem Gehirn aber gelingt, mit raffinierten Verfahren Informationen dennoch blitzschnell und zuverlässig zu verarbeiten. Siehe dazu auch Warum das Human-Brain-Projekt scheitern muss.Noch weniger kennt man übrigens den Zusammenhang zwischen dem Gehirn und dem Genom, denn die theoretisch im Erbgut enthaltene Informationsmenge reicht bei Weitem nicht aus, um einen vollständigen Bauplan für so ein komplexes Netzwerk wie das Gehirn bereitzustellen. Der Schlüssel dazu ist vermutlich die Selbstorganisation, was bedeutet, dass das Ganze viel mehr als die Summe seiner Teile darstellt. Es ist äußerst fraglich, ob es rein physikalisch jemals möglich ist, Selbstorganisation jenseits lebender Prozesse nachzubilden.Übrigens: Aristoteles schrieb dem Gehirn einst die vordringliche Aufgabe zu, das Blut zu kühlen, und die Ägypter hielten das Gehirn für so unwichtig, dass sie es vor der Mumifizierung durch die Nasenlöcher herauszogen ;-)

Die moderne Gehirnforschung begann mit der Phrenologie, die Franz Joseph Gall 1800 entwickelte und Zusammenhänge zwischen Arealen des Gehirns und kognitiven Funktionen herstellte. Franz Joseph Gall, in Tiefenbronn bei Pforzheim geboren, studierte in Straßburg Medizin und übersiedelte 1781 nach Wien, wo er sich auf die Erforschung des menschlichen Gehirns spezialisierte und u.a. den Faserverlauf der Nerven vom Rückenmark zum Gehirn entdeckte. Bekannt wurde er für den von ihm postulierten Zusammenhang der Schädelform mit den darunter gelegenen Gehirnorganen, und war überzeugt, dass sich die Charaktereigenschaften bestimmten Hirnregionen zuweisen lassen und man deren Ausprägung an der Schädelform ablesen könne. Es galt dabei, Dellen und Beulen zu ertasten und den von Gall definierten Eigenschaften zuzuordnen, wobei es bald unter Laien ein beliebter Zeitvertreib wurde, sich gegenseitig auf der Suche nach bestimmten Wesensmerkmalen an den Kopf zu greifen. Gall begann 1796 über seine Schädellehre, Phrenologie oder Kranioskopie Privatvorlesungen zu halten, und erntete sowohl begeisterte Zustimmung als auch Ablehnung. Als Kaiser Franz die Vorlesungen verbot, kehrte Franz Joseph Gall Wien den Rücken und er verließ die Stadt 1805, worauf aber eine triumphale Vortragsreise durch weite Teile Deutschlands folgte, wobei er sogar eine Begegnung mit Goethe hatte und dessen Schädelwölbungen untersuchte.

Damit legte er den Grundstein für die Neurowissenschaften, wobei Theodor Schwann zusammen mit dem Matthias Schleiden 1839 die Zelltheorie formulierte, dass nämlich alle Lebewesen aus Zellen bestehen und sich diese zumindest in den Grundzügen ihres Aufbaus ähnlich sind. Hermann Ebbinghaus begründete 1885 durch seine Versuche mit sinnlosen Silben die empirische Gedächtnisforschung. Camillo Golgi entdeckte 1873 eine Methode, um einzelne Nervenzellen zu färben und so unter dem Mikroskop sichtbar zu machen, 1894 vermutete Ramón y Cajal, dass das Gehirn aus vielen einzelnen Nervenzellen besteht, die über Synapsen miteinander kommunizieren. Golgi und Cajal erhalten für ihre Arbeiten 1906 den Nobelpreis für Medizin. Alexander Luria untersuchte 1920 den Reporter Shereshevskii, einen Menschen mit einem nahezu perfektem Gedächtnis, und zeigte damit, dass Vergessen beim Denken helfen kann. Henry Hallett Dale und Otto Loewi entdecken 1936, dass Informationen zwischen den Nervenzellen durch chemische Botenstoffe übertragen werden. Auch sie erhalten den Nobelpreis für Medizin. Donald Hebb erkannte 1940 ein Grundprinzip der Gedächtnisbildung, dass Neuronen gleichzeitig feuern, wodurch Erlebnisse im Gehirn verankert werden. Je öfter diese gemeinsame Aktivierung geschieht, desto stabiler wird die Verbindung zwischen diesen Nervenzellen, sodass schließlich die Aktivierung eines Neurons ausreicht, um eine damit verbundene komplexe Erinnerung zu aktivieren. Roger Wolcott Sperry erkannte 1981, dass die rechte und linke Hirnhälfte spezialisiert arbeiten, wobei die linke sich auf Sprachverstehen und Sprechen spezialisiert hat, während die rechte auf Wahrnehmung und Bewegung konzentriert ist. Sperry erhält dafür den Nobelpreis für Medizin, wobei seine Entdeckung in der Folge immer mehr trivialisiert worden ist, sodass letztlich in vielen Köpfen ein völlig falsches Bild von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns entstanden ist. Eric Kandel zeigte in Experimenten im Jahr 1963, dass Nervenzellen lernen können, wobei es das Protein CPEB ermöglicht, Erinnerungen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu befördern. Dafür erhielt er im Jahr 2000 den Nobelpreis.


Überblick über weitere Arbeitsblätter zum Thema Gehirn


Einfluss der Umwelt auf die Gehirnentwicklung

Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und des Nervensystems sind extrem empfindlich, da sie sich über den Zeitraum vom Embryonalstadium bis zur Pubertät erstrecken. Untersuchungen ergaben, dass die Gehirnentwicklung von Kindern auch in europäischen Industrieländern von Substanzen beeinträchtigt wurden, die sich in ihrer Mutter angereichert haben und während der Schwangerschaft auf den Fötus übertragen wurden. Man schätzt, dass etwa zehn Prozent aller neurologischen Verhaltensstörungen vollständig oder teilweise von Chemikalien mit neurotoxischen Effekten verursacht werden, z.B. die in vielen Ländern verbotenen polychlorierten Biphenyle (PCB) und bromierten Flammschutzmittel, die sich in Videos, Fernsehern, Computern, Polsterbezügen, Autositzen und Möbeln befinden.

Eine WWF-Studie fasst neuere wissenschaftliche Untersuchungen zusammen, die zeigen, dass synthetische chemische Substanzen die Gehirnentwicklung und Motorik von Kindern schon in minimalen Konzentrationen beeinträchtigen, wie sie bereits im menschlichen Blut nachgewiesen wurden. Diese Substanzen führen zu einer geringeren Gedächtnisleistung, verminderter visueller Wahrnehmung, weniger entwickelter Bewegungsfähigkeit,und zu niedrigeren Intelligenzquotienten. Zusätzlich steigt die Zahl von Störungen wie das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) und der Autismus an. Aus der Studie geht hervor, dass 70 Prozent der meistgenutzten Chemikalien bisher nicht oder nur unzureichend auf ihre Effekte auf Gehirn und Nervensystem geprüft wurden und daher ein unbekanntes Risiko für die kindliche Entwicklung darstellen.

