Man kann aus einem falschen Satz Schlüsse ziehen.
Ludwig Wittgenstein
Was bedeutet schlußfolgerndes Denken?
Begriffsbestimmung
Allgemein bedeutet schlußfolgerndes Denken, daß man von etwas Gegebenem zu etwas Neuem kommt. Im einzelnen kann dies z.B. bedeuten,
- daß man einen gegebenen Sachverhalt genauer erschließt, daß man erkennt, was impliziert (miteingeschlossen) ist;
- daß man aufgrund immer wiederkehrender Phänomene Regelmäßigkeiten oder Wirkungszusammenhänge annimmt;
- daß man Ähnlichkeiten erkennt und versucht, Bekanntes auf Unbekanntes zu übertragen
Schlußfolgerndes Denken hat also verschiedene Aspekte, die durch zwei Fragen systematisch erschlossen werden können:
- Problem der Gültigkeit oder
Verläßlichkeit
Wie/wodurch gelangen wir zu gültigen Schlußfolgerungen? Inwieweit können wir sicher sein, daß unsere Schlußfolgerungen richtig sind? - Problem der Innovation
Wie/wodurch kommen wir zu neuen Einsichten, entdecken wir Zusammenhänge zwischen ursprünglich unverbundenen Sachverhalten?
Logik ist die Lehre vom richtigen Denken, genauer von den Formen und Methoden (also nicht dem Inhalt) des richtigen Denkens. Sie kann nicht zeigen, was man denken muß, sondern nur, wie man, von irgendeinem Gegebenen ausgehend, denkend fortschreiten muß, um zu richtigen Ergebnissen zu gelangen.
Das deduktive Schließen
Schlußfolgerndes Denken, bei dem die logische Gültigkeit im Vordergrund steht, wird als deduktives Schließen oder "logisches Schließen" bezeichnet.
Logische Gültigkeit bedeutet, daß sich aus etwas Vorgegebenem (Prämissen) eine Schlußfolgerung (Konklusion) zwingend (notwendig) ergibt. Beim deduktiven Denken wird in der Regel zugrundegelegt, daß vom Allgemeinen (vom allgemein Gültigen) auf das Besondere (den Einzelfall) geschlossen wird.
Von daher gilt: Deduktive Schlußfolgerungen sind zwar sicher, bringen aber eigentlich keine neue Erkenntnis (bzw. nur insoweit als sie die Prämissen explizieren).
Siehe dazu im Detail: Deduktives Denken
Das induktive Schließen
Dem deduktiven Schließen kann (im Hinblick auf die zweite Frage) eine andere Art des Schlußfolgerns gegenübergestellt werden, (vom Besonderen auf das Allgemeine).
Ausgangspunkt für die Erweiterung von Wissen und Erkenntnis sind Einzelbeobachtungen oder einige Fälle, von denen aus auf andere Fälle oder allgemeine Regelhaftigkeiten (Gesetzmäßigkeiten) geschlossen wird.
Induktive Schlußfolgerungen sind unter dem Aspekt der logischen Gültigkeit problematisch, da sie mit Unsicherheit belastet sind. Sie gehen über das Vorgegebene (Vorgefundene) hinaus und verlieren bei nur einem Gegenbeispiel den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
"(Alle) Metalle sind schwerer als Wasser" galt nur solange, bis Metalle entdeckt wurden, die leichter als Wasser sind (z.B. Kalium). Obwohl die induktiv gewonnen Schlußfolgerungen nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit haben, werden Induktionsschlüsse nicht nur im Alltag - hier häufig in Form von Vorurteilen - sondern auch in der Wissenschaft fast ausschließlich verwendet. Da unser Wissen letztlich über Induktion gewonnen wird, kommt dem induktiven Denken eine vorrangige Bedeutung zu.
Siehe dazu im Detail: Induktives Denken
Kleiner Exkurs: Induktion und Deduktion im wissenschaftlichen Denken
Induktion ist die philosophische bzw. wissenschaftliche Methode, welche vom einzelnen Besonderen auf etwas Allgemeines, Gesetzmäßiges schließt. Sie ist daher immer eine Verallgemeinerung.
Die Deduktion ist die Ableitung von Erkenntnissen aus anderen, allgemeineren. Sie darf an Faktischem nichts hinzufügen, was nicht schon in der Verallgemeinerung enthalten wäre.
Beide müssen sich in einer Erfahrungswissenschaft ergänzen; denn das Allgemeine, von dem das Besondere abgeleitet wird, wird durch Induktion gewonnen. Jedes methodische Vorgehen setzt Deduktion und Induktion voraus, da sie die beiden Pole der Erkenntnis miteinander verknüpfen. In einer deduktiven Wissenschaft hängt die Wahrheit von Aussagen von ihrer Ableitbarkeit aus den zugehörigen Axiomen ab. Rein deduktiv sind eigentlich nur die Mathematik und die Logik, weil sich hier aus den allgemeinen Erkenntnissen des Raumes und der Zahl, bzw. des Denkens alle speziellen Eigenschaften ableiten lassen. Teilweise deduktiv sind die ethischen Disziplinen (Ethik, Rechtslehre, Pädagogik), weil ihre allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung von Besonderem dienen können. Alle anderen Wissenschaften gewinnen nur aus der Erfahrung die Kenntnis allgemeiner Gesetze.
Der Elfenbeinturm, in dem die
philosophische Seele spukt, besteht aus reich verzierten
logischen Stufen und ist mit Silberglöckchen der Ethik
behangen. Das heitere Gespenst schreitet bedächtig
induktiv die Stufen hinan und läßt sich sanft
deduktiv an ihnen herunter. Bei dieser reizvollen Übung
läßt sie fromm die Glöckchen der moralischen
Lehre erschallen, und entzückt lauscht die
lehrbegierige Menge.
Vilém Flusser, Die Geschichte des
Teufels
Analoge Schließen
Die dritte Art des Schlußfolgerns ist das analoge Schließen - der Analogieschluß kann auch als induktiver Schluß verstanden werden. Hierbei wird von der Übereinstirmmung in einigen Punkten auf Entsprechung/Ähnlichkeit auch in anderen Punkten bzw. auf die Gleichheit von Verhältnissen geschlossen.
Diesem Schluß wird zwar aus logischer Perspektive die geringste Verläßlichkeit zugewiesen, seine erkenntnisgenerierende Funktion ist jedoch unumstritten.
Siehe dazu im Detail: Das analoge Schließen
Siehe dazu:
Psychologische Theorien zur Erklärung des analogen Schließens
Abduktives Schließen
Abduktion bezeichnet Schlußfolgerungen, bei denen unbekannte Ursachen aus bekannten Effekten oder Konsequenzen abgeleitet werden. In formallogischer Hinsicht handelt es sich bei Abduktion um eine "ungültige" Form des Schließens.
Im einfachsten Fall wird bei abduktiven Schlüssen aus der Aussage, daß A die Ursache von B ist und aus dem Vorliegen von B A als Ursache abgeleitet.
Zum Beispiel:
Wenn es regnet, ist die Straße naß.
Die Straße ist naß,
also hat es geregnet.
Die Abduktion liegt z.B. der klinischen Diagnostik, der juristischen Interpretation von Sachverhalten und vielen Kausalattributionen des Alltags zugrunde. Derartige Schlußfolgerungen sind auch Grundlage der Fehlersuche in technischen Systemen oder in Computerprogrammen und letztlich auch des wissenschaftlichen Entdeckens. Für sie ist charakteristisch, daß eine Menge von - bekannten - Beobachtungen oder Evidenzen durch eine Konfiguration von - unbekannten, aber wahrscheinlichen - Ursachen "erklärt"werden muß.
Es läßt sich zeigen, dass die Abduktion im Zusammenspiel mit Induktion und Deduktion einfachen Lernprozessen zugrundeliegt.
Siehe dazu Eimertheorie vs Scheinwerfertheorie - Warum schwimmt hier ein schwarzer Schwan?Quellen
Riegler, Alexander (1999). Können wir das Problem der
Echtzeitkognition lösen?
WWW: http://www.zum-thema.st/wissensbank/Riegler1.html (02-05-18)
Popper, Karl R. (1979). The Bucket and the Searchlight: Two Theories of Knowledge. In Objective Knowledge: An Evolutionary Approach (rev. ed.). Oxford: Clarendon Press.
Oerter, Rolf & Dreher, Michael (1995): Entwicklung des Problemlösens. In Oerter, Rolf & Montada, Leo (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Weinheim: PVU.
Microsoft Encarta 1999.
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