Bring mir nichts bei, erklär mir nicht,
erzieh mich nicht, motivier mich nicht!
Peter Fratton
Erfolgreiches Lehrerverhalten
Als Lehrerverhalten bezeichnet Dubs (1995) jegliche Form von interpersonalem Einfluss mit dem Ziel, das Lernen einer anderen Person zu verbessern. Üblicherweise geschieht dies durch direkte Interaktion zwischen dem Lehrer und dem Schüler. Zwischen Lehrern und Schülern lassen sich die verschiedenen Varianten sozialer Beeinflussung feststellen, und zwar nicht nur vom Lehrer zum Schüler hin, sondern auch in umgekehrter Richtung. Der Lehrer vermittelt nicht nur Wissen und Fertigkeiten, was dem Inhaltsaspekt jeder Kommunikation entspricht; in der Art seiner Vermittlung, seines sprachlichen und nichtsprachlichen Verhaltens definiert er immer wieder auch die soziale Beziehung zwischen sich und den Schülern, die ihrerseits, sei es in Passivität oder in verschiedenen Aktivitäten diese Beziehung ändern oder bekräftigen. Lehrerverhalten stellt somit die Summe aller verbalen und nonverbalen Aktivitäten eines Lehrers dar, die dieser im Rahmen seines Unterrichts zeigt. Nach Dubs ist direktes oder lehrdominantes Unterrichtsverhalten vor allem dann angebracht, wenn sich die Schüler anspruchsvolles Sach- und Methodenwissen aneignen sollen, sich der Lehrer jedoch nicht für das selbständige Erarbeiten durch die Schüler entscheiden will. Indirektes bzw. non-direktives Unterrichtsverhalten unterstützt auf allen Ebenen den Erwerb und die Einübung von Wissen in komplexeren Zusammenhängen und fördert darüber hinaus methodische Fähigkeiten sowie die Entfaltung von Kreativität.
Erfolgversprechendes Handeln bei Lehrern ist schwerer bestimmbar als in vielen anderen Berufen, was an den Besonderheiten des Handlungsfeldes liegt. An erster Stelle ist hier die pädagogische Situation zu nennen, die letztlich immer ein Stück weit von der Lebenspraxis entfernt ist. Sie bietet den Schülern einerseits einen gewissen Schonraum, den diese als angenehm empfinden mögen, andererseits verleitet gerade dieser Schonraum, den berufs- und lebensvorbereitenden (Ernst-)Charakter zu übersehen. Zudem hat es der Lehrer mit Lerngruppen zu tun, die eine Anzahl sehr verschiedenartiger Schülerpersönlichkeiten umfassen. Die Schüler finden sich auch nicht freiwillig zu Schulklassen zusammen ("Zwangsaggregat"). Weder Schüler noch Lehrer können wählen, mit welchen Personen sie eine Lerngruppe bilden wollen. Vielmehr erfolgt die Klassenbildung vorwiegend nach formalen Kriterien, und rechtliche und organisatorische Bestimmungen garantieren die Stabilität der so entstandenen sozialen Gebilde. Schließlich werden die individuellen Interessen von Schülern und Lehrern von gesellschaftlichen überlagert, sind also teilweise fremd bestimmt. Einerseits soll er auf deren Bedürfnisse und Befindlichkeiten Rücksicht nehmen und dafür sorgen, dass sich die Schüler in seinem Unterricht wohl fühlen, andererseits muss er in Erfüllung seines gesellschaftlichen Auftrags gewährleisten, dass die Schüler die erwarteten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie erwünschte soziale Kompetenzen erwerben.
Vertrauens- und Glaubwürdigkeit des Lehrers beeinflusst die Lernbereitschaft und das Sozialverhalten der Schüler. Diese entstehen nur, wenn der Lehrer echt und authentisch handelt, wenn er also nicht nur handelt, wie ein Lehrer handeln sollte, sondern als Lehrer und als Person handelt. Ohne den Verlust an Echtheit und Authentizität und damit an Vertrauens- und Glaubwürdigkeit befürchten zu müssen, wird er nur in dem Bereich professionell handeln können, der seinen persönlichen Dispositionen entspricht.
