[werner.stangl]s arbeitsblätter 

 

Spekulation als Glücksspiel *)

Ich kann die Bahn der Himmelskörper auf Zentimeter
und Sekunden berechnen, aber nicht
wohin die verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.
Sir Isaac Newton

Da dieser Aspekt bisher in der Fachliteratur kaum Beachtung fand, scheint es unabdingbar zuerst festzustellen, ob die Spekulation, bzw. welche Arten der Spekulation Gemeinsamkeiten mit dem Glücksspiel aufweisen. Geld bzw. der Gewinn ist eines der wichtigsten Motive für Glückspiel – der Traum seine monetären Verhältnisse grundlegend zu verändern. Auf den einführenden Seiten eines Börsenratgebers, welcher vor allem „Anfänger“ ansprechen soll, findet man folgende Aussage. 

„Eines Tages stellt sich der sogenannte „Geldschock“ ein, wenn wir feststellen, dass wir zu geringe monetäre Mittel für die Befriedigung unserer Bedürfnisse besitzen bzw. verdienen. Ab sofort quält uns die Frage ‚Wie kommt endlich Geld in unsere Kasse?’ Tag und Nacht martern wir damit unser Gehirn, bis unsere Analysen eine erste, wiederum folgenschwere Erkenntnis Liefern:

Zu Geld zu kommen ist eine schwierige Sache. Die meisten versuchen es mit Arbeit – das Ergebnis kennen wir! Sollte Ihnen das zynisch vorkommen, so schauen Sie sich in Ihrem Bekanntenkreis und in der Welt um. Die meisten werden einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und bestreiten dadurch ihren Lebensunterhalt. Reich werden sie davon jedenfalls nicht. (…) Ohne vollen Einsatz, ohne intellektuelle und seelische Energie bleibt die Kasse jedoch leer. Sollten Sie zu Ihrer Kasse auch Geldbörse sagen, so ist der erste Schritt bereits getan, und wir kommen vom Geld zur Börse. Nirgendwo kann man seinen Geldschock rascher überwinden. Es sei denn, man sucht das schnelle Glück im Spielkasino. Das wahrscheinlichere Ergebnis dürfte dann allerdings Geldschock II heißen. Dies ist selbstverständlich auch an der Börse möglich, doch man kann sich hier besser vorbereiten und intelligentere Strategien austüfteln“ (Rapf, 1996, S. 13ff).

Rapf unterscheidet also die Börsenspekulation sehr wohl von Arbeit, aber er rechnet sie auch nicht dem Glückspiel zu. Als ausschlaggebender Grund wird die mögliche, persönliche Einflussnahme auf das Ergebnis der Spekulation durch die Anwendung  von selbst- oder fremdentwickelten Strategien angeführt, wo hingegen beim Glücksspiel die Chancen immer gegen den Spieler stehen. Ist es wirklich so einfach? Lassen sich an der Börse, wie von Rap schon im Titel seines Buches angedeutet, wirklich riesen Gewinne realisieren, wenn man einfach nur intelligent genug ist? Sind Kurse vorhersagbar? Wenn dies der Fall ist, warum macht es nicht schon längst jeder?

In diesem Text wird die Börsenspekulation nach den Merkmalen des Glückspiels analysiert. Dabei werden vor allem Theorien und Untersuchungen aus den Finanzwissenschaften herangezogen und nach eventuellen Parallelen durchleuchtet. 


Grundregel an der Börse: Das Geld ist nicht weg, das haben jetzt einfach nur andere.
Matthias Deutschmann

Zufallscharakter der Kursbewegungen  (The Random Walk)

Die Theorie des Random Walks stützt sich auf die These des effizienten Marktes und besagt, dass die Kurse alle bis jetzt verfügbaren Informationen beinhalten und somit den fundamentalen Wert einer Aktie widerspiegeln, bzw. um diesen schwanken (lediglich Anpassung von Angebot und Nachfrage). Kursbewegungen würden nur dann stattfinden, wenn neue kursrelevante Informationen den inneren Wert des Unternehmens verändern (vgl. Steiner & Bruns, 1998, S. 200). „Efficient capital markets have no memory.“ (Brealey & Myers, 1988 zit. nach Thaler, 1994, S. 152).  In der Literatur werden drei Formen von effizienten Märkten unterschieden (vgl.  Fama, 1970,  S. 383):

  1. schwache Effizienz Die Information umfasst nur vergangene Preise.
  2. mittel-starke Effizienz Die Informationsmenge beinhaltet neben den vergangenen Preisen auch sämtliche verfügbaren, öffentlichen Daten.
  3. starke Effizienz Starke Effizienz liegt dann vor, wenn sogar die nicht öffentlichen Informationen (Insiderinformationen) in den Preisen berücksichtigt sind.

In einem schwach effizienten Markt lassen sich somit aus vergangen Kursen  keine Prognosen für die Zukunft entwickeln, aufgrund der man überdurchschnittliche Renditen erzielen könnte, da die aktuellen Kurse bereits die historischen Preise berücksichtigen. Die mittel-starke Effizienz schließt, wie oben angeführt, neben den historischen Kursen auch alle kursrelevanten öffentlichen Informationen mit ein und in der starken Form werden sogar Insiderinformationen berücksichtigt (vgl. Kiehling, 2001, S. 5). Dies würde bedeuten, dass sowohl technische als auch fundamentale Aktienanalysen sinnlos wären, da kursverändernde Informationen immer zufällig auf den Markt gelangen und dieser Umstand eine Kursprognose unmöglich gestalten würde (vgl. Perridon & Steiner, 2002, S. 221f).

Die Theorie des Random Walks erfuhr durchaus vielseitige Kritik im Laufe der Jahre.  So wiederholten French und Roll Fama’s Test von 1965, und schlossen  auf die Unvorhersagbarkeit von Kursänderungen,  indem die täglichen Erträge von NYSE und AMEX Aktien in einem Zeitraum von 1963 -1982 verglichen wurden. Dabei stellte sich eine kleine, aber signifikante negative Korrelation zwischen den täglichen Renditen heraus (vgl. zit. nach Thaler, 1994, S. 153f). So ist es wahrscheinlich, dass Kursgewinnen an einem Tag Kursverluste am nächsten Tag folgen und umgekehrt (vgl. French & Roll 1986 zit. nach Fama, 1991, S. 1609). Jedoch ist anzunehmen, dass die Transaktionskosten, bei einer derart geringen Korrelation, die erwirtschafteten Gewinne übersteigen würden und somit wird es unmöglich sein, Nettogewinne aus einer solchen Strategie zu ziehen. Wesentlich höhere negative Korrelationen lassen sich feststellen, wenn Erträge in einem Zeitraum von 18 Monaten bis 5 Jahre miteinander verglichen werden (vgl. Fama & French, 1988, zit. nach Thaler, 1994, S. 154) Diese Zeiträume würden aber nicht mehr der Definition von Spekulation und somit dem versuchten Profitieren von kurzfristigen Preisänderungen entsprechen.

Einer der größten Kritikpunkte liegt jedoch im Informationsparadoxem. Denn der Random Walk schlussfolgert, dass aufgrund der Zufallsbewegungen der Kurse Informationssuche und –verarbeitung zwecklos wäre, da die Preise – wie oben bereits erwähnt – die Informationen bereits beinhalten (vgl. Götte, 2006, S. 4f). Aber wenn aus Informationen kein Ertrag generiert werden kann, dann würde der rationale Akteur keine Informationen mehr suchen und verarbeiten, da dies mit Kosten verbunden ist. Werden keine Informationen verarbeitet, wie können diese dann in den Kursen enthalten sein?

Adaptiert man das klassische Modell der vollkommenen Märkte nun vermehrt an die Realität, wird der Markt nach Widdel in gewissen Grenzen unvollkommen und  es dürfte doch Gewinner und Verlierer am Aktienmarkt geben. Die beiden Gruppen unterscheiden sich in ihrer Begabung voneinander, d.h. in ihrer Fähigkeit Prognoseinstrumente auszuwählen bzw. zu erstellen und diese zu handhaben. Unter dem Gewinn- begriff versteht man hier Bruttogewinne, also ohne Abzug von Transaktions, Personal- und Opportunitätskosten. Um von einer erfolgreichen Spekulation sprechen zu können, muss der Nettogewinn jedoch größer Null sein. Als Abzugsgröße vom Bruttogewinn werden 10% p.a. (risikolose Anlage + 2% Risikoprämie) angesehen. Diese durchschnittliche Rendite sollte ein Begabter Spekulant in der Lage sein über  20 – 30 Jahre zu realisieren. Dies erscheint Weddel als durchwegs geeignete Benchmark, auch wenn der Dow Jones zwischen 1965 – 1995 ein Wachstum von 5,9% p.a. aufweist, weil ein erfolgreicher Spekulant auch antizyklisch agiert und auch von fallenden Kursen profitieren kann. Die Fähigkeit eben diese Überrendite langfristig zu erzielen spricht Widdel nur besonders begabten und erfahrenen Spekulanten, die große Ideen haben, zu und verweist dabei auf Allzeitgrößen wie Tvede, Lynch und Kostolany (vgl. 1996, S. xff). Auch zitiert er Peter Lynch:

„Wenn schon professionelle Ökonomen die Wirtschaft nicht prognostizieren und Börsenprofis die Kursentwicklungen nicht vorhersagen können, welche Chance hat dann überhaupt ein Amateuranleger“ (Lynch, XXXX, zit. nach Widdel, 1996, S.X).

Elsenhuber findet in ihrer Studie über die Performence von aktiv gemanagten Fonds heraus, dass auch nur wenige bis gar keine fähig sind längerfristig signifikant den Benchmark zu schlagen und widerspricht hier teilweise Widdel. Wenn man nun Fondmanager, deren Berufsbild  aus einem durchaus großen Anteil von Analyse- und Informationssammlungstätigkeiten besteht, als die bestinformierte Gruppe auf den Märkten betrachtet und es ihnen trotzdem nicht gelingt, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, könnte dies durchaus ein Indiz für effiziente Märkte sein, auch wenn eine starke Form der effizienten Märkte nicht nachzuweisen war und über die Existenz der mittel-starken Informationseffizienz eine rege Diskussion geführt wird (vgl. Elsenhuber, 2003, S. 229ff). Natürlich wird, weil ein gesetzliches Verbot von Insidergeschäften besteht, bzw. ist es Personen, die Insiderinformationen besitzen, in verschiedenen Formen verboten, Wertpapiergeschäfte mit diesen Werten zu tätigen, das Vorhandensein eines stark effizienten Marktes im Vorhinein reglementiert.

