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Psychologische Theorien zur Erklärung des analogen Schließen

Strukturalistische Position

Piaget, Montangero und Billeter (1977) untersuchten die Entwicklung des analogen Denkens bei klassischen Analogieaufgaben mit bildhaftem Material. Durch systematische Hilfestellung, die den Kindern bei Schwierigkeiten gegeben wurde, ließen sich unterschiedliche Niveaus bestimmen.

Zuerst legten die Kinder die verwendeten Bilder in eine Reihe; dabei wurde sichergestellt, dass die abgebildeten Objekte (z.B. Hund, Schiff, Feder etc.) bekannt waren. Die Kinder sollten anschließend zusammengehörende Bilder nebeneinanderlegen; meistens sortierten sie die Bilder nach Paaren. Im nächsten Schritt sollten die Kinder Bilderpaare möglichst passend zu Vierergruppen zusammensetzen und ihre Auswahl bezüglich der Paare (einfache Relation) und der Vierergruppen (Relation zweiter Ordnung) begründen.
Bei Schwierigkeiten wurden den Kindern unterstützende Hinweise gegeben (z.B. Was hält den Vogel im Winter warm?). Wenn das Kind das dazugehörige Paar (C: D - Hund: Fell) noch nicht erkannte, wurde der erste Teil des in Frage kommenden Paares (Hund) unter das erste Bild gelegt und gefragt, welches Bild wohl jetzt noch am besten passen würde (Hilfe: "Es müßte etwas für den Hund sein!"). Gelang es immer noch nicht, die "Analogie" zu finden, wurden zum Füllen der Lücke (D) drei Bilder zur Auswahl vorgegeben.
Als Test, ob die Kinder die Analogie, d.h. die Ähnlichkeit der Relation, verstanden hatten, wurden ihnen vom Versuchsleiter Alternativen für den D-Teil angeboten; diese "Gegenvorschläge" waren hinsichtlich ihrer Akzeptierbarkeit zu beurteilen.

 

Aus den gefundenen Unterschieden leiteten Piaget und seine Kollegen drei Stufen des analogen Denkens ab.

Stufe I (korrespondierend mit dem präoperationalen Denken)

Charakteristisch für Stufe Ia ist, dass die Kinder nicht in der Lage sind, Relationen zwischen den Bildern zu erkennen (also auch keine relationalen Ähnlichkeiten), sondern beliebige bzw. von subjektiver Erfahrung geprägte (ideosynkratische) Verbindungen vornahmen (z.B. Hund: Auto - weil der Hund manchmal im Auto fährt). Später (Stufe Ib) rücken kausale Beziehungen stärker in den Vordergrund, es überwiegen aber noch variable Zuordnungsmerkmale (Assoziation, äußere Ähnlichkeit, Teil-Ganzes-Beziehung etc.). Diese Variabilität bedeutet nach Piaget, dass das Kind Objekte noch nicht in feste Bezugssysteme (Klassen oder Unterklassen) einordnen kann und von daher die Basis für das Verständnis von Relationen fehlt.

Stufe II (korrespondierend mit dem konkret-operationalen Denken)

Kennzeichen ist die zunehmende Fähigkeit, Relationen zu reflektieren als Voraussetzung für das Erkennen relationaler Ähnlichkeit. Auf der Stufe IIa können die Kinder durch Versuch und Irrtum die Bildung der Analogie erfolgreich vornehmen. Da sie aber bereitwillig "unpassende" Gegenbeispiele akzeptieren, zeigen sie, dass sie das Wesentliche, die relationale Ähnlichkeit, noch nicht verstehen. Erst auf Stufe IIb stehen die Kinder den "fehlerhaften" A1ternativen kritisch gegenüber und weisen sie zurück, so dass ein sich anbahnendes Grundverständnis der relationalen Ähnlichkeit angenommen werden kann. Die Konstruktion einer Analogie erfolgt aber überwiegend noch über Versuch und Irrtum bzw. bedarf des konkreten Feedbacks.

Stufe III (korrespondierend mit dem formal-operatorischen Denken)

Das Kind ist jetzt in der Lage, Analogien selbständig zu bilden und als relationale Ähnlichkeit zu rechtfertigen, auch beim Zurückweisen der unpassenden Alternativen.

