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plutarch geist gehirn

Der Geist ist nicht wie ein Gefäß, das gefüllt werden soll,
sondern wie Holz, das lediglich entzündet werden will.
Plutarch: Moralia

Gehirn, Gefühle und Emotionen

Für das Negative in unserem Leben, das mit der Ausbildung von Furcht und Angst verbunden ist, ist vornehmlich der Mandelkern (Amygdala) zuständig, für das Positive, Beglückende und Lustvolle hingegen sind es vor allem die Strukturen des ventralen tegmentalen Areals und des Nucleus accumbens. Allerdings ist umstritten, ob diese Strukturen tatsächlich der Speicherort von Gefühlen sind oder eher die Orte, an denen die Verknüpfung zwischen Ereignissen und bestimmten Gefühlen codiert ist und die den Zugriff auf anderenorts niedergelegte emotionale Gedächtnisinhalte regeln. Die Details des leid- und lustvollen Geschehens gehen nämlich nicht in das emotionale Gedächtnis ein, sondern werden im deklarativen Gedächtnissystem gespeichert. Wichtigster Organisator dieses Gedächtnissystems ist die Hippocampus-Formation, die für das episodische Gedächtnis ("was wann wo wie geschah") zuständig ist.

Sind wir nun mit einer Situation konfrontiert, die in irgendeiner Weise für uns wichtig ist, dann wird unser limbisches System danach abgefragt, ob es nicht irgendwelche Vorerfahrung mit derselben oder einer ähnlichen Situation gibt, und ob die damaligen Geschehnisse positiv oder negativ ausgegangen sind. Falls ja, erleben wir die Antwort als Gefühle, indem entsprechende limbische Zentren Informationen in die Großhirnrinde senden. Gegebenenfalls erinnern wir uns auch an bestimmte Details, die dann die Hippocampus-Formation hinzugibt. Die genannten limbischen Zentren sind Teil eines allgemeinen Bewertungssystems in unserem Gehirn, das alles, was durch uns und mit uns geschieht, danach bewertet, ob es gut/vorteilhaft/lustvoll war und entsprechend wiederholt werden sollte, oder schlecht/nachteilig/schmerzhaft und entsprechend zu meiden ist. Ohne dieses Bewertungssystem, das alle Wirbeltiere in sich tragen, wären wir völlig überlebensunfähig, denn es sorgt dafür, dass unser Gehirn alle bewussten und unbewussten Handlungsentscheidungen immer im Lichte vergangener Erfahrung trifft.

Auch ein Zusammenhang zum Lernen besteht: Neueste Forschungen betonen die Wechselwirkungen zwischen Gedächtnis und Affekt, indem man jene Information eher behält, die einen interessiert oder die einen überrascht, in Erstaunen oder Schrecken versetzt (vgl. Markowitsch 1997, 1998).

Schon im 19. Jahrhundert wusste man viel über das Bauchhirn und dachte, es sei für Gefühle und das Unbewusste zuständig, während das Großhirn für das Bewusste verantwortlich sei. Aber das Bauchhirn geriet in Vergessenheit, sodass man über dieses Bauchhirn und das, was dazugehört, wenig weiß. Besonders nach der kognitiven Wende in der Psychologie und dann in der Neurobiologie waren es immer nur die kognitiven Leistungen, die scheinbar den Menschen zum Menschen machen. Gefühle waren uninteressant, denn es ist ja das, was den Menschen mit den Tieren verbindet, und damit wollte man nichts zu tun haben. Seit den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts wird aber auch den Neurobiologen klar, dass Menschen auch gefühlsbetont sind und dass der Verstand in die Gefühle eingebaut ist. Erst jetzt begreift man, dass Gehirn und Körper mit den Gefühlen und Affekten zusammenhängen. Es ist also historisch betrachtet nichts Neues, dass Gehirn und Körper zusammengehören.


Gefühle und Empfindungen

Gefühle und Empfindungen vermitteln zwischen rationalen, bewussten und nichtrationalen unbewussten Prozessen. Primäre Gefühle werden durch unspezifische äußere Reize von der Amygdala auslöst und erzeugen durch angeborene dispositionelle Repräsentationen den dem entsprechenden Gefühl zugeordneten Körperzustand. (Furcht, Wut, Freude). Sekundäre Gefühle werden durch Denkprozesse ausgelöst, bei denen aus gespeicherten dispositionellen Repräsentationen Vorstellungsbilder in den sensorischen Feldern erzeugt werden. Diese Vorstellungsbilder sind mit früher erworbenen emotionalen Erfahrungen verknüpft und lösen ihrerseits über die Amygdala dispositionelle Repräsentationen in den senso-motorischen Feldern unbewusste Körperreaktionen aus, die den zugeordneten Gefühlszuständen entsprechen. Durch Rückmeldungen des autonomen Nervensystems über den veränderten Körperzustand werden diese Gefühle erst bewusst gemacht. Personen mit bestimmten rechtsseitigen präfrontalen Hirnschäden können deshalb primäre Gefühle normal empfinden, während sie sekundäre Gefühle nicht auslösen können. Dies beeinträchtigt wesentlich deren Entscheidungsfähigkeit.
1994 erschien von Antonio R. Damasio das Buch "Descartes Error" (deutsch "Descartes' Irrtum", 1995), in dem Damasio eine Theorie der Emotionen vorstellte. 1999 erschien "The Feeling of What Happens; Body and Emotion in the Making of Consciousness", zu deutsch also etwa "Das Gefühl für das, was sich ereignet. Wie Körper und Emotionen Bewusstsein hervorbringen". Die deutsche Ausgabe erschien 2000 unter dem Titel "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Man kann das zweite Buch als "Descartes' Irrtum", Band 2. betrachten, in dem die endgültige Überwindung der Dualismus vermutlich gelungen ist.