Fraglich ist auch, ob es wünschenswert ist, dass der Lehrer sein Verhalten permanent kontrolliert. Ein Lehrer, der keine Gefühle zeigt und sich stets reflektiert und „professionell“ verhält, darf sich nicht wundern, wenn das angestrebte Vertrauensverhältnis nicht entsteht. Die Professionalität des Lehrers kann sich jedoch nicht in der perfekten Handhabung von Lehr- und Sozialtechniken zur Stoffvermittlung und Vermeidung oder Beseitigung von Unterrichtsstörungen erschöpfen.
Man lernt bekanntlich in seinem Leben am besten und meisten von jenen Menschen, die es schaffen, andere zu interessieren oder sogar zu begeistern. Es geht beim Unterrichten daher weniger um den Inhalt sondern darum, das Feuer der Begeisterung für ein Thema beim anderen zu entfachen, wobei man sich als Lehrender zuerst selbst der Frage stellen sollte, ob das Thema einen selber wirklich begeistert, und wenn nicht, wie könnte man sich dafür begeistern?
Siehe dazu auch Emotionen und Wohlbefinden in der Schule.
Die folgenden Verhaltensempfehlungen sind nach
Prosser (o.J.) ein Angebot zur Prüfung und Selbstprüfung, um
herauszufinden, welche Verhaltensweisen zur eigenen Persönlichkeit
passen, um Professionalisierung zu erreichen. Lehrerverhalten ist keine
unabhängige Variable im Unterrichts- und Erziehungsgeschehen. Es ist
vielmehr bedingt durch das Lehr- bzw. Lernkonzept, den Sachanspruch, vor
allem aber durch das Klassenklima und die Interaktion mit den Schülern.
Interaktionssituationen sind gekennzeichnet durch die permanente
wechselseitige Beeinflussung der Kommunikationspartner. Der
Kommunikationstypus schulischer Unterricht weist die folgenden Merkmale
auf:
- Ziel und Zweck: In der Unterrichtskommunikation realisiert sich ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Auftrags der Schule, der sich abstrakt als Qualifizierung (Erweiterung der Sachkompetenz), Sozialisierung (Erziehung) und Selektion (durch Zuschreibung von Leitungsniveaus) definieren lässt.
- Asymmetrische oder komplementäre Rollenverteilung: Prinzipiell dominiert der Lehrer, dessen Autorität durch Status und Kompetenzvorsprung begründet ist. Kraft dieser Autorität steuert er die Interaktion und bestimmt die Beteiligungschancen der Schüler. Er gibt Rückmeldung auf deren Beiträge, z.B., indem er sie bestätigt, lobt, tadelt, korrigiert oder ergänzt. Die Rollenüberlegenheit ist auch dann latent vorhanden, wenn der Lehrer von seiner Steuerungsfunktion behutsam Gebrauch macht und non-direktive Lenkungsmaßnahmen bevorzugt. Schüler sehen im Lehrer u.a. eine Instanz, die über ihren Erfolg in der Schule und damit auch über ihre späteren Berufschancen wesentlich mit bestimmt. Entsprechend besteht auf Seiten der Schüler eine Tendenz zum reaktiven Verhalten. Je weniger der Lehrer seine formale Autorität nach außen kehrt und je mehr Beteiligungschancen er den Schülern einräumt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler sich aktiv und produktiv einbringen.
Dubs wendet sich von der Vorstellung eines idealtypischen Lehrers ab. Er geht davon aus, dass es nicht ein „richtiges“ Lehrerverhalten zur Verwirklichung bestimmter Ziele gibt, sondern, dass je nach den Voraussetzungen und Umständen jeweils eine andere Form von Lehrerverhalten erfolgsversprechend sein könnte. Ein Lehrerverhalten das auf der klientenzentrierten Gesprächsführung von Carl R. Rogers basiert, orientiert sich an Werten wie Echtheit/Selbstkongruenz, Ich-Botschaften, einfühlendes Verstehen, aktives Zuhören, emotionale Wärme, Wertschätzung und Ermutigung. Für das Lernen nennt er folgende zehn Prinzipien:
- Menschliche Wesen haben die natürliche Gabe zu Lernen.
- Signifikant findet Lernen vor allem dann statt, wenn der Lerninhalt vom Schüler für die eigenen Absichten als wichtig eingestuft wird. Wenn das Individuum ein Ziel vor Augen hat und das gebotene Material für sich selbst als relevant zum Erreichen des Ziels einordnet, geht der Lernprozess äußerst schnell vonstatten.
