Förderung von Neugier und kognitiven Kompetenzen
"Überraschendes" dazu aus der Gehirnforschung: In einer deutschen Tageszeitung (sz-online) fand sich ein Hinweis auf eine "bahnbrechende Entdeckung der Gehirnforschung: "Eine reichhaltige Umwelt fördert die Bildung einer individuellen Hirnstruktur. Das haben Forscher aus Dresden, Berlin, Münster und Saarbrücken nun mithilfe neurobiologischer Untersuchungen von Mäusen bewiesen. Bei den Tieren beeinflussten Erfahrungen die Neubildung von Nervenzellen und führten zu messbaren Veränderungen im Gehirn. (…) Die Forscher hatten 40 genetisch identische Mäuse in ein Gehege mit reichhaltigem Angebot zur Beschäftigung und Erkundung gesetzt. Mithilfe besonderer Sender an den Tieren erstellte das Team Bewegungsprofile. Starke Aktivität habe zu einer höheren Neubildung von Nervenzellen in der für Lernen und Gedächtnis zuständigen Hirnregion geführt". Die Gehirnforscher sollten wohl öfter psychologische Literatur lesen ;-)
In der Gestaltung der unmittelbaren täglichen Umwelt des Kindes bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, auf die Entwicklung der kindlichen Neugier Einfluss zu nehmen, wenn auch der Grundsatz beachtet werden sollte, dass ein bloßes Mehr an Stimulation nicht immer die günstigste Entwicklungsbedingung darstellt.
- Gestaltung der häuslichen Umwelt unter
Berücksichtigung der kindlichen Interessen
Stehen dem Kind Spiele und Materialien zur Verfügung, die seine Neugier wecken, seinem Entwicklungsstand angemessen sind, d.h. eine bewältigbare Herausforderung darstellen, und die den individuellen kindlichen Interessen und Bedürfnissen entgegenkommen? Bei der Auswahl derartiger Materialien geht es nicht darum, möglichst viel und möglichst teuer pädagogisch wertvolle Spiele zu erwerben; vielmehr eignen sich auch ganz einfache Materialien (z.B. aus Haushalt und Natur) ebenso gut wie aufwendige Computerspiele, sofern sie für das Kind einen Anreiz zur vielfältigen und kreativen Auseinandersetzung darstellen. Eltern können hier gemeinsam mit ihren Kindern neue und interessante Spiel- und Explorationsmöglichkeiten entdecken. - Anregung möglichst unterschiedlicher
Explorationsmodalitäten
Bei der Auswahl von Spielmaterialien kann als weiteres Kriterium neben den spezifischen Anreizqualitäten darauf geachtet werden, welche Explorationsarten angeregt werden. Erfolgt die Informationsaufnahme überwiegend visuell (z.B. bei Büchern), oder werden auch andere Sinneskanäle (Hören, Riechen, Tasten, Schmecken) angesprochen? Jede dieser Explorationsmodalitäten bietet Möglichkeiten der Informationseinholung. Gerade ängstliche Kinder, die ein eingeschränktes Verhaltensrepertoire bei der Informationsgewinnung zeigen, könnten in einer spielerischen und angstfreien Atmosphäre neue Strategien des Erkundens von Objekten und Sachverhalten erproben. - Unterstützung bei der
Aufmerksamkeitsregulation
Belsky, Goode & Most (1980) haben Mütter von Kindern im Alter zwischen 9 und 18 Monaten bei ihrer täglichen Hausarbeit beobachtet und sorgfältig registriert, auf welche Weise sie dabei ihre Kinder anregten, sich selbst zu beschäftigen. Die Häufigkeit bestimmter Verhaltensweisen haben sie mit dem Entwicklungsstand des Neugier- und Spielverhaltens in Zusammenhang gebracht. Es zeigte sich, dass die Kinder den höchsten Entwicklungsstand im Explorieren und Spielen erreicht hatten, deren Mütter die Aufmerksamkeit des Kindes während ihrer Arbeit immer wieder auf Objekte lenkten, z. B. indem sie darauf zeigten, den Namen des Objektes nannten, das Objekt in die Reichweite des Kindes rückten oder auch vorführten, was man mit dem Objekt machen kann. Aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass solche spielerischen Interaktionen aber nur dann die Neugier des Kindes anregen und auf Dauer die Entwicklung eines starken Neugiermotivs fördern, wenn die Mütter sorgfältig darauf achteten, dass sie mit ihren Aktionen nicht eine gerade vom Kind begonnene Handlung störten - Anbieten von Problemen und Aufgaben, die
unterschiedliche Lösungsstrategien erfordern
Eigentlich werden wir ebenso wie unsere Kinder täglich mit diversen Problemen und Aufgaben konfrontiert, sei es, dass wir eine Reihe von Erledigungen in einer bestimmten Zeit bewältigen, die Bedienungsanleitung eines Haushaltsgerätes nachvollziehen, eine Geburtstagsparty planen müssen oder in unserem Beruf eine bestimmte Aufgabe übertragen bekommen. Bei der Lösung dieser Probleme können sehr unterschiedliche Strategien von Nutzen sein. So hilft manchmal nur ein Ausprobieren nach Versuch und Irrtum, um neue Informationen zu erhalten, die uns zur Lösung führen; bei anderen Problemen ist es dagegen sinnvoll, die Handlungsschritte vorab zu planen sowie Vor- und Nachteile verschiedener Handlungsalternativen abzuschätzen. Bei einigen Problemen ist die Nutzung bestimmter Hilfsmittel (z.B. Werkzeuge, andere Personen) bei der Lösungssuche unbedingt erforderlich. Kinder müssen im Laufe ihrer Entwicklung diese Problemlösestrategien erwerben und in vielen verschiedenen Situationen herausfinden, welche Strategien wann besonders geeignet sind. Erwachsene können dabei auf zweierlei Weise unterstützen: zum einen dadurch, dass sie Gelegenheiten schaffen, in denen diese Problemlösestrategien erforderlich sind; zum anderen dadurch, dass sie bei der Lösungssuche an den Stellen helfen, an denen das Kind nicht weiterkommt. Dies erfordert eine sensible Anpassung an die jeweiligen kindlichen Kompetenzen und Bedürfnisse.