Quelle:
Pohl, Wolf (2001). Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Eine Rezension. In Aufklärung und Kritik, Heft 1.

Wenn sie zum Beispiel gefragt wurden, ob sie heute Abend ins Kino gehen wollten, begannen sie rational darüber nachzudenken: "Wenn ich ins Kino gehe, dann kann ich nicht ins Restaurant gehen. Dafür muss ich aber auch nicht so feine Sachen anziehen. Andererseits dauert ein Kinobesuch so lange und man kann sich dabei nicht unterhalten. Aber im Restaurant kann ich den Film nicht sehen und außerdem kostet das mehr. Aber zum Kino muss ich mit dem Bus, und der fährt nicht so oft....". Diese Patienten versuchten also auf rein rationalem Weg zur Entscheidung zu kommen, und das gelang ihnen nicht. Damasio fand heraus, dass der geschädigte Hirnbereich in direkter Verbindung steht mit der Amygdala, dem Zentrum unserer Emotionen. Daraus schloss er, dass für rationale Entscheidungen Emotionen unerlässlich sind. Dieser Befund wird zwar von einigen Wissenschaftlern kritisiert; eine ganze Reihe stimmen Damasio aber prinzipiell zu, dass Rationalität ohne Emotionen nicht denkbar ist.

Es waren unter anderem Damasios Befunde, die die KI-Gemeinde dazu brachte, Emotionen als wesentlichen Bestandteil eines intelligenten Systems anzusehen. KI-Papst Marvin Minsky, dessen "Society of Mind" eines der Standardwerke der KI. kognitiven Psychologie bzw. Neurowissenschaften ist, arbeitet seit einigen Jahren an einem Äquivalent zum Thema "Emotionen und Maschinen".

Antonio Damasio erklärt in seinem neuen Buch "Self Comes to Mind", wie aus den Anfängen des Selbst im Tierreich schrittweise das autobiografische Selbst des Menschen entstanden sein soll. Er beschreibt, wie aus den neuronalen Aktivitäten des Gehirns im Lauf der Evolution ein Bewusstsein entsteht, das in der Philosophie seit René Descartes als ein zur Reflexion fähiges Selbst charakterisiert wird. Descartes rätselte darüber, wie aus bloßer Materie das menschliche Selbstbewusstsein hervorgehen konnte, und postulierte für das Ich eine eigene Substanz mit ganz besonderen immateriellen Eigenschaften, die sich nicht auf Materielles zurückführen ließen. In Damasios spekulativer Bewusstseinstheorie wird ein unbewusstes Protoselbst postuliert, das eine neuronale Beschreibung relativ stabiler Aspekte des Organismus darstellt, dessen Hauptprodukt spontane Gefühle für den lebenden Körper darstellen, d.h., bevor eine Person existiert, die sich seiner selbst bewusst ich sagen kann, besitzt sie eine Art vorbewusstes Gefühl für den eigenen Körper, wobei dieses Körpergefühl grundlegender ist als Glück oder Schmerz, denn um diese fühlen zu können, müssen derlei Emotionen bereits als Zustände erlebt werden, die mit einem Körper verbunden sind.

Schon in früheren Arbeiten hat Damasio zwei nach ihrer Komplexität verschiedene Arten von Bewusstsein unterschieden: Die einfachste Art nannte er Kernbewusstsein, das den Organismus aus mit einer Empfindung von einem Selbst für einen Augenblick – jetzt – und einen Ort – hier - ausstattet. Dieses Kernbewusstsein erhellt nicht die Zukunft, und die einzige Vergangenheit, auf die es uns einen verschwommenen Blick erlaubt, ist das, was sich im gerade vorangegangenen Augenblick ereignete. Das Kernbewusstsein wird in Schüben (pulses) für jeden einzelnen Bewusstseinsinhalt erzeugt und ist jeweils das Wissen, das entsteht, wenn man mit einem Objekt seiner Umgebung konfrontiert ist, also das Gehirn ein neuronales Muster davon erzeugt. Die dabei entstehende Vorstellung des Objekts wird in der dem Individuum eigenen Perspektive erzeugt, wobei dafür der Organismus das Bezugssystem liefert. Die komplexe Art von Bewusstsein hingegen, die Damasio erweitertes Bewusstsein nennt, stattet den Organismus mit einer detaillierten Empfindung von einem Selbst aus – einer Identität und einer Person – und gibt der Person einen Platz an einem Punkt in ihrer individuellen Geschichte, bewusst der gelebten Vergangenheit, der vorausgesehenen Zukunft und der Welt um sie herum.