- Lernprozesse, die in der eigenen Wahrnehmung eine Veränderung des eigenen Selbst beinhalten, werden als bedrohlich eingestuft und häufig abgewehrt.
- Jene Lernerfahrungen, welche für das Selbst(-bild) bedrohlich wirken, werden dann leichter wahrgenommen, angenommen und verarbeitet, wenn es kaum äußere Bedrohungen gibt.
- Wenn es wenig Gefahren für das eigene Selbst gibt, können Erfahrungen in unterschiedlichen Facetten wahrgenommen werden und der Lernprozess kann voranschreiten.
- Sehr verankert sind Lernerfahrungen, wenn sie durch Handlungen angeeignet wurden.
- Gefördert und erleichtert wird ein Lernprozess dann, wenn ein Schüler (selbst-) verantwortlich daran teilnimmt.
- Selbst gewähltes Lernen, das die Person als Ganzes erfordert, also sowohl Emotionen als auch Intellekt, erzeugt die durchdringendsten und nachhaltigsten Lernerfahrungen.
- Unabhängigkeit, Kreativität, und Selbstvertrauen werden dann erleichtert und gefördert, wenn Selbstkritik und Selbsteinschätzung von entscheidender und die Beurteilung durch andere von zweitrangiger Bedeutung sind.
- Den größten sozialen Nutzen in der modernen Welt erbringt das Erlernen von Lernprozessen als solche, eine anhaltende Offenheit Veränderungen zu erfahren und in das eigene Selbstbild zu integrieren.
Das klassische Konzept von Tausch & Tausch unterscheidet vier Dimensionen des Lehrerverhaltens:
- Achtung, Wärme, Rücksichtnahme, Zuneigung und Wertschätzung
- einfühlendes nicht- wertendes Verstehen
- Echtheit, Übereinstimmmung, Aufrichtigkeit
- Fördernde nicht dirigierende Tätigkeiten
Verhaltensweisen von LehrerInnen, die sich günstig auf das Lernverhalten der Schüler auswirken:
- Stetigkeit und Konsequenz, d.h. dem Führungs- und Eingreifverhalten sollten feste Regeln zu Grunde liegen, die jederzeit eingehalten werden.
- Ständige soziale Präsenz des Lehrers. Damit ist gemeint, dass der Lehrer ständig bei seinen Schüler ist, sie gleichsam im Auge hat, auch wenn er mit seiner Sachaufgabe beschäftigt ist.
- Permanente Rückmeldung über die Lernfortschritte. Kontrollen sind auch im schüler- oder lernzentrierten Unterricht nötig und auf sehr unterschiedliche Weise möglich. Wichtig für die Schüler ist vor allem, dass der Lehrer ihr Lernverhalten und ihre Fortschritte (auch „Durchhänger“ und Rückschritte) aufmerksam registriert und sie wissen lässt, wie er sie beurteilt. Siehe dazu etwa Murmelgruppen.
- Metakognition und Methodenreflexion. Die Schüler sollten dazu angehalten werden, ihre eigene Denkweise zu reflektieren und auch die Wege nachzuvollziehen, auf denen sie sich Wissen angeeignet und zu Erkenntnissen und Einsichten gelangt sind. Hierbei können Metakognitionen des Lehrers und Prozess- bzw. Methodenreflexionen im Unterricht als Modelle dienen.
- Flüssigkeit der Stoffentwicklung auf mittlerem Abstraktionsniveau. Es scheint vorteilhafter zu sein, wenn der Lehrer eine zügige Aneignung der Lerninhalte anstrebt, als dass der Prozess der Stoffentwicklung schleppend verläuft oder mehrfach unterbrochen wird. Sofern nicht Mitübung (Wiederholung des Bekannten in neuen Zusammenhängen) möglich ist, sind für die Vertiefung und Übung eigene Lernphasen vorzusehen.
- Flexibilität gepaart mit klarer Strukturierung. Anzustreben ist ein Verhalten, das im Rahmen einer deutlich erkennbaren Struktur („Roter Faden“!) flexibel bleibt.
- Kongruenz körpersprachlicher und verbaler Signale. Das heißt, der Lehrer sollte sich den Schülern gegenüber so verhalten, wie er sich wünscht, dass sie ihm begegnen.
