Entwicklungsaufgaben im Jugendalter
Die Zeit des Erwachsenwerdens ist voller Gegensätze, sodass Eric Erikson (1988) in seinem Modell der psychosozialen Krisen bei der Adoleszenz von Identität versus Identitätskonfusion spricht: "Die Grundmuster der Identität müssen aber (1) aus der selektiven Anerkennung und Nichtanerkennung des Individuums aus der Kindheit hervorgehen und (2) aus der Art und Weise, in der der soziale Prozeß der erlebten Zeit junge Menschen identifiziert - im besten Fall in ihrer Anerkennung als Personen, die so werden mußten, wie sie sind und denen man, so wie sie sind, vertrauen kann" (Erikson, 94f. 1988).
Jugendliche entwickeln ihren eigenen Lebensstil, ihre eigenen Wertmaßstäbe in bezug auf ein bedürfnisgerechtes Leben. Dies schließt Bewertungskategorien für Freizeitformen, für Unterhaltungselemente, für kulturelle Erfahrungen und soziale Beziehungen usw. ein. Die Entfaltung einer eigenen und stabilen Identität wird angesichts der zeitgeistigen Zerstückelung und Diffusion des individuellen Selbstverständnisses für viele Jugendlichen in einer pluralistischen Wertewelt erschwert. In der Regel ist im überwiegend kommerziell gesteuerten Freizeit- und Konsumbereich der Spielraum Jugendlicher für die Ausgestaltung eines eigenes Lebensstils sehr groß, aber viele Jugendliche fühlen sich gerade dadurch überfordert und alleingelassen.
Für die Ausgestaltung eines eigenen Lebensentwurfs haben die Gleichaltrigenbeziehungen eine besondere
Bedeutung, wobei darin zahlreiche Chancen für
Jugendliche liegen, weil diese Begegnungen ein geeigneter
Platz zum Ausloten von Rollen- und Identitätsmustern
sind. Allerdings sind diese Beziehungen auch nicht konflikt-
bzw. risikofrei. Das "Ausgegrenzt-Sein", das
"Nicht-Dazugehören" zu dieser oft in den Medien
propagierten informellen "Jugend"-Kultur ruft bei vielen
Jugendlichen das Gefühl des "Am-Rande-Stehens" aus und
erhöht die Neigung, sich am Rande stehenden
Jugendlichen anzuschließen, die mit dieser
Gesellschaft nicht mehr viel im Sinn haben, um um dort
sinnstiftende Identität zu gewinnen.
Erwachsenwerden ist ein Wechselspiel vom Erfahren von
Grenzen, vom Ausloten und vom Finden von gänzlich
eigenem Neuen. Die Selbstfindung verlangt
es, im ständigen Ausloten von Grenzen, Neues zu
erforschen. Nichts wird so sein, wie es einmal war. Jugend
ist eine Zeit des Abschieds. Die Kindheit ist vorbei. Um
Neues kennenzulernen, muß Altes losgelassen
werden.
Abgrenzung ist ein wichtiger Schritt, denn
Jugendliche beginnen, ein eigenes Leben jenseits der Familie
zu führen und sich abzulösen. Jugendliche wachsen
vermehrt in ihre peer-group hinein. Einerseits
benötigen sie Zuwendung, andererseits sind sie oft sehr
konfrontierend. Junge Menschen brauchen eigene Reviere.
Diese sollten für die anderen tabu sein. Jugendliche
müssen sich von ihren Eltern abgrenzen können und
die Eltern dürfen nicht mehr alles wissen. Jugendliche
brauchen eigene Zimmer, eigene Reliquien und ein eigenes
Tagebuch. Einer der großen Fehler der Erwachsenen in
der Erziehung von Jugendlichen ist es, diese Reviere nicht
zu respektieren. Die Spannung für die Erwachsenen
muß in dieser Lebensphase darin liegen, nicht alles zu
wissen.
Mit dem Verschwinden der Kindheit gehen auch wichtige Rituale verloren: wenn Kinder von Anfang an
kleine Erwachsene sind, sie zu allem Zugang haben, dann
können sie nicht mehr in Form von Ritualen und
Initiationen "eingeweiht" werden. Rituale werden zum Teil
von den Eltern überliefert, aber wenn dies nicht
erfolgt, suchen sich die jungen Menschen ihre Rituale
selbst. Alle diese Rituale dienen dem Eintritt in die
Erwachsenenwelt und haben eine wichtige Funktion bei der
zunehmenden Übernahme von Verantwortung.
Was sind Entwicklungsaufgaben?
Unter einer Entwicklungsaufgabe versteht man jene kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen Erwartungen und Anforderungen, die an Personen einer bestimmten Altersgruppe gestellt werden. Sie definieren für jedes Individuum in bestimmtem Lebenslagen objektiv vorgegebene Handlungsprobleme, denen es sich stellen muß. Sie fungieren auch als Bezugssysteme, innerhalb derer die personelle und soziale Identität entwickelt werden muß.
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben wurde von Havighurst (1948) definiert und beschreibt den Lebenslauf als eine Folge von Problemen, denen sich das Individuum gegenüber sieht und die es bewältigen muß. Er geht davon aus, dass die verschiedenen Anforderungen, die in einem bestimmtem Lebensabschnitt erfüllt werden müssen, durch eine besondere Kombination von innerbiologischen, sozio-kulturellen und psychologischen Einflüssen entstehen. Das Modell von Havighurst unterscheidet sich damit grundlegend von anderen Modellvorstellungen der menschliche Entwicklung.
Die Festlegung einer Aufgabe, die die Gesellschaft an den Einzelnen stellt, ist normativ, die Altersgrenzen für die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben sind jedoch variabel. Ebenso variiert der Grad der normativen Verpflichtung: einige Entwicklungsaufgaben sind als Angebote mit Empfehlungscharakter zu verstehen, andere sind durch Sanktionen gestützte Forderungen. Nicht alle Aufgaben sind jedoch vorgegeben, ein weiterer Teil setzt sich aus persönlichen Zielen und Projekten zusammen. Entwicklungsaufgaben gliedern also den Lebenslauf und geben dem einzelnen Jugendlichen Sozialisationsziele vor (Oerter & Montada 1995).
Die Gesellschaft stellt an die Erfüllung von "normativen Entwicklungsaufgaben" von Jugendlichen bestimmte Erwartungen. D.h. erwachsene Personen haben spezifische Erwartungen darüber, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art Jugendliche Entwicklungsaufgaben lösen sollen. So wird eine verfrühte Lösung von Entwicklungsaufgaben von den erwachsenen Personen am meisten geschätzt, gefolgt von der Lösung von Entwicklungsaufgaben zum gesellschaftlich erwarteten Zeitpunkt und dem Nichtlösen mangels Kompetenz (Grob u.a. 1995, S. 59f.). Willentliches Unterlassen der Erfüllung von Entwicklungsaufgaben wird am wenigsten akzeptiert.
Zum jeweiligen Lösungsstand von Entwicklungsaufgaben werden auch emotionale "Stellungnahmen" abgegeben, und zwar reagieren erwachsene Personen
- mit Überraschung und Bewunderung, wenn Jugendliche Entwicklungsaufgaben zu einem für ihr Alter verfrühten Zeitpunkt lösen,
- mit Achtung, Freude und Befriedigung, wenn die Jugendlichen diese zum erwarteten Zeitpunkt lösen,
- mit Mitleid, wenn Jugendliche diese nicht lösen können und
mit Ablehnung, Ärger und Verachtung, wenn Jugendliche diese Entwicklungsaufgaben willentlich nicht lösen.
Wichtige Entwicklungsaufgaben in der Jugendphase sind z.B.
- Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen
- Übernahme der männlichen oder weiblichen Geschlechtsrolle
- Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers
- Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und von anderen Erwachsenen
- Vorbereitung auf Ehe und Familienleben
- Vorbereitung auf eine berufliche Karriere
- Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für das Verhalten dient - Entwicklung einer Ideologie
- Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erreichen
Diese Aufgaben werden als Grundlage für die zukünftige Entwicklung betrachtet. Bezüglich der zeitlichen Zuordnung geht Havighurst davon aus, dass es innerhalb der Lebensspanne Zeiträume gibt, die für die Erledigung bestimmter Aufgaben besonders geeignet sind. Die Annahme solcher sensitiver Perioden bedeutet jedoch nicht, dass bestimmte Prozesse nicht auch zu einem späteren Zeitpunkt in Angriff genommen werden können, aber der Lern- oder Entwicklungsprozeß erfordert dann aber einen wesentlich höheren Aufwand als zuvor. Darüber hinaus unterscheidet Havighurst zwischen Aufgaben, die zeitlich abgeschlossen sind, und solchen, die sich über mehrere Perioden der Lebensspanne erstrecken.
In jedem Lebensabschnitt lasten bestimmte Anpassungsanforderungen auf dem Jugendlichen, deren erfolgreiche Bewältigung führt zu Zufriedenheit und Erfolg bei den nächsten Aufgaben, während der Mißerfolg zu Unzufriedenheit, zur Mißbilligung durch die Gesellschaft und zu Schwierigkeiten mit späteren Aufgaben führt:
A developmental task is a task which arises at or about a certain period in the life of an individual, succesful achievment of which leads to happiness and to success with later tasks, while failure leads to unhappiness in the individual, disapproval by the society, and difficulties with later tasks" (Havighurst, 1948).
Adventure seeker on an empty
street
Just an alley creeper, light on his feet
A young fighter screaming, with no time for doubt
With the pain and anger can't see a way out
It ain't much I'm asking, I heard him say
Gotta find me a future move out of my way
I want it all, I want it all, I want it all, and I want it
now.
Listen all you people, come gather round
I gotta get me a game plan, gotta shake you to the
ground
But just give me, huh, what I know is mine
People do you hear me, just gimme the sign
It ain't much I'm asking, if you want the truth
Here's to the future for the dreams of youth
Queen
Siehe dazu Entwicklungsaufgaben als Initiationsrituale
Zentrale Entwicklungsaufgaben
Eine wesentliche Entwicklungsaufgabe besteht darin, den schulischen und beruflichen Herausforderungen in wachsendem Maße in Selbstverantwortung nachzugehen, diesbezüglich eigene Normen und Ansprüche herauszubilden und diese als verbindlich und orientierend anzusehen. Ziel der Bewältigung schulischer und beruflicher Qualifikationsanforderungen ist die Ausübung eines Berufes, der ökonomische und soziale Absicherung in Aussicht stellt, außerdem ein Mindestmaß an persönlicher Entfaltung und gesellschaftlicher Anerkennung garantiert.
In der Tatsache, dass der Übergang in das Beschäftigungssystem und damit der Erwerb einer wesentlichen Teilrolle des Erwachsenenstatus strukturell erschwert ist, liegen erhebliche Risiken und Belastungen für die Jugendlichen. Selbst hochwertige schulische Abschlüsse bieten heute keine Garantie für den Zugang zum Erwerbsleben. Der erschwerte Zugang zum Beschäftigungssystem bedeutet nicht nur Konkurrenz und Leistungsdruck, sondern gefährdet auch den Aufbau einer sicheren Zukunftsperspektive.
Es gibt einige wesentliche Rahmenbedingungen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, sodass die Jugendlichen unterschiedlich gerüstet bzw. beeinträchtigt an die Bearbeitung ihrer Entwicklungsaufgaben herangehen können:
Organische Faktoren geben Aufschluss über den körperlichen Zustand des Kindes wie z.B. äußeres Erscheinungsbild, körperliche Aktivitäten,... Anomalien und Defekte des physischen Organismus (körperliche Behinderungen wie z.B. Sprachbehinderungen) können die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben erschweren oder verhindern. Wichtig für die Entwicklung des Kinds ist die Beziehung der Familienmitglieder untereinander, d.h. entscheidende Indikatoren sind hierbei Liebe, Geborgenheit und Anerkennung. Belastend für das Verhalten des Kindes wirken sich Konflikte zwischen den Eltern, Uneinigkeiten in Erziehungsfragen (Lob und Strafe, Liebesentzug) aus.
Eine wichtige Rolle spielt auch das soziale Umfeld des Kindes, zu welchen Gruppen das Kind Kontakt hat, welche Verhaltensnormen in der Gruppen Anerkennung finden, welchen Status das Kind innerhalb der Gruppe einnimmt. Dies wirkt sich wiederum auf das Selbstwertgefühl des Kindes aus. Anerkennung, Liebe und das Gefühl von Geborgenheit unter Gleichaltrigen sind für das Kind von besonderer Bedeutung.
Schulische Faktoren wie Zeugnisse, Prüfungsergebnisse oder Abschlüssehängen mit den intellektuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen, die in der Schule, im Beruf und im sozialen Umfeld aktualisiert werden können. Behinderungen wie z.B. Krankheit können die Bewältigung neuer Aufgaben erschweren, was zu Misserfolgserlebnissen führen kann, was wiederum die Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigen kann.
Überzogenen Leistungserwartungen der Eltern stellen besondere Ausgangsrisiken für das Auftreten von Stresssymptomen bei Jugendlichen dar, bedeuten ein besonderes Konfliktpotential innerhalb der Familien. Viele Jugendliche fühlen sich einer ständigen Überforderung ausgesetzt und befinden sich im Dauerkonflikt mit ihren Eltern.
Der Übergang ins Erwachsenenalter ist demnach erst dann zufriedenstellend möglich, wenn alle jugendaltersspezifischen Entwicklungsaufgaben bewältigt und zugleich die psychodynamischen Veränderungen sowie der Prozeß der inneren Ablösung von den Eltern abgeschlossen sind, wenn also die "Adoleszenzkrise" bewältigt wurde. Die Gewinnung der Identität wird als der Kernkonflikt des Jugendalters verstanden, denn das von der Gesellschaft angebotene Weltbild wird systematisch nach seiner Deutungsleistung abgefragt, wobei Defizite und Leerstellen, Widersprüche und Ambivalenzen Ausgangspunkt und Auslöser für heftige Orientierungs- und Selbstwertkrisen sein können. Die Suche nach der eigenen Identität ist somit ein phasenspezifisches Charakteristikum des menschlichen Entwicklungsrozesses, das in der gegebenen Form typisch und charakteristisch für das Jugendalter ist und in der Regel in dieser Form auch nur im Jugendalter auftritt.
Nach Hurrelman et al werden in heutigen Industriegesellschaften für die Adoleszenzphase im menschlichen Lebenslauf folgende Entwicklungsaufgaben klassifiziert (Hurrelmann, Rosewitz & Wolf, 1985):
- Entwicklung einer intellektuellen und sozialen Kompetenz, um selbstverantwortlich schulischen und anschließend beruflichen Qualifikationen nachzukommen, mit dem Ziel, eine berufliche Erwerbsarbeit aufzunehmen und dadurch die eigene ökonomische und materielle Basis für die selbstständige Existenz als Erwachsener zu sichern.
- Entwicklung der eigenen Geschlechterrolle und des sozialen Bindungsverhaltens zu Gleichaltrigen des eigenen und des anderen Geschlechts, Aufbau einer heterosexuellen Partnerbeziehung, die langfristig die Basis für die Erziehung eigener Kinder bilden kann.
- Entwicklung eines eigenen Wert- und Normsystems und eines ethischen und politischen Bewußtseins, das mit dem eigenen Verhalten und Handeln in Übereinstimmung steht, so dass langfristig ein verantwortliches Handeln in diesem Bereich möglich wird.
- Entwicklung eigener Handlungsmuster für die Nutzung des Konsumwarenmarktes und des kulturellen Freizeitmarktes (einschließlich Medien und Genußmitteln) mit dem Ziel, einen eigenen Lebensstil zu entwickeln und zu eine autonom gesteuerten und bedürfnisorientierten Umgang mit den entsprechenden Angeboten zu kommen.
Dekovic, Noom & Meeus (1997) orientieren sich an der Veränderung der Eltern-Kind-Beziehung während der Adoleszenz und unterteilt die Entwicklungsaufgaben im Jugendalter in drei Gruppen. Übergeordnetes Ziel ist es, ein neues und bewusstes Verhältnis zu sich selber und der Welt zu erreichen.
Persönliche Aufgaben (intrapersonaler Bereich):
- Selbständigkeit in Bezug auf wichtige Entscheidungen erwerben (Zeitpunkt des Nachhausekommens; entscheiden, welche Kleidung man trägt; seine Rechte verteidigen)
- Erfolgreich mit Alltagssituationen zurechtkommen (allein oder mit Freunden in die Disco oder ins Cafe gehen; eigenes Geld benutzen; den Urlaub ohne Erwachsene verbringen; alleine zum Arzt gehen; über das Wochenende alleine zu Hause bleiben)
- Mit der pubertären Entwicklung klarkommen (Veränderung des eigenen Körpers akzeptieren)
- Selbstbewusstsein entwickeln (sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst sein; auf die Meinung eines anderen bezüglich sich selbst eingehen)
- Wertmaßstäbe finden ( eine Meinung oder Neigung bezüglich politischer Parteien haben; eine eigene Lebensphilosophie oder Religion wählen; eine Meinung zu sozialen Fragen wie Abtreibung oder Todesstrafe haben)
Beziehungsaufgaben (interpersoneller Bereich):
- Eine stabile Freundschaftsbeziehung aufbauen (einen festen Freundeskreis haben; einen Besten Freund/Freundin haben)
- Eine intime Beziehung aufbauen (eine/n Freund/in haben; in eine Sexualbeziehung involviert sein)
Sozioinstitutionale Aufgaben (kulturell-sachlicher Bereich):
- Die Schulkarriere erfolgreich beenden (Verantwortung für einen erfolgreichen Schulabschluss übernehmen)
- Sich auf einen Beruf vorbereiten ( einen Beruf auswählen, einen Job haben)
- Ökonomische Unabhängigkeit erreichen (finanziell unabhängig sein)
- Sich auf die Verantwortung für eine eigene Familie vorbereiten ( selbständig leben; einen eigene Familie haben und für sie sorgen)
Entwicklungsaufgaben müssen in täglichen konkreten Handlungen an bestimmten Orten mit bestimmten Personen bewältigt werden, denn die Persönlichkeit eines Jugendlichen entwickelt sich durch diese Auseinandersetzungen mit Aufgaben im sozialen Kontext von Eltern, Gleichaltrigen, Freunden, Lehrern und/ oder Kollegen am Arbeitsplatz.
In der Copingforschung wird Entwicklungsaufgaben der Stellenwert von potentiellen Stressoren eingeräumt, wobei dies in Abhängigkeit von der Menge, ihrer Bedeutsamkeit sowie den zur Verfügung stehenden Strategien zu ihrer Bewältigung zu bewerten ist. Coping bezeichnet einen andauernden Prozeß, in dem das Individuum auf die Erreichung eines Ziels hin arbeitet. Kennzeichen des Coping-Konzepts nach Olbrich & Todt (1984):
- Coping läuft in offenen Situationen der Ambiguität oder der Disäquilibration ab. Es umschließt individuelle Aktivitäten, die auf eine adaptive oder gar produktive Lösung der Situation hinzielt.
- Coping wird als multikausal determiniertes Geschehen auf verschiedenen Handlungs- und Verhaltensebenen verstanden. Der Copingprozeß wird durch personenspezifische und umgebungsspezifische Faktoren ausgelöst und beeinflußt.
- Der Copingprozeß verläuft dynamisch durch konflikthafte Ansprüche, die produktive Formen des Verhaltens hervorbringen oder auch durch eine Behebung der kognitiv wahrgenommenen oder herausfordernden Anforderungen.
- Effekte des Coping: Coping ist nicht nur ein Prozeß, der Behebung oder Ausschaltung einer belastenden oder herausfordernden Situation zum Ziel hat, Coping erscheint auch dann, wenn habitualiserte Verhaltensweisen nicht mehr ausreichen. Eine Herausforderung oder Belastung ist in diesem Kontext ein Voraussetzung für eine produktive Anpassung oder Entwicklung. Diese erfolgt dann als eine neuintegrierende oder eine prospektives Verhalten orientierende Leistung der Person.
Der Prozeß der Ablösung von den Eltern und die Bewältigung der anstehenden Entwicklungsaufgaben führt auch immer wieder zu abweichendem Verhalten und zu Normverletzungen. Parallel zur sozialen und emotionale Ablösung vom Elternhaus läuft der Aufbau stabiler Beziehungen zu Gleichaltrigen, die Entwicklung einer Partnerbeziehung. Die Beziehungen zu den Eltern verkomplizieren sich oft dadurch, dass Jugendliche einerseits sehr früh einen von den Eltern unabhängigen Lebensstil in Freizeit- und Konsumbereich entfalten, andererseits aber aufgrund der zum Teil langen Ausbildungswege materiell lange von den Eltern abhängig sind.
Manche Besonderheiten adoleszenten Verhaltens lassen sich allerdings eher als Begleiterscheinungen des Versuchs ansehen, aufgetretene Probleme zu bewältigen und wieder zu stabilen Handlungsorientierungen zu gelangen. Die bekannten Schwierigkeiten werden dann zu Problemen im engeren Sinne, wenn sie mit den Strategien und Problemlösungsroutinen, die einer Person aktuell zur Verfügung stehen, nicht bewältigt werden können.
Probleme bei der Lösung von Entwicklungsaufgaben
Konkrete Verhaltensprobleme Jugendlicher, wie etwa Rauschmittelkonsum, Deliquenz usw. können also zunächst als Handlungen verstanden werden, die zur Bewältigung von Orientierungsproblemen und Entwicklungsanforderungen beitragen sollen. Auch bestimmte Symptome psychosozialer und psychosomatischer Störungen der Entwicklung der Persönlichkeit von Jugendlichen können zu den Erscheinungsformen einer abweichenden und anormalen Problemverarbeitung im Jugendalter gezählt werden. Im Jugendalter rücken auch Symptomgruppen wie Depression, Magersucht und versuchter Selbstmord in den Vordergrund.
Die Bewältigung solcher Problemkonstellationen hängt u.a. von individuellen Kompetenzen und Kapazitäten ab, die ein Jugendlicher aufgebaut und aktuell zur Verfügung hat. Die unterschiedliche Ausprägung der Kompetenzen für die Problembewältigung ist ein maßgeblicher Faktor dafür, ob eine solche Konstellation in ihren Folgen und Auswirkungen zu einem schweren und dauerhaften Problem wird oder nicht.
Foto: http://www.jugendkultur.at/
Unsicherheiten im Umgang mit den Herausforderungen der Zeit
Martina Beham (1997) subsummiert anhand von Fallstudien jene Faktoren, die es Eltern und Jugendlichen erschweren bzw. erleichtern die Herausforderungen in der Pubertät zu bewältigen, insbesondere die sich stellenden Entwicklungsaufgaben
Spezifische innerfamiliäre Dynamiken
Richtig verstandener Zusammenhalt
Zusammenhalt in der Familie bedeutet nicht, dass es keine Konflikte geben darf und dass individuelle Wünsche und Bedürfnisse nicht geäußert und gelebt werden dürfen. Familien, die den Zusammenhalt falsch verstehen, die aus Angst vor Veränderung des familiären Gleichgewichts keine Konflikte und keine Änderungen familiärer Regeln zulassen, behindern die Entwicklung des Jugendlichen. Konstruktive Auseinandersetzungen und Konflikte, die die Chance beinhalten, neue Rollen, Positionen sowie einen veränderten Umgang des Miteinanders auszuhandeln, sind für die Identitätsfindung notwendig und wichtig.
Klare Familien- und Subsystemgrenzen
Ist die Familiengrenze sehr dicht, verhindert dies die Außenorientierung. Der Auf- und Ausbau außerfamiliärer Beziehungen wird erschwert; dies ist vor allem bei Jugendlichen, bei denen die gleichaltrigen Freunde und Freundinnen einen unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung und Sozialisation leisten, problematisch. Gerade in der Pubertät des Kindes ist es aber gleichzeitig wichtig, dass innerhalb der Familie die Subsystemgrenzen klar sind. Jugendliche dürfen nicht zu "Ersatzpartnern" werden und Eltern nicht zu "Ersatzgeschwistern". Jugendliche, die zum Partnererstz werden, können Eltern nicht im ausreichenden Maß loslassen bzw. die notwendigen Selbstbestimmungswünsche artikulieren.
Beziehungsprobleme der Partner
Beziehungsprobleme und Konflikte zwischen den Partnern, die nicht direkt miteinander ausgetragen werden, sondern über den/die Jugendliche/n, behindern dessen/deren Ablösung. Versucht jeder der beiden Elternteile, den/die Jugendliche "für sich zu gewinnen", kommt es häufig zu Loyalitätskonflikten, die Jugendlichen fühlen sich für die Zwistigkeiten unter den Eltern verantwortlich.
Erziehungsunsicherheiten
Erziehungsstile und -ziele haben sich geändert. Eltern können die Erziehungsmethoden, die sie selbst in ihrer Kindheit und Jugend erlebt haben, nicht auf die Erziehung der eigenen Kinder anwenden - zu sehr haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen an die Erziehung geändert. Schwanken Eltern im Alltag zwischen traditionellen und neuen Erziehungswerten, wissen sie nicht, woran sie sich in der Erziehung orientieren sollen und können und wie sie auf die neuen Herausforderungen der Zeit (Vielfalt an Werten und Lebensformen, veränderte Bedeutung von Kindern, wachsende Bedeutung von 'Miterziehern' wie Medien etc.) in der Erziehung adäquat reagieren sollen, wird ihre Erziehung oft inkonsequent. Jugendlichen fällt es dann schwer, sich zu orientieren.
Uneinigkeiten in der Erziehung
Die Orientierung für Jugendliche wird aber auch
erschwert, wenn Eltern bei ihrem Versuch, den "richtigen"
Weg in der Erziehung zu finden, sehr unterschiedliche
Erziehungsvorstellungen vertreten und sehr unterschiedliches
Erziehungsverhalten praktizieren. Fehlt in Familien zwischen
den Partnern Übereinstimmung in grundsätzlichen
Erziehungsfragen, ist es schwer, zu der für die
Ablösung des/der Jugendlichen und den Zusammenhalt in
der Familie nötigen Ausgewogenheit zwischen
zugestandenen Freiräumen und Grenzziehungen zu
kommen.
Siehe dazu auch Stangl, Werner (1987). Konsistenz
elterlichen Erziehungsverhaltens. Psychologische
Beiträge, 29, S. 349-375.
Zusätzliche Stressoren
Nichtbeachtung der Herausforderungen durch kritische Life-events
Die Pubertät eines Kindes erfordert sowohl von den Jugendlichen als auch den Eltern Umorientierungen. Sie verlangt neue Rollenverteilungen, eine Modifikation der bisher in der Familie geltenden Regeln. Diese Anpassungsleistungen bedürfen Zeit und Energie. Haben Familien zusätzliche kritische Life-events, wie z.B. Wiederverheiratung bzw. Aufbau einer neuen Partnerbeziehung, Hausbau, Arbeitslosigkeit etc. zu bewältigen, die ihrerseits von jedem einzelnen in der Familie viel Energie erfordern, besteht die Gefahr, dass die Herausforderungen durch die Pubertät nicht entsprechend wahrgenommen und die notwendigen Umorientierungen und Anpassungsleistungen nicht erbracht werden (können).
Siehe auch Studien zur Entwicklung im Jugendalter
Quellen und Literatur:
Beham, Martina (1997). FÖRDERLICHE UND
HEMMENDE FAKTOREN ZUR BEWÄLTIGUNG DER ENTWICKLUNGSAUFGABEN IN
FAMILIEN MIT PUBERTIERENDEN. Nummer 4. Österreichisches Institut
für Familienforschung.
Dekovic, M., Noom, M. J., & Meeus, W. (1997). Expectations regarding development during adolescence: Parental and adolescent perceptions. Journal of Youth and Adolescence, 26, 253-272.
Dreher, E. & Oerter, R. (1986). Children's and Adolescents'
Conceptions of Adulthood: The Changing view of a Developmental Task.
In Silbereisen, R.K. & Eyferth, K. & Rudinger, G. (Hrsg.),
Development as action in context. (S. 109 - 120). Berlin:
Springer.
Erikson, E. (1988). Der vollständige Lebenszyklus. Frankfurt am
Main: Suhrkamp Verlag.
Flammer, A. (1991). Entwicklungsaufgaben als Initiationsrituale?
Entwicklungsaufgaben anstelle von Initiationsritualen? (S. 89-101).
In G. Klosinski G. (Hg.), Pubertätsriten -- Aequivalente und
Defizite in unserer Gesellschaft. Bern: Huber. Havighurst, R. J.
(1948). Developmental tasks and education. New York: Longman.
Havighurst, R.J. (1953). Human development and education. New York:
Longmans & Green.
Hurrelmann, K. & Rosewitz, B. & Wolf, H.K. (1985).
Lebensphase Jugend. Weinheim und München: Juventa.
Morschitzky, Hans (1999). Wenn Jugendliche ängstlich sind.
Ratgeber für Eltern, Lehrer und Erzieher. Wien: ÖBV &
HPT.
Oerter, R. & Montada, L. (1995). Entwicklunspsychologie.
Vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Psychologie
Verlags Union.
Olbrich, E. & Todt, E. (1984). Probleme des Jugendalters. Berlin:
Springer.
Schenk-Danzinger, L. (1993). Entwicklungspsychologie. Wien:
Österreichischer Bundesverlag.
Oberösterreichische Jugendstudie (2000).
w3: http://www.ooe.gv.at/presse/archiv/LK/2000/LK2000-32_ vom_8_Februar_2000.htm (00-05-26)
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