Dadvand et al. (2017) haben in einer Untersuchung festgestellt, dass das Gehirn von Kindern, die auf dem Land leben und von viel Natur umgeben aufwachsen, besser funktioniert offenbar als bei Menschen aus der Stadt. Man untersuchte mithilfe von Satellitenaufnahmen, wo Kinder seit ihrer Geburt aufwachsen und wie grün die Umgebung ist, was mit dem Aufbau der Gehirne der Kinder und Testleistungen zu Gedächtnis und Aufmerksamkeit verglichen wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder, die viel Natur um sich hatten, in einigen Gehirnregionen mehr weiße und graue Masse entwickelt hatten, was ihre Gedächtnisleistungen verbesserte und sie aufmerksamer machte. Offenbar ist der Mensch schon von sehr früh an stark mit der Umgebung verbunden und dass grüne Städte einen positiven Effekt darauf haben haben.

Literatur

Compromising our Children - chemical impacts on children's intelligence and behaviour. A Chemicals and Health Campaign Briefing. WWF-UK, June 2004.
WWW: http://www.panda.org/downloads/toxics/children.pdf (04-06-11)

Payam Dadvand, Jesus Pujol, Dídac Macià, Gerard Martínez-Vilavella, Laura Blanco-Hinojo, Marion Mortamais, Mar Alvarez-Pedrerol, Raquel Fenoll, Mikel Esnaola, Albert Dalmau-Bueno, Mónica López-Vicente, Xavier Basagaña, Michael Jerrett, Mark J. Nieuwenhuijsen, and Jordi Sunyer (2017). The Association between Lifelong Greenspace Exposure and 3-Dimensional Brain Magnetic Resonance Imaging in Barcelona Schoolchildren. Environmental Health Perspectives, 126, doi:10.1289/EHP1876.

 

Veränderungen des Gehirns während der Pubertät

Nach Untersuchungen von Jay Giedd (2008) sind manche Teile des Gehirns erst zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr voll ausgereift, vor allem jener Teil des Gehirns, der plant, vorausschauend handelt, abwägt und die Impulse kontrolliert. In einer Langzeitstudie wurden die Gehirne von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Computertomographen untersucht, wobei es auch eine Rolle spielte, ob Jugendliche Sport treiben, ein Instrument spielen oder völlig untätig sind, denn viel benutzte Nervenbahnen werden verfestigt, während wenig genutzte in dieser Zeit abgebaut werden. Bisher hatte man geglaubt, bis zum fünften Lebensjahr sei die Myelinbildung im Zentralnervensystem nahezu abgeschlossen. Der Neurologe Jay Giedd (2008) wies auch nach, dass das menschliche Gehirn zu Beginn der Pubertät einen regelrechten Wachstumsschub erlebt - vor allem im präfrontalen Cortex, in dem Impulse und Regungen gehemmt oder gesteuert werden. Myelin, das die weiße Gehirnsubstanz bildet, tritt im Lebensalter von zehn bis zwanzig Jahren um volle 100 Prozent mehr auf. Dieses Myelin hüllt die Axone ein, die langen Fortsätze der Nervenzellen im Gehirn. Die Nerven-Signale laufen dadurch 30 mal schneller - sie erreichen eine Geschwindigkeit von 100 Metern pro Sekunde. Allerdings hat diese Effizienz ihren Preis: Gehirnverbindungen sind nun starrer und nicht mehr so flexibel. Bei Kleinkindern ist das noch nicht der Fall. Deshalb haben sie nicht die geringste Schwierigkeit, Fremdsprachen zu lernen. Sie lernen Vokabeln und Grammatik quasi im Spiel. Der amerikanische Hirnforscher Harry Chugani fragt sich daher, warum sich Schüler erst in der kritischen Phase des Gehirns daran machen müssen, in der Schule Sprachen zu lernen. Die Hirnforschung sagt: eindeutig zu spät.  

Strukturelle, funktionelle und neurophysiologische Vergleiche zwischen Menschen und Makaken zeigen, dass die Schwierigkeit, während der Pubertät reaktive Reaktionen zu stoppen, sehr ähnlich ist. Die menschliche neurologische Entwicklung während dieser Zeit ist gekennzeichnet durch Veränderungen in der strukturellen Anatomie, d. h., es gibt einen aktiven Abbau redundanter und ungenutzter neuronaler Verbindungen und eine Stärkung jener Abschnitte der weißen Substanz im gesamten Gehirn, die in der Folge die Funktionsweise des erwachsenen Gehirns bestimmen. Insbesondere in der Pubertät werden alle grundlegenden Aspekte der Gehirnorganisation überprüft und verfeinert, so dass eine optimale Arbeitsweise für die Anforderungen der spezifischen Umgebung gewährleistet ist. Insbesondere die Entwicklung jener neuronaler Aktivitätsmuster, die die Vorbereitung einer Reaktion ermöglichen, scheint ein Schlüsselelement dieser Phase der Entwicklung zu sein, wobei dies wesentlich für eine erfolgreiche Selbstkontrolle ist. Bei der Selbstkontrolle geht es nicht nur um die Fähigkeit, im Augenblick ein Verhalten zu hemmen, sondern auch, dass man sich rechtzeitig darauf vorbereitet und einen Plan erstellt. Dieser Wechsel zwischen dem jugendlichen und erwachsenen Gehirn findet sich sowohl in den menschlichen Daten als auch in den Tierdaten (Constantinidis & Luna, 2019).

Nach neuesten Forschungen sorgt der Botenstoff Neurokinin B im Gehirn dafür, dass mehrere Hormone kaskadenartig freigesetzt werden, die dann die Entwicklung zur Geschlechtsreife auslösen.

In der Pubertät wird auch der Corpus callosum verstärkt, der die linke und rechte Hirnhälfte verbindet. Der Hormonschub trägt zur Geschlechtsdifferenzierung auch im Gehirn bei, dass Knaben im Durchschnitt ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen entwickeln. Die Zirbeldrüse schüttet das Hormon Melatonin in diesem Alter auch später am Tag aus, was erklären könnte, dass Jugendliche zum langen Aufbleiben neigen.

Paul Thompson (Universität von Kalifornien) stellte bei einer Vergleichsuntersuchung von 23 eineiigen sowie 23 zweieiigen Zwillingen fest, dass die menschliche Intelligenz stark von der Qualität der Axone abhängt, vor allem von der isolierenden Schicht aus Myelin: je dicker diese Schicht ist, desto schneller werden die Nervenimpulse weitergeleitet, was der intellektuellen Leistung förderlich ist. Die Beschaffenheit des Myelins in vielen Teilen des Gehirns ist genetisch festgelegt wird.