Abschließend kann gesagt werden, dass eine Vorhersagbarkeit von kurzfristigen Kursbewegungen schon aus einfachen ökonomischen Gründen eine zu große Gewinnmöglichkeit darstellen würde um wahr zu sein (Shiller, 2000, S. 184). Denn wie auch schon Friedman bemerkte: „There is no such thing, like a free lunch.”  


Der größte Feind des Anlegers schaut ihm jeden Morgen aus dem Spiegel entgegen.
Benjamin Graham

Milchmädchen und Lemminge - die Psychologie der Börse

Ein ganz eigenes Feld beim Spekulieren mit Wertpapieren ist die Psychologie der Börse, denn anhaltend steigende Kurse („Hausse“) verleiten weite Teile der Bevölkerung in der Regel zunächst dazu, sich für Aktienerwerb zu interessieren. In der Folge werden diese Menschen, die sich sonst nicht für Wertpapiere interessieren und die kein Hintergrundwissen besitzen, verstärkt zu Aktienbesitzern. Diese „Milchmädchen-Hausse“ ist für Profi-Anleger das ultimative Signal auszusteigen, denn überbewertete Papiere kündigen den baldigen Absturz an. Ist die Blase schließlich geplatzt, kommen die „Börsenlemminge“ zum Zug. Erschrocken und panisch verkauft die breite Masse und beschleunigt so den Absturz, vor dem man sich eigentlich zu retten versucht. Erfahrene Anleger raten hingegen, Emotionen wie Gier oder Angst aus dem Spiel zu lassen, Verluste rechtzeitig zu begrenzen und nie so viel einzusetzen, dass man ruiniert ist, wenn die Spekulation nicht aufgeht.

Jens Klatt, ein Marktanalyst in einem Trader Forum, bestätigt in einem Beitrag zum Thema Trading-Psychologie, dass die Psychologie beim Trading die vielleicht wichtigste Komponente darstellt. Vor allem bei Anfängern sind es seiner Meinung nach drei Emotionen, die sinnvolle, logische Entscheidungen beim Trading stören: Gier, Furcht und Rache. Während Gier und Furcht leicht nachzuvollziehen sind, ist es vor allem auch das Gefühl der Rache, das manche Trader beherrscht. Klatt schreibt: "Vom sogenannten Revenge-Trading (…) ist dann die Rede, wenn ein Trader nach einem Verlust-Trade bzw. einer Reihe von Verlust-Trades auf Gedeih und Verderb seine Verluste wieder gut zu machen versucht. Hierbei ignoriert der Trader seine Strategie und alle klaren Regeln."

Erfolgreiche Aktienhändler verkaufen übrigens Anteile, noch während der Preis einer Aktie steigt, wobei diese emotional schwierige Entscheidung durch ein spezielles Warnsystem im Gehirn ermöglicht wird, denn sie bemerken als erste, wenn ein Markt überbewertet ist. Die vielen anderen Händler ohne dieses Warnsystem hingegen laufen der Marktbewegung hinterher und machen Verluste. In Experimenten untersuchte man die Gehirnaktivität und das Verhalten von Probanden, die 100 Einheiten einer fiktiven Währung und sechs Anteile eines fiktiven riskanten Vermögenswertes erhielten. Innerhalb von fünfzig Handelssitzungen mussten die Teilnehmer entscheiden, ob sie kaufen, verkaufen oder halten. Der Wert eines riskanten Anteils lag bei 14 Währungseinheiten, dennoch stieg der Preis im Verlauf des Experiments vorübergehend auf das Fünffache, sodass eine Blase entstand. Man fand drei Gruppen von Teilnehmern. Die Teilnehmer in der ersten Gruppe machten enorme Verluste, d. h., sie begannen zu kaufen, als die Preise stiegen, und kauften immer weiter bis zum Platzen der Blase. Die Teilnehmer in der zweiten Gruppe gingen kaum Risiken ein und machten kaum Gewinne oder Verluste. Am meisten verdienten die Teilnehmer der dritten Gruppe, denn sie kauften früh, als die Preise niedrig waren, und verkauften, als die Preise stiegen, machten also etwas emotional sehr Schwieriges, denn sie verkauften in einem steigenden Markt.

Quellen

Ebert, Johannes (2010). Die Psychologie der Börse. Wirtschaft vor Ort, 21.12.2010, DerWesten.

Klatt, J. (2013). Einführung in das Thema Trading-Psychologie.
WWW: http://forexforums.dailyfx.com/trading-psychologie/ 599811-einfuehrung-das-thema-trading-psychologie.html (13-02-04)


Empfehlungen von Banken sollten skeptisch machen

Privatanleger sollten vor dem Kauf von teuren Produkten überlegen, mit welchen die Banken das meiste Geld verdienen, besonders dann, wenn sie ihre Wertpapiere oder Fondsanteile durch häufiges Kaufen und Verkaufe umschichten, denn Kauf- und Verkaufsprovisionen sind wichtige Einnahmequellen für Banken und MaklerInnen. Die Analysten von Banken bedienen mit Kauf- und Verkaufsempfehlungen die Illusion der AnlegerInnen, man könne durch geschickte Aktienauswahl den Anlageerfolg steigern. Man sollte daher die Rolle der Kostenstrukturen nie vernachlässigen und vor allem die teilweise äußerst hohen Kosten von Investmentfonds und Zertifikaten beachten.

Psychologische Marken

Nach Ansicht von Experten reagiert die Börse höchstens zu zehn Prozent auf Fakten, während alles andere psychologische Phänomene darstellen wie Massenpanik, Herdentrieb, Angst und Gier, d.h., es sind diese Faktoren, die die Märkte nach oben treiben oder sie abstürzen lassen.

Vor allem ist der Herdentrieb nicht zu unterschätzen, denn Investoren bekommen massenweise Anlagetipps von Banken, Anlegermagazinen und vor allem Internetseiten, d. h., zwangsläufig erinnert man sich an die letzte Anlageempfehlung und steigt bei dieser Aktie ein. Jedoch rückt eine Aktie wegen ihrer guten Kursentwicklung in den Blick der Öffentlichkeit, und nicht, weil sich das Geschäft des dahinter stehenden Unternehmens gut entwickelt hat. Es ist offensichtlich, dass viele Privatanleger und oft auch Profis, die es besser wissen müssten, sich schaden, wenn sie der Herde folgen. Auch wenn es kurzzeitig verlockend sein kann, der Herde oder dem Rat eines Anlagegurus zu folgen, schmälert ein solches Verhalten meist die Performance und führt dazu, dass man in Wertpapiere investiert, die gar nicht zu den Anlagezielen passen.

Nach Ansicht des Wirtschaftspsychologen Winfried Neun ist die Verdrängung ein wichtiger Faktor, der bei Börsenentscheidungen mitspielt. Vor allem eine Art psychologischer Marken bzw. Orientierungspunkte im menschlichen Gehirn sind es, auf die jeder wartet, gehen die Kurse darüber oder fallen sie darunter: dann kommt es zu sehr irrationalen Verhaltensweisen von den Anlegern, beziehungsweise derjenigen, die sich damit beschäftigen, also auch von Experten. Genau solche meist hektischen Entscheidungen von Anlegern führen zu jenen Wellenbewegungen, die einem Abwärtstrend anstoßen.

Ein Großteil auch des Investmentverhaltens des Menschen wird von Mechanismen gesteuert, die aus einer Zeit stammen, als es nur um um Fressen und Gefressen werden ging. Daher beeinflussen die uralten Verhaltensmuster Kampf, Flucht oder Angriff bis heute die Menschen, was bei Geldentscheidungen kontraproduktiv ist, denn spontane Entscheidungen in diesem Bereich sind selten richtig, sondern 90% eines Anlageerfolgs bestehen darin, die eigenen Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Auswirkungen des Random Walks auf den Glücksspielaspekt

Trifft der Random Walk tatsächlich auf die Finanzmärkte zu, so würde dies bedeuten, dass die Akteure durch das Sammeln von Informationen nicht in der Lage wären verlässlich zukünftige Kurse vorherzusagen. Somit würde sich der Kompetenz- zugunsten des Zufallsanteiles verringern und die Spekulation näher an das Glücksspiel heranführen. Auch stellen die getätigten Käufe, bzw. die erwarteten Gewinne durchaus Vermögenswerte für den Spekulanten dar, wodurch auch die zwei ergänzenden bereits oben genannten Definitionskriterien nach Schönke und Schröder erfüllt wären. 

Jedoch wird auch von verschiedenen Quellen darauf hingewiesen, dass zwischen Spekulation und Glücksspiel durchaus unterschieden werden muss. Glauke verlangt eine klare Trennung, denn während Spekulanten Anlageentscheidungen rational aufgrund ihrer Erfahrungen und den objektiven Fakten beurteilen, wobei auch das Risiko berücksichtigt wird, wettet der Spieler nur auf rot oder schwarz (vgl. 1994, S 108f). Kostolany unterscheidet ähnlich wie Glauke zwischen Spekulant und Spieler. Er geht aber davon aus, dass es sich bei rund 90 % des Börsenpublikums um Spieler handelt, die von ihren Emotionen getrieben dem schnellen Gewinn nachjagen. Die „selbsternannten“ Spekulanten entsprechen somit nicht den Kriterien, welche Kostolany einen Spekulanten zuspricht (vgl. 1997, S. 50f). Der österreichische Gesetzgeber fügt dem Börsegesetz folgenden Paragraphen hinzu und versucht die beiden Begriffe ebenfalls gesetzlich zu trennnen:


Einwand von Spiel und Wette

§ 28. (1) Bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus Börsegeschäften ist der Einwand, dass dem Anspruch ein als SpekulationSpielSpekulation oder Wette zu beurteilendes Differenzgeschäft zugrunde liegt, unstatthaft. (2) Werden an einer anerkannten in- oder ausländischen Wertpapierbörse Optionen und Finanzterminkontrakte gehandelt und dafür Kurse veröffentlicht, so ist der Einwand von SpekulationSpiel und Wette bei Rechtsstreitigkeiten aus diesen Geschäften von wem auch immer unzulässig.

Somit werden Börsengeschäfte vom Gesetzgeber nicht als Glücksspiel angesehen, was, wenn man die Börse als einen wesentlichen Pfeiler unseres Wirtschaftssystems betrachtet, durchaus einleuchtet.

Nach Ansicht der neoklassischen Ökonomie wäre diese Abgrenzung unnötig, weil sich diese auf den „Homo oeconomicus“ stützt  und dieser seine Entscheidungen nur rational wie ein Computer trifft. Doch das Weiterspinnen dieser Annahmen wurde uns wieder zu der Theorie der effizienten Märkte führen, welche bereits ausführlich diskutiert wurde. Dass die Märkte nicht nur von rational operierenden Agenten bevölkert sind, wird von der Behavioral Finance schon seit längerem immer wieder aufgedeckt. Im Rahmen dieses Forschungsgebietes wird auch öfters auf den „Gambling-Aspekt“ hingewiesen.

Steinberg und Harris stellten im Rahmen einer Untersuchung adressiert an Stock Broker die Frage, ob die hochspekulativen Bereiche des Wertpapiermarktes (z.B.: Futures und Optionen) mit dem Spielen in Casinos vergleichbar ist. 59,6 % der Befragten stimmten dieser Frage zu und begründeten dies überwiegend mit folgenden Argumenten (1994, www.ccpg.org):

Die Broker, die dieser Frage nicht zustimmten, sahen die Unterschiede vor allem in diesen Punkten:

Diese Punkte erachtet der Autor als äußerst diskussionswürdig. Denn schließlich, ob die technische Analyse wirklich ein geeignetes Mittel darstellt Kurse vorherzusagen, wurde bisher noch nicht bewiesen und ob die Chancen auf der Börse gegen eine Spekulanten stehen wurde ebenfalls in dieser Arbeit diskutiert und sollte die Chancenverteilung an der Börse wirklich von Haus aus 50:50 betragen, so wird dieses Verhältnis schon durch das zahlen von Gebühren gegen den Spekulanten verschlechtert. Auch die weiteren Begründungen sind sehr zu bezweifeln.

In einer weiteren Studie stellte Steinberg diese Frage auch an die Mitglieder der „Public Investors Arbitration Bar Association“. Dabei antworteten 36,7 %, dass das Risiko bei Börse und Casino gleich wäre, 43,4% sahen in Börsenspekulationen ein höheres Risiko und lediglich 20 % beurteilten das Spielen in Casinos als risikoreicher. Die Gruppe, welche die Börse riskanter einschätzt, argumentierte ihre Entscheidungen wie folgt (vgl. Steinberg, 1998, www.ccpg.org):

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Grenzen zwischen Spekulation und Glücksspiel durchaus ineinander verschwimmen. Nicht einmal die klassische Finanzwissenschaft kann sich ganz dieser Frage entziehen. Auf dieses Problem weist auch die explizite gesetzliche Abgrenzung hin, mit der womöglich bestimmten Argumentationspunkten in verschiedenen Rechtsfragen die Legitimation entzogen werden soll. Doch soll in Folge nicht diese Diskussion im Vordergrund stehen, denn das Entscheidende für diese Arbeit ist nicht die genaue Grenze zwischen Spekulant und Spieler, sondern der Umstand, dass anscheinend Spieler auf den Märkten vorhanden sind und die Märkte dies ermöglichen. Ob nun die Auswirkungen des Glücksspiels auch auf die Akteure an den Finanzmärkten zutreffen, wird der Schwerpunkt der nächsten Kapitel.  

 

Eigenschaften des Glückspiels im Hinblick auf die Spekulation

Aus dem Bauch heraus würde jede Person, die de Wertpapierspekulation kritischer oder nicht so wohlwollend gegenübersteht, diese mit Wetten vergleichen und dass ein nicht unbedeutender Teil der Finanzwissenschaft Kursbewegungen für zufällige Ereignisse hält, wurde schon im vorangegangen Teil ausführlich behandelt. Vergleicht man die Motive für die Teilnahme an Glückspielen, oder die beschriebenen Eigenschaften von Spielern, mit jenen Motiven und Eigenschaften, die wir in verschiedensten „Lehrbüchern“ zum Thema Spekulieren und Day Trading finden, so lassen sich einige Parallelen ziehen. So besitzt man nach Abell einen Vorteil, „wenn der Trader langfristige Motive hat, zum Beispiel die intellektuelle Herausforderung“ (1998, S. 32). Dies ist mit dem „achievment“ vergleichbar. Natürlich soll dies nicht bedeuten, dass jeder Spekulant ein Spieler oder potentiell „Süchtiger“ ist, denn dies trifft auch nicht auf alle zu, die am Glücksspiel teilnehmen. Der folgende Abschnitt soll nun die von Meyer und Bachmann identifizierte Eigenschaften des Glücksspiels mit der Spekulation vergleichen, um das Phänomen aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Die einzelnen Eigenschaften sind als mögliche Auswirkungen auf Personen zu verstehen und nicht als generelles Verhaltenskonzept eines jeden Börsenakteurs.


Psychotrope Wirkung der Spekulation

Dass Börsenakteure die beim Glücksspiel beschriebenen psychotropen Charakteristika aufweisen, lässt sich vor allem in Zeiten eines Hausse oder Baisse beobachten. In diesen Zeiten befindet sich der ganze Markt entweder in kompletter Euphorie oder in absoluter Depression, vergleichbar mit dem Gewinn- oder Verlustphasen eines Spielers. Obwohl die Zeiten des Booms oder Crashs von personenübergreifenden, verstärkenden Überreaktionen wie Herding, Überoptimismus usw. begleitet werden, treffen die Auswirkungen noch immer das involvierte Individuum und verändern die Rahmenbedingungen seinen Verhaltensspielraum bzw. seine Entscheidungen.

Sieper  beschreibt in seiner einführenden Erklärung des Spekulationsbegriffs den emotionalen Zustand eines Spekulanten bei einem erfolgreichen Geschäft wie folgt (1995, S. 19):

„Wer von Ihnen kennt das berauschende Glücksgefühl, das sich nach einer gelungenen Spekulation einstellt? Es ist umso größer, je höher der Gewinn ausgefallen ist und je kürzer die Zeitspanne war, innerhalb der Sie ihn realisiert haben. Wer es schon einmal erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Wer einmal davon genossen hat, wird nicht leicht wieder davon ablassen.“

Mit dem möglichen Gewinn stellt sich ein ausgeprägtes Euphoriegefühl ein. Es kommt zu Machtgefühlen und zu Visionen, in denen der Spekulant Verbesserungen des Lebensstandards und der sozialen Stellung vorwegnimmt. Auch werden unter Umständen noch nicht realisierte oder prognostizierte Gewinne bereits ausgegeben. Man rechnet sich reich und die möglichen Gewinne nehmen die zentrale Stelle im Alltag ein (vgl. Meyer & Bachmann, 2002, S. 62f; Schmid, 1994, S. 104).

Auszug aus Interview A:
„(…) Da habe ich damals mein gesamtes Kapital investiert. War angedacht Kursverdoppelung, Kursverdreifachung, vielleicht Vervierfachung von der ganzen Sache. Dann wars so, dass i da auch einen Faxdienst gehabt habe. Da hab ich immer wieder Nachrichten bekommen, das wird immer besser und die Kursziele sind angehoben worden. DAss war dann zwischenzeitlich so, dass aus einem Betrag von DM 60.000 also 30.000 Euro über 300.000 worden sind, in der Laufzeit schon drinnen, und die Höchststände immer weiter rausgeschoben worden sind, also immer höher immer höher (…) Darauf hin natürlich gleich der nächste Weg zum Autohändler. Auto mit Vollausstattung geordert. Überlegt äh, was machst du mit dem ganzen Geld. Na wen gibst du wie viel Geld. Also ich bin da schon richtig in die Planung reingangen, der kriegt 50.000 der bekommt 30.000. (…) Was halt passiert ist, du kannst nicht mehr denken. Du bist … Es dreht sich …. wenn man in der Arbeit auch ist, alles um die Sache und man nimmt sich an Taschenrechner und sagt und was ist wenns noch mal um 50 Cent steigt. Man rechnet richtig durch bei wie viel…. Bei welchem Kurs hab ich wie viel Gegenwert. (…) Man ist einfach 90 % vom Tag damit beschäftigt, im Internet zu suchen, ob man da irgendwelche Informationen abgreifen kann. Ähm und man ist in einem, man kann sage, wie in einen Art Rauschzustand. Kann man das vielleicht am Besten beschreiben. Man ist da irgendwie, das Leben lauft zwar und die Realität lauft, aber man denkt immer mehr an das Andere und ist da wie in einer eigenen Welt ja und rechnet da immer durch und hat eine gewisse Vorfreude a schon.“

Fallbeispiel eines Bankangestellten (Leiter der Vermögensbratung) (Meyer, 2000a, S. 41):
„Ob 50.000 oder 500.000 DM, es war kein Unterschied. Man war froh, dass man gewonnen hat (…). Man hat das Gefühl, man kann nur gewinnen. Die Zufriedenheit, die Ausgeglichenheit in einem, wenn Sie im Plus drinstehen. Wenn Sie mit 200 (Kontrakten, d. Verf.) spielen und Sie machen 20 Punkte (Veränderungspunkte des DAX in der vorhergesagten Richtung, d. Verf.), haben Sie 400.000 DM Gute. Dann sind Sie gut gelaunt. Dann kann Ihnen nichts mehr kommen, kann kommen wer will.“

Bei Verlusten kommt es ebenfalls zu den bei Spielern beobachtetet emotionalen Zuständen festgestellt. So berichtet der Interviewpartner über Panikgefühle als sein Titel abstürzte, wobei er seine Gewinne und auch seine gesamten investierten Ersparnisse verlor.

Auszug aus Interview A
„Man ist da zittrig. Also des ist ganz komisch. Also man ist nervös, zittrig, oder hat auch Adrenalinschübe, und des ist also ein ganz komischer Zustand, ist des. (…) Dann wenns schief geht, aber fällt man in ein Loch. Also wie geht’s jetzt weiter, des kann ich ja keinen erzählen, meine Eltern ja Himmelswillen. Wie mach i des. Und da bist wirklich fertig. Also da bist seelisch fertig. Du begreifst erst dann, was hast da eigentlich gemacht. Weißt ned wie kommst du aus dem Schlamassel wieder raus. Gesteht da es dir aber selber ned ein, dass du es jemand anderen sagst, weil des wär ja eine Katastrophe.“

Um das Panikgefühl zu überwinden, steht natürlich die Option des Ausstiegs zur Verfügung, aber auch das Abschließen eines neuen Deals. Der Verlust wird jedoch auch als Phase angesehen und mit dem nächsten Trade kann alles schon wieder anders aussehen. So schreibt ein Teilnehmer im Forum der Fachstelle für Glückspielsucht:

Auszug aus dem Forum der Fachstelle Glückspielsucht (www.spielsucht.net)
„Jetzt habe ich evtl. noch die einmalige Chance EUR 60.000,00 aufnehmen zu können und alles auch eine Karte zu setzen; geht es gut, erfährt niemand etwas und ich kann allen noch in die Augen blicken; geht es schief, ist alles im A........“

Fallbeispiel eines Bankangestellten (Leiter der Vermögensbratung) (Meyer, 2000, S. 41):
„Morgen ist ja noch ein Tag, 10.000 DM ist keine Summe, so ging das (…). Ich habe ja nie mit weiteren Verlusten gerechnet, immer gedacht, bald kommt der große Gewinn. Da kommst Du ohne Problem wieder ’raus (…). Dat Kribbeln, wenn man im Minus liegt, wie kommt man wieder ’raus, ist ’ne Phase, ich will nicht sage, dass die einem Spaß gemacht hat, aber die man irgendwie braucht.“

Ein Blick in die Gehirne von zwölf Zockern am Massachusetts General Hospital zeigte, dass die monetäre Gewinnerwartung des Menschen vor allem in einem Bereich des Gehirns stattfindet, wo auch Kokainsucht und Morphiumabhängigkeit entstehen. Ob Kauf oder Verkauf von Aktien, Derivaten oder Konzernen, was sich auf den Finanzseiten der Börsenzeitungen in Form von Kursen wiederfindet hat vermutlich einfache biomedizinische Ursachen. Offensichtlich führen Gewinnerwartungen ebenso wie Verlustängste zu massiven Veränderungen des cerebralen Blutflusses. Ganz am Anfang eines unheilvollen Prozesses steht die sogenannte "Overconfidence", d.h., diese Selbstüberschätzung lässt Anleger und Manager in dem Irrglauben leben, dass Kursgewinne Ausdruck ihrer eigenen Fähigkeiten seien. Dass Finanzmärkte hingegen über eine Eigendynamik verfügen ist zwar den meisten Akteuren klar, nur: Wirklich kümmern tut das aus psychologischer Sicht niemanden. Nahtlos reiht sich ein zweiter Fehler an, dass man mit Gewinnen risikoreicher umgehen kann - im Fachjargon lautet dieser Trugschluss, "House-Money". Statt Gewinne als Rücklage zu sichern, verzocken die Erfolgreichen mehr und mehr etwa in Derivatkonstrukte, die nicht einmal Banker mehr in allen Facetten verstehen. Solche Derivate sind ein Beispiel für die Auswüchse dieser Art Finanzpsychologie. Jetzt kommt ein dritter Auslöser hinzu: der Herdentrieb. Weil andere Manager oder Anleger große Gewinne erwirtschaften, müsse man selbst genauso agieren. Nun kommt der letzte, brutalste und vor allem dümmste Auslöser ins Spiel: Das Framing, d.h., schlechte News bleiben unberücksichtigt.

Quelle: http://www.lifegen.de/newsip/shownews.php4?getnews=m2008-10-29-1310&pc=s02


Hirnforscher und Spekulation

Wie einem Bericht der ARD zu entnehmen war, haben nun auch die Hirnforscher die Börse entdeckt: "Wissenschaftler (…) haben untersucht, was in den Gehirnen der Menschen vor sich geht, während sie mit Aktien handeln. Für die Studie errichteten die Wissenschaftler einen einfachen Markt: Die Teilnehmer der Studie erhielten als Startpaket 100 Einheiten fiktiver Währung und sechs risikobehaftete Aktien. Während der Handelsperioden konnten die Probanden jederzeit Tasten betätigen, um Aktien anzuschaffen oder loszuwerden. In ihrem Experiment stießen die Forscher auf zwei unterschiedliche Hirnaktivitäten: Schlaue Händler reagierten auf Alarmsignale ihres Gehirns, die sie unruhig werden ließen. Das veranlasste sie dazu, sofort zu verkaufen, obwohl die Preise weiter stiegen. Sie spielten das meiste Geld ein. Die Mehrheit jedoch ließ sich zu aggressiven Käufen verleiten, denn die Gier nach mehr brachte sie dazu, weiter zu verspekulieren.Im Laufe der Handelsperioden schwollen die Aktienkurse zeitweise auf das Drei- bis Fünffache an - so lange, bis die Blase platzte. Nach den ersten 50 Handelsperioden teilte man die Probanden in drei Kategorien ein, je nachdem, wie sie vorher abgeschlossen hatten. Diejenigen mit niedrigem Einkommen erwiesen sich als spontane Käufer, denn sie wollten mehr Aktien, als der Kurs stieg, und ließen auch nicht davon ab, als die Preise in den Keller fielen. Kaum Risiko ging die mittlere Gruppe ein. Sie hatte weder Gewinne noch Verluste zu verbuchen. Die erfolgreichsten Teilnehmer tätigten ihre Ankäufe früh und verkauften, während die Preise noch im Aufschwung waren. Die Händler mit hohem Einkommen waren die interessanteste Gruppe, denn sie treffen eine emotional schwierige Entscheidung: zu verkaufen, während der Kurs ansteigt. Bei der Analyse der Gehirnscans fiel auf, dass die Inselrinde bei den Einkommensstarken eine hohe Aktivität aufwies, und zwar kurz bevor sie sich zum Kauf entschlossen. Dieser Bereich des Gehirns ist auch aktiv, wenn Menschen unangenehme Gerüche wahrnehmen oder sich ungerecht behandelt fühlen. Weil die Teilnehmer keinen Anlass hatten, pessimistisch zu sein, während die Kurse in die Höhe gingen, werteten die Forscher die Hirnaktivität als eine Art Warnsignal. Bei der Teilnehmergruppe mit niedrigem Einkommen nahm die Aktivität im Insellappen sogar ab, und wurden gleichzeitig besonders vom menschlichen Belohnungssystem angespornt, das beim Menschen über die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin kurzfristig Zufriedenheit und Freude auslöst. Zwar wurde das Areal bei allen Teilnehmern besonders stimuliert, wenn die Ergebnisse der letzten Handelsperiode bekannt wurden. Doch die Gruppe mit den schlechtesten Ergebnissen machte einen fatalen Fehler: Sie ließ sich von der Euphorie auch dazu verleiten, vermehrt Aktien zu kaufen. Die Gruppe der Einkommensstarken dagegen ließ sich von den neuronalen Belohnungen nicht zu aggressivem Handeln verleiten." Neurophysiologisch betrachtet ist jeder Börsencrash ein Cortisol-Schock, bei dem der Verstand aussetzt und Panik entsteht. Doch auch bei Gewinnen setzt der Verstand aus, denn Kursgewinne sind eine Belohnung, also reagiert das Belohnungszentrum im Nucleus accumbens, und die Menschen wollen ihren Gewinn haben, und zwar möglichst sofort. Das ist übrigens einer der Gründe, warum so viele Privatanleger an der Börse kein Geld verdienen. Für den Menschen geht es an der Börse darum, die Balance zwischen Kognition und Emotion zu finden, d. h., in der Geldanlage Gefühle wahrzunehmen, um so zu einer besseren Impulskontrolle zu gelangen. Es gibt zahlreiche Trader, die in Simulationen hervorragend abschneiden, aber dann im Live-Handel völlig versagen, da sie mit Angst und Euphorie nicht umzugehen können. Es gibt daher Aktienh, die erfolgreich agieren, aber beim Überschreiten bestimmter Grenzen Positionen auflösen, ohne dies nachher auch rational erklären zu können.

