Hörigkeit, Abhängigkeit, Beziehungssucht
Begriffsbestimmung
Der Begriff Hörigkeit stammt ursprünglich aus der Rechtssprache und bezeichnet ein Verhältnis besonderer Abhängigkeit. Bereits in der ersten Entwicklungsphase der Leibeigenschaft (9. Jahrhundert bis Ende des 12. Jahrhunderts) flossen Leib- und Grundherrschaft zusammen, wobei die Hörigen, die an den Boden gebunden waren (Grundholden) von den Leibeigenen, die sich als Freie in den Schutz des Grundherren begeben hatten, unterschieden werden müssen. Die an die Scholle gebundenen Hörigen (Halbfreien) galten als Zubehör des Bauernguts. Zur Abhängigkeit gehörten auch persönliche Dienst- und Kriegsleistungen der gesamten Familie des Hörigen (Hand- und Spanndienste). Die Hörigkeit wurde endgültig im 19. Jahrhundert mit der Bauernbefreiung beseitigt. Sie wurde in Rußland z. B. erst 1861 aufgehoben.
Auch die erste Phase einer Verliebtheit ähnelt häufig einer Sucht
Wissenschaftler, die verliebten Probanden Bilder jener Personen, in die sie verliebt waren, gezeigt hatten, konnten nachweisen, dass die Prozesse, die dabei in verschiedenen Regionen des Gehirns zu beobachtet sind, sehr stark denen von Süchtigen ähneln. Der sprichwörtliche Rausch der Verliebtheit ist also durchaus mit dem eines Drogenabhängigen zu vergleichen, den während der Verliebtheit lässt sich im Belohnungssystem des Gehirns verliebter Menschen eine besonders starke Aktivität beobachten, woran vor allem Dopamin, also jener chemische Botenstoff, der für positive Gefühle sorgt, verantwortlich ist. Die Prozesse im Belohnungssystem führen bei Verliebten dann auch zu ähnlichen Symptomen wie bei manchen Süchtigen: Euphorie, Herzklopfen, Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit, emotionale Abhängigkeit, stark fokussierte Aufmerksamkeit, obsessives Denken an die betreffende Person, Gefühle gesteigerter Energie. Parallel zu der erhöhten Aktivität im Belohnungssystem beobachteten die Wissenschaftler bei Verliebter aber auch eine niedrigere Aktivität im präfrontalen Kortex, der dann an kognitiven Aktivitäten beteiligt ist, wenn es darum geht, zu planen, abzuwägen und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. Während einer akuten Verliebtheitsphase ist es daher ofensichtlich sehr schwer, realistische Urteile zu fällen ("Liebe macht blind"). Übrigens ähnelt der Liebeskummer häufig auch den Entzugserscheinungen eines Süchtigen (Alps, 2013). Forscher haben untersucht, wie sehr Liebeskummer und Trennungsschmerz das körperliche Befinden beeinflussen, denn intensive Gefühle wie Sehnsucht und Liebe können die Regelkreise des Körpers irritieren. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Menschen mit Liebeskummer ähnliche Hirnareale aktiviert sind wie bei Drogenabhängigen. Auch wenn in solchen Situationen Gespräche Erleichterung bringen, so ist den Trennungsschmerz etwa im Freundeskreis pausenlos zu thematisieren wenig zielführend, aber auch sich nur abzulenken und die Traurigkeit zu verdrängen, ist auch keine Lösung. Hier die richtige Balance zu finden ist für manche Menschen schwer, wobei letztlich die vergangene Zeit alleine helfen kann, durch die die Betroffenen Abstand gewinnen.
Definition von Hörigkeit
Unter Hörigkeit versteht man ganz allgemein die gefühlsmäßige Bindung an andere Menschen in einem Ausmaß, in dem die persönliche Freiheit und menschliche Würde aufgegeben werden. Der Wille der herrschenden Person(en) kann insofern über die sich unterwerfende Person verfügen, als die Grenzen von Recht und Moral mißachtet werden. Man kann bei Hörigkeit nicht generell von Tätern und Opfern sprechen, denn es gibt Menschen, die sich an ihren Partner oder eine Gruppe klammern und sich völlig auf diese fixieren. Sie haben in der Regel kaum soziale Kontakte und ihr Selbstbewußtsein speist sich ausschließlich aus der Fixierung auf den meist idealisierten Partner, was diesen auch sehr belasten kann. Diese Form der Hörigkeit ist in der Regel aber nicht sexuell ausgeprägt, sondern allgemein auf das Zusammenleben mit dem Partner oder Gruppe bezogen.
