[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Freizeit und Beruf*)

Literatur

Blücher, V. (1968) Das Freizeitproblem und seine praktische Bewältigung. In H. Giesecke (Hrsg.), Freizeit und Konsumverhalten. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht.

Eder, F. (2003). Der Lebensbereich der Gleichaltrigen: Freizeit und Peergruppenbeziehungen. Linz.

Giesecke, H. (1974). Freizeit- und Konsumerziehung. In Ch. Wulf (Hrsg.), Wörterbuch der Erziehung (S. 212-215). München.

Gossner, S. (1998). Neue Problemstellung durch geändertes Freizeitverhalten.
WWW: http://www.bzs.bund.de/bsmag/
gossner.htm
(04-03-18)

Heinzlmaier, B., Hahn, M. & Zentner, M. (1999). Jugendarbeit und Freizeitarbeit in Österreich: Situation und Bedarf. Forschungsbericht. Wien: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie.

Krall, G. (1975). Betrachtung zur wirtschaftlichen Abhängigkeit des Freizeitverhaltens von Jugendlichen. Linz: Institut für Pädagogik.

https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/freizeit-stress-freizeitstress-fomo-angst-verpassen-erholung-100.html (24-02-08)

Die Arbeit verliert in zunehmendem Maße ihre sinngebende Funktion für den Menschen und es kommt zu einem verstärkten Rückzug ins Privatleben. Die Wissenschaft hat schon seit einiger Zeit begonnen, sich mit den Funktionen und Aufgaben der Freizeit in den Disziplinen der Freizeitpsychologie und Freizeitpädagogik auseinanderzusetzen. Daneben hat auch die Soziologie wesentliche Beiträge zu Freizeitthematik geliefert. In den USA konturierte sich schon vor einiger Zeit eine "leisure science", wozu u.a. auch ein "leisure counseling" gehört, also eine professionelle Beratung, die über Freizeitangebote, -interessen und den Alltagsverlauf informiert. Diese Professionalisierung der Beratung entsteht weitgehend in Analogie zu den psychosozialen Hilfen in der Arbeitswelt.

Was ist Freizeit?

Historisches: In Urzeiten war freie Zeit eher die Ausnahme als die Regel, denn um zu überleben, mussten auch Urmenschen seit jeher arbeiten, also Mammuts jagen, Früchte sammeln, Steine behauen, Feuer entzünden. Immerhin fanden aber auch Urzeitmenschen freie Zeit, etwa um Jagdszenen auf Höhlenwände zu malen, und auch die Griechen kannten schon so etwas wie Pausen: "Wir arbeiten, um Muße zu haben …", schrieb Aristoteles vor etwa 2400 Jahren. Selbst Sklaven verfügten über freie Zeit, die sie etwa bei den Olympischen Spielen verbrachten. Ähnlich hielten es die Römer, die den Begriff für Arbeit (lateinisch: neg-otium, "Unmuße, Staatsdienst") aus dem Begriff für Muße (lateinisch: otium) ableiteten. Im Mittelalter ordneten dann Jahreszeiten und kirchliche Feste den Alltag. Freie Zeit existierte dann, wenn es weniger zu arbeiten gab, etwa für die Bauern im Winter, oder wenn an christlichen Feiertagen nicht gearbeitet werden durfte. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Begriff "frey zeyt" in Deutschland erstmals schriftlich erwähnt. Gemeint war damit allerdings nicht Muße, sondern "Marktfriedenszeit", die Teilnehmern von Märkten sicheres Geleit versprach. Den Begriff "Freizeit", der tatsächlich freie Zeit versprach, benutzte erstmals der Pädagoge Friedrich Fröbel im Jahr 1823. Er bezeichnete damit die Zeit, die den Kindern und Jugendlichen seiner Erziehungsanstalt im thüringischen Keilhau "zur Anwendung nach ihren persönlichen und individuellen Bedürfnissen freigegeben" war. Ein entscheidender Schritt hin zu "Mehr Freizeit für alle" gelang durch die Industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts, denn der technologische Fortschritt ermöglichte kürzere Arbeitszeiten bei gleicher Produktivität, sodass mehr Zeit für persönliche Interessen blieb. Die Ausrufung des 1. Mai 1890 zum feiertäglichen "Tag der Arbeit" wurde zum Symbol des Kampfes der Arbeiterbewegung für mehr Freiheiten. Echte Fortschritte hin zu mehr Freizeit für Arbeitnehmer gab es aber erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch auch in den 1950er-Jahren gab es für Arbeitnehmer noch keinen freien Samstag, an sechs Tagen wurden bis zu 48 Stunden gearbeitet, erst durch die Arbeitszeitverkürzung der 1960er- und '70er-Jahre auf 40 Stunden entstand schließlich mehr Raum für Erholung und Freizeitgestaltung.
Während in einigen aktuellen Definitionen die Freizeit noch als "die nicht der Erwerbstätigkeit dienende Zeit" und "Zeit ohne barwerte Entlohnung" gesehen wird, gehen andere Wissenschaftler schon etwas differenzierter an die Betrachtung dieses Begriffes heran. So wird Freizeit häufig auch in einer Art Subtraktionsverfahren als jene Zeit definiert, die übrig bleibt, wenn alle verpflichtende Arbeit (Hausarbeit, ...) getan und die körperlichen Notwendigkeiten wie Schlafen, Essen, usw. befriedigt sind (vgl. Eder 2003). Der Rückgang der Arbeitszeit führte in den letzten Jahrzehnten zu einem Anstieg der Freizeit, was auch umfassende Auswirkungen auf deren Gestaltung und Bedeutung hat, sodass unsere Gesellschaft auch als Freizeitgesellschaft bezeichnet werden kann.