Während Kernbewusstsein ein biologisches Phänomen ist, das sich nicht ausschließlich beim Menschen findet, und nicht von Gedächtnis, Denken oder Sprache abhängt, ist das erweiterte Bewusstsein nicht nur ein biologisches sondern beim Menschen auch ein gelerntes bzw. kulturelles Phänomen, das sich erst im Laufe der Lebenszeit des Organismus entwickelt. Dieses rweiterte Bewusstsein ist auf ein Gedächtnis angewiesen, wobei beim Menschen durch die Sprache viele neue Möglichkeiten erschlossen werden.

Den beiden Arten von Bewusstsein entsprechen zwei Arten von Selbst, also ein Selbst, das im Kernbewusstsein entsteht und das Damasio Kernselbst nennt, das unentwegt in jeder Konfrontation mit der Umwelt neu geschaffen wird, mit der der Organismus in Wechselwirkung tritt. Der traditionelle Begriff von Selbst verbindet sich aber mit der Vorstellung von Identität und entspricht der beständigen Ansammlung von einzigartigen Tatsachen und Seinsweisen, die eine Person charakterisieren, also einem autobiographischen Selbst. Dieses autobiographische Selbst hängt von geordneten Erinnerungen an Situationen ab und stellt die stabilen, charakteristischen Daten des eigenen Lebens bereit.

Damasio: "Die bahnbrechende Neuerung, die sich im Verlauf der Evolution mit der Entstehung von Bewusstsein ergab, ist die Möglichkeit, das System zur Regulierung der Lebensprozesse, das in Hirnregionen wie dem Hirnstamm und dem Hypothalamus angesiedelt ist, in Verbindung zu bringen mit der Verarbeitung der Repräsentationen der Dinge und Ereignisse, die innerhalb und außerhalb des Organismus existieren. Warum war dies wirklich ein Vorteil? Weil es für das Überleben in einer komplexen Umgebung, d.h. für die effiziente Steuerung der Lebensprozesse darauf ankommt, dass man die richtigen Handlungen unternimmt, und dafür zweckgerichtete Vorausschau und optimale Planung anhand von Vorstellungen von entscheidender Wichtigkeit sind. Bewusstsein erlaubt es, eine Beziehung herzustellen zwischen der inneren Steuerung der Lebensprozesse und dem Erzeugen von Vorstellungen. ... Wenn Bewussstsein in der Evolution auftaucht, kündigt sich darin das Einsetzen der individuellen Vorsorge an."

Emotionen bestimmen oft zu einem großen Teil unser Verhalten, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Die Bewusstseins-Diskussionen der letzten Jahre haben diesen Aspekt zumeist außen vor gelassen, so, als sei Bewusstsein eine rein rationale Angelegenheit. Da der "Sitz" der Emotionen in den evolutionär alten Teilen unseres Gehirns angesiedelt ist, unterscheiden sie sich kaum von denen anderer Tiere. Im Gegensatz zu vielen Tieren haben wir Menschen lediglich gelernt, sie teilweise zu kontrollieren. Daraus aber zu schließen, wir hätten unsere Emotionen und Instinkte im Griff, ist sicherlich falsch. Wer also von der "Natur des Menschen" spricht, der darf diesen wichtigen Aspekt nicht außer Acht lassen.

Nach Antonio Damasio gäbe es bei einem Dasein des Menschen ohne Bewusstsein auch keine Liebe sondern nur Sex, aber auch die Künste wären nicht entstanden, denn sie sind ein Produkt des Bewusstseins der Menschen. Kreativität, Sprache, Gedächtnis und Vernunft konnte nur mit bewusstem Geist zu dem Umfang heranwachsen, wie die Menschheit sie heute besitzt , wobei sich Vorstufen des Bewusstseins bereits bei primitiven Organismen finden lassen. Archaischen Urgefühle bilden die älteste, unbewusste Form eines Ich-Gefühls, wobei Tiere diese Urgefühle normalerweise nicht wahrnehmen und sich nicht mit ihnen auseinandersetzen können, denn ihnen fehlen Gefühle von Emotionen. Selbstreflexion und Subjektivität stehen erst auf der nächsten Stufe der Evolution, sind in jüngeren Gehirnregionen beheimatet und befähigen den Menschen dazu, seinen Geist kennen zu lernen und den Geist dazu, im eigentlichen Sinn bewusst zu werden, wobei diese letzte, dritte Ebene das autobiografische Selbst darstellt. Ursache dafür., dass der Mensch im Zuge der Evolution Bewusstsein entwickelt hat, sind nach Damasio die "Homöostase" und der "biologische Wert", wobei der Letztere darin liegt, dass ein Lebewesen zumindest jenes Alter erreicht, das ihm einen Fortpflanzungserfolg ermöglicht. Parallel zur Kommunikation erzeugten die Künste einen homöostatischen Ausgleich, sodass sich Musik, Theater und Malerei in der Evolution deshalb durchgesetzt haben, die sie für die Menschen einen "Überlebenswert" besitzen.