- Angemessenheit der Sprache und Sprechweise. Seine Sprache und Sprechweise soll formal richtig, klar, flüssig, abwechslungsreich moduliert, akzentuiert und von sinnvollen Pausen durchsetzt sein.
- Ruhe, Geduld und Zuversicht. Wer auch weniger lernstarken Schülern das Gefühl ihrer Leistungsfähigkeit vermitteln kann und gleichzeitig genügend Geduld aufbringt, wird u.a. Angst abbauen und Aggressionen dämpfen.
Mit Eltern über Regeln sprechen
Die Klassenregeln sind zwar ein zentraler Baustein guten Unterrichts aber der Lehrer kann sie gerade bei einem auffälligen Kind kaum umsetzen, wenn dessen Eltern nicht dahinter stehen. Darum ist gerade bei jenen Eltern das Gespräch über Regeln von besonderer Bedeutung, die Regeln grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, weil sie meinen sie könnten die Kreativitätsentwicklung ihres Kindes einschränken, denen es zu Hause selbst schwer fällt, Regeln zu etablieren und umzusetzen und deren Kind sich in der Schule auffällig verhält. Wenn ein Lehrer bzw. eine Lehrerin mit den Eltern über die Klassenregeln spricht, sollte er bzw. sie ihnen zunächst mitteilen, welche Regeln für sie selbst bindend sind. Damit vermittelt sie, dass sich nicht nur ihre Schüler an Regeln halten müssen, sondern dass sie selbst bereit ist, das zu tun, was sie von anderen einfordern wird, dass sie bereit ist, sich an klaren Standards messen zu lassen, und vermittels so Souveränität und Sicherheit. Gleichzeitig demonstriert damit ein Lehrer bzw. eine Lehrerin indirekt, dass es ohne Regeln in der Schule nicht geht.
Motivierendes Lehrerverhalten
Wer als Lehrender selbst begeistert und interessiert ist, der kann sehr oft auch andere mitreißen, denn wer sich wirklich für etwas interessiert, der nimmt Informationen viel einfacher auf als jene, denen die Sache, um die es geht, gleichgültig ist. Wer Kindern - sei es als Lehrer, sei es als Elternteil - etwas vermitteln will, sollte sich Folgendes fragen:
- Wie schaffe ich es, Kinder für das Thema zu interessieren?
- Was begeistert mich selbst so an dem Stoff und wie kann ich diese Faszination vermitteln?
- Wie kann ich Kindern einen Zugang zu dem verschaffen, was ich persönlich in dem Thema sehen kann?
- Wie kann ich das, was ich vermitteln will, so aufbereiten, dass es für Kinder interessant und spannend ist?
- Wie kann ich erreichen, dass die Kinder neugierig werden?
- Wie kann ich erreichen, dass die Kinder Fragen zu stellen beginnen?
- Wie kann ich erreichen, dass Kinder von sich aus mehr wissen wollen?
Erfolgversprechende Interaktionsmuster, die als besonders lernfördernd gelten:
- Die Schüler provozieren, selbst Fragen zu stellen.
- Schüleräußerungen miteinander verbinden mit dem Ziel, themenzentrierte Gespräche zwischen den Schülern zu fördern.
- Sachbezogene Kontroversen zwischen den Schülern provozieren oder aufgreifen.
- Durch Fragen und Impulse Denkanstöße geben, die angemessene Spielräume eröffnen.
- Sachverhalte oder (Zwischen)Ergebnisse problematisieren.
- Aktiv zuhören, d.h. z.B. Blickkontakt halten, das eigene Verständnis rückmelden und den Schülerbeitrag paraphrasieren (statt ihn zu wiederholen).
- Beiträge der Schüler positiv kommentieren, z.B. bei teilweise richtigen Beiträgen das Brauchbare hervorheben.
- Den eigenen Anteil an der Unterrichtskommunikation minimieren.
Siehe auch die Vermittlung von Lernstrategien.
Literatur
Döring, Klaus Walter (1989). Lehrerverhalten. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
Dubs, Rolf (1995). Lehrerverhalten. Zürich: Verlag des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes.
Die 10 Lernprinzipien nach Carl Rogers.
WWW: https://eltern.lerntipp.at/Lernen-Regel-Prinzip.shtml (09-02-02)
https://www.schule.at/serien/classroom-management/detail/eltern-wichtigster-partner-des-lehrers (23-09-26)
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