Wood, Bruner und Ross haben 1976 diesen Prozess der optimalen Unterstützung des Kindes bei der Bewältigung eines Problems mit dem Begriff "scaffolding" umschrieben. Sie unterschieden verschiedene Aspekte, die hierbei von Nutzen sein können:
- Der Erwachsene kann mit seinem Verhalten das Interesse des Kindes wecken und durch Hinweise die Anforderungen der Aufgabe verdeutlichen.
- Ist die Aufgabe für das Kind zunächst verwirrend und unübersichtlich, kann der Erwachsene sie vereinfachen, in Teilprobleme zerlegen, strukturieren und mögliche Handlungsalternativen reduzieren.
- Während des Problemlöseprozesses kann es erforderlich sein, die Aufmerksamkeit des Kindes bei der Aufgabe zu halten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine motivierende Funktion: wenn das Kind aufgeben möchte oder keine Lust mehr hat, kann der Erwachsene es zu neuen Schritten ermuntern und von ineffektiven Strategien abbringen.
- Im Laufe der Lösungssuche ist auch immer wieder ein Vergleich zwischen dem Ist-Zustand (Problem) und dem Soll-Zustand (Ziel) erforderlich, bei dem der Erwachsene unterstützen kann. Die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Aufgabenaspekten spielt hier eine entscheidende Rolle.
- Immer dann, wenn das Kind bei seinen Lösungsbemühungen nicht weiterkommt, besteht die Gefahr, dass es aufgibt. Hier kann die Aufgabe des Lehrenden darin liegen, dem Kind die Angst vor Fehlern und Versagen zu nehmen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken.
Kommt das Kind dem Ziel trotz ausdauernder Versuche nicht näher, kann der Erwachsene, die angefangenen Schritte des Kindes aufgreifen und richtig weiterführen und so als Vorbild ein ideales Vorgehen demonstrieren. Wichtig ist bei all diesen Bemühungen, dem Kind so wenig Hilfe wie möglich und so viel wie nötig zu geben. Die schönste Lösung ist immer noch die, die man mit einiger Anstrengung möglichst selbständig erreicht hat.
Quelle:
Mackowiak, Katja & Trudewind, Clemens (o.J.). Die
Bedeutung von Neugier und Angst für die kognitive
Entwicklung.
WWW: http://www.familienhandbuch.de/cms/Kindliche_Entwicklung-
Neugier_und_Angst.pdf (02-07-29)
http://www.sz-online.de/nachrichten/wissen/das-gehirn-waechst-an-seinen-aufgaben-2574258.html (13-05-16)
Der "Situative Interessen Test", ein differentieller Test zur Bestimmung von Interessen für die Berufs- und Freizeitberatung, liefert in der Online-Version (Testdauer ca. 5 Minuten) das Testergebnis unmittelbar nach der Testdurchführung.
Klassifikation des Neugierverhaltens
Mackowiak, Katja & Trudewind, Clemens (o.J.). Die Bedeutung von Neugier und Angst für die kognitive Entwicklung. In Wassilios E. Fthenakis & Martin R. Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch.
WWW: http://www.familienhandbuch.de/cms/Kindliche_Entwicklung-Neugier_und_Angst.pdf (02-07-29)
Quellen
Belsky, J., Goode, M. K., & Most,
R. K. (1980). Maternal stimulation and infant exploratory
competence: Cross-sectional, correlational, and experimental
analyses. Child Development, 51, S. 1163-1178.
Berg, C. A. & Sternberg, R. J. (1985). Response to
novelty: Continuity versus discontinuity in the
developmental course of intelligence. Advances in Child
Development and Behavior, 19, S. 1-47.
James, William (1890). The principles of psychology (Vol.
2). New York: Holt, Rinehart & Winston.
Mackowiak, Katja & Trudewind, Clemens (2001). Die
Bedeutung von Neugier und Angst für die kognitive
Entwicklung.
WWW:
http://www.familienhandbuch.de/cms/Kindliche_Entwicklung-Neugier_und_Angst.pdf
(99-11-17)
Lorenz, Konrad (1943). Die angeborenen Formen möglicher
Erfahrung. Zeitschrift für Tierpsychologie, 5, S.
235-409.
Roth, Gerhard (2002). Warum sind Lehren und Lernen so
schwierig?
WWW:
http://www.uni-koblenz.de/~odsssfg/seminar/wahlmodule2003/unterlagen/b07/b07.4.pdf
(03-07-11)
White, Burton & Held, Richard (1966). Plasticity of
sensorymotor development in the human infant (S. 60-70). In
J.F. Rosenblith & W. Allinsmith (Eds.), The causes of
behavior. Bosten, MA: Allyn and Bacon.
Wood, D. J., Bruner, J. S. & Ross, G. (1976). The role
of tutoring in problem-solving. Journal of Child Psychology
and Psychiatry, 17, S. 89-100.
Zuckerman, M. (1979). Sensation seeking: Beyond the optimal
level of arousal. Hillsdale: Erlbaum.
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/Motivation.html (99-11-17)
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