Siehe dazu Neuromarketing und Neuromerchandising

Verstrickung von Gefühl und Gedächtnis

Literatur

http://www.geo.de/themen/
medizin_psychologie/gedaechtnis/
gedaechtnis_03.html
http://www.psy.unsw.edu.au/
Users/jforgas/

Glaser, Emma, Mendrek, Adrianna ,Germain, Martine, Lakis, Nadia & Lavoie,Marc E. (2012). Sex differences in memory of emotional images: A behavioral and electrophysiological investigation. International Journal of Psychophysiology, 83.
Stangl, W. (2023, 26. April). Wie Angst entsteht. Stangl notiert …
https://notiert.stangl-taller.at/grundlagenforschung/wie-angst-entsteht/.
Die Verstrickung von Gefühl und Gedächtnis ist ein Produkt der Evolution. "Wenn Sie wissen wollen, wie die Vorstufen des menschlichen Gedächtnisses gearbeitet haben, stellen Sie sich etwa einen Igel vor", erklärt der Bielefelder Neuropsychologe Hans Markowitsch. "Er beriecht und probiert seine Nahrung und muss differenzieren: Was ist gut? Was ist giftig?" Die Ergebnisse dieser mit Ekel- oder Lustgefühlen verknüpften Bewertungen müsse sich der Igel möglichst ein Leben lang merken.

Dass unser Gehirn heute wirklich noch ähnlich arbeitet wie das unserer tierischen Vorfahren, erkennt Markowitsch an Patienten, die am Urbach-Wiethe-Syndrom leiden. Bei dieser erst vor wenigen Jahren beschriebenen, genetisch bedingten Krankheit kommt es zu einer selektiven Verkalkung von Gefäßen innerhalb der Amygdala - einem Teil des limbischen Systems. Das Gefühl für Gut und Böse verschwindet, und mit ihm das Gespür für Relevantes und Irrelevantes. Gespräche mit Betroffenen haben etwas Surreales: Die Kranken ignorieren die Kernpunkte und beißen sich an zufällig ausgewählten Banalitäten fest. Ihnen fehlt also der normalerweise vorhandene Gefühlssinn dafür, was sich zu merken lohnt.

In einer ähnlichen Situation befinden sich Menschen, die an Depressionen leiden. Sie können weit weniger Einzelheiten aus der Vergangenheit wiedergeben als Gesunde. Gleichzeitig haben sie die Tendenz, sich gegenwärtige Ereignisse nur ungenau zu merken. So machen Depressive bis zu 30 Prozent der Patienten aus, die wegen Besorgnis erregender Vergesslichkeit so genannte "memory clinics" aufsuchen - medizinische Zentren, die sich auf die Diagnose und Behandlung von Gedächtnisstörungen spezialisiert haben. Viele dieser Menschen befürchten, gerade das Frühstadium der Alzheimerschen Erkrankung durchzumachen. Sie werden von einer schweren Last befreit, wenn ein Arzt ihnen erklärt, dass es sich "lediglich" um Depression handele - und dass ein Gehirn wenig Anlässe findet, etwas zu behalten, wenn es grübelnd mit sich selbst beschäftigt ist, die Welt grau in grau und die Gefühlswelt entsetzlich flach erscheint.

Vom entgegengesetzten Seelenzustand wissen Lehrer ein Loblied zu singen: Sobald Kinder mit dem Herzen beim Unterricht sind, fliegt der Lernstoff ihnen zu, und mancher vermeintlich schwache Schüler kann "Wetten-dass"-reife Merkleistungen erbringen. Vorausgesetzt, er darf in einem selbst gewählten Interessensgebiet antreten, also etwa Fakten über Dinosaurier oder UFOs in sich hineinfressen. "Die Hirnforscher entdecken gerade die alte Erkenntnis neu, dass man genau das lernt, was man im tiefsten Innern lernen will", sagt Hans Markowitsch. "Wenn uns etwas emotional anspricht, wird es in ein breiteres Nervenzellen-Netzwerk eingebunden. Es gelangt zum Beispiel nicht nur ins Wissenssystem, sondern auch ins episodische Gedächtnis."

Übrigens: Die Amygdala ist verantwortlich für körperliche Angstreaktionen - Kampf-, Flucht- und Erstarrungsreaktionen sowie für den Anstieg von Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz -, nicht aber für das Gefühl der Angst. Die Amygdala ist ein Gefahrendetektor, der nur unbewusste körperliche und physiologische Reaktionen steuert, wobei diese Reaktionen dem Überleben dienen, was etwa auch für Bakterien gilt, denn diese bewegen sich bei Gefahr ebenfalls weg, wozu sie dafür keine Angst zu spüren brauchen. Aber da dieses Gefühl in der Regel gleichzeitig mit den körperlichen und physiologischen Reaktionen auftritt, denken Menschen fälschlicherweise, dass die Angst die Ursache für diese Reaktionen ist. Angstgefühle sind wie alle Emotionen kognitive Interpretationen der Situation, in der sich ein Mensch befindet. Angst ist nur die Interpretation bzw. die Erkenntnis, dass man sich in Gefahr befindet, wobei dieses Gefühl aus einer Vielzahl von Informationen entsteht. Wenn man sich etwa vor einer Schlange befindet, dann braucht man zunächst die Wahrnehmung, um die Schlange zu sehen, man braucht das Gedächtnis, um zu wissen, dass manche Schlangen gefährlich sind, und um man sich etwa auch daran erinnern, dass Menschen vor Schlangen gewarnt haben. Die Amygdala versetzt Menschen daher in einen Zustand der Reaktionsbereitschaft, fixiert die Aufmerksamkeit auf die Schlange und aktiviert körperliche und physiologische Reaktionen, wobei all diese Informationen im Arbeitsgedächtnis zusammenlaufen und sich dort zu einem Gefühl der Angst verdichten. So sind Medikamente, die auf die Amygdala einwirken, eher geeignet, körperliche und physiologische Reaktionen zu verändern, als die Angstzustände selbst zu lindern, was aber in der Regel nicht ausreicht (Stangl, 2023).