Modell der Informationsverarbeitung

Das Modell der Informationsverarbeitung konzentriert sich auf die Prozesse, die für analoges Denken bedeutsam sind. Hier ist vor allem Sternberg (1977) zu nennen, der das Lösungsvorgehen bei klassischen Analogie-Aufgaben mit zwei Antwortvorgaben (A: B = C: D1/D2) untersuchte.

Psychologische Theorien zur Erklärung des analogen Schließens Modell der Informationsverarbeitung

Sternberg unterteilt den Prozeß der Lösungsgenerierung in sechs unabhängige Schritte bzw. postuliert sechs Komponenten, die für die Lösungsfindung ausschlaggebend sind:

  1. Encoding: Im Zuge des Enkodierens wird jeder Begriff erfaßt und an Hand von Attributen, die für je den Begriff kennzeichnend sind, semantisch gespeichert.
  2. Inference: Die Komponente des Folgerns kennzeichnet die Erfassung der Beziehung zwischen dem A und B-Begriff; sie wird im Arbeitsspeicher festgehalten. ~-
  3. Mapping: Hierbei erfolgt die Verbindung zwischen der ersten und zweiten Hälfte der Analogie. Sie beruht darauf, dass die Beziehung zwischen dem A- und C-Begriff hergestellt wird.
  4. Application: Es wird nun die Relation, die im zweiten Schritt (inference) zwischen A und B erschlossen wurde, analog übertragen auf Relationen zwischen C und die zur Wahl stehenden D-Alternativen.
  5. Justification: Da bei manchen Analogien die Beziehung zwischen den C- und D-Begriffen nicht genau mit der erschlossenen Beziehung zwischen A und B übereinstimmt, muß geprüft werden, welche Alternative (Dl/D2) die Bedingungen am besten erfüllt.
  6. Respond with the answer of choice: Der letzte Schritt enthält die Entscheidung bezüglich des Begriffs, der die Analogie korrekt komplettiert.

Sternberg untersuchte mit bildhaften Vorlagen (z.B. schematischen Abbildungen menschlicher Figuren), ob Kinder die sechs Komponenten des analogen Denkens anwenden und welche Altersvariationen bezüglich der Verfügbarkeit dieser Prozesskomponenten vorfindbar sind.

Die Ergebnisse erbrachten, dass 8jährige die Analogien eher per Zufall lösten (unter 50% richtige Lösungen); eine deutliche Verbesserung war bei den 10jährigen zu erkennen (63%), die Lösungsquote stieg bei 12jährigen und College-Studdenten auf 70%-80% an. Es zeigte sich, dass die Komponenten encoding, inference, application und response bei allen Altersgruppen nachweisbar waren. Bei den jüngeren Kindern (8jährige) war die mapping-Komponente nicht zu erkennen. Sternberg erklärt dies damit, dass das mapping die Herstellung einer Relation zweiter Ordnung erfordert, d.h. dass eine Beziehung zwischen zwei Relationen erkannt werden muß. Dies entspricht der Annahme von Piaget und Inhelder (1980; Orig. 1955), die Ähnlichkeitsrelationen höherer Ordnung einer späteren Stufe der kognitiven Entwicklung zugeordnet haben.

Insgesamt konnte belegt werden, dass analoges Denken im Sinne des Herstellens von relationalen Ähnlichkeitsbeziehungen bereits bei jüngeren Kindern nachzuweisen ist. Ferner zeigte sich, dass bereits 3- und 4jährige Kinder in der Anwendung der Komponenten des Modells von Sternberg trainiert werden können.

Wissensbasierter Ansatz

Ein weiterer Ansatz zur Erklärung altersbezogener Veränderungen des analogen Denkens fragt nach dem für die Herstellung einer Analogie notwendigen Wissen. Wenn ein Kind nicht weiß, worum es bei einer Analogie-Aufgabe geht, wird es nur durch Versuch und Irrtum zur Lösung kommen. Goswami (1992) hebt zwei Aspekte hervor:

Sie zeigt auf, dass Fehler einmal darauf zurückzuführen sind, dass das Kind zu wenig Wissen hinsichtlich der Objekte hat (z.B. über Werkzeuge verschiedener Berufe) und insofern zu keiner Gleichsetzung der Beziehungen kommen kann. Zum anderen kann das Kind bei der Lösung eines Analogie-Problems deshalb scheitern, weil es nicht beachtet, dass es die Ähnlichkeit der Relationen suchen soll. Die "wissenbasierte" Perspektive nimmt an, dass Veränderungen des analogen Denkens den Wissenszuwachs des Kindes widerspiegeln.

Goswami (1992) vertritt unter dieser Perspektive eine extreme Position: Die Fähigkeit, die Ähnlichkeit einer Relation zu erkennen, entwickelt sich eigentlich nicht; vielmehr sind Kinder zu jedem Zeitpunkt ihrer Entwicklung - auch schon in den ersten Lebensmonaten - in der Lage, relationale Ähnlichkeit zu erkennen. Zur Erklärung von Unterschieden formuliert sie die "relationsbezogene Schwierigkeitshypothese", derzufolge Relationen unterschiedlich komplex (z.B. perzeptuell vs. konzeptuell) sind und ihr Erkennen oder Entdecken vom Wissen des Kindes abhängt: "Wenn sich das kindliche Wissen über die Welt entwickelt, verändert es seine Struktur und das Bewußtsein bezüglich verschiedener Relationen innerhalb eines Bereiches nimmt zu; dies befähigt zu tieferen und komplexeren Analogien.".

Abschließend ein Untersuchungsbeispiel aus dem perzeptuellen Bereich, das als Beleg dafür dienen soll, dass das Verständnis von relationalen Ähnlichkeiten zu den Grundkategorien menschlicher Erkenntnisfähigkeit gehört:

Wagner et al. (1981) untersuchten die kindliche Fähigkeit, relationale Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Stimuli herzustellen. Den Kindern wurden beispielsweise zwei visuelle Stimuli gezeigt, ein aufwärts- und ein abwärtsgerichteter Pfeil. Dann wurde ihnen ein steigender oder fallender Ton vorgespielt. Die Frage der Autoren war nun, ob das Kind bei Präsentation des steigenden Tons eine visuelle Präferenz für den aufwärts gerichteten Pfeil zeigen würde und umgekehrt beim fallenden Ton eine Präferenz für den abwärts gerichteten Pfeil. Wagner et al. (1981) behaupten, dass solche visuelle Präferenzen die Verknüpfung von Stimuli auf der Basis von Relationen (z.B. "aufsteigend") anzeigen.

Weitere Konfigurationen, die zum Nachweis verwendet wurden, waren: unterbrochene Linie und pulsierender Ton vs. geschlossener Kreis und kontinuierlicher Ton. Die Autoren argumentieren, dass keine dieser visuell-auditiven Verbindungen auf der Basis physikalischer Ähnlichkeit hergestellt werden kann (z.B. zunehmende Intensität für beide Stimuli). Ferner wird angenommmen, dass Kinder nicht über vorlaufende Erfahrungen bezüglich solcher gemeinsam auftretender Ereignisse verfügen. Insofern können Präferenzen der Verknüpfung als Erkennen von Ähnlichkeit auf einem abstrakteren relationalen Niveau erachtet werden.

Ergebnis: Kinder im Alter von 9 Monaten präferierten den aufwärts gegenüber dem abwärts gerichteten Pfeil, wenn sie einen steigenden Ton hörten und umgekehrt, den abwärts gerichteten Pfeil beim fallenden Ton. Ferner präferierten sie die unterbrochene Linie beim pulsierenden, den geschlossenen Kreis beim kontinuierlichen Ton. 

 

Siehe auch Typische Schlussfehler bei sozialen Interaktionen  

Quellen

http://www.ipd.uka.de/~prechelt/swt2/node20.html (03-10-04)

Oerter, Rolf & Dreher, Michael (1995): Entwicklung des Problemlösens. In Oerter, Rolf & Montada, Leo (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Weinheim: PVU.



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