In einer Studie fand der Neurologe Robert McGivern (San Diego State University, Kalifornien), dass ungefähr ab dem elften Lebensjahr ein Umbau von Nervenverbindungen im Gehirn stattfindet. Diese Neustrukturierung des Gehirns - vor allem im Stirnhirn - könnte an den wechselnden Launen und Gemütslagen pubertierender Teenager Schuld sein. Damit verlören diese viel von ihrer Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen und soziale Szenarien einzuschätzen. Daraus resultiere Unsicherheit und Verwirrung in emotionalen Situationen, sodass Teenager gereizt und launisch reagierten. Erst mit etwa 18 Jahren erreiche das soziale Gespür wieder sein ursprüngliches Niveau. In der Studie wurden 300 Zehn- bis 22-Jährigen Porträts von Menschen gezeigt, deren Gesichtsausdruck beurteilt werden sollte. Kinder und Jugendliche in der Pubertät benötigten viel länger für ihre Einschätzung und machten häufiger Fehler. Der Umbau des Stirnhirns, in dem unter anderem moralische Erwägungen und impulsives Verhalten kontrolliert würden, sei eine mögliche Ursache typischen Teenager-Verhaltens. Jugendliche verarbeiten Reize aus der Außenwelt vermutlich ganz anders als Erwachsene und vor allem bei emotionalen Informationen reagieren Jugendliche eher aus dem Bauch heraus. Möglicherweise interpretieren Jugendliche die sorgenvolle Miene des Vaters als wütend und reagieren automatisch mit Aggression. In der Pubertät baut das Gehirn um.

Übrigens: Solche Forschungsergebnisse lesen sich dann in manchen Medien wie folgt: "Der vordere Teil, der präfrontale Cortex, ist bei Teenagern noch nicht mit dem Rest des Gehirns verbunden“ ;-)
Quelle: http://www.news.at/a/pubertaet-teenager-hormone (31. Mai 2015)

Die Pubertät ist auch eine kritische Phase für die Entstehung psychischer Störungen, denn etwa die Hälfte der bekannten psychischen Erkrankungen beginnen in der Pubertät. Allerdings weiß man bisher nur wenig über diesen Reifungsprozess des Gehirns, welche Faktoren ihn beeinflussen oder welche Umbauprozesse sich wie auf das Verhalten und die emotionale Entwicklung im Detail auswirken. Jugendliche haben während der Pubertät z.B. häufig Schwierigkeiten, ihre Impulse oder starken Gefühle zu kontrollieren, wobei ähnliche Probleme sehr viel ausgeprägter bei bestimmten psychischen Erkrankungen auftreten.

Nicht nur Fehlurteile und Risikobereitschaft sind für junge Menschen typisch, sondern Pubertierende reagieren auch stärker auf Belohnungen als Kinder oder Erwachsene. Nach neueren Untersuchungen sind es hier ebenfalls vor allem entwicklungsbedingte biologische - insbesondere die Gehirnstrukturen betreffende - Unterschiede, die Einfluss auf das unüberlegte Verhalten junger Menschen haben, wobei diese in dem Alter von einer Überaktivität des mesolimbischen Dopaminsystems in ihrem Gehirn getrieben werden, das auch für Suchtverhalten entscheidend ist.

Die Reifung des jugendlichen Gehirns geschieht übrigens nicht gleichmäßig, sondern von hinten nach vorne, denn dieser Prozess beginnt im Kleinhirn und endet im Stirnlappen. Da der Stirnlappen vor allem für Kommunikation, für die Planung von Handlungen und das Unterdrücken von Impulsen zuständig ist, können diese spezifischen Funktionen während dieser Zeit beeinträchtigt sein. Jugendliche bewerten soziale Situatioenn einfach völlig anders, vor allem, wenn es um Entscheidungen geht. Die Amygdala macht aus rationalen Überlegungen immer wieder emotionale Gefühlsausbrüche, denen man als Erwachsener meist unvermittelt gegenüber steht. Die Pubertät ist auf Grund dieser gehirnorganischen Entwicklungen für Jugendliche wie für Eltern eine Zeit voller Missverständnisse und für beide Seiten anstrengend, da die geforderten vernunftorientierten Entscheidungen bei den Jugendlichen kaum stattfinden.

Deuten auch viele Daten darauf hin, dass die Dicke des menschlichen Cortex während der Entwicklung im Kindesalter zu sinken scheint, denn Studien haben immer wieder gezeigt, dass bestimmte Areale der Großhirnrinde im Laufe der Entwicklung von Kindern dünner werden, wobei bei einer Dicke von nur drei Millimetern Kinder im Durchschnitt fast einen Millimeter an grauer Substanz verlieren, bis sie das Erwachsenenalter erreichen. Allerdings sind die zugrunde liegenden mikrostrukturellen Mechanismen weitgehend unbekannt. So wird etwa vermutet, dass Zellen der Grauen Substanz und ihre Verbindungen auf natürliche Weise abgebaut werden, um das Gehirn effizienter zu machen, oder dass sich beim Umbau das Gehirn ausdehnt und dadurch dünner wird. Natu et al. (2019) haben jüngst herausgefunden, dass diese Veränderung aufgrund der Einschränkungen heutiger Messgeräte unterschätzt wurde, denn misst man mit quantitativer Magnetresonanztomographie, so scheint es, dass junge Gehirne tatsächlich mit der Zeit mehr myelinisiert werden, was für die Gehirnentwicklung wichtig ist. Das Problem dabei ist, dass die Messung der Dicke der Grauen Substanz entscheidend von der Festlegung der Grenze zwischen weißer und grauer Substanz abhängt, d. h., diese Grenze kann unklar sein und die cortikale Dicke daher unterschätzt werden, wenn die Myelinisierung während der Entwicklung zunimmt. Man untersuchte drei Teile des Gehirns im höheren visuellen Cortex, wobei sich in jenen Arealen, die für die Gesichts- und visuelle Worterkennung verantwortlich sind, dieser Myelinisierungseffekt zeigte, doch für das Areal der Ortserkennung fand sch kein Hinweis auf eine Myelinisierung, sondern es schien sich mit der Zeit morphologisch zu verändern und über die Zeit zu dehnen. Viele Arbeiten darauf hin, dass sich die Dicke des Cortex ändert, wenn Menschen neue Fähigkeiten erlernen, wobei auch die Myelinisierung eine Rolle spielen dürfte. Alle Ergebnisse deuten eher darauf hin, dass der Cortex im Kindesalter nicht dünner wird, sondern stärker myelinisiert wird.

Literatur

Constantinidis, Christos & Luna, Beatriz (2019). Neural Substrates of Inhibitory Control Maturation in Adolescence. Trends in Neurosciences, doi:10.1016/j.tins.2019.07.004.

Giedd, Jay N. (2008). The Teen Brain: Insights from Neuroimaging. Journal of Adolescent Health , 42, 335-343.

Natu, Vaidehi S., Gomez, Jesse, Barnett, Michael, Jeska, Brianna, Kirilina, Evgeniya, Jaeger, Carsten, Zhen, Zonglei, Cox, Siobhan, Weiner, Kevin S., Weiskopf, Nikolaus, & Grill-Spector, Kalanit (2019). Apparent thinning of human visual cortex during childhood is associated with myelination. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1904931116.

New Scientist 2365, S. 16


Das heißt dann übrigens in der Boulevardpresse:

"Gehirn wegen Umbau geschlossen" ;-)


Der von der neurowissenschaftlichen Forschung erhobene Anspruch, wesentliche Beiträge zur psychologischen Theoriebildung zu liefern, ist bis heute uneingelöst. Kein einziges mir bisher bekannt gewordenes Forschungsergebnis der Neurowissenschaften hat eine der klassischen psychologischen Theorien auch nur im Wesentlichen erweitert, erschüttert oder gar widerlegt. Vielmehr wird man bei der Lektüre der "neuesten" Erkenntnisse der Neurowissenschaften an die in jedem älteren Lehrbuch der Geschichte der Psychologie nachzulesenden Theorien erinnert, die schon mehr als hundert Jahre auf dem Buckel haben. Derzeit sind fast alle präsentierten Forschungsergebnisse mehr oder minder Minihypothesen, die derzeit in keiner Weise widerspruchsfrei (ein)geordnet werden können, wobei manche die eine oder andere Erkenntnis aus der Wahrnehmungs- oder Gestaltpsychologie bestätigen kann. Ein Fortschritt der psychologischen Theorienbildung ist aber nicht in Sicht. Ähnliches gilt im Hinblick auf philosopische Implikationen, denn auch hier werden Laborsituationen in einer Weise verallgemeinert, die eher ein ideologisches Phänomen darstellen denn ein philosophisches. Oft sind es Schlussfolgerungen, die sogar in ihren Voraussetzungen unhaltbar sind, etwa die Grundvoraussetzung, aus simulierten Handlungen im Rahmen experimenteller Versuche Schlussfolgerungen für praktische Handlungen ziehen zu können, was nirgendwo zureichend begründet oder auch nur plausibel gemacht wird. Ganz abgesehen davon, dass das reflektierende Ich in der neurophysiologischen Welt niemals vollständig abgebildet werden kann, da man unweigerlich in der Selbsterfahrung als Ich präsent ist, d.h., man ist als Ich da, gleichgültig, wie sich das genau im Gehirn manifestiert - allerdings auch nie unabhängig davon.


Merkfähigkeit auch bei moderater Gehirnaktivität

Wie Untersuchungen von Yoo et al. (2011) gezeigt haben, ist für eine gute Merkfähigkeit nicht unbedingt notwendig, dass das Gehirn auf einem hohen Niveau aktiv ist. ProbandInnen wurden Landschaftaufnahmen gezeigt, die sie sich einprägen sollten, wobei die Aktivität vor allem des parahippocampalen Cortex beobachtet wurden, also jenes Bereichs, der für das Einprägen von Bildern wichtig ist. Es zeigte sich, dass mit sinkender Aktivität in diesem Gehirnbereich die Merkfähigkeit sogar zunahm, denn je weniger Neuronen aktiv waren, umso besser erinnerten sich die Probanden an die Bilder. Vermutlich würde eine zu große Aktivität dieser Neuronen ein Abspeichern im Langzeitgedächtnis eher verhindern.

Quelle: Yoo, Julie J., Hinds, Oliver, Ofen, Noa Thompson, Todd W.,Whitfield-Gabrieli, Susan Triantafyllou, Christina, Gabrieli, John D.E. (2011). When the brain is prepared to learn: Enhancing human learning using real-time fMRI. NeuroImage. doi: 10.1016/j.neuroimage.2011.07.063

Gehirnwellen und Identität

Nach neueren Untersuchungen kann man die Gehirnwellen, die bestimmte Wörter auslösen, dafür einsetzen, um Menschen zu identifizieren. Armstrong et al. (2015) haben die Signale von ProbandInnen aufgezeichnet, als sie eine Liste mit 75 Abkürzungen lasen, wobei die ausgewerteten Veränderungen der EEG-Signale so einzigartig waren, dass Menschen zu 94 Prozent identifiziert werden konnten. Eine Anwendung wäre, Gehirnwellen bei Sicherheitssystemen zur Identifizierung der Identität von Menschen einzusetzen. Die Signale entstehen dadurch, dass ein Mensch auf sein semantisches Gedächtnis zugreift, in dem die Bedeutung von bestimmten Wörtern erfasst und abgelegt wird, wobei sich die Sammlung der Bedeutungen, die Menschen mit Wörtern in Zusammenhang bringen, von Mensch zu Mensch mehr oder minder unterscheiden, sodass ein individuelles Muster sichtbar wird. Anderes als episodische Erinnerungen, verändern sich semantische nur wenig.

Quelle: Blair C. Armstrong, Maria Ruiz-Blondet, Negin Khalifian, Kenneth J. Kurtz, Zhanpeng Jin & Sarah Laszlo (2015). Brainprint: Assessing the uniqueness, collectability, and permanence of a novel method for ERP biometrics, Neurocomputing, http://dx.doi.org/10.1016/j.neucom.2015.04.025.

Neuro-Marketing

Neuromarketing ist ein relativ neues und vor allem aus ethischen Gründen kontrovers diskutiertes Teilgebiet des Marketing, in dem psychologische und neuro-physiologische Erkenntnisse für das Marketing untersucht und interpretiert werden, ähnlich wie in den neuen Entwicklungen Neuroökonomie und Neurokommunikation.

Coca Cola ließ 2003 Konsumenten mit dem fMRI durchleuchten, um herauszufinden, wie das Getränk im Gehirn ankommt. Trank der Proband im Blindtest Coca Cola und Pepsi, dann aktivierte Pespi im Schnitt fünfmal stärker das Lustzentrum Nucleus Acumbens als Coca Cola. Wussten die Konsumenten jedoch, was sie verkosteten, dann änderte sich das Bild dramatisch: Coca Cola ließ das Großhirn aufleuchten (Pepsi aber nicht), der den Nucleus Acumbens zum Schweigen brachte. Wussten die Konsumenten, welche Marke sie tranken, dann bevorzugten sie überwiegend Coca Cola.

Grundgedanke des Neuromarketing sind Erkenntnisse der Hirnforschung, die zeigt, dass 70 bis 80 Prozent aller Entscheidungen vollkommen unbewusst vom Gehirn getroffen werden. Im Kaufhaus bestimmen oft nicht der Einkaufszettel, sondern das Sonderangebot und gut platzierte Produkte die Kaufentscheidungen. Da das Gehirn Außenreize unbewusst bewertet, um eine emotionale Entscheidung zu treffen, kann ein Käufer durch das Design einer Verpackung stark beeinflusst werden. Besonders Farben und Gerüche haben emotionale Bedeutungen, aber auch sogar wie sich ein Produkt anfühlt, beeinflusst die Kaufentscheidung.

Einige Firmen setzten so sehr auf Neuromarketing, dass sie ihre Produkte verändern, etwa wenn eine Fluglinie einen Duft entwerfen lässt, der zwar kaum wahrnehmbar ist, aber die Reisenden entspannt und in Urlaubslaune bringt.

Neuere Untersuchungen zeigen übrigens, dass auch unbewusst erlebte Situationen auch unbewusst analysiert, miteinander verglichen und abgespeichert werden, genauso wie dies bei bewusst erlebten Situationen geschieht. Dieses unbewusst erworbene Wissen kann wie bewusstes Wissen später in ähnlichen, aber bewusst erlebten Situationen wieder hervorgeholt werden und beeinflusst das bewusste Entscheidungsverhalten ebenso wie bewusstes Wissen (Reber at al., 2012).