In einer Kolumne in der WirtschaftsWoche vom 31. Oktober 2016 zeigt Henning Beck, dass bei der Börsenspekulation langjährige Erfahrung nicht immer gut sein muss, denn manchmal führt sie auch zu mehr Fehlentscheidungen. Um an der Börse erfolgreich zu sein, muss das Gehirn zweierlei schaffen, zum einen muss es von der Aussicht auf Gewinn motiviert werden, wofür das limbische System verantwortlich ist, zum anderen muss man rechtzeitig skeptisch werden, was von der Inselrinde gesteuert wird, indem sie ein Warnsignal an das bewusst denkende Stirnhirn sendet. Um also profitable Finanzentscheidungen zu treffen, sind Gefühle daher genauso wichtig wie rationales Denken, denn untersucht man, worauf es im Gehirn von erfolgreichen Finanzakteuren ankommt, stellt man fest, dass es tatsächlich so etwas wie eine Signatur des Börsenerfolgs im Gehirn gibt. Dafür wurden mittels Hyperscannings mehrere Personen gleichzeitig gemessen, was in ihrem Gehirn vor sich geht, wenn sie in einem interaktiven Börsenspiel miteinander handelten. Zwar kam es in allen Laborstudien zu Übertreibungen und anschließenden Kurseinbrüchen, doch die erfolgreichsten Anleger zeigten eine besondere Hirnaktivität: kurz bevor die Kurse einbrachen, war bei den Teilnehmern die Inselrinde aktiv, die negative Affekte und Vermeidungsverhalten verursacht, was ein negatives Gefühl der Verlusterwartung auslöste und sie rechtzeitig ausstiegen. Das ist bei jüngeren Versuchsteilnehmern offensichtlich besser, denn je älter diese waren, desto schwächer wurde dieser Warnruf im Gehirn weitergeleitet, weil sich die Nervenfasern im Laufe des Lebens umstrukturieren. Im Vergleich zu jüngeren Probanden treffen deswegen ältere Menschen über Sechzig schlechtere Finanzentscheidungen, wenn sie sich in einem riskanten Marktumfeld befinden und etwa in einem Börsenspiel mit Aktien handeln. In einem risikoärmeren Anleihemarkt sind sie unter Laborbedingungen hingegen genauso gut wie die jungen Probanden. Fazit: Je älter man wird, desto schwerer fällt es dem Gehirn, im richtigen Moment auszusteigen.

Quelle: http://boerse.ard.de/anlagestrategie/boersenpsychologie/ wie-unser-gehirn-mit-aktien-handelt100.html (14-07-18)


Spekulation vs. Strukturelle Merkmale des Glückspiels

Ergebnisfrequenz und investierte Zeit

Meyer und Bachmann nennen als Grund, dass vermehrt Automanten- und Roulettspieler Behandlungen aufsuchen aber kaum Lottospieler, die schnelle Abfolge dieser Spielarten, während es beim Lotto meist nur zwei Ziehungen pro Woche stattfinden (vgl. 2005, S. 67) Auch wenn in der Literatur Vergleiche zwischen der Lotterie und der Wertpapierspekulation gezogen werden (vgl. Statman, 2002, S. 14ff; Kumar, 2005, S. 1ff) und diese durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen, können an der Börse zu jedem Zeitpunkt Orders gegeben werden. Weiters lassen sich mittlerweile die Kurse auf jeder besseren Finanzinternetseite oder im Fernsehen in Echtzeit verfolgen. Diese Umstände machen sich vor allem Day Trader zu nutzen. Da es bei Day Tradern teilweise auf Minuten bzw. sogar auf Sekunden ankommt, geben sie Ihre Orders über so genannte Direct-Access-Programme auf.

Auch wenn Aktion und Ergebnis nicht direkt – wie beim Automatenspiel - aufeinander folgen, weil auch sehr kurzfristige Trends Stunden andauern können, verbringt der Spekulant die Zeit mit Informationssuche für dieses Geschäft, oder beschäftigt sich auch schon mit den nächsten Deal und befindet sich nach wie vor in der Scheinwelt Börse, in welcher er alle nicht für dieses Thema relevanten Ereignisse ausblendet. Aufgrund der bereits oben genannten Weiterentwicklung der Informationssysteme wurde das Erteilen von Orders sowie die Informationsbeschaffung unabhängig sowohl in der zeitlichen als auch in der räumlichen Dimension. Man ist heute um Geschäfte zu tätigen an keine Öffnungszeiten (irgendwo hat immer eine Börse offen) oder Plätzen gebunden. Der Spekulant kann diese von zuhause, neben seiner Arbeit, im Urlaub usw. Orders erteilen und Informationen abfragen, was zu einer 24 stündigen Ausübungsmöglichkeit führt.

In einer Untersuchung über Glückspiel bei Studenten an den Universitäten von Lethbridge (Kanada) wurden Studenten gefragt, wie viel Zeit und Geld sie in den letzten sechs Monaten für Glückspiel verwendet haben. Nur 7% der befragten Studenten gaben an, dass sie am Wertpapiermarkt „spielen“, jedoch rangiert die Börsenspekulation in dieser Untersuchung beim Aspekt Zeit mit einem Durchschnittswert von 8,7 Stunden an dritter Stelle (1. „games of skill against other people“ 17,3 Stunden, 2. „Casino Tisch Spiele 15, 3 Stunden) und beim Geldverbrauch mit -$ 4,87 hinter VLTs or Slot Maschinen an zweiter Stelle.  Dieser geringe Verlust lässt sich einerseits darauf zurückzuführen das der Median beim ausgegebenen Geld 0 beträgt,  und es eine kleine Gruppe von Personen gibt, die hohe Gewinne angegeben haben (vgl. Williams et al., 2006 S. 2f).

Der Sieger des Börsenspiels 2002 der Oberösterreichischen Nachrichten tätigte in knapp 3 Monaten mehr als 1500 Käufe und Verkäufe (vgl. OÖ Nachrichten, 2002, www.nachrichten.at). Dies würde durchschnittlich ca. 25 Transaktionen pro Börsetag bedeuten. Diese Anzahl lässt vermuten, dass der Teilnehmer sicher gleichzeitig in verschiedensten Titeln spekulierte. Bei Roulettspielern wurde beobachtet, dass ein gleichzeitiges Setzen auf verschiedenen Tischen zu einer Intensivierung der Erregung bzw. der Stimulation durch das Spiel führt (vgl. Meyer & Bachmann, 2002, S. 61).

Auszahlungsintervall

In der Regel führen Spekulationen nicht zu direkten Bargeldbewegungen. Vielmehr sieht man anhand des Depots den aktuellen Wert seiner Titel. Käufe und Verkäufe, somit auch die realisierten Gewinne oder Verluste, werden ähnlich wie bei Online-Wetten auf einem Verrechnungskonto verbucht. Dies führt zu einer höheren Versuchung gewonnene Beträge sofort neu zu investieren. Da eine Realisierung häufig auch mit Kosten verbunden ist und das Geld auf jenen Konten von seinem Besitzer den Stempel „Spielgeld“ auferlegt bekommen hat.

Fallbeispiel eines Bankangestellten (Leiter der Vermögensbratung) (Meyer, 2000, S. 41):
„(…) Gar nicht mal so das Geld, der Gewinn. Geldverdienen, Verlieren ist Nebensache (…). Ich selbst hab’ alles gehabt, hab’ gar nichts gebraucht (…). Sie waren heute 2 Mio. im Minus, morgen 4 Mio. im Plus – auf dem Papier. Geld ist Bewegung auf dem Konto (…).

Ausmaß der persönlichen Beteiligung und Kompetenzanteile

Schon alleine die Tatsache, dass die Käufe aufgrund von individuellen Bewertungen und Präferenzen getätigt werden, lässt einen hohen Involvierungsgrad eines Akteurs in seine Handlungen vermuten. Spekulanten sprechen bei ihren Entscheidungen oft von Strategie, Techniken und Systemen. Ihren Erfolg führen sie auch auf denen von ihnen entwickelten Entscheidungsstrategien zurück. Sie erstellen Tradingsysteme in der Absicht höhere Renditen als der Markt zu erzielen (vgl. Maas & Weiberl, 1997, S. 114).  Diese Systeme verarbeiten nicht alle verfügbaren Informationen, sondern beschränken sich auf einzelne Signale, von denen zukünftige Entwicklungen abgeleitet werden sollen (vgl. Lorünser & Maier, 2002, S. 331ff).

In der Behavioral Finance wird vor allem das Phänomen der Konditionierung spezieller die „Superstition“ beobachtet. Oft begründen Anleger, sei es nun Spekulant oder langfristiger Investor, ihre Transaktionen aufgrund von Scheinkorrelationen (vgl. Kiehling, 2001, S. 45f). Die extremsten Fälle, die von der Wall Street berichtet wird, sind, dass Akteure Käufe und Verkäufe aufgrund von Football-Ergebnissen tätigen (vgl. Reich, 1995, S. 368) oder Kurse mit der Rocklänge der aktuellen Frauenmode korrelieren (vgl. Schleis, 1993, S. 151). Ein Außenstehender würde diese Handlungsweisen als absolut absurd ansehen und sie mit einem Lächeln abtun, aber auf der Börse ist der Aberglaube durchaus verbreitet (vgl. Kiehling, 2001, S. 46). So wird auch versucht aus verschiedensten Chart-Formationen Prognosen für zukünftige Kursentwicklungen zu entwickeln (vgl. Perridon & Steiner, 2002, S. 255).

Laser versucht dieses Verhalten mit der Kontrolltheorie – genauer mit der sekundären Kontrolle - zu erklären. Der Mensch hat ein Kontrollbedürfnis gegenüber seiner Umwelt. Das Verstehen der Vorgänge rund um ihn herum und das Gefühl, etwas beeinflussen zu können, hat eine große Auswirkung auf sein Wohlbefinden (vgl. Laser, 1995, S. 14). Köttke unterscheidet fünf Kontrollvarianten (vgl. 2005, S. 47):

  1. Kontrolle durch Beeinflussung: Dies würde Bedeuten ein man wäre in der Lage die Kursverläufe direkt beeinflussen zu können. Dies ist auf den modernen Märkten im Hinblick auf einzelne Personen kaum mehr vorstellbar. Viel mehr spricht man in der heutigen Zeit von „Heuschrecken“, die durch ihre großes Kapitalpotential versuchen Kurse zu beeinflussen, auch wenn diese nicht mehr den Begriff des klassischen Spekulanten entsprechen und neben des profitieren von Kurssteigerungen auch andere Motive verfolgen.
  1. Kontrolle durch Vorhersagen: Diese Form erfolgt bei Ereignissen, welche vorhersagbar sind. Aufgrund des in der Folge prognostizierbaren Ergebnisses kann der Anleger seine Handlungen ohne das Gefühl der Unsicherheit tätigen.
  1. Kontrolle durch Kenntnis der Einflussgrößen: Der Anleger denkt, er weiß über die Einflussfaktoren, welche ein Ereignis bedingen, bescheid ohne das er auf die Faktoren einen Einfluss nehmen kann und ihre Bewegung nicht sicher vorhersagen kann.
  1. Nachträgliches Erklären von Ereignissen: Durch das Analysieren von vergangenen Ereignissen wird versucht Handlungsmuster für zukünftige, ähnliche Situationen zu gewinnen. Diese Handlungsmuster lassen eben aus induktiven Schlüssen für die Zukunft ein Gefühl der Kontrolle entstehen.
  1. Kontrolle durch Schönfärberei: Der Mensch möchte schlechte Erfahrungen so schnell wie möglich vergessen. Dazu werden diese bagatellisiert und die Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die wenigen positiven Aspekte gelenkt (Wenigstens habe ich daraus etwas gelernt).