Einen völlig anderen Ansatz der Freizeitdefinition verfolgt Opaschowski (1995), denn er charakterisiert Freizeit als subjektive Wahrnehmung von besonderen Qualitäten der Erfahrung und des Erlebens. Freizeit wird von einem subjektiv empfunden ist das Gefühl freie Zeit zu besitzen, ist das was ein Individuum als Freizeit erlebt, ist eine Gemütsverfassung, eine subjektive Wahrnehmung (vgl. Opaschowski zit. nach Henzlmaier 1999, S. 49).

Freizeit kann nach verschiedenen Dimensionen (zeitliche Dimension, Stellung im Lebenszyklus, soziale Kriterien) unterteilt werden. Eine der häufigsten Formen der Einteilung erfolgt nach dem Grad der Selbstbestimmung der Freizeitaktivitäten. So unterscheidet Eder (2003) im Wesentlichen folgende 3 Arten der Freizeit:

Blücher (1968, S. 78f) unterteilt Freizeit in

Während Untersuchungen in den Dreißiger Jahren noch 95% hartes – innengeleitetes Freizeitverhalten ergaben, bestehen die heutige Aktivitäten fast ausschließlich aus weichen – außengeleiteten Tätigkeiten.

Zur Geschichte der Freizeit

Das moderne Freizeitproblem entstand teilweise als Folge der kapitalistischen Wirtschaftsverfassung und der dadurch bedingten extensiven Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft, die u.a. durch Einführung der Nachtarbeit und durch die Abschaffung zahlreicher Feiertage möglich wurde. Historische Vergleichsberechnungen scheinen zu zeigen, dass erst in der Gegenwart das Maß an Freizeit wieder erreicht wird, das etwa in der vorindustriellen Zeit gegeben war. Die Forderung der organisierten Arbeiterbewegung nach höheren Löhnen und mehr Freizeit zeigt den engen Zusammenhang von Freizeit und Konsum. Mehr Freizeit im Sinne von mehr arbeitsfreier Zeit hat nur Sinn, wenn genügend finanzielle Mittel für die Bedürfnisbefriedigung in der Freizeit zur Verfügung stehen, bzw. wenn die Freizeit nicht für zusätzlichen Gelderwerb genutzt werden muss. Dies ist jedoch auch heute noch in hohem Umfang der Fall (Schwarzarbeit; Eigenarbeit am eigenen Haus, das vom Arbeitslohn nicht bezahlt werden könnte usw.), und zeigt, dass die vorherrschende Definition von Freizeit im Sinne der von unselbständiger Erwerbsarbeit freien Zeit problematisch ist. Abgesehen davon, dass bei vielen selbständigen Tätigkeiten eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit nicht möglich ist, würden die auf dieser Definition basierenden Berechnungen über den Umfang der Freizeit erheblich ungünstiger ausfallen, wenn man etwa alle der ökonomischen Sicherung der Familie dienenden Tätigkeiten abzöge. Für pädagogische Überlegungen interessant konnte die Freizeit erst werden, als ihr allgemeines Ausmaß über die für die Rekreation und für die unmittelbaren sozialen Verpflichtungen (z. B. Kindererziehung) nötige Zeit hinausging und zu einem Zeitanteil von "verhaltensbeliebiger Zeit" führte. Ferner mußte das Einkommen ein "Freizeitbudget" über das Existenzminimum hinaus zulassen. Beide Entwicklungen setzten wenn auch zögernd in den 20er Jahren ein - nicht zuletzt als Folge einer stärker auf den "inneren Markt" gerichteten Wirtschaftsauffassung und des verstärkten Übergangs von der extensiven zur intensiven Ausnutzung der Arbeitskraft. Auch der inzwischen ins öffentliche Bewußtsein gedrungene Widerspruch von "privatem Reichtum" und "öffentlicher Armut" dürfte diesen Trend nach mehr Freizeit und mehr Konsum kaum stoppen, sondern eher umleiten (z. B. in mehr und bessere öffentliche Dienstleistungen) (Giesecke 1974).