Literatur

Reber, Thomas P., Luechinger, Roger, Boesiger, Peter & Henke, Katharina (2012). Unconscious Relational Inference Recruits the Hippocampus. Journal of Neuroscience, 2. Mai 2012, doi:10.1523/JNEUROSCI.5639-11.2012.

Verschiedene Zahlenzentren im Gehirn

Menschen aber auch manche Tiere können eine Anzahl von Objekten - mathematisch formuliert: die Mächtigkeit einer Menge - ohne Kenntnis sprachlicher Symbole wie Zahlen richtig einschätzen. Dafür gibt es prinzipiell zwei Methoden: entweder simultan, wenn die Objekte auf einmal präsentiert werden wie etwa die Augen eines Würfels, oder wenn sie nacheinander erscheinen, wie die Waggons eines Zuges. Andreas Nieder (Universität Tübingen) fand nun bei Versuchen mit Rhesusäffchen, dass beim simultanen Erfassen eine andere Gruppe von Nervenzellen im im Schläfenlappen aktiv war als beim nacheinander Erfassen. Nach dem Zählen wieder repräsentiert ein drittes Nervenzellensystem die Anzahl der Objekte, und zwar unabhängig von der Zählmethode.

Quelle: Science 2006, 313, S. 1431.

 

Risikobereitschaft und Sexualität

Forscher der Northwestern University (Illinois) und der Stanford University entdeckten in einer neuroökonomischen Studie - die Neuroökonomie, die Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften verbindet, um etwa die Motive hinter finanziellen Entscheidungen zu klären -, dass es im Gehirn - der Nucleus accumbens nahe dem basalen präfrontalen Cortex - einen Zusammenhang zwischen sexueller Stimulation und finanzieller Risikobereitschaft gibt. Junge Männer, denen erotische Bilder gezeigt wurden, waren danach eher zu riskanten Geschäften bereit als bei Bildern mit neutralen oder bedrohlichen Motiven. Aus Sicht der Evolution haben Männer vermutlich sowohl Bedarf an Besitz als auch an Frauen. Diese Verbindung zwischen Gier und Sex lasse sich nach Ansicht von Psychologen über Hunderttausende Jahre der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen, denn das Eingehen von Risiken ist in der Natur ein gängiger Weg, um seinen relativen Erfolg zu steigern. Eine weitere, noch unveröffentlichte Studie der Harvard-Universität fand einen Zusammenhang zwischen dem Testosteronniveau und dem Eingehen finanzieller Risiken.

Quelle: NeuroReport

Gehirn und Singen

Forscher wiesen nach, dass das Gehirn außergewöhnlich intensiv auf musikalische Reize reagiert. Wenn uns Musik zutiefst berührt und die Gänsehaut über den Rücken jagt, aktiviert sie dieselben Gehirnarreale, die für Belohnung zuständig sind, die auf Stimuli wie Sex, Schokolade oder Rauschdrogen reagieren.

Beim Singen vertieft sich die Atmung, es kommt zur besseren Sauerstoffversorgung des Körpers und des Gehirns, das Herz-Kreislauf-System wird angekurbelt. Regelmäßig Singende sind daher im Schnitt körperlich wie seelisch gesünder als nicht Singende. Eine Studie (Universität Kalifornien) ergab, dass die Speichelproben von 32 Mitgliedern eines Chores nach der Aufführung von Beethovens Missa Solemnis einen Anstieg des Immunglobulins A von 240 Prozent hatten. Ähnliche Wirkung konnte man bei einer Untersuchung mit leukämiekranken Kindern nach 30-minütigem Singen nachweisen. Wer mehrmals täglich ein Lied anstimmt, stärkt seine Abwehrkraft, besonders dann, wenn er sich geärgert hat. Bereits fünf Minuten Ärger verringern das Immunglobulin A für einige Stunden.

Die Chronobiologie zeigt, dass Gesundheit mit dem harmonischen Zusammenschwingen von Rhythmen wie von Puls, Atmung, Blutdruck, hormonellen Zyklen etc. zusammenhängt. Bei Krankheit und Stress ist die Synchronisierung gestört. Musikalische Schwingungen, wie z.B. beim Mantra-Singen, können durch Resonanzprozesse helfen, Körperrhythmen in Einklang zu bringen.

Singen kann auch helfen, negative Emotionen wie Trauer, Angst, Depression, Aggression in positive Gefühle und konstruktive Gedanken umzuwandeln. Beim Singen wird ein Glückscocktail aus antidepressiven Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin, Beta-Endorphin und Oxytocin ausgeschüttet. Gleichzeitig nehmen Stresshormone ab. Singen kann daher unter Umständen wie Psychotherapie wirken.

Allen Menschen ist gemein, dass ihr Gehirn auf Gesang und Musik unmittelbar reagiert. Neurowissenschaftler stellten fest, dass es im Gehirn angeborene Strukturen für die Verarbeitung von Musik gibt, und dass die Anlagen für Gehör und Sprache schon im Mutterleib im Wesentlichen ausgeprägt werden, denn schon Ungeborene nehmen den Gesang ihrer Mutter wahr. Die menschliche Musikalität liegt letztlich in den Genen begründet und kann vererbt werden. Ein musikalischer Mensch kann zumeist auch richtig singen, wenn er übt, idealerweise von Kindheit an, sodass er mit einigem Training auch den richtigen Ton bilden kann. Es gibt aber auch Menschen, die zwar hören, wenn sie falsch singen, aber sie können nicht richtig singen, egal wie oft sie auch üben. Und es gibt Menschen, die singen gern, hören aber nicht, dass sie falsch singen.

Psychologen und Musikwissenschaftler der University of Toronto konzentrierten sich bei der Frage, ob Musikalität angeboren oder erworben ist, auf die musikalische Kompetenz, die sie durch die Leistungen bei einem einfachen Test definierten: Den Probanden wurden zwei Abfolgen von Tönen bzw. Rhythmen vorgespielt, und diese mussten entscheiden, ob die beiden identisch waren oder ob es Unterschiede gab. Die musikalische Kompetenz war bei jenen Probanden höher, die über eine gewisse musikalische Ausbildung verfügten, doch als noch wichtiger erwies sich die Kombination von drei nicht-musikalischen Faktoren: der Offenheit der Persönlichkeit, der sozioökonomischen Lage und der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit (nonverbale Intelligenz und Kurzzeitgedächtnis). Vor allem zeigte sich, dass die Intelligenz auch für sich gesehen wichtiger war als eine etwaige musikalische Vorbildung.

Quellen: OÖnachrichten vom 26. Mai 2008, Die Presse vom 14. Juli 2018

Mentale Kontrolle bei Lob und Tadel

Die Psychologin Eveline Crone (Universität Leiden) zeigte in Untersuchungen mittels Magnetresonanztomographie (MRT), dass die Gehirnregionen im Stirnhirn und im Schläfenlappen, die für die mentale Kontrolle zuständig sind, bei acht- und neunjährigen Kindern stark auf positives und kaum auf negatives Feedback reagieren. Bei Zwölf- bis Dreizehnjährigen und bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren ist genau das Gegenteil der Fall: Die Kontrollregionen sind bei negativem Feedback besonders aktiv und reagieren bei einer positiven Rückmeldung wenig. Vermutlich ist es für jüngere Kinder leichter zu begreifen, dass sie etwas richtig gemacht haben, während es wesentlich komplizierter ist zu erkennen, dass man etwas falsch gemacht und dann noch aus diesem Fehler lernt. Dieser Unterschied zwischen jüngeren und älteren Kindern kommt vermutlich durch eine Kombination von Gehirnreifung und durch Lernerfahrungen zustande.