Typisch für ein Hörigkeitsverhältnis ist, daß es nicht auf Gegenseitigkeit beruht, vielmehr ordnet sich die hörige Person dem Partner fast sklavisch unter, was dieser nicht selten ausnutzt. Meist werden diese Beziehungen nicht mit der Absicht zur Ausnutzung eingegangen, sondern entwickeln sich meist schleichend auf Grund der Persönlichkeitskonstellation der jeweiligen Partner. Der Hörige idealisiert die verehrte Person und die Beziehung in einer Weise, die Außenstehenden häufig unverständlich bleibt, zumal diese die Einseitigkeit erleben. Ein weiteres charakteristischer Merkmal von Hörigkeitsbeziehungen ist auch die Teilnahmslosigkeit der verehrten Person, was zwangsläufig zu Abweisungen und Demütigungen führt, die der hörig Liebende als unabwendbar und scheinbar unbelehrbar in Kauf nimmt. Zur Situation des hörigen Menschen gehört auch, daß er sich nicht mehr aus eigener Kraft lösen kann und hilflos in der psychische Abhängigkeit von einem anderen Menschen oder auch einer Gruppe bleibt.
Hörigkeit kann sich auch in der Aufgabe der sexuellen Selbstbestimmung äußern und wird in dieser Form leicht mit Masochismus (s.u.) verwechselt. Sexuelle Hörigkeit, ein Begriff, den Richard Freiherr von Krafft-Ebing im Jahre 1892 zur Bezeichnung der Tatsache gewählt hat, daß eine Person einen ungewöhnlich hohen Grad von Abhängigkeit und Unselbständigkeit gegenüber einer anderen Person haben kann, mit der sie im Sexualverkehr steht. Der oder die sexuell Hörige ordnet sich dem Partner dabei bedingungslos unter. "Klassische" Beispiele für sexuelle Hörigkeit finden sich bei älteren Männern, die eine wesentlich jüngere Frau lieben, der sie häufig in sozialem Status und finanziellen Möglichkeiten überlegen sind. Dennoch unterwerfen sie sich in ihrer Leidenschaft der Partnerin total und nicht selten lassen sie sich dabei ausnutzen.
Auch hinsichtlich der geschlechtlichen Beziehungen ist, wenn die Verbindungen einige Dauer haben sollen, ein gewisses Mass von Abhängigkeit eines Theiles vorn anderen, oder beider voneinander durchaus nothwendig. Gesetz und Sitte haben auch für diese Beziehung typische Formen geschaffen, welche zwar mit der Zeit wechseln, aber jeweils massgebend sind für die Frage, ob in einem concreten Verhältniss individuelle psychische Eigenschaften eine Abweichung vom normalen Grade der Abhängigkeit bewirkt haben. (...) Willensschwache Menschen, die auch in anderen Verhältnissen leicht in nicht mehr legitime Abhängigkeit gerathen, werden selbstverständlich im geschlechtlichen Verhältnisse um so leichter das Opfer der Uebergriffe des anderen Theiles. Furcht, den Genossen zu verlieren, der Wunsch, ihn immer zufrieden, liebenswürdig und zum geschlechtlichen Verkehr geneigt zu erhalten, sind hier die Motive des unterworfenen Theiles. Ein ungewöhnlicher Grad von Verliebtheit einerseits, der - namentlich beim Weibe - durchaus nicht immer nur einen ungewöhnlichen Grad von Sinnlichkeit bedeutet, und Charakterschwäche andererseits sind die einfachen Elemente des ungewöhnlichen Vorganges. Das Motiv des anderen Theiles ist Egoismus, der freien Spielraum findet. Auch hier ist das, was Recht und Sitte vorschreiben, wechselnd, aber jeweils das Kriterium und Mass der ungewöhnlichen Erscheinungen. Nur das, was über die als normal geltenden Pflichten hinaus aus einem besonderen inneren Antrieb vom abhängigen Theile geleistet und geduldet wird, ist die Erscheinung, die uns hier beschäftigt.
Solche Erscheinungen also, die im Leisten und Dulden über das Mass des jeweils als normal Betrachteten vermöge psychischer Besonderheit des beherrschten Theiles hinausgehen, bilden das grosse Erscheinungsgebiet der geschlechtlichen Abhängigkeit. Nennen wir diese Erscheinung kurz "geschlechtliche Hörigkeit", denn sie tragen ganz den Charakter der Unfreiheit. Der Wille des herrschenden Theiles gebietet über den des unterworfenen Theiles wie der des Herrn über den Hörigen. (...) Die Erscheinungen der Geschlechtshörigkeit sind in ihren Formen mannigfaltig und die Zahl der Fälle ist eine ungemein grosse. In geschlechtliche Hörigkeit gerathene Männer finden wir im Leben bei jedem Schritt. Hierher gehören unter den Ehemännern die sogenannten Pantoffelhelden, namentlich die alternden Männer, die junge Frauen heiraten und das Missverhältniss der Jahre und körperlichen Eigenschaften durch unbedingte Nachgiebigkeit gegen alle Launen der Gattin auszugleichen trachten; hierher, auch ausserhalb der Ehe, gehören die überreifen Männer, die ihre letzten Chancen in der Liebe durch unangemessene Opfer zu verbessern trachten; hierher aber auch die Männer jeden Alters, die von heisser Leidenschaft für ein Weib ergriffen, bei ihm auf Kälte und Berechnung stossen und auf harte Bedingungen capituliren müssen; verliebte Naturen, die von notorischen Dirnen sich zur Eheschliessung bewegen lassen; Männer, die, um Abenteurerinnen nachzulaufen, alles im Stich lassen und ihre Zukunft aufs Spiel setzen, Gatten und Väter, die Weib und Kind verlassen und das Einkommen der Familie einer Hetäre zu Füssen legen; Männer, die sich Testamente und Schenkungen abtrotzen und abschmeicheln lassen, und endlich jene Männer, die sich von der Habsucht oder Rachsucht des Weibes, in dessen Gewalt sie durch Liebesleidenschaft gerathen sind, zu verbrecherischen Thaten hinreissen lassen.
So zahlreich aber auch die Beispiele männlicher Hörigkeit sind, so muss doch jeder halbwegs unbefangene Beobachter des Lebens zugeben, dass sie an Zahl und Gewicht der Fälle gegen die weiblicher Hörigkeit weit zurückbleiben. Dies ist leicht erklärlich. Für den Mann ist die Liebe fast stets nur Episode, er hat daneben viele und wichtige Interessen; für das Weib hingegen ist sie der Hauptinhalt des Lebens, bis zur Geburt von Kindern fast immer das erste, nach dieser noch oft das erste, immer mindestens das zweite Interesse. (...)
Geschlechtliche Hörigkeit ist keine Perversion, sie ist nichts krankhaftes, die Elemente, aus denen sie entsteht, Liebe und Willensschwäche, sind nicht pervers, nur ihr gegenseitiges Stärkeverhältniss erzeugt das abnorme Resultat, das den eigenen Interessen, oft Sitten und Gesetzen, so sehr widerspricht. Das Motiv, aus welchem der unterworfene Theil hier handelt und die Tyrannei erduldet, ist der normale Trieb zu einer Person des anderen Geschlechtes, dessen Befriedigung der Preis seiner Hörigkeit ist. Die Acte des unterworfenen Theiles, in denen die geschlechtliche Hörigkeit zum Ausdruck kommt, geschehen auf Befehl des herrschenden Theiles, um seiner Habsucht etc. zu dienen. Sie haben für den unterworfenen Theil gar keinen selbstständigen Zweck; sie sind für ihn nur Mittel, den eigentlichen Endzweck, den Besitz des herrschenden Theiles zu erlangen oder zu bewahren. Endlich ist Hörigkeit eine Folge der Liebe zu einem bestimmten Individuum; sie tritt erst ein, wenn diese Liebe erwacht ist.
(Krafft-Ebing 1892)
Es kann aber mit Hörigkeit auch eine rein emotionale Abhängigkeit gemeint sein, bei der die Sexualität nicht im Vordergrund steht. Als Motiv für den unterwerfenden Teil gilt der eigene Egoismus und die Möglichkeit, den eigenen Spielraum und die eigenen Regeln zu bestimmen. Als Motiv für den untergeordneten Teil wird der Wunsch gesehen, den anderen als liebenswürdig und zur Sexualität bereit zu erleben.
In solchen Abhängigkeitsbeziehungen ist die Autonomie von Entscheidungen bei beiden Partnern stark eingeschränkt, da auch der anscheinend bestimmende Partner von der Hörigkeit des anderen abhängig ist. Hörigkeit kann gelegentlich bis zum Verlust jedes selbständigen Willens und bis zur Erduldung der schwersten Opfer gehen.
Verbindungen, in denen Frauen ihrem Partner sexuell hörig sind, sind oft von körperlicher Gewalt geprägt. Auch daran läßt sich erkennen, daß Hörigkeit im Ursprung mit der Vernachlässigung der eigenen Person zusammenhängt. Voraussetzung für Hörigkeitsverhalten ist stets, daß man Liebe und Anerkennung nicht aus sich selber heraus beziehen kann, sondern auf eine andere Person fixiert ist, die diese schenkt bzw. von der sich der Hörige allein vorstellen kann, sie zu bekommen.
Ein solches Maß von sexueller Hörigkeit ist in der Tat unentbehrlich zur Aufrechterhaltung der kulturellen Ehe und zur Hintanhaltung der sie bedrohenden polygamen Tendenzen. (...) Die Hörigkeit ist demgemäß ungleich häufiger und intensiver beim Weibe als beim Manne, bei letzterem aber in unseren Zeiten immerhin häufiger als in der Antike. Wo wir die sexuelle Hörigkeit bei Männern studieren konnten, erwies sie sich als Erfolg der Überwindung einer psychischen Impotenz durch ein bestimmtes Weib, an welches der betreffende Mann von da an gebunden blieb. Viele auffällige Eheschließungen und manches tragische Schicksal - selbst von weitreichendem Belange scheinen in diesem Hergange ihre Aufklärung zu finden.
Sigmund Freud: Das Tabu der Virginität (1918).
Siehe dazu auch Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
In der öffentlichen Wahrnehmung, scheint Abhängigkeit in der Beziehung ein Frauenthema zu sein. Auch die einschlägige Literatur ist fast nur aus Frauensicht geschrieben! Aber es ist vor allem ein Tabu-Thema. In einer Zeit, in der auf der einen Seite die Autonomie des Individuums einen hohen Stellenwert hat, auf der anderen Seite die Zweierbeziehung, die Familie zum letzten Ort von Geborgenheit und Nähe stilisiert wird, ist es schwer, sich öffentlich zum Scheitern in beiderlei Hinsicht zu bekennen. Und dies gilt besonders für Männer. Ihnen fällt es noch schwerer, sich zu ihrer Abhängigkeit zu bekennen und darüber zu sprechen. Es widerspricht dem Männerbild in unserer Gesellschaft. Nach Ansicht der Fachleute sind Männer genauso häufig und schmerzhaft abhängig in der Beziehung wie Frauen. Ein Mann kann vielleicht sagen, daß er von seiner Partnerin sexuell abhängig ist, aber nicht zugeben, daß er die Nähe und Geborgenheit seiner Partnerin braucht, um leben zu können. Das hat vermutlich in erster Linie mit der häuslichen Versorgung und emotionalen Zuwendung einer Frau zu tun, wie Männer das schon von ihrer Mutter her gewohnt waren. Aus der Bewusstheit der eigenen Hilflosigkeit beim Alleinsein reagieren Männer häufig aggressiv, sie wenden sich dann gegen die Frau, die sie eigentlich brauchen, und werden verletzend bis gewalttätig. Frauen reagieren häufig mit Autoaggression oder leiden zunächst still vor sich hin, bis es irgendwann zu Selbstverletzungen und Selbstzerstörung kommt.
Männer nehmen ihre Abhängigkeit oft erst wahr, wenn die Partnerin sich bereits verabschiedet hat -und Trennungen gehen immer häufiger von den Frauen aus. Dann kämpfen die Männer um die Beziehung und suchen häufig jahrelang Beratungsstellen auf, obwohl die Frau die Trennung bereits vollzogen hat. Frauen sind - auch heute noch - ökonomisch abhängig, besonders dann, wenn Kinder vorhanden sind. Manche Männer sind von Kindesbeinen an abhängig von der emotionalen und häuslichen Versorgung durch eine Frau. Frauen reagieren häufiger in ihrer Abhängigkeit eher mit stillem Leiden und Selbstschädigung bis hin zur Selbstzerstörung. Männer dagegen mit Aggressionen: Obwohl sonst friedfertig, schlagen sie gerade die Person, die sie vorgeben am meisten auf der ganzen Welt zu lieben. So verstecken sie ihre Hilflosigkeit und Abhängigkeit.
In der Psychotherapie wird Hörigkeit ähnlich wie andere Suchtverhaltensmuster behandelt. Sexuell Hörigen ist es unangenehm, sich zu ihrem Problem zu äußern und suchen daher erst dann, wenn der Leidensdruck sehr groß ist, Hilfe bei anderen Menschen oder Therapeuten. Sexuelle Hörigkeit ist in der Regel schwer therapierbar, da die Ursachen meistens in Erlebnissen der frühen Kindheit liegen (s.u.), daher können Betroffene ohne professionelle Hilfe, etwa eine Gesprächspsychotherapie, kaum aus dieser suchtähnlichen Beziehung entkommen. In seltenen Fällen, wenn beide Partner ihre Beziehung ändern wollen, bietet sich eine Paartherapie an, allerdings stehen hörige Personen dabei vor dem fast unmöglichen Dilemma, sich aus der Abhängigkeit befreien zu wollen, ohne sich vom Partner endgültig zu lösen.
Die Anthropologin Helen E. Fisher von der Rutgers University (New York) hat mit Hilfe von Gehirnscans nachgewiesen, dass Menschen, die gerade von ihrem Partner verlassen wurden, ähnliche Entzugserscheinungen aufweisen wie Drogenabhängige beim Entzug. Betroffene reagieren, wenn sie z.B. ein Bild des verlorenen Partners zu Gesicht bekommen, mit heftigen Reaktionen wie emotionalen Ausbrüchen, dem verstärkten Bedürfnis nach Nähe bis hin zu physischen Schmerzen und tiefer Verzweiflung. Liebe als Sucht betrachtet erklärt auch, warum für manche Menschen eine Trennung so schwer zu bewältigen ist, dass sie daran zu Grunde gehen oder nach Trennungen Extremverhalten wie Stalking oder Aggression an den Tag legen. Der Gehirn-Schaltkreis für Liebe hat sich vermutlich in der Evolution in der Form entwickelt, die Paarungsenergie auf nur eine einzelne Person zu richten. Wird man nun von diesem einen Partner verlassen, hat man damit einen mit hohem Aufwand erreichten Gewinn verloren, wodurch bestimmte Regionen unter dem Cortex - einem der ältesten Gehirnareale - aktiviert werden, um den Verlorenen für sich zurück zu gewinnen.
Mögliche Ursachen der Hörigkeit
Das suchtähnliche Verhalten Höriger wird häufig ausgelöst durch frühkindliche Erfahrungen, die sich im Laufe der Zeit verfestigt haben, weshalb der Weg daraus eher schwer fällt, zumal sich sexuelle Hörigkeit auch sehr unterschiedlich manifestieren kann.
Die Psychoanalyse hat darauf verwiesen, daß das Ausmaß und die Erfahrungen frühkindlicher Bindungen, die damit verbundenen Ängste und Phantasien im Unbewußten weiterleben und einen starken Einfluß auf das spätere Leben als Erwachsener, vor allem auf dessen Liebesbeziehungen haben. Positive wie negative Erfahrungen aber auch Konflikte, die in den früheren Entwicklungsphasen auftreten, haben einen formenden Einfluß, weil diese Probleme die frühesten Urformen so grundlegender menschlicher Situationen wie Abhängigkeit von anderen und Erfahrung von Autorität darstellen. Es ist plausibel anzunehmen, daß das Verhalten der Eltern gegenüber dem Kind während dieser Entwicklungsphasen eine grundlegende Rolle dabei spielt, wie Abhängigkeitsverhältnisse, Gehorsam und Unterordnung erlebt werden. Es muß dabei allerdings beachtet werden, daß das Kind nicht nur auf die objektive Realität reagiert, sondern auch auf subjektive phantastische Verzerrungen der Realität, die auch positiv gemeinte erzieherische Bemühungen im Erleben ganz anders darstellen.
Wilhelm Reich, der "Vater" aller Körper-Psychotherapien, ging davon aus, daß der Ursprung für Hörigkeit in der Unterdrückung sexueller Bedürfnisse liegt, indem sie zu einer allgemeinen Schwächung der gefühlsmäßigen Funktionen führe, vor allem der Willensstärke und der Selbstsicherheit. Sind diese beiden Funktionen erst einmal geschwächt, dann ist der Erniedrigung durch andere Tür und Tor geöffnet. Sexuell Hörige suchen tatsächlich häufig Zuneigung und Zuwendung über Sexualität, und stehen trotz ihrer meist zahlreichen negativen Erlebnisse unter einem Wiederholungszwang und begeben sich immer wieder in den gleichen Alptraum, mit dem verzweifelten Wunsch, endlich einmal die ersehnte Zuneigung zu erlangen und dadurch ihre alten Erfahrungen Lügen zu strafen.
Einige Hintergründe und Ursachen
- Wiederholung der Situation in der eigenen Ursprungsfamilie.
- Der Wunsch und die Hoffnung, negative Erfahrungen (nicht nur in der Kindheit, z.B. auch in einer gescheiterten Ehe u.ä.) im Nachhinein zu einem "guten Ende"zu führen.
- Mangelnde Selbstliebe.
- Vermeidung, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
- Eigenes Glück nur über das Glück des Partners erleben zu können. Angst vor dem Alleinsein.
- Angst vor der Kränkung durch das Verlassenwerden.
- Lieber neue Schmerzen ertragen, als sich mit alten Verletzungen zu beschäftigen.
Stichworte zu Erscheinungsformen von Abhängigkeit
- Die Suche eines Partners, der emotional unerreichbar ist.
- Das Verharren in einer Beziehung, die nur eine Illusion ist.
- Sich selbst schädigen, um dem Idealbild des Partners zu entsprechen.
- Demütigungen und Kränkungen ertragen, um den Partner nicht zu verlieren.
- Das selbstzerstörerische Verhalten wird ständig wiederholt.
- Die Herstellung einer glücklichen Beziehung/Familie wird bis zur Selbstaufgabe angestrebt.
- Schuldgefühle machen eine Trennung unmöglich.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern
- Männer nehmen ihre Abhängigkeit oft erst wahr, wenn die Partnerin sich bereits verabschiedet hat. (Und die Trennungen gehen immer häufiger von den Frauen aus).
- Dann kämpfen die Männer um die Beziehung und suchen Beratungsstellen auf, obwohl die Frau die Trennung bereits vollzogen hat - oft jahrelang.
- Frauen sind oft - auch heute noch - ökonomisch abhängig, besonders dann, wenn Kinder da sind.
- Männer sind abhängig von der emotionalen und häuslichen Versorgung durch die Frau - von Kindesbeinen an.
- Frauen reagieren häufiger in ihrer Abhängigkeit eher mit stillem Leiden und Selbstschädigung bis hin zur Selbstzerstörung.
- Männer dagegen mit Aggressionen: Obwohl sonst friedfertig, schlagen sie gerade die Person, die sie vorgeben am meisten auf der ganzen Welt zu lieben. So verstecken sie ihre Hilflosigkeit und Abhängigkeit.
Obwohl sadomasochistische Beziehungen als hörigkeitsgefährdet gelten, da sie manchmal in Beziehungen geraten, in denen sie mißbraucht werden können, haben diese Praktiken wenig mit sexueller Hörigkeit gemein. Die hörige Person nimmt dabei immer die Rolle des Sklaven (bottom) ein und läßt sich vom Dominanten (top) bewußt erniedrigen und demütigen, um daraus sexuelle Befriedigung zu beziehen. Masochisten und sexuell Hörige unterwerfen sich zwar ihrem Partner und lassen sich zum Teil sogar starke körperliche Schmerzen zufügen, aber Masochisten unterwerfen sich gerne und gewinnen daraus Lust. Im Unterschied zu sexuell Hörigen bestimmen sie Regeln und Dauer des Spiels mit. Weil Abhängigkeit Teil des Spiels ist, fällt es Sadomasochisten aber schwerer, zu erkennen, wann die Grenze überschritten ist. Der entscheidende Unterschied zwischen Sadomasochismus und Hörigkeit liegt in der bewußten und freiwilligen Entscheidung der Masochisten, wobei es bei der Hörigkeit nicht die "Notbremse" des safe-word gibt. Sadomasochisten können in Beziehungen geraten, in denen sie mißbraucht werden. Da viele von ihnen isoliert leben und es kaum eindeutig definierte Rollenmodelle für sadomasochistische Beziehungen gibt, kann es für sie schwieriger sein, Mißbrauch zu erkennen. Sadomasochisten könnten glauben, dass gewisse Formen des Missbrauchs besonders in der passiven Rolle "einfach dazugehören" und daß die Rechtlosigkeit, die sie erleben, auch für die restliche Beziehung gelten muß. Vor allem 24/7-Beziehungen (24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche) laufen Gefahr, sexuell hörig zu werden. Auch im Bereich der Prostitution finden sich Szenarien der Hörigkeit, worin sich sowohl die traditionelle soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen widerspiegelt als auch die Tendenz, die weibliche Sexualität auszubeuten. Auch Kinder als abhängige Personen werden häufig sexuell ausgebeutet.
Quelle
http://www.medizin-equipment.de/cgi-bin/ikonboard/topic.cgi?forum=2&topic=23 (02-10-10)
Sexsucht
Nach einer Studie von Sabine Grüsser (Berliner Universitätsklinik Charité) - sie hat den Suchtcharakter von Sexualstörungen untersucht, indem sie 80 vermeintlich Süchtige sowie 80 sexuell unauffällige Probanden mehreren psychologischen Tests unterzog. Es zeigte sich, dass Sex-Süchtige die Kontrolle über ihr Verhalten verlieren, eine immer höhere Dosis brauchen und Entzugserscheinungen zeigen. Damit ähnelt die Sex-Sucht anderen Süchten nach psychotropen Substanzen wie Cannabis, Heroin und Kokain. In der BRD gibt es nach verschiedenen Schätzungen bis zu 500000 Sexsüchtige.
Nymphomanie und der Don Juan-Komplex
Sexsucht tritt unabhängig von der sexuellen Orientierung auf, berührt also die Heterosexualität wie die Homosexualität. Auch können beinahe alle Spielarten der Sexualität davon betroffen sein. Kennzeichnend ist das süchtige Erleben der sexuellen Aktivitäten und der Kontrollverlust, d.h. der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, sein Verhalten zu kontrollieren und zu steuern. Diese eingeschränkte oder fehlende Selbstkontrolle bewirkt beispielsweise, dass sexuellen Versuchungssituationen nicht widerstanden werden kann, obwohl damit häufig negative Auswirkungen für den Betroffenen verbunden sind. Diese sind den Süchtigen in der Regel bewusst. Meist handelt es sich dabei um sexuelle Aktivitäten, die von einer tieferen emotionalen Beziehung zu einem Partner losgelöst sind und denen daher heimlich nachgegangen wird. Frauen mit Nymphomanie sind ständig auf der Suche nach sexueller Befriedigung, jedoch sind sie aber meist nicht in der Lage, einen Orgasmus zu erleben. Sie finden häufig keine innere Bindung zum jeweiligen Partner und stehen unter dem Zwang, immer neue Beziehungen suchen zu müssen, um sexuelle Erfüllung zu erreichen. Die pathologische Nymphomanie ist eher selten. Im 19. Jahrhundert wurde noch jede Frau, die außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte oder masturbierte, der Nymphomanie bezichtigt. Fälschlicherweise werden auch heute noch Mädchen oder Frauen, die ihre Sexualität ausleben, bei der Partnersuche die Initiative ergreifen, als nymphoman oder liebestoll bezeichnet. Früher wurde die Nymphomanie als organisches Leiden betrachtet und auch entsprechend behandelt, etwa durch Auflegen von Eisbeuteln auf die Genitalien, Ansetzen von Blutegeln oder auch durch die Entfernung der Klitoris oder der Eierstöcke. Bei Männern spricht man bei Sexsucht von Donjuanismus, Don-Juan-Komplex oder Satyriasis.
Beide pathologischen Formen werden heute als Sexsucht bezeichnet. Dieses Verlangen bzw. Verhalten kann sich auch in unkontrolliertem Genuss von sexuellen Kontaktmitteln wie Pornografie, Telefonsex oder übermäßiger Masturbation manifestieren. In der BRD ist vor allem die Online-Sexsucht verbreitet, vorwiegend ein Phänomen bei männlichen Internetnutzern. Manche "Sexsüchtige" streben mehrmals täglich Orgasmen an, ohne tatsächlich Befriedigung zu erlangen. Die Sexsucht beginnt wie andere Süchte meist schleichend, wobei die persönliche Freiheit zunehmend eingeschränkt wird, sodass Familie, Beruf und sexfreie soziale Kontakte völlig vernachlässigt werden.
Die Ursachen für Sexsucht liegen sowohl im seelischen als sozialen Bereich, in der Kindheit, in der Persönlichkeitsentwicklung und in seltenen Fällen auch in der Veranlagung. Manche sehen die Ursache in einer hypersexualisierten Kindheit (beispielsweise hervorgerufen durch Missbrauch). Diese "Hypersexualität“ kann ein wirklich befriedigendes Leben des oder der Betroffenen verhindern. Innere Konflikte, Minderwertigkeitsgefühle, gestörte emotionale Beziehungen und die zwanghafte Suche nach Nähe können die Sexsucht befördern. Bleibt die Sexsucht über einen längeren Zeitraum bestehen, kann es sowohl zu gesundheitlichen Problemen als auch zu gravierenden Persönlichkeitsveränderungen kommen. Trotz der zahlreichen sexuellen Kontakte bleibt die Isolierung bestehen und es entsteht Leidensdruck. Um aus diesem Teufelskreis ausbrechen zu können, ist in den meisten Fällen professionelle Hilfe durch Psychotherapeuten unabdingbar.
Bestehen Zweifel darüber, ob eine Sexsucht vorliegt, ist als erster Schritt eine psychotherapeutische Anamnese angezeigt. Vor allem wenn ein zwanghafter, lebensbestimmender Wunsch nach Sex und ein Unvermögen, emotionale Bindungen einzugehen, vorliegen, sollte bei einem Fachmann eine diesebezügliche Abklärung erfolgen. Zentrale Themen der Therapie sind dabei die (sexuelle) Lebens- und Familiengeschichte, das Abklären eines eventuellen Missbrauchs, die Rolle des Suchtmittels Sex, die Fähigkeit im Umgang mit Gefühlen, das Gewinnen positiver Selbsterfahrung und Selbstwertgefühle. Der/die Betroffene sollte in der Therapie eine neue Beziehung zu sich finden und darauf basierend auch wieder bessere, gesündere Beziehungen zu anderen leben können.
Folgen der Sexsucht sind oft Scham, Schuldgefühle und Depressionen, wobei die Einsamkeit der Betroffenen groß bleibt und oftmals mit Hoffnungslosigkeit einhergeht, die sich bis zur Suizidalität steigern kann.
Zu den Folgen sexsüchtigen Verhaltens gehören auch Partnerschaftsprobleme, die von der Beeinträchtigung der Partnerschaft oder Trennung bis zum Verlust der Beziehungsfähigkeit führen. Sexsucht kann sehr kostenintensiv gelebt werden. In dem Fall können Schulden die Situation zusätzlich erschweren. Gesundheitliche Probleme durch Geschlechtskrankheiten können ebenfalls Teil des Schädigungsbildes sein genauso wie rechtliche Folgen, etwa solche, die aus dem kriminellen Umfeld resultieren.
Literatur
Alps, Nicole (2013). Aus der Gehirnforschung: Verliebt noch mal. Zeit zu Leben-Newsletter vom 6. Februar 2013.
Krafft-Ebing, Richard v. (1892). Bemerkungen über "geschlechtliche Hörigkeit" und Masochismus. Jahrbücher für Psychiatrie, S. 199-211. Leipzig: Deuticke.
http://wwwm.htwk-leipzig.de/~schweika/Drogenprojekt/Gruppe3/Ordner1/Kauf3.html (00-04-27)
http://www.wdr.de/tv/lustliebe/inhalte/980422_1.html (01-07-21)
http://www.netdoktor.de/sex_partnerschaft/fakta/hoerigkeit.htm (02-08-19)
http://www.sociologicus.de/lexikon/lex_soz/f_j/hoerigke.htm (02-08-19)
http://www.condomi.com/de/magazin/sexikon/daten/234356/ (03-01-04)
http://de.wikipedia.org/wiki/Sexsucht (07-09-09)
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