Ein interessantes Phänomen des Gedächtnisses ist die oft überprüfte und bestätigte Tatsache, dass schlecht gelaunte Menschen in der Regel ein besseres Gedächtnis als gut gelaunte besitzen. Wenn Wissenschaftler Menschen in eine negative beziehungsweise positive Stimmung bringen und ihnen anschließend eine Aufgabe stellen, bei der man sich zum Beispiel Wörter, Geschichten oder Bilder merken muss, dann schneiden die negativ gestimmten Personen im Durchschnitt meist besser ab. Offensichtlich haben schlecht gelaunte Menschen das Gefühl, sie müssen etwas ändern, damit es in Zukunft besser wird, und achten deshalb auf alle Informationen, die mit ihrem bisherigen Wissen nicht überein stimmen, haben also generell ein gutes Gedächtnis für Neues, während gut gelaunte Menschen dagegen denken, dass ohnehin alles perfekt ist, und sich auf ihr bereits vorhandenes Wissen verlassen, etwa auch auf ihre Vorurteile.

Joe Forgas (Universität New South Wales, Australien) brachte Versuchspersonen in eine positive oder eine negative Stimmung und ließ sie eine inszenierte Szene - z.B. einen Handtaschenraub - miterleben. Die Augenzeugendarstellung übellauniger Versuchspersonen war deutlich genauer als die gut gelaunter. Wenn wir uns in einer guten Stimmung befinden wird die Erinnerung an vergangene Ereignisse durch eher irrelevante Informationen offensichtlich gestört, während eine schlechte Laune eher vorsichtige Denkstrategien begünstigt. Ließ man gut und schlecht gelaunte Versuchspersonen eine Argumentation zu Gunsten einer bestimmten Behauptung verfassen, zeigte sich, dass Übellaunige in Bezug auf kritisches Denken und Kommunikationsfähigkeit gut gelaunten Probanden überlegen waren, da die Qualität und Überzeugungskraft ihrer Begründungen weit effektiver waren.

Forgas befragte auch 73 Versuchspersonen jeweils zur selben Tageszeit nach dem Besuch eines Supermarktes, an welche der zehn Gegenstände wie Plastikfiguren, kleine Spielzeugautos oder ein Sparschwein, die an der Kasse aufgestellt waren, sie sich erinnern konnten. Alle möglichen störenden Variablen wurden dabei kontrolliert. Allerdings wurde bei schlechtem Wetter traurige Musik und an schönen Tagen fröhliche Musik gespielt, um die negative oder positive Stimmung zu verstärken. An Tagen, an denen es regnete und wolkenverhangen war, konnten sich die Versuchspersonen an dreimal so viele Gegenstände erinnern, die sie beim Bezahlen an der Kasse gesehen hatten, als an schönen Tagen, auch war die Erinnerung sehr viel genauer. Wenn die Stimmung positiv ist, beobachtet man die Umwelt nicht so genau und beurteilt die Menschen, die einem begegnen, oberflächlicher, während man in einer leicht negativen Stimmung größere Aufmerksamkeit auf die Umwelt richtet und einen vorsichtigeren, gründlicheren Denkstil pflegt.

Vermutlich hat sich im Laufe der Evolution die Tendenz entwickelt, dass schlechte Stimmung erhöhte Aufmerksamkeit und ein verbessertes Denkvermögen erfordern. Bei guter Laune wird die Umgebung als friedlich und nicht bedrohend erlebt, weshalb eine hohe Aufmerksamkeit nicht notwendig ist, während eine etwa durch eine Bedrohung ausgelöste schlechte Stimmung in Gefahrensituationen von Vorteil ist, da sie eine systematische, aufmerksame und umsichtige Verarbeitung der Informationen garantiert. In der negativen Stimmung prägen sich Einzelheiten offensichtlich besonders gut ins Gedächtnis.

Glaser et al. (2012) zeigten 17 Männern und 17 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren hundert Fotos jeweils drei Sekunden lang, wobei auf einigen positive Inhalte mit geringer und hoher Emotionalität (von Kindern bis zu Erotikfotos) und auf anderen negative Inhalte mit ebenfalls verschieden hoher Emotionalität (weinende Babys bis Kriegsbilder). Um einen Reiheneffekt auszuschließen, erhielten die ProbandInnen zunächst die Fotos in unterschiedlicher Reihenfolge zu sehen, dann wurden die Fotos mit unbekannten Bildern gemischt, wobei die ProbandInnen nun bestimmen sollten, ob sie das Bild schon einmal gesehen hatten oder nicht. An der Reaktionsgeschwindigkeit und der Trefferquote kann man indirekt ablesen, welche Bildmotive den TeilnehmerInnen im Gedächtnis geblieben waren und welche nicht. Erwartungsgemäß war die Reaktionszeit bei unbekannten Bildern länger, doch beim Erkennen der bekannten Bilder zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Negative Motive wurden von Frauen schlechter wiedererkannt, während sie positiv empfundene Fotos besser im Gedächtnis behielten als Männer. Bei diesen setzen sich auch emotional intensive Erinnerungen im Gedächtnis fest und dabei eher die negativen als die positiven.

Gehirn und Poesie

Warum können sich Menschen beim Lesen so in ein Buch vertiefen, dass sie die Welt um sich vergessen? Warum gehen Reime ein Leben lang durch den Kopf, und warum schlagen Metaphern manchmal wie der Blitz ein? Der Psychologe Raoul Schrott hat auf der Suche nach dem Geheimnis des Gedichts die neuesten Spuren der Biologie und Wissenschaft aufgenommen, und zeigt zusammen mit dem Literaturwissenschaftler, wie sich in elementaren literarischen Stilmitteln neuronale Prozesse erkennen lassen. Nach Ansicht Arthur Jacobs führt Poesie zu hirnelektrischen Ausschlägen, sogar zum "Hirnglühen", denn gute Gedichte machen seiner Meinung nach glücklich. Menschen sammeln Zeit ihres Lebens Eindrücke und Wahrnehmungen, aus denen sie Erfahrungswerte gewinnen. Werden diese inneren Werte dann von der Gedichtsprache getroffen, ruft diese das im Gedächtnis Geformte aus Erlebtem und Verarbeitetem über Neuronenreaktionen wach, sodass Lyrik gewissermaßen zum Blitzschlag der Erkenntnis wird. Eine Zeile, ein Vers, ein Sprachrhythmus und die damit vernetzten emotionalen Gehirnareale senden Botenstoffe ins Blut, das Belohnungssystem des Gehirns wird aktiviert. Mitunter genügt ein bestimmtes Wort und es kommt zum "matching", also zur Synchronizität zwischen einem äußeren, physischen Ereignis, das eine (körperlich) manifestierte Spiegelung eines inneren (seelischen) Zustandes bzw. dessen Entsprechung darstellt, und einem inneren Ereignis (einer lebhaften, aufrührenden Idee, einem Traum, einer Vision oder Emotion).

Gehirn und Persönlichkeit

Die Arousal-Theorie nimmt an, dass die Unterschiede zwischen Extravertierten und Introvertierten durch unterschiedliche Grade an Erregung (Arousal) des Neocortex zustande kommen. Introvertierte sollen chronisch erregter sein als Extravertierte, weil eine im Hirnstamm befindliche Struktur, das aufsteigende retikuläre Aktivationssystem (ARAS), den Neocortex stärker erregt, als dies bei den Extravertierten der Fall ist. Man nimmt an, dass Menschen bestrebt sind, auf den für sie optimalen Erregungsniveau zu sein: nach dem Yerkes-Dodson-Gesetz führt eine optimale Erregung auch zu einer optimalen Leistung. Zu große, aber auch zu geringe Erregung im Vergleich zu "typischen" Optimalstatus wirkt unangenehm.

Da Introvertierte bereits chronisch relativ hochgradig erregt sind, streben sie keine weitere Erregung an und beschäftigen sich lieber mit wenig anregenden Tätigkeiten. Extravertierte befinden sich dagegen chronisch auf einem relativ niedrigen Erregungsniveau und streben daher weitere Erregung an, so dass sie aktiv und unternehmungsfreudig sind. Der Extravertierte benötigt infolgedessen, um zu einem optimalen Erregungsniveau zu gelangen, stärkere äußere Stimulation als der normal ambivertierte Mensch, während der Introvertierte weniger äußere Stimulation benötigt als der Normale (Ambivertierte) (Eysenck, 1976, S. 22).

Aufgrund ihrer chronisch höheren Erregung sind Introvertierte dagegen leichter konditionierbar und lernten daher leichter soziale Regeln. Extravertiere reagierten stattdessen eher sozial unangemessen und weisen extremere soziale Einstellungen auf. Sie tendieren eher zu körperlichen Strafen und zur Todesstrafe, führten tendenziell ein abwechslungsreicheres und riskanteres Sexualleben und befürworten daher liberale Ehe- und Abtreibungsgesetze. Aufgrund ihrer niedrigeren Erregung und ihres Bedürfnisses nach einer Erregungssteigerung sollen Extravertierte eher stimulierende Drogen verwenden und auch häufiger rauchen als Introvertierte.

Neben der Erklärung der Unterschiede zwischen Extravertierten und Introvertierten bietet die Arousal-Theorie auch eine Erklärung für den Neurotizismus an: Kortikale Erregung kommt nicht nur durch die Aktivierung des ARAS zustande, sondern auch durch die Erregung (Aktivation) des Limbischen Systems. Menschen mit hochgradigem Neurotizismus zeichnen sich durch eine hohe Aktivation, Menschen mit gering ausgeprägten Neurotizismus durch eine niedrige Aktivation aus. Da Aktivation v.a. in Stresssituationen entsteht, übt sie allerdings keinen andauernden Einfluss auf das Verhalten aus. Erst unter Stress kann man daher Unterschiede zwischen Menschen mit hoch und niedrig ausgeprägtem Neurotizismus in ihrer Aktivation finden.

Quelle: Walter, Oliver (2005). Persönlichkeit.
http://people.freenet.de/oliverwalter/Psychologie/Personlichkeit/personlichkeit.htm (05-11-11)


Kurioses: Kürzlich gab es einen Design Preis für einen Limbic Chair. Unter dem Titel „Emotional sitzen: Der Limbic Chair“ heißt es in einer Aussendung: „Das limbische System ist der Teil des Gehirns, der Emotionen wie Liebe, Angst oder Hass steuert, Menschen Neues lernen lässt und für das Gedächtnis zuständig ist. Damit arbeitet der ‹Limbic Chair›: Zwei Schalen sollen Bewegungen auslösen, die positive Emotionen zur Folge haben. Letztes Jahr gewann der Stuhl den Design Preis Schweiz. Nun startet der Vorverkauf des Möbels, das massgefertigt ab 5500 Franken kostet.“ Der Stuhl ist übrigens gemeinsam von einem Mediziner und einem Designer entworfen worden. Spezielle Berührungspunkte an den beiden Schalen sollen dabei kleine unbewusste Bewegungen anregen, damit man sich frei und leicht fühlt. Damit will man  die Incentivized Movements aktivieren und den Sitzerinnen und Sitzern einen optimalen, limbischen Flow verschaffen. Das führt schließlich zu einem Limbic Life ;-)


Siehe auch: Die Hypothese der somatischen Marker (Antonio Damasio)

Rache ist süß

Die beste Art, sich zu rächen, ist die, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Marcus Aurelius

Quellen

http://www.aerztlichepraxis.de/
aktuell/artikel/1100686594/gz/psyche (04-11-17)
Boon, Susan D., Deveau, Vicki L. & Alibhai, Alishia M. (2009). Payback: The parameters of revenge in romantic relationships. Journal of Social and Personal Relationships, 26, 747-768.
Stillwell, A. M., Baumeister, R. F. & Priore, R. (2008). We're All Victims Here: Toward a Psychology of Revenge. Basic and Applied Social Psychology, 30, 253-263.
https://www.unige.ch/communication/
communiques/files/4015/3450/8645/ (18-08-24)

Rache ist ein Phänomen, das im Alltag häufig vorkommt, wobei man Rachephantasien und in die Realität umgesetzte Rache unterscheiden kann, wobei eine Rache, wenn man immer nur von ihr träumt, niemals befriedigend sein kann. Studien zeigen, dass Menschen, die keine Rache geübt hatten, mehr Wut empfinden als diejenigen, die sie ausgelebt haben. Rache kann unter bestimmten Umständen befriedigend sein, denn sie ist etwas sehr Funktionales, da man damit subjektiv eine empfundene Ungerechtigkeit wieder ausgleichen kann. Rache bezieht sich in etwa der Hälfte der Fälle auf das Gefühl von Ungerechtigkeit, und wer das Gefühl hat, von einer anderen Person unfair behandelt worden zu sein, möchte das rächen, um in einer bestimmten Beziehung wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Mario Gollwitzer zeigte in einer Reihe von Studien, dass das Rächen den meisten Versuchspersonen tatsächlich eine Art innere Genugtuung - bei Rachephantasien reagiert das Belohnungszentrum im Gehirn - brachte, vor allem deshalb, da sie so eine zuvor als ungleichgewichtig empfundene Beziehung oberflächlich wieder ins Gleichgewicht brachten. Entscheidend für die emotionale Befriedigung war aber auch immer, dass der zuvor unfair Handelnde und nun von der Rache Betroffene seinen Fehler erkannte und die Strafe verstand. Allerdings bringt Rache meist nur eine kurzzeitige Befriedigung, denn insgesamt ist ist Gefühlslage Rachsüchtigen danach öfter schlechter als zuvor. So ließ Brad Bushman Studenten Aufsätze schreiben, die danach besonders abfällig, unfair und uncharmant benotet wurden, wonach sich die Teilnehmer abreagieren durften, indem eine Versuchsgruppe auf einen Boxsack einschlagen sollte, während sie auf ein Foto des Lehrers blickten, während eine zweite Gruppe das Bild von einer unbeteiligten Person sah und die Kontrollgruppe gar nichts tat. Die Teilnehmer, die den Boxsack schlugen und dabei seinen Peiniger sahen, war nachher noch verärgerter als die anderen Gruppen.

Es gibt also auch einen dysfunktionalen Charakter der Rache, die viele Situationen verschlimmern kann, denn Rache an sich ist vor allem in Beziehungen etwas sehr Spaltendes, sodass gerade in Partnerschaften Probleme praktisch nie mit Rache allein gelöst werden können. Zwar kann man durch Vergeltung sein Selbstwertgefühl heben, schafft aber das ursprüngliche Problem nicht aus dem Weg, denn eine eigene Verletzung kann bekanntlich nicht dadurch geheilt werden, indem man jemand anderen verletzt. In Partnerschaften entwickelt sich dann eher ein Circulus vitiosus, der im Kampf miteinander - Stichwort Rosenkrieg - endet, bei dem beide Seiten verlieren und bei dem die Zuneigung immer auf der Strecke bleibt. Nach jeder Verletzung wird es immer schwerer, auf den anderen wieder zuzugehen, sodass meist ein Beendigung der Beziehung als einzige Lösung bleibt.
Rachegedanken sollte jedoch niemand versuchen nur zu unterdrücken und sich nicht mit ihnen auseinanderzusetzen, denn diese kommen häufig immer wieder, sodass es besser ist, sich zu überlegen, was man mit der Rache genau erreichen will und wie man mit ihr in zielführender Weise umgehen kann.

Dominique de Quervain (Universität Zürich) engagierte ein Dutzend Männer zum Spiel um Geld. Die Spieler konnten zusammen mit einem Partner ihr Kapital durch kooperatives Verhalten vermehren. Wenn einer der beiden Partner dem anderen sein Geld schenkte, erhielt dieser vom Spielleiter den vierfachen Betrag. Der Beschenkte konnte dann entscheiden, ob er das gewonnene Geld mit seinem Partner teilte oder den gesamten Gewinn für sich behielt. Spieler, die sich unfair verhielten, konnten von den anderen mit Strafpunkten belegt werden. Die Forscher beobachtete dabei die Vorgänge im Gehirn der Personen, wenn diese ihren Partner für sein unfaires Verhalten bestraften, und stellten fest: Die Strafaktion aktivierte genau jenen Hirnbereich, der für freudige Empfindungen und emotionale Belohnung zuständig ist.
Die Wissenschaftler sehen in ihren Ergebnissen den Beleg dafür, dass es Menschen Genugtuung verschafft, wenn sie das Verletzen einer sozialen Norm bestrafen können. Rache ist, wie der Volksmund seit jeher behauptet, also tatsächlich süß. De Quervain und seine Kollegen führen das Rachebedürfnis auf evolutionäre Wurzeln zurück, denn Jahrtausende waren private Sanktionen nach dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" nötig, um unrechtmäßiges oder unkooperatives Verhalten zu ahnden.

Wenn Provokationen einen Menschen richtig wütend machen, ist der Gedanke an Rache nicht weit, wobei unter normalen Umständen Teile des Gehirns verhindern, dass dieser Rache übt. Olga Klimecki-Lenz hat in einer eigens entwickelten Spielsituation live beobachtet, welche Gehirnareale bei Wut aktiv werden und welche verhindern, dass Menschen Rachegelüsten nachgeben. Je wütender Probanden beim Anblick des unfairen Spielers waren, desto mehr Aktivität beobachteten man im oberen Teil des Temporallappens und im Mandelkern, der auch bei Angstgefühlen eine Rolle spielt und an der Bewertung von Emotionen beteiligt ist. Dabei war auch ein Teil des Frontallappens der Großhirnrinde aktiv, der beim Rache Üben gegenüber dem unfairen Spieler eine Rolle spielt. Bei Probanden, die auch dem unangenehmen Mitspieler gegenüber fair blieben, war der dorsolaterale Frontallappen aktiver, der bei der Regulierung von Gefühlen eine Rolle spielt.


Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Damasio (05-10-12)
Zum Beweis der Theorie der somatischen Marker führte auch Damasio ein "Glücksspielexperiment" durch. Gesunden Patienten und Patienten mit Schädigung des präfontalen Cortex erhielten jeweils ein Darlehen von 2000 US-Dollar und sollten dieses mittels eines Kartenspiels, dessen Regeln sie nicht kannten, so weit wie möglich vergrößern. Zur Auswahl standen vier Stapel mit Spielkarten ( A, B, C, D). Nahmen sie eine Karte von Stapel A oder B gewannen sie 100 Dollar, während das Aufnehmen einer Karte von Stapel C oder D nur 50 Dollar Gewinn einbrachte. Nach einer zufällig bestimmten Anzahl von Karten, brachte ihnen das Aufnehmen einer Karte der Stapel A und B allerdings einen Verlust, der bis zu 1250 Dollar betragen konnte. Auch die Aufnahme von Karten der Stapel C und D kam es in ähnlichen Abständen zu Verlusten. Hier betrug dieser aber maximal 100 Dollar, sodass die Stapel C und D sich langfristig als gewinnbringend herausstellten, während Stapel A und B langfristig zu Verlusten führten. Alle Probanden, nicht geschädigte wie geschädigte, zeigten zunächst eine Vorliebe für die Stapel A und B, bei denen man mehr gewann. Während auf Grund der hohen Verluste, die nicht geschädigten Personen nach etwa 30 Karten zu C und D wechselten, blieben die Patienten mit Schädigung des Stirnhirns bei ihrer Vorliebe für die Stapel A und B, obwohl ihnen bewusst war, dass diese auch zu viel höheren Verlusten führten. Schon nach der halben festgelegten Spieldauer waren diese Probanden bankrott und mussten ein zusätzliches Darlehen aufnehmen. Damasio leitet von diesem Experiment ab, dass die Bestrafung bzw. Belohnung der Stirnhirngeschädigten - also Probanden ohne somatische Marker - bei diesen nicht zur "Markierung" schlechter Handlungsalternativen mit emotionalen Reaktionen führt, sodass bei diesen immer die unmittelbar belohnende Wahlmöglichkeit vorgezogen wird. Die Hautleitungsreaktionen der Probanden während eines solchen Experiments belegte, dass die nicht geschädigte Versuchspersonen vor Auswahl der Karten mit zunehmender Spieldauer mit wachsender Intensität reagierten, während die präfrontal geschädigten Patienten keinerlei Reaktion zeigten. Damasio schließt daraus, dass die Gehirne der präfrontal geschädigten Probanden nicht lernten, schlechte Ergebnisse vorherzusagen, dass also der automatische Sichtungsprozess, durch den die wahrscheinliche Qualität des Stapels Eingang in das Denken findet, bei diesen gestört ist.

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