Sind in der Folge die Entscheidungen von Erfolg begleitet, so baut sich eine Kontrollüberzeugung auf, obwohl der Spekulant zum Einem keine direkte Kontrolle auf den Markt ausüben kann, und zum Anderem seine Entscheidungsinstrumente auf eventuellen Scheinzusammenhängen beruhen (vgl. Laser, 1995, S. 14f).

Das Gefühl der Kontrolle kann auch durch eine verzehrte Informationsaufnahme verstärkt werden. Bei der „Adverse Selection“ werden nur Informationen wahrgenommen, welche die Erwartungen bestärken und gegenteilige Mitteilungen werden ausgeblendet (vgl. Kiehling, 2001, S. 53ff). Aber es werden nicht nur unerwünschte Informationen ausgeblendet, sie werden auch uminterpretiert und zwar so, dass sie mit dem bereits erwarteten Kursverlauf konform gehen (vgl. Köttke, 2005, S. 37).

Umso öfter sich Erfolg einstellt, desto überzeugter wird der Börsianer von seinem System und er wird bereit seinen Geldeinsatz zu erhöhen und auch riskantere Trades zu tätigen. So werden in Bull-Zeiten Gewinne immer der eigenen Kompetenz der Vorhersage und nicht der allgemeinen Marktentwicklung zu geschrieben (vgl. Laser, 1995, S. 15f).

Auszug aus Interview A:
„Also man rechnet gar nicht damit, dass da einen Rückgang gibt. Man rechnet überhaupt ned damit, kann i da irgendein Geld verlieren. Also in dem Moment ist dir das alles total egal, weil bis jetzt hast immer recht gehabt und du sagst es kann nur nach oben gehen.“

Fallbeispiel eines Bankangestellten (Leiter der Vermögensbratung) (Meyer, 2000, S. 40f):
„Die Chancen sind höher als bei Glücksspielen, man beschäftigt sich 15 Jahre damit, über Aktien wusste ich bescheid, hatte jahrelang damit zu tun (…).  Das Kribbeln beim Lotto hast du erst nach 4 Richtigen, hast du die letzten 2 oder nicht, bei der Börse bist du gleich voll dabei.

(…), wichtig war die Aktienbewegung vorauszusagen. Mit dabei sein, Trends richtig vorauszusagen, Anerkennung bei den andern, das war der Reiz. Mit 200 Kontrakten am ganz großen Rad zu drehen. Es war, wie wenn sie ein Abenteuer erleben (…). Es war Macht, von heute auf morgen verfügen sie über Millionen. Es lief zwar auf anderen Namen, aber es war meins. Mit 200 Kontrakten, sie können die Börse beeinflussen. Mit 200 Kontrakten gehören sie zu den Spitzenreitern (…), die Börse in Düsseldorf hat auf mich gehört.“

Gallup und PaineWebber untersuchten im Mai  2001 die Erwartungen der Investoren für die zukünftige Markentwicklung. Im Durchschnitt wurde für die nächsten 12 Monate eine Marktrendite von 10,3 Prozent prognostiziert. Die erwartete Wertsteigerung ihres eigenen Portfolios lag jedoch durchschnittlich bei 11,7 Prozent (vgl. Gallup & PaineWebber, 2001, zit. nach Statman, 2002, S. 15).

Dies würde bedeuten, dass der durchschnittliche Investor der Ansicht ist, dass er den Markt aufgrund seiner Strategien schlagen kann. Statman nennt dieses Phänomen: „We think, we are above average.” (2002, S. 15). Dabei glauben Investoren, dass sie wegen ihrer Fähigkeiten und ihre Informationsquellen den anderen Marktteilnehmer überlegen sind. Der „We think, we are above average“ Gedanke lässt sich auch auf andere Lebensbereiche übertragen. So denken die Menschen, dass bei ihnen die Wahrscheinlichkeit größer ist, überdurchschnittlich intelligente Kinder, überdurchschnittlich bezahlte Jobs usw. bekommnen (vgl. Statman, 2002, S. 15) und da Trader ihren Lebensunterhalt durch die Börse verdienen, brauchen sie auch dieses Selbstvertrauen, um eben Entscheidungen auch gegen die Markttendenz treffen zu können, damit sie eine überdurchschnittliche Performance erzielen.

Alan Farley, eine privater Trader und Betreiber einer Webseite, die sich Traderausbildung, technischen Analysen und Kurzfrist-Strategien beschäftigt, antwortet auf die Frage: „Was macht Sie zu einem erfolgreichen Trader?“, wie folgt (zit. nach Lorünser & Maier, 2002, S. 341f):

„Jahrelange Erfahrung und Wissen (…) Ich gehe gerne meinen eigenen Weg und finde eigentlich immer gute Gelegenheiten. Ich bin ganz sicher ein Trader, der sich an Muster orientiert. Ich schreibe auch viel über Muster. Daher glaube ich, dass ich in diesem Bereich einen Vorteil gegenüber anderen habe. Ich sehe, wie sich ein Muster entwickelt und auch die Reaktion der Masse anhand der Price Bars.“

Lorünser und Maier interviewten ihn ihrem Buch auch weitere „Toptrader“ und alle sind sich einig, dass sich zu viele Trader an den Markt wagen, um schnell Geld zu machen und um sich selbst zu profilieren, denn glauben, sie sind einfach fähig dazu (vgl. 2002, S. 331ff).

Börsenmakler sind laut einer Studie der Universität Gießen kaum in der Lage, logisch zu denken, denn wie Kognitionspsychologen um Markus Knauff bei einer Studie mit 20 erfahrenen Börsenmaklern herausfanden, lassen sich die Börsianer vielmehr durch ihre frühere Erfahrung leiten. Es fällt ihnen demnach schwer, sich von nur vermeintlich richtigen Denkmustern zu lösen. Besonders machten sich die Defizite beim logischen Denken bemerkbar, wenn die Börsenmakler aufgefordert wurden, Entscheidungen allein "logisch" zu treffen, auch wenn diese Entscheidung nicht mit ihrer Erfahrung übereinstimmte. In diesen Fällen zogen die Versuchsteilnehmer sehr viele falsche Schlüsse, und es dauerte viel länger, bis sie eine Entscheidung getroffen hatten. Sie waren dann sogar schlechter als eine Vergleichsgruppe von Versuchspersonen, die über keinerlei Erfahrung an der Börse verfügten. Bei der Analyse des Börsengeschehens werden die psychologischen Faktoren kaum berücksichtigt, die das Handeln der Akteure beeinflussen, wobei die häufig genannte "Geldgier" allein als Erklärung für das Versagen von Managern und Wirtschaftslenkern nicht ausreicht, denn es sind auch die individuellen geistigen Fähigkeiten der am Börsengeschehen Beteiligten, die es schwer machen, alle Konsequenzen von Finanzentscheidungen und deren Wechselwirkungen vorherzusehen.

Bei Konflikten zwischen Logik und Erfahrung werden die Regeln der Logik aber auch von Laien oft ausgeblendet, wobei man dann von Bauchentscheidungen spricht - zumindest dann, wenn das Ergebnis nicht allzu negativ war. Der Mensch hat bekanntlich die Fähigkeit entwickelt, Handlungsabläufe routiniert über das Unbewusste ablaufen zu lassen, d. h., er entwickelt mit der Zeit eine unbewusste Kompetenz. Auch das Autofahren ist erst einfach, wenn die Abläufe automatisch passieren. Auch beim Traden ist es so. denn wenn man bei jedem Trade lange darüber nachdenken muss, was man zu tun hat, ist das Gehirn überlastet bzw. wenn die Abläufe beim Traden nicht automatisch passieren, kommt man in eine Stresssituation, wobei ebenfalls das Gehirn zwar auch auf Automatismen umschaltet, allerdings übernimmt dann das Unbewusste die Führung. Besonders nachteilig ist es, wenn man in einer solchen Situation jene Trades automatisch wiederholt, die zwar nicht zum System gehören, aber einmal zufällig einen hohen Gewinn beschert hatten. Diese positiven Fehltrades speichert das Gehirn dauerhaft ab, weil sie mit einer starken Emotion verbunden sind, und diese Fehlgrades werden unbewusst immer wiederholt, denn dieses Fehlverhalten ist im Unbewussten automatisiert.

Quelle: http://www.idw-online.de/pages/de/news283563 (08-10-16)


Der Beruf des Bankers verführt zum Schwindeln

Ein wichtiges Modell der Sozialpsychologie besagt, dass alle Menschen im Lauf ihres Lebens zahlreiche verschiedene soziale Identitäten durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen entwickeln, wobei diese Identitäten auch mit unterschiedlichen sozialen Normen zusammenhängen, die immer dann zum Vorschein kommen, wenn eine Gruppenmitgliedschaft in einer gegebenen Situation besonders bedeutsam ist. Unter dieser Prämisse haben Cohn et al. (2014) untersucht, wie die Wertegeflechte und die ungeschriebenen Regeln innerhalb der Banken-Branche die Moral der Mitarbeiter prägt. Dazu ließ man 128 Angestellte einer großen internationalen Bank eine kurze Onlinebefragung absolvieren, wobei ein Teil der Probanden dabei nur ganz allgemeine Fragen zu ihren Lebensumständen beantworten musste, während man den anderen Probanden mit ganz gezielten Fragen ihren beruflichen Hintergrund in Erinnerung rief. Anschließend sollten alle Versuchspersonen zehnmal eine Münze werfen und das Ergebnis nennen, wobei sie in jedem Durchgang eine Belohnung von 20 US-Dollar gewinnen konnten, je nachdem ob sie "Kopf" oder "Zahl" nannten. Bei welchem Resultat das Geld winkte, war vorher stets bekannt, denn es ging auf diese Weise darum, die Ehrlichkeit der Probanden zu testen. Unter normalen Bedingungen zeigte sich, dass die Bankangestellten meist die Wahrheit sagten, denn im Durchschnitt nannten sie bei rund 51 Prozent aller Münzwürfe das Gewinn bringende Ergebnis. Waren die Teilnehmer aber zuvor an ihren beruflichen Hintergrund erinnert worden, kassierten sie stattdessen in 58 Prozent aller Fälle Geld. Aus statistischen Gesetzmäßigkeiten lässt sich eindeutig ableiten, dass die Probanden der zweiten Gruppe häufiger das tatsächliche Ergebnis zu ihren Gunsten abänderten. Zur Kontrolle führte man den gleichen Versuch mit Angestellten aus anderen Sektoren durch, bei denen sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen zeigte, wenn den Probanden zuvor ihr Beruf ins Gedächtnis gerufen wurde. Man kann daher annehmen, dass es vor allem die Bankenkultur ist, die die Ehrlichkeit der Bankangestellten grundsätzlich senkt.

Literatur
Cohn, A. Fehr, E. & Maréchal, M. A. (2014). Business culture and dishonesty in the banking industry. Nature, doi: 10.1038/nature13977.

An der Universität St. Gallen haben Noll und Scherrer in einem Gefangenendilemma-Computerspiel das Verhalten von 27 professionellen Tradern untersucht, die bei Schweizer Banken, Rohstoffhändlern und Hedge-Funds arbeiteten. Sie verglichen ihre Daten mit einer Studie an 24 Psychopathen in deutschen Hochsicherheits-Kliniken und einer Kontrollgruppe von 24 normalen Personen. Im Computerspiel verhielten sie sich die Trader deutlich unkooperativer als die Psychopathen und deren Kontrollgruppe. Von 40 Spielzügen der Händler waren durchschnittlich mehr als 12 unkooperativ, während die empathie- und verantwortungslosen Psychopathen sich nur für 4,4 unkooperative Züge entschieden. Insgesamt erzielten die Trader auch nicht mehr Gewinn als die Vergleichsgruppen, sondern statt sachlich und nüchtern auf den höchsten Profit hinzuarbeiten, ging es den Tradern vor allem darum, mehr zu bekommen als ihr Gegenspieler, wobei sie viel Energie aufbrachten, diese zu schädigen.
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/
destruktive_dynamik_im_handelsraum_1.12641170.html (12-03-02)

Variabilität der Einsätze und Gewinnchancen

Bei Wertpapieren kann nicht nur unter den einzelnen „Arten“ der Einsatz und das Risiko unterschieden werden, sondern auch innerhalb der Spekulationsinstrumente kann zwischen riskanteren und weniger riskanten Wertpapiere unterschieden werden. So genannte Blue-Chips (z.B.: Allianz) weisen eine weit geringere Volatilität auf als z.B. die Aktien von jungen innovation- und technologieorientierter Unternehmen. Auch bei den in der Bevölkerung als eher sicher geltenden Anleihen gibt es sogenannte Junk-Bonds. Sie versprechen zwar hohe Renditen, aber auch ein hohes Risiko, dass man das eingesetzte Kapital nie wieder sieht. Im Bereich der Termingeschäfte lässt sich das Risiko fast beliebig Hebel-Effekten und den Einsatz von Fremdkapital gestalten.

Assoziation mit anderen Interessen

Die Assoziation mit anderen Interessen ist gerade in der Börsenspekulation stark gegeben. Denn alleine in die Bewertung von Aktien können unterschiedlichste Faktoren miteinfließen. Der Statistiker probiert über die Auswertung von ver-gangenen Datensätzen eine Erfolgsstrategie zu entwickeln. Der Volkswirt analysiert makroökonomische Grundsätze, der Betriebswirt Bilanzen und ein Informatiker versucht es über ein Trading-Programm (siehe Superfund). Aber generell kann gesagt werden, dass sich viele Menschen für Wirtschaft interessieren und probieren ihr spezielles Wissen einzubringen. 

Art des Einsatzes

Meyer und Bachmann konstatieren virtuelle Einsätze, wie bei Online-Glückspielen, eine Verschleierung des Realen, da es sich schließlich dabei nur um Spielgeld handelt. Es tut innerlich weit nicht so weh, wenn der Verluste nur von einem Konto abgebucht werden, als wenn man seine Spielschulden bar begleichen muss (vgl. 2000, S. 67). Bei der Spekulation verläut heutzutage die Abrechnung nur mehr über Depots und Verrechnungskonten und somit zur Gänze als virtuell. Der Umstand, dass die komplette Realisierung von Positionen mit Schließungsgebühren verbunden ist, kann als Hemmnis für eine Aufgabe der Spekulationen angesehen werden.

Durch die bei jedem Trade verrechneten Spesen wird der Käufer weiters angeregt große Kontraktpositionen einzugehen, da somit die Durchschnittskosten eines Titels sinken und mehr Profit aus den gewünschten Kursbewegungen gezogen werden kann. Hier unterscheidet sich die Börsenspekulation von Spielautomaten und Casino-Spielen, denn hier wird versucht den Teilnehmer durch das Verlieren kleinerer Beträge über längere Zeit an das Spiel zu binden.

Verfügbarkeit

Verschiedene Studien  zeigen, dass die  Leichtigkeit des Zugangs bzw. die Verfügbarkeit von Glückspiel und die Nachfrage nach Glückspiel miteinander korrelieren. Die damit verbundene Vermarktung senkt die Hemmschwellen an der Teilnahme an diesen (vgl. Petry & Armentano, 1999; Productivity Commission, 1999; Volberg, 1994; zit. nach Meyer & Hayer, 2005, S. 35). Durch die weitgehende Verbreitung des Internets wurde es auch dem durchschnittlichen Privatanleger möglich einfach und schnell an den Finanzmärkten zu operieren. Auch das Verfolgen der Kurse zu jeder Tageszeit ist nun ein Leichtes. Finanz-Internetseiten wie z.B.: www.f-life.de bieten Informationen und Kurse für jeden Markt in Echtzeit. So stieg in Deutschland die Zahl der Aktionäre von 3,92 Mio. in 1997 auf 5,016 Mio. in 1999  (Meyer, 2000, S. 29) und verfolgt man aufmerksam die Börsenachtrichten auf den Nachrichtensendern, kann man sich auch nicht den Werbesendungen entziehen, in denen Online-Broker für ihre Leistungen werben (z.B.: Jeder Trade nur € 5,9).

Bis zum Durchsetzen des Internets dürften in Österreich die meisten Trades über die Hausbank oder Broker abgewickelt worden sein. Diese dürften aber schließlich schon von Online-Brokern abgelöst worden sein. Zum aktuellen Stand finden Sie auch eine Erhebung im Kapitel 12. Profis hingegen verlassen sich nicht auf dritte Personen, weil es dabei um ungewollte Verzögerungen kommen kann, die einen Geschäftsabschluss zu gewählten Bedingungen verhindern können. Für Daytrader wird es sogar als überlebenswichtig angesehen über ein Direkt-Access-System zu verfügen. (vgl. Lorünser & Maier, 2002, S. 337f).

„Auf gar keinen Fall sollte ein Daytrader am Nasdaq mehr als sechs Sekunden auf eine Bestätigung der Durchführung oder Stornierung einer Order warten müssen. Und genauso wenig kann es angehen, dass ein Daytrader andauernd das Browserfenster akualisieren muss, damit er diese Bestätigungen bekommt. Das würde längerfristig einfach zu viel Geld kosten“ (Tony O, o.J., zit. nach Lorünser & Maier, 2002, S. 337f).


Was der liebe Gott vom Gelde hält,
kann man an den Leuten sehen, denen er es gibt.

Wer spielt an der Börse?

Ob die Börse nun ein Spielkasino ist oder nicht, hängt fast ausschließlich von der Verhaltensweise eines Spekulanten ab. Überschätzt er seine Fähigkeiten oder verwendet er Strategien, die ihn überfordern, wird er sicher verlieren“ (Widdel, 1996, S. X).

Ausgehend von diesen Annahmen entwickelt Widdel nun ein Modell in dem neben dem Erfolgsfaktoren Begabung und Erfahrung auch die Faktor finanzielles Potential eine Rolle spielen  (vgl. 1996, S.X). In der Tabelle 2 finden sie die langfristige Bruttogewinnverteilung bei der Annahme eines neutralen Basistrends des Marktes, also Hausse und Baisse gleichen sich über die Zeit immer wieder aus.

 

Erfolgs- oder Begabungs-klassen

Gewinne (brutto) in % pro Jahr

Eingesetztes Kapital in %

Gewinnanteil in % vom Gesamtmarkt

innerhalb

insgesamt

Privatanleger (Pr)

Groß-anleger(Gr)

Bei 20% Pr. + 80% Gr.

1
„sehr begabt“

+20

5

20

17

+50,0

2
„begabt“

+10

10

40

34

+50,0

3
„routiniert“

-10

25

20

21

-31,7

4
„fortgeschritten“

-15

20

20

20

-45,3

5
„erste Erfahrungen“

-18

20

-

4

-10,9

6
„Anfänger“

-20

20

-

4

-12,1

Summe

 

100

100

100

+100/-100

Ergänzt man dieses Modell nun um einen positiven Basistrend, also um ein langfristiges Wachstum der Märkte, wie es in der Realität zu beobachten ist und um die Spekulationskosten kommt man zu der Nettogewinnverteilung, wie in Tabelle 3 dargestellt. Somit stehen bei der Börse zwei Gewinnergruppen vier Verlierergruppen gegenüber, für welche eben die Börse ein Spielkasino darstellt, in dem sie langfristig Verluste erwirtschaften.

