Klassifikation des Neugierverhaltens
Für die Lernmotivation spielt die angeborene Neugier eine wichtige Rolle. In Verkennung der Darwinschen Evolutionstheorie wurde Neugierverhalten zunächst nicht als originärer oder primärer Trieb angesehen, da angeblich keine organismischen Bedürfnisse vorhanden seien. Es bestehe kein innerer Anreiz, da Objekte in der Außenwelt das Interesse auslösen würden. Da das aber kein Unterscheidungskriterium für primäre oder sekundäre Triebe ist, kann Explorationsverhalten Anpassungsvorteile für die Individuen mit sich bringen.
Das Neugiermotiv ist daher ein originäres, biogenes Motivsystem, das in der Ontogenese einer erfahrungsbedingten Modifikation unterworfen ist.
- Spezifisches Neugierverhalten wird von
Anreizen der Umwelt ausgelöst. Diese Anreize sind
kollativ, da sie nur im Vergleich zu anderen
Sachverhalten und auf ein Individuum zutreffen. Die
Anreize müssen neu sein, zweideutig und mit
objektiver Unsicherheit verbunden.
In Experimenten bot man Probanden jeweils zwei Tierbilder nebeneinander. Das eine Bild kehrte immer wieder, das andere wechselte. Die Probanden sahen schließlich nur noch auf das neue Bild. So konnte man auch die Neugiermotivation von Säuglingen erheben. In einem weiteren Versuch wurden Kinder beim Spielen mit einer Kiste beobachtet, die ab und zu Lichtsignale und Töne von sich gab. Das Neugierverhalten nahm um so schneller ab, je je weniger Effekte die Kiste zeigte (nur Licht, nur Ton, gar nichts). Auch bei mehr Effekten sank die Neugier nach einem Anstieg dann ab. Dafür nahm das Spielen zu. Junge Hausschweine bevorzugten denjenigen Auslaufstall, in dem immer ein neues Objekt lag und betraten später den anderen Stall, wo immer dasselbe Objekt lag, nicht mehr.
Offensichtlich findet eine Sättigung statt. Erst durch eine Veränderung oder durch eine Konfrontation nach einer Pause erlangt das Objekt der Neugierde wieder seine Neuheit zurück. - Diversives Neugierverhalten tritt in monotonen
Situationen auf und beweist, dass Mensch und Tier
ein Verlangen nach Abwechslung, Stimulation und
Information haben.
Untersucht wurde das mit deprivierten Probanden, die in einem geräuschabgeschirmten, halbdunklen Raum auf einem Bett angeschnallt liegen. Sie durften nur zu den Mahlzeiten und zur Toilette das Bett verlassen. Dieser Zustand wurde als zunehmend aversiv erlebt, um so mehr, je länger die Deprivation dauerte. Der Wunsch nach Stimulation wird größer. So konnten sich Versuchspersonen in einem 7-Tage-Versuch in der 6., 78. und 150. Stunde einen Börsenbericht abspielen lassen. Die Probanden machten davon zunehmende Gebrauch, je länger sie depriviert waren.
Dieses Bedürfnis nach Stimulation wurde mit einem homöostatisch funktionierenden Informationsbedürfnis erklärt, das ähnlich wie Hunger und Durst arbeitet. Das Zentralnervensystem funktioniert offensichtlich nur optimal bei einem mittleren Informationseinfluß, der über das aufsteigende reticulär aktivierende System den Cortex aktiviert. Man kann annehmen, dass Lebewesen diese Aktivierung auch durch eigenes Verhalten regulieren. Diversives Neugierverhalten kann als auch einer zentralnervösen Aktivierungssteigerung dienen.
Bei diversivem Neugierverhalten ist die Information um so wertvoller, je höher ihr Informationsgehalt ist. Probanden, die depriviert waren, hatten die Möglichkeit sich Lichtfolgen abspielen zu lassen. Dabei stieg die Nachfrage in den ersten 9 Stunden und fiel dann stark ab. Die Unsicherheit wurde gestaffelt. Je größer sie war, desto mehr wurde die Lichtsequenz abgespielt.
Es gibt interindividuelle Unterschiede im Neugierverhalten, wobei diese auch intern bedingt sind und nicht nur vom Reiz abhängen müssen. Ein bekanntes Verfahren ist die Sensation Seeking Skala von Zuckerman. Sie war konstruiert worden, um interindividuelle Unterschiede im Ertragen von Isolation und sensorischer Deprivation vorherzusagen. Der Fragebogen umfaßt vier Skalen:
- Thrill and adventure seeking
- Experience Seeking
- Disinhibition
- Boredom Susceptibility
Einige Befunde deuten auf einen dispositionellen genetischen Faktor hin. In Zwillingsstudien fand sich ein Erblichkeitsanteil von 58 - 68 %.
Förderung von Neugier und kognitiven Kompetenzen
Siehe dazu ergänzend:
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http://www.familienhandbuch.de/cms/Kindliche_Entwicklung-Neugier_und_Angst.pdf
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Quellen
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James, William (1890). The principles of psychology (Vol.
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Mackowiak, Katja & Trudewind, Clemens (2001). Die
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WWW:
http://www.familienhandbuch.de/cms/Kindliche_Entwicklung-Neugier_und_Angst.pdf
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WWW:
http://www.uni-koblenz.de/~odsssfg/seminar/wahlmodule2003/unterlagen/b07/b07.4.pdf
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Zuckerman, M. (1979). Sensation seeking: Beyond the optimal
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http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/Motivation.html (99-11-17)
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