Eimertheorie vs Scheinwerfertheorie
Warum schwimmt hier ein schwarzer Schwan?
Die Eimertheorie des Denkens schließt an die
Ansicht "Nihil in intellectu quod non prius in sensu" an,
d.h., dass wir nicht über etwas denken
können, das uns nicht zuvor durch unsere Sinne erreicht
hat. Diese Analogie vergleicht Kognition mit einem Eimer,
der sukzessiv mit Wissen durch unsere Sinnesorgane
gefüllt wird. Lernpsychologisch betrachtet entspricht
das weitgehend dem Black-Box-Modell der klassischen
Lerntheorien.
Kann die Scheinwerfertheorie gerechtfertigt werden? Arbeitet unser Denken nach der Scheinwerfermethode, die Erfahrung sekundär einstuft, so stellt sich die Frage, ob wir damit nicht von einer Tabula Rasa starten müssen, wir also anzunehmen haben, dass wir zu Beginn kein Wissen über die Umwelt haben. Tatsächlich ist dies der Fall, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass unser Nervensystem keinerlei Information über die Bedeutung einer übertragenen Nachricht liefert. Dieses Prinzip der indifferenten Kodierung verlangt geradezu die Annahme, dass das Gehirn erst "Sinn" erzeugt. Damit ist unser Denken dadurch charakterisiert, dass es Gebäude von Vermutungen verwendet, die diesen anonymen Nervensignalen entspringen. In weiterer Konsequenz ist damit die Auffassung einer Korrespondenztheorie überflüssig, nämlich, dass Kognition Information von der Umgebung abbildet, vielmehr liegt eine (auf die Informationsverarbeitung bezogene) operationale Geschlossenheit vor: Jede Zustandsänderung der relativen Aktivität einer Neuronengruppe führt zu einer Zustandsänderung der relativen Aktivität dieser oder einer anderen Neuronengruppe. Sinnesreize stellen dabei nur Perturbationen dar, welche den kognitiven Apparat in seinem Operieren zwar beeinflussen, aber nicht determinieren. Nicht "Information von Außen" charakterisiert die Funktionsweise des kognitiven Apparates, sondern die fortdauernde interne Konstruktion der Welt, die ankommende Perturbationen lediglich zu interpretieren sucht. Die Entwicklung vom Neugeborenen zum Erwachsenen im Speziellen und die evolutionäre Entwicklung kognitiver Kompetenz im Allgemeinen spiegelt diese fortdauernde Konstruktion wider.
Ein in diesem Zusammenhang vielfach zitiertes Beispiel ist das des Unterseebootnavigators, der sich (in Anbetracht der undurchdringlichen Finsternis in großen Tiefen) völlig auf Anzeigeinstrumente (also indifferente Nervensignale) verlässt und in Abhängigkeit davon gegebenenfalls diverse Hebeln und Knöpfe bedient. Aus unserer Perspektive zeigen die Instrumente selbstverständlich "etwas draußen" an, aber das ist für das korrekte Navigieren irrelevant. Worauf es ankommt, ist das Aufrechterhalten von Relationen zwischen Instrumenten. Popper belegt diesen Umstand mit der Aussage: "Observations are secondary to hypotheses".
Literatur
Riegler, Alexander (1999). Können wir das Problem der
Echtzeitkognition lösen?
WWW: http://www.zum-thema.st/wissensbank/Riegler1.html (02-05-18)
Oerter, Rolf & Dreher, Michael (1995): Entwicklung
des Problemlösens. In Oerter, Rolf & Montada, Leo
(Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Weinheim: PVU.
Microsoft Encarta 1999.
Popper, Karl R. (1979). The Bucket and the Searchlight: Two Theories of Knowledge. In Objective Knowledge: An Evolutionary Approach (rev. ed.). Oxford: Clarendon Press.
Stangl, W. (2011, 15. Mai). tabula-rasa-Modell. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/26156/tabula-rasa-modell.
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