 

Erfolgs- oder Begabungs-klassen

Privatanleger in %

Großanleger in %

bei Basistrend in %

bei Basistrend in %

+11,8

+5,8

+0,5

+11,8

+5,8

+0,5

1

+23,4

+17,9

+13,1

+29,4

+23,9

+19,1

2

+13,4

+7,9

+3,1

+19,4

+13,9

+9,1

3

-6,6

-12,1

-16,9

-0,6

-6,1

-10,9

4

-11,6

-17,1

-21,9

-5,6

-11,1

-15,9

5

-14,6

-20,1

-24,9

-

-

-

6

-16,6

-22,1

-26,9

-

-

-

Nettorenditen der Erfolgsklassen (Widdel, 1996, S. X)

Kumar versucht für die „Verlierergruppe“ demographische Merkmale zu identifizieren. Er nimmt an, dass auch Personen, die vermehrt an Lotterien teilnehmen, die selben Merkmale aufweisen, wie jene die lotterieähnliche Aktien kaufen. Privatanleger bevorzugen generell Wertpapiere mit hoher Volatilität, hoher statistischen Schiefe, niedrigen Kaufpreisen und niedrigen durchschnittlichen Ertrag (vgl. 2005, S. 5). Dieses Verhalten spricht eben auch für eine geringere Begabung bei der Prognose und Analyse von Wertpapieren bzw. für einen Einsatz von schlechteren Prognoseinstrumenten (vgl. Widdel, 1996, S.X). So nehmen diese Arten von Wertpapieren durchschnittlichen einen Anteil von 8,33% in den Portfolien dieser Anleger ein. Bei einer zufälligen Auswahl dürfte der Anteil jedoch nur bei 0,74% betragen (vgl. Kumar, 2005, S. 5f).

In dieser Gruppe findet man Evidenz, dass ebenso wie bei Lotterieteilnehmer, vor allem ärmere, jüngere, schlecht ausgebildete, katholische Männer, die in urbanen Regionen wohnen, Minderheiten angehören, in „lottery-type stocks“ investieren. Diese Gruppe hofft vor allem ihre derzeit unbefriedigende monetäre Situation durch etwas Glück am Wertpapiermarkt ändern zu können(vgl. Kumar, 2005, S11ff). Es ist auch diese Gruppe, deren Portfolios die niedrigsten oder negative Renditen aufweisen  und bedenkt man, dass ein typisches Portfolio 79% des Jahreseinkommens und 32% des Nettovermögens eines privaten Investoren ausmacht (vgl.Goetzmann & Kumar, 2004, zit. nach Kumar, 2005, S. 5), handelt es sich hierbei nicht nur um das reine Spielgeld der Investoren (wie oft angenommen), sonder schon um einen gewichtigen Teil des Vermögens. Dessen Verlust um so mehr schmerzt.

Siehe dazu auch Glücksspielsucht und Wettsucht.

 

Behavioral Finance, die Börsenwissenschaft

Kernstück der Börsenwissenschaft ist nach Expertenansicht die Einschätzung, wie man Gewinne und Verluste wahrnimmt, denn Verluste wiegen nach Ansicht von Verhaltensforschern viel schwerer als Gewinne, und zwar etwa zweieinhalbmal so hoch. Deshalb nehmen Anleger Gewinne schnell mal mit und halten Verluste selten aus, ohne sich selbst zu betrügen. Dabei sind nach Hagstrom (2011) die größten Fehler der Anleger:

Risikotoleranz, denn die Neigung, Risiken einzugehen, ist mit zwei demografischen Faktoren verbunden: Geschlecht und Alter. Frauen sind normalerweise vorsichtiger als Männer und ältere Menschen sind weniger bereit, Risiken einzugehen, als jüngere Leute. Die Konsequenzen der Verhaltensökonomik für Anleger sind klar: Wie man sich bei der Geldanlage entscheidet und wie man bei der Verwaltung seiner Anlage entscheidet, hängt sehr davon ab, wie man über Geld denkt. Marktwerte werden nicht ausschließlich von den gesammelten Informationen bestimmt, sondern auch davon, wie Menschen diese Informationen verarbeiten.Während weniger risikofreudige Anleger gerne in Sachwerte wie Anlagediamanten oder Goldbarren investieren, die über einen langen Zeitraum gehalten werden, greift das andere Extrem der Anleger eher auf stark fluktuierende Werte zurück, die schnelle Gewinne versprechen, aber auch leicht zu hohen Verlusten führen können.

Übertriebene Zuversicht, denn obwohl Zuversicht nicht schlecht ist, ist aber übertriebene Zuversicht etwas ganz anderes, denn sie kann besonders im Umgang mit Finanzangelegenheiten Schaden anrichten. Übertrieben zuversichtliche Anleger treffen nicht nur für sich selbst schlechte Entscheidungen, sondern diese wirken sich auch sehr stark auf den Mark als Ganzes aus.

Kurzfristiges Denken, denn Menschen legen zu viel Wert auf wenige mehr oder wenige zufällige Ereignisse und meinen, sie können darin einen Trend erkennen. Insbesondere sind Anleger tendenziell auf die neuesten Informationen fixiert, die sie bekommen haben, und ziehen daraus Schlüsse. So wird der letzte Ergebnisbericht in ihrem Denken zum Signal für künftige Gewinne. Und da sie meinen, sie würden etwas sehen, das andere nicht sehen, treffen sie dann aufgrund oberflächlicher Überlegungen schnelle Entscheidungen.

Verlustaversion bedeutet, dass der Schmerz durch einen Verlust viel größer ist als die Freude über einen Gewinn. Bei einer 50:50-Wette, bei der die Chancen exakt gleich sind, riskieren die meisten Menschen nur dann etwas, wenn der potenzielle Gewinn doppelt so groß ist wie der potenzielle Verlust. Das nennt man asymmetrische Verlustaversion. Auf den Aktienmarkt bezogen bedeutet dies, dass sich die Menschen beim Verlust von Geld doppelt so schlecht fühlen, wie sie sich gut fühlen, wenn sie einen Gewinn erzielen. Diese Abneigung gegen Verluste macht Anleger übertrieben vorsichtig, und das hat einen hohen Preis. Menschen wollen immer glauben, sie hätten gute Entscheidungen getroffen, und deshalb hängen sie viel zu lange an schlechten Entscheidungen, in der vagen Hoffnung, die Dinge werden sich doch noch wenden.

Verdrängen, denn Menschen neigen dazu, Geld geistig auf verschiedene Konten zu buchen, und das bestimmt dann, wie sie es verwenden. Diese geistige Buchhaltung führt dazu, dass Menschen schlecht laufende Aktien nicht verkaufen, denn in ihren Augen wird der Verlust erst real, wenn sie ihn realisieren.

Echte Anleger sind hingegen gelassen, denn sie wissen, dass Aktienkurse von allen möglichen unvernünftigen Kräften beeinflusst werden, dass sie ebenso fallen wie steigen können und dass das auch für Aktien gilt, die sie selbst besitzen. Wenn das passiert, reagieren sie darauf mit Gleichmut. Sie wissen, dass der Preis wieder zurückkommt, solange das Unternehmen die Eigenschaften behält, die sie als Anleger zunächst angezogen hatten. Echte Anleger sind aber auch geduldig, denn anstatt sich von der Begeisterung der Menge mitreißen zu lassen, warten echte Anleger die richtige Gelegenheit ab. Sie sagen öfter Nein als Ja. Und vor allem handeln Anleger rational, d. h., sie gehen auf der Basis klaren Denkens an den Markt und die Welt heran. Sie sind weder übermäßig pessimistisch noch irrational optimistisch, sondern sie sind vielmehr logisch und rational.

In den letzten Jahren hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass soziale Netzwerke viele Informationen über die Stimmung an der Börse liefern können, wobei etwa nach viralen Gerüchten gesucht wird, die den Kurs einer Aktie erheblich beeinflussen können. Dafür werden etwa Kommunikation über Finanzmärkte in Wirtschaftsnachrichtenbeiträgne, Diskussionen aus Finanzforen und Twitter ausgewertet, denn auf Twitter wird seit einigen Jahren sehr intensiv über Aktien und andere Finanzthemen geschrieben und diskutiert. Für das Einsammeln der Daten werden Crawler benutzt, also Computerprogramme, die Webseiten nach Schlüsselworten durchsuchen. Ein Crawler durchsucht tausende Internetseiten pro Tag und verarbeitet täglich mehrere Millionen Datensätze, wobei mit subtilen Methoden der Künstlichen Intelligenz Spam-Nachrichten und irrelevante Daten ausgefiltert werden. Auch beim Filtern wird mit Schlüsselworten gearbeitet, wobei sich Spam-Nachrichten häufig daran erkennen lassen, dass sie bestimmte Worte enthalten, die normale Nachrichten nicht enthalten. Auffälligen Werten wird in der Regel manuell nachgegangen, denn steigt etwa die Zahl der Nachrichten zu einem Wertpapier ohne erkennbaren Grund deutlich an, wird analysiert, was genau zu dem Anstieg geführt hat und es wird nach Auffälligkeiten gesucht. Bei Twitter können das zum Beispiel Accounts sein, die erst vor kurzem angelegt wurden, aber schon hunderte Tweets gesendet haben, also möglicherweise genau zu diesem Zweck eingerichtet worden sind. Man hat bereits viele Netzwerke von falschen Nutzern entdeckt, die massenhaft Tweets verbreiteten und das Gesprächsaufkommen zu einer Aktie künstlich in die Höhe trieben. Solche Nutzer müssen vom System gesperrt ihre Nachrichten automatisch aussortiert werden und dürfen nicht mehr in der Analyse berücksichtigt werden.

Quelle: Hagstrom, R. G. (2011). Warren Buffett. Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie. Börsenbuchverlag.


Dieser Text ist teilweise folgender Arbeit entnommen: Breuer, R. (2008). Suchtpotenzial von Börsenspekulation. Linz: Institut für Pädagogik und Psychologie, Johannes Kepler Universität.

Literatur zu Spekulation und Glücksspiel



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