"Auf Freizeit legt nur Wert, wer es sich leisten kann". Diese Aussage trifft heutzutage eher nicht mehr generell zu. Während früher die Arbeit den Daseinsschwerpunkt des Menschen darstellte, tritt aktuell für viele Menschen nun immer mehr die Freizeit in diese Rolle. Zirka 90% der Menschen halten nach Umfragen Freizeit für einen wichtigen Lebensbereich. Statistiken des Ludwig Boltzmann Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung bestätigen diesen Trend und zeigen, dass in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten die Bedeutung der Freizeit auf Kosten der Arbeit zugenommen hat.

Funktionen der Freizeit

Eine wesentliche Funktion der Freizeit ist die Herstellung der Leistungsfähigkeit oder Regeneration und hat zur Erholung und Wiedergewinnung der körperlichen und seelischen Energie zu sorgen. Infolge dessen wird auch die Leistungsfähigkeit der Menschen wieder hergestellt und Erschöpfungszustände (durch Überbeanspruchung) werden vermieden. In der Freizeit scheint, je nach beruflicher Beanspruchung, entweder passive Erholung (reine Kraftregeneration, z.B. Schlaf bei hauptsächlich körperlicher Tätigkeit im Beruf) oder aktive Erholung (Wandern, Spiel, Sport bei vorwiegend geistiger Tätigkeit im Beruf) angemessen.

Es können jedoch auch Störungen im Freizeitverhalten auftreten, die längerfristig zu einem Leistungsabfall führen können. Grund dafür sind nach Krall (1975, S. 15f):

Eine weitere Funktion der Freizeit ist die Kompensation, denn in der heutigen Arbeitswelt bleiben viele Bedürfnisse (Sicherheitsbedürfnis, Wunsch nach Anerkennung oder Selbstverwirklichung,…) der Menschen unbefriedigt. Diese frustrierten Bedürfnisse können nun durch Hobbys oder ähnliches ausgeglichen werden. Vorraussetzung ist, dass diese richtig ausgewählt und dosiert sind. Die Auswahl der Freizeitgestaltung richtet sich vor allem nach dem unbefriedigten Bedürfnis und nach dem Anspruchsniveau der betreffenden Person (vgl. Krall 1975, S. 16ff). Durch Freizeit hat man nun die Möglichkeit, einige dieser Bedürfnisse zu befriedigen und die Defizite auszugleichen (vgl. Opaschowski zit. nach Heinzlmaier 1999, S. 50):

Durch berufliche Belastung und Zeitdruck, sowie zwischenmenschliche Beziehungen entstehen Spannungen. Um diese Spannungen abzubauen "bedarf es einer entspannten Atmosphäre in der Familie und im Freundeskreis und einer Art von Freizeitbeschäftigungen, welche Abwechslung und Entspannung bieten." Ist dies nicht gewährleistet, kann das zu Niedergeschlagenheit, Missmut und Unzufriedenheit (und infolge dessen zu sinkender Leistungsbereitschaft) führen (vgl. Krall 1975, S. 18f).