Zwischen Kindheit und Erwachsenwerden findet nämlich eine atemberaubende Verwandlung statt, denn während dieses Prozesses müssen sich Jugendliche die Unabhängigkeit von ihren Eltern erkämpfen und ihre eigenen, altersgemäßen Normen aufstellen. Hintergrund sind unter anderem die Hormonen, die während der Pubertät explodieren und die die emotionalen Bereiche im Gehirn beeinflussen und dafür verantwortlich sind, dass Jugendliche verstärkt die Sensation, das Abenteuer, die Gefahr suchen. Allerdings hat dieses Erwachsenwerden auch schöne, positive Seiten hat, denn Kinder formen in dieser Zeit ihre eigene Identität, sie entdecken ihre Talente, sie sind spontan und kreativ. Jugendliche befinden sich in dieser Zeit im Grunde ständig in einer Art Jetlag, denn am Abend können sie nur schwer einschlafen und am Morgen müssen sie früh in die Schule oder zur Arbeit, wodurch oft der Eindruck entsteht, sie seien Autoritäten gegenüber völlig respektlos, obwohl sie nur müde sind. Das Gehirn befindet sich während der Pubertät in einem sehr unausgeglichenen Zustand, d.h., in ruhigen, strukturierten Situationen können Jugendliche sehr vernünftige Entscheidungen treffen und schwierige Aufgaben lösen, aber in anderen Situationen, wenn sie etwa mit Gleichaltrigen zusammen sind, wird plötzlich der für die Emotionen zuständige Teil des Gehirns sehr dominant. Gruppendruck, hohe Risikobereitschaft, große Stimmungsschwankungen hat seine Ursachen im Wesentlichen im Gehirn, denn während der Pubertät arbeiten die verschiedenen Teile des Gehirns nicht so zusammen wie später bei Erwachsenen, d.h., bei Jugendlichen sind jene Gehirnregionen, die für den kurzzeitigen Nutzen zuständig sind, viel aktiver als jene Areale, die wichtig sind für das sorgsame Abwägen von Langzeitfolgen. Eltern sollten daher versuchen, ein besseres Verständnis für jene Veränderungen entwickeln, die während der Zeit des Erwachsenwerdens passieren, d.h., sie sollten bei ihren erzieherischen Maßnahmen bedenken, dass Jugendliche nicht anders, ruppig und kompliziert sind, weil sie bösartig sind, sondern weil ihr Gehirn noch eine Großbaustelle ist. Für Eltern ist es daher eine Gratwanderung, denn Kinder brauchen in dieser Zeit Freiheiten, um sich entwickeln zu können, ihre Grenzen austesten zu können, andererseits müssen Erwachsene dafür sorgen, dass sie nicht in allzu riskante Situationen geraten. Dennoch gehen etwa 80 Prozent der Jugendlichen ohne größere Probleme durch die Pubertät, wobei die Charakteristika der Adoleszenz zu allen Zeiten immer die gleichen waren, denn was sich in den Köpfen und in den Körpern der Jugendlichen von heute abspielt, hat sich auch vor hundert Jahren so abgespielt. Jugendliche sind in diesem Alter auch grundsätzlich aus Überzeugung anderer Meinung als ihre Eltern, denn ab einem Alter von etwa zwölf Jahren sind sie nicht mehr bereit, die Vorschriften anderer blind zu akzeptieren, sondern Jugendliche beginnen darüber nachzudenken, welches Handeln ihrer Meinung nach moralisch vertretbar ist, und passen sich nicht mehr nur den Regeln und Urteilen ihrer Eltern an. Jugendliche brauchen in diesem Alter am notwendigsten Liebe, Schutz, Verständnis und vor allem Lob, denn das Gehirn Jugendlicher reagiert in dieser Umbruchzeit viel stärker auf positive Signale, daher ist es also wirkungsvoller, sie für Erfolge zu loben, als bloß ihre Fehler zu kritisieren.

Quelle: Journal of Neuroscience 2008, 28, S. 9495.

Gehirn, Leistung und Persönlichkeit

Die Rolle des Striatum

Das Gehirn des Menschen ist darauf ausgerichtet, jene grundlegenden Ziele zu verfolgen, die dem Überleben dienen: essen, sich fortpflanzen, Macht gewinnen, dabei möglichst wenig Energie aufzuwenden und so viele Informationen wie möglich über die Umwelt zu sammeln. Diese fünf Ziele bildeten schon das Leitmotiv jener Gehirne, die dem menschlichen bei der Evolution der Arten vorangegangen sind, also von den ersten Tiere in den Ozeanen vor einer halben Milliarde Jahren ebenso wie heute. Dabei sind die Mechanismen, die diese Handlungen steuern, von Natur aus einfach und robust, denn nur so haben sie die Evolution überdauert und die wesentlichen Eigenschaften beibehalten. Im Striatum, einer Struktur im Großhirn unterhalb der Hirnrinde, liegen nun jene Neuronen, die bei jedem überlebensförderlichen Verhalten Dopamin ausschütten und somit Lust erzeugen, sind also die treibende Kraft für Fische, Reptilien, Vögel und Säugetiere und auch den Menschen. Im Striatum sitzt das Belohnungssystem, das Menschen zu zielgerichteten Handlungen anspornt, während der Hippocampus für die kontrollierenden Gedächtnisfunktionen zuständig ist, denn bei neugierigen Menschen spielen diese Regionen besonders gut zusammen, denn identifiziert der Hippocampus eine Erfahrung als neu, sendet er eine Reaktion an das Striatum. Dort werden Botenstoffe freigesetzt, die für positive Gefühle sorgen. Es sind also zahlreiche komplexe Mechanismen des Belohnungssystems im Gehirn daran beteiligt, Menschen zum Handeln zu motivieren und damit für die Selbsterhaltung und letztlich für das Überleben zu sorgen. Da sich das Striatum selbst keine Grenzen setzen kann, ist die menschliche Großhirnrinde viel mächtiger als die eines Fisches oder Reptils, sodass der Cortex in die Lage versetzt wurde, dem Striatum fast alles zu bieten, was es will, manchmal ohne Aufwand und daher fällt es Menschen schwer, sich selbst zu zügeln, wenn sich immer mehr Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung bieten, angefangen von Lebensmitteln oder bis zu Konsumgütern, die sozialen Status vermitteln.

Michael Cohen et al. (2008) berichten in "Nature Neuroscience" über ihre Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Vernetzung neuronaler Strukturen und und Persönlichkeitsmerkmalen. Zunächst ermittelten sie in Persönlichkeitstest, ob die Probanden besonders neugierig waren und ob sie besonders großen Wert auf Anerkennung legten. Danach prüften sie mittels Magnetresonanztomographie die Nervenstrangverbindungen des Striatums, also jenen Bereich im Großhirn, in dem sich das Belohnungszentrum befindet. Es zeigte sich, dass bei Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Neugierde das Striatum besonders stark mit dem Hippocampus verbunden war. Bei Versuchspersonen mit einem hohen Bedürfnis nach Anerkennung durch andere war eine ausgeprägte Verknüpfung mit dem Stirnlappen vorhanden.

Die Fähigkeit, in Videospielen erfolgreich zu sein, hängt nach einer amerikanischen Studie ebenfalls mit der Größe des Striatum zusammen, also jener Region des Gehirns, die für das Lernen und das Abrufen von Gewohnheiten verantwortlich ist. Probanden mussten 300 Runden des Spiels "Space Forttress" - ein Spiel, bei dem man mit einem Schiff eine Festung einnehmen soll - für die Dauer von je 3 Minuten spielen. Dieses Spiel wird auch für das Überprüfen des Erinnerungsvermögens, der motorischer Fähigkeiten und der Lerngeschwindigkeit genutzt. Probanden mit einem großen Striatum erlernten viel schneller dieses Videospiel und waren erfolgreicher darin, die richtigen Prioritäten zu setzen.

Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung mit 39 ProbandInnen (10 Männer, 29 Frauen), die in einem Computerspiel jeweils ein Single-Player-Ziel erreichen und Gegenstände verschieben mussten, schnitten die TeilnehmerInnen mit einem größeren Nucleus accumbens, einem Teil des so genannten Belohnungssystems, deutlich besser ab. Die besten Spieler waren aber jene mit einer Vergrößerung des Nucleus caudatus und des Putamen, zwei Kerngebiete des Großhirns. Eine Vergrößerung in diesem Bereich sorgt dafür, dass neue Fähigkeiten in Spielen, die Anpassung an eine Umgebung und das Ausführen von Befehlen wesentlich schneller erfolgen können. Diese Personen konnten im Test mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen.

Literatur

Stangl, W. (2018). Stichwort: 'Striatum'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/6346/striatum/ (2018-08-02)

http://news.bbc.co.uk/2/hi/health/8471182.stm (10-01-20)

Gehirn und psychische Erkrankungen

Schon vor Jahrzehnten Studien zeigten, dass Menschen mit Zwangsstörungen andere Hirnfunktionen haben als Menschen ohne solche Störungen, und dass sich dank einer erfolgreichen Psychotherapie die Hirnfunktionen normalisieren. Es gibt inzwischen viele Studien zu Veränderungen der Gehirnaktivität bei psychischen Erkrankungen, wobei sich verschiedene psychische Störungen markant voneinander in den Gehirnaktivitäten unterscheiden, und dass diese Unterschiede sich bei unterschiedlichen psychischen Prozessen auch anders darstellen.

Man benutzt derzeit auch zur Diagnose von psychischen Erkrankungen ereigniskorrelierte Potenziale im EEG, um festzustellen, ob bestimmte Defizite und Beschwerden tatsächlich vorhanden sind, allerdings kann man im Einzelfall keine Diagnose stellen, denn man muss bei der Interpretation immer das ganze Setting mit einbeziehen. Lässt jemand freiwillig seine Hirnströme messen, wie etwa im Rahmen von Forschungsprojekten, funktioniert das Gehirn unter Umständen ganz anders als in einer Stresssituation, denn steht jemand unter Druck und ist nervös, verändern sich die biologischen Reaktionen des Gehirns. Allerdings nützt das Wissen, dass eine psychische Erkrankung mit neurobiologischen Veränderungen einhergeht, nicht wirklich viel, denn offen bleibt, weshalb gerade dieser Mensch im Gehirn solche Veränderungen hat und andere nicht. Auch bleibt natürlich unerklärt, ob die Veränderungen die Ursache oder nur der Spiegel der psychischen Erkrankung sind.

Gehirn im Alter

Die Alterung des Gehirns ist durch eine Abnahme der neuronalen Funktion und damit verbundene kognitive Defizite gekennzeichnet, wobei es Hinweise darauf gibt, dass die Störung des Myelins ein wichtiger Faktor ist, der zum altersbedingten Verlust der Plastizität des Gehirns und der Reparaturreaktionen beiträgt. Myelin ist eine weißliche Schutzschicht aus Proteinen und Fetten, die die Ausläufer der Nervenzellen, die Axone, umgibt. Diese Schicht isoliert die Nervenbahnen und trägt so dazu bei, dass die elektrischen Impulse, die von einer zur nächsten Nervenzelle weitergegeben werden, nicht abschwächen, sodass die Nervenleitung im Körper auch über lange Strecken effektiv bleibt. Im Gehirn bildet die Substanze eine isolierende Hüllschicht um die Leitungen, die die Gehirnzellen und -areale miteinander verbinden, sodass die Schicht, in der sich diese Neuronenverbindungen ballen, dadurch eine weißliche Farbe bekommt und daher daher auch als weiße Hirnsubstanz bezeichnet wird. Diese weiße Hirnsubtanz und mit ihr die Myelinumhüllung der Nervenbahnen sind für die Funktion des Gehirns entscheidend, denn wird das Myelin beschädigt oder abgebaut, wie etwa bei der Multiplen Sklerose oder einer Demenz, können wichtige Signale fehlgeleitet werden oder nicht ankommen. Gebildet wird das Myelin von den Oligodendrozyten, die sich ständig neu aus Vorläuferzellen entwickeln, wobei dies im Alter aber nur noch sehr langsam geschieht, sodass weniger Myelin produziert wird und es durch die fehlende weiße Hirnsubstanz zum geistigen Verfall kommt. Dafür, dass sich die Bildung der Oligodendrozyten im alternden Gehirn verlangsamt, ist offenbar ein Gen verantwortlich, das eine Schlüsselrolle für die Nachbildung der myelinbildenden Zellen spielt. Rivera et al.(2021) haben am Mausmodell gezeigt, dass der G-Protein-gekoppelte Rezeptor Gpr17 eine zentrale Rolle bei der Störung der der Entwicklung der Vorläuferzellen im Alter spielt. Die Alterung reduziert offenbar die Anzahl der Vorläuferzellen.

Literatur

Rivera, Andrea, Pieropan, Francesca, Chacón de la Rocha, Irene, Lecca, Davide, Abbracchio, Maria, Azim, Kasum & Butt, Arthur (2021). Functional genomic analyses highlight a shift in Gpr17‐regulated cellular processes in oligodendrocyte progenitor cells and underlying myelin dysregulation in the aged mouse cerebrum. Aging Cell, doi:10.1111/acel.13335.

Kategorisierung in lebende und nicht lebende Objekte

Das menschliche Gehirn nimmt bei der Wahrnehmung eine automatische Kategorisierung nach lebenden und nicht lebenden Objekten vor, sodass der Anblick eines Tisches oder eines Berges andere Gehirnregionen als der Blick auf ein Tier oder in ein Gesicht aktiviert. Bradford Mahon (Universität Rochester) wies nach, dass auch von Geburt an blinde Menschen dieses Wahrnehmungsmuster zeigen, sodass die Verarbeitung von Informationen im Gehirn offensichtlich in grundlegenderen Kategorien erfolgt, die unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild des betrachteten Objekts sind. Die Kategorisierung ist also nicht an visuelle Merkmale des Objekts gekoppelt, sondern möglicherweise an Kriterien wie Essbarkeit des Objekts, Verwendbarkeit zur räumlichen Orientierung oder ob von dem Objekt eine Gefahr ausgehen könnte.

Quelle: "Neuron", Bd. 63, S. 397.

Erinnerungsfähigkeit nimmt schon früher ab, als bisher angenommen

Frühere Studien belegen eine Abnahme des Leistungsvermögens des menschlichen Gehirns etwa ab dem 60. Lebensjahr. In einer aktuellen englischen Langzeitstudie über den Zeitraum von zehn Jahren (1997-2007) an 7300 Menschen beiderlei Geschlechts (5198 Männer, 2192 Frauen) im Alter von 45 bis 70 wurde untersucht, wann die Leistung des menschlichen Gehirns unter normalen Umständen abnimmt. Es wurden mehrmals die Fähigkeiten hinsichtlich des Wortschatzes und sprachlichen Ausdrucks, des Erinnerungsvermögens, des logischen Denkens und visueller Fertigkeiten überprüft. Dabei ging das intellektuelle Leistungsvermögen bei den Männern zwischen 45 und 49 um 3,6 Prozent zurück, in der Altersgruppe der 65- bis 70-Jährigen waren es 9,6 Prozent. Bei den Frauen betrug der Rückgang zwischen 45 und 49 Jahren ebenfalls 3,6 Prozent, in der Kohorte der 65- bis 70-Jährigen lag er bei 7,4 Prozent.

Archana Singh-Manoux,Mika Kivimaki, M Maria Glymour, Alexis Elbaz, Claudine Berr, Klaus P Ebmeier, Jane E Ferrie, Aline Dugravot (2012). Timing of onset of cognitive decline: results from Whitehall II prospective cohort study. British Medical Journal.
WWW: http://www.bmj.com/bmj/344/bmj.d7622.full.pdf (12-01-05)

Mittels Stimulation der Gehirnwellen das Lernen verbessern

Das National Research Council in den USA hatte 2008 die künftige Bedeutung von Gehirn-Maschine-Schnittstellen betont, neuronal gesteuerten Prothesen, kognitiven und sensorischen Prothesen, intelligenten Systeme, die so aufgebaut sind, wie menschliche Gehirne, kognitiven Systeme, die das Internet nutzen, um sich Wissen anzueignen, oder auch Möglichkeiten, Zustände oder Intentionen über neurophysiologische Daten zu erkennen. Da auf Grund der Informationsflut nicht mehr alles im menschlichen Gedächtnis abgespeichert werden kann, sollen Techniken entwickelt werden, die die neurokognitiven Prozesse optimieren, welche der Informationsaufnahme ins Gedächtnis zugrunde liegen. Dafür muss zuerst das Kurzzeitgedächtnis verstärkt werden, um dann die Informationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Wenn diese beiden Prozesse zeitlich koordiniert würden, kann dies das Erinnern und Wiederabrufen verbessern, wobei diese Synchronisierung durch die Stimulation von Gehirnwellen (Gammawellen, Thetawellen) unterstützen können.

Quelle:
Rötzer, F. (2009). Darpa will das Gedächtnis der Soldaten optimieren.
WWW: http://www.heise.de/tp/blogs/3/142902 (09-08-02)

Filter für den Herzschlag

Dass Menschen ihr Herz nicht schlagen hören ist einer Filterfunktion des Gehirns zu verdanken, wobei eine bestimmte Gehirnregion darüber entscheidet, wie äußere und innere Sinneseindrücke zusammenspielen. Hinzu kommt, dass das menschliche Gehirn visuelle Reize weniger effizient verarbeitet, wenn diese zeitgleich mit dem Herzschlag auftreten, d. h., Menschen sind nicht objektiv und sehen nicht alles, was auf ihre Netzhaut trifft. Das Gehirn entscheidet, welche Informationen ins Bewusstsein dringen sollen, wobei eben auch das Herz beeinflusst, was Menschen sehen, denn interne Reize sollen nicht die Wahrnehmung äusserer Reize stören. Dass diese Filterfunktion Sinn macht, zeigt sich auch, wenn sie nicht richtig funktioniert, denn sich des eigenen Herzschlags bewusst zu sein, hängt mit einer Reihe psychologischer Probleme zusammen, so nehmen Menschen mit Angststörungen ihren Herzschlag viel deutlicher wahr als andere. Aber auch Menschen ohne solche Probleme können ihren Herzschlag spüren, wenn sie etwa grosse Aufregung oder Angst erleben. Möglicherweise sind Angststörungen Ursache oder Folge einer gestörten Filterfunktion für den Herzschlag.
Quelle: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. (2016, May 4). Our brain suppresses perception related to heartbeat, for our own good: Not being aware of the pulse of our heart might prevent anxiety, scientists found. ScienceDaily. Retrieved May 5, 2016 from www.sciencedaily.com/releases/2016/05/160504121336.htm

Ergebnisse des Human Brain Projects

2023 diskutierten Forschende die Ergebnisse des Human Brain Projects im Forschungszentrum Jülich, wobei 500 Wissenschaftler von mehr als 150 Forschungseinrichtungen aus 19 europäischen Ländern mit einem von 607 Millionen Euro angetreten waren mit dem Ziel, einen digitalen Zwilling des menschlichen Gehirns zu bauen. Über das Ziel, das manche Neurowissenschaftler als nicht erreichbar bezeichneten, gab es schon ein Jahr nach dem Projektstart heftigen Streit. Nach einigen Schlichtungsgesprächen wurde das Human Brain Project mit neuem Führungspersonal fortgesetzt. Um es kurz zu sagen: Einen digitalen Computer-Zwilling gibt es nicht. Dennoch wurde in dem interdisziplinären Mammut-Projekt viel erreicht. Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse ist der 3D-Hirnatlas, eine Art Google Maps für Hirnforscher, indem man den Aufbau menschlicher Gehirne analysierte, die Verstorbene der Wissenschaft zur Verfügung gestellt hatten. Dadurch konnten Gehirn-Areale so genau wie nie zuvor abgegrenzt, krankhafte Veränderungen festgestellt und feinste Verknüpfungen bis hin zu einzelnen Nervenzellen dokumentiert werden. Man kann anhand dieses 3D-Atlas jetzt die Hirnregionen abgrenzen, die bei Menschen mit Parkinson Veränderungen zeigen und durch die hochauflösenden 3D-Darstellungen können Hirnoperationen präziser geplant werden. Dieser 3D-Atlas kann über einen normalen Internet-Browser aufgerufen und von jedem genutzt werden.

Website Human Brain Project: https://www.humanbrainproject.eu/en/science-development/focus-areas/brain-atlases/



Überblick über weitere Arbeitsblätter zum Thema Gehirn



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