In letzter Zeit gewinnt "Wissen und Können" immer mehr an Bedeutung. Die Person ist somit nahezu gezwungen, sich in der Freizeit weiterzubilden, um dem Fortschritt (z.B. Technik,…) standhalten zu können. Ist dies nicht der Fall, wird die Person auch im Konkurrenzkampf der Arbeit nicht bestehen können und schließlich unzufrieden werden (vgl. Krall 1975, S. 19).

Siehe dazu auch Das Freizeitverhalten von Jugendlichen

Der Umgang des Menschen mit der Zeit

Zeit


Time

Menschen können die Vergangenheit positiv oder negativ sehen beziehungsweise empfinden, die Gegenwart fatalistisch oder hedonistisch, die Zukunft einfach als solche oder mit transzendentalem Hintergrund. Zwar entspricht niemand nur einem Zeit-Typus allein und diese Zeitperspektiven sind auch durchaus wandelbar, aber eine stärkere Tendenz in einer dieser Perspektiven genügt schon, um unser Denken, Fühlen und Handeln manchmal sogar entscheidend zu beeinflussen. Zu einseitige Zeitperspektiven können für den Einzelnen hemmend wirken, können unglücklich und sogar krank machen, etwa wenn Menschen, die sich zu ausgiebig mit negativen Ereignissen in der Vergangenheit beschäftigen, auch im allgemeinen Leben ängstlicher, aggressiver sind und eher zu Depressionen neigen. Allzu stark an der Gegenwart orientierte Menschen, denen es oft vor allem um rasche Bedürfnisbefriedigung geht, sind anfällig für Süchte aller Art, neigen zu Verschwendung und riskantem Sexualverhalten bzw. auch ganz allgemein zu sorglosem Umgang mit ihrer Gesundheit. Die Zukunftsorientierten haben im Durchschnitt zwar mehr Geld und Erfolg, sind im Allgemeinen auch weniger depressiv, leiden aber unter ständigem Zeitdruck und einem wenig erfüllten Privat- und Sexualleben. Nur eine ausgeglichene Zeitperspektive, die Elemente einer positiven Vergangenheitsorientierung, des Gegenwartshedonismus und der Zukunftsorientierung kombiniert, ist dazu geeignet, aus der Vergangenheit zu lernen, die Gegenwart zu genießen und die Zukunft zu planen. Zeitperspektiven hängen nach Ansicht der Psychologie mit Körper und Gesundheit, Karriere- und Planungsentscheidungen, Geld, Liebe, Glück, Beziehungen zusammen.

Zeiterleben im Urlaub

Roland Deutsch, Sozialpsychologe an der TU Dresden, vermutet, dass die zweite Hälfte der Ferien oder eines Urlaubs schneller vergeht, denn wichtig für das Zeitempfinden ist zum einen, ob man neue Dinge ausprobiert oder sich nur Gewohnheiten hingibt, und zum anderen, ob man sich später an viele Einzelheiten erinnern kann oder nicht. Ein Beispiel: Legt man sich einen Tag an den Strand, vergeht die Zeit zwar langsam, doch rückblickend erscheint der Tag kurz, weil man nicht viele Erinnerungen daran hat. Wenn man viel erlebt, ist die Zeit im Nachhinein subjektiv empfunden langsamer vergangen. Deshalb erinnet man die erste Ferienwoche oft länger vor als die zweite, denn zu Beginn ist Vieles neu, der Urlaubsort wird erkundet, aber in der zweiten Woche kennt man schon jedes Restaurant und jede Sehenswürdigkeit, man gewinnt weniger neue Eindrücke.
Quelle: Westdeutsche Zeitung vom 9. August 2013

Quelle: Dieses Arbeitsblatt entstand teilweise unter Verwendung der Arbeit von Klaus Kotzor "Freizeitgestaltung von Jugendlichen".



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: