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Keine Macht den Drogen - No DrugsAlkohol bei Kindern und Jugendlichen

Kinder werden heute oft frühzeitig an den Geschmack von Alkohol gewöhnt, denn in Süßigkeiten, Lebensmitteln und auch sogar Medikamenten, die manchmal ausdrücklich für diese Altersgruppe als geeignet bezeichnet werden, ist Alkohol enthalten. Manche Kinder sammeln ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol bei Familienfesten - es darf zur Feier des Tages ein halbes Gläschen Sekt getrunken werden. Für Kinder ist das der erste Schritt in die Erwachsenenwelt, denn die Erwachsenen zeigen es den Kindern vor, dass Alkohol zum Erwachsensein gehört. Meistens darf zur Konfirmation das erste Mal "richtig" getrunken werden. Die Wirkung des Alkohols bei Kindern unterscheidet sich von der bei Erwachsenen:

Siehe auch Alkohol

Siehe auch Kinder alkoholkranker Eltern

Um die Raten bereits regelmäßig Alkohol trinkender Kinder und Jugendlicher zu ermitteln wurden diese im Rahmen einer Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 1998 gefragt, wie häufig sie Bier, Wein und Spirituosen zu sich nehmen. Regelmäßiger Alkoholkonsum wurde definiert als Konsum alkoholischer Getränke, auch in geringen Mengen, mindestens einmal pro Woche. In der überwiegenden Zahl der Länder spielt ein regelmäßiger Alkoholkonsum unter den 11jährigen noch keine wesentliche Rolle. Bis auf wenige Ausnahmen liegen die Raten unter einem Durchschnitt von 5 %. Besonders gering sind die Raten in Norwegen, Finnland, Deutschland, Lettland und der Schweiz, wo unter den 11jährigen Mädchen ein regelmäßiger Alkoholkonsum praktisch nicht vorkommt. Eine moderate Steigerung der Raten ergibt sich bei den 13jährigen. Die Rangfolge der Länder bleibt dabei nahezu gleich. Lediglich in Deutschland und Dänemark zeigt sich ein überdurchschnittliches Ansteigen.

Unter den 15jährigen ist der Konsum von Alkohol bereits bei einem Großteil der Jugendlichen in allen Ländern üblich. Die Jugendlichen sollten ebenfalls angeben, wie häufig sie in ihrem Leben bereits betrunken gewesen sind. Die Raten der Jugendlichen mit mehrfachen Trunkenheitserfahrungen steigt mit der Altersgruppe steil an, wobei die höchsten Raten im Nordwesten Europas zu finden sind. Die ermittelten Häufigkeiten in Großbritannien sind etwa 10 mal höher als in Schweden, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Norwegen. Bei den 13jährigen beträgt der Unterschied zwischen der höchsten und niedrigsten gefundenen Häufigkeit etwa das 6fache. Unter den 15jährigen schrumpft der Unterschied zwischen den Ländern auf den Faktor 3.

Es ist dabei ein geographisches Muster zu beobachten das anzeigt, dass Jugendliche aus den südeuropäischen Ländern rund um das Mittelmeer recht selten betrunken sind, während Jugendliche aus West- und Mitteleuropa überproportional häufig von Trunkenheit berichten. Mit Ausnahme von Dänemark haben die skandinavischen Länder vergleichbar geringe Raten. In fast allen Ländern haben Jungen häufiger Erfahrungen mit Trunkenheit als Mädchen, vor allem in den jüngeren Altersgruppen.

Bei den 15jährigen relativiert sich die Differenz zwischen den Geschlechtern. Jugendliche, die häufig Alkohol konsumieren rauchen auch häufiger und umgekehrt. Dies kann als eine generelle Tendenz zum Konsum psychoaktiver Substanzen verstanden werden. Diese wird verstärkt in der Gruppe der Gleichaltrigen: Regelmäßiges Rauchen und Alkoholkonsum kommt häufiger vor, wenn sich die Jugendlichen oft mit Freunden nach der Schule oder am Abend treffen.

Häufiger Alkoholkonsum und Trunkenheit sind bei vielen Jugendlichen verbunden mit Problemen in der Schule. Ein Vergleich zwischen den in 1994 und 1998 durchgeführten repräsentativen HBSC-Surveys zeigt, dass in den meisten westeuropäischen Ländern der regelmäßige Alkoholgebrauch bei den Jugendlichen einen deutlich abnehmenden Trend aufweist, während er in Osteuropa ansteigt. Die Häufigkeit von Trunkenheitserfahrungen dagegen steigt unter den Jugendlichen allgemein an. Lediglich in Deutschland sind hier für Mädchen wie für Jungen leichte Abnahmen festzustellen.

Für die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) wurden 2007 die Daten von 12.448 Schülerinnen und Schülern der neunten und zehnten Klasse untersucht. Ergebnis war, dass 66,8 Prozent von ihnen Bier trinken - 2003 waren es erst 56,4 Prozent. Auch der Konsum von Spirituosen, der in diesem Alter noch verboten ist, stieg von 52,6 auf 56,9 Prozent. 19,2 Prozent der Schüler gaben an, dass sie in den letzten 30 Tagen einmal oder mehrmals Spirituosen einkauften.

Wer als Jugendlicher Alkohol in großen Mengen trinkt, dem drohen einer französischen Studie zufolge dauerhafte Hirnschäden. Trinken bremst oder blockiert demnach in einigen Bereichen des Gehirns das vollständige Reifen der grauen Zellen, die üblicherweise erst zum Ende der Jugendzeit ganz ausgewachsen sind. Nahe der Stirn zeigten Kernspintomografien Betroffener teilweise bis zu 20 Prozent weniger graue Zellen. Zusätzlich vorgenommene Geschicklichkeitstests zeigten eine Schädigung bestimmter kognitiver Funktionen, etwa beim Planen von Aufgaben oder der Lösung von Problemen. Bestätigt wird das in einer Untersuchung von Chitra Mandyam (Kalifornien) an Primaten, in der vier Tiere über einen Zeitraum von elf Monaten täglich eine Stunde lang ein alkoholhaltiges Getränk mit Zitronengeschmack trinken durften, wobei Bluttests zeigten, dass die Tiere sich bis zu einem Alkoholspiegel betranken, der etwa 2,5 Promille beim Menschen entspricht. Nach einer zweimonatigen Abstinenzphase entdeckt man im Vergleich zu Tieren, die keinen Alkohol getrunken hatten, nach wie vor deutliche Veränderungen in der Struktur des Hippocampus. Man kann daher annehmen, dass regelmäßiger Alkoholkonsum auch bei Menschen langandauernde Effekte auf die Funktionen des Hippocampus zeigt.

Alkoholintoxikation im frühen Alter ist bekanntlich ein Risikofaktor für die Entwicklung von Suchtverhalten. Um neuronale molekulare Korrelate der akuten Ethanolintoxikation aufzudecken, haben Knabbe et al. (2022) mit stabilen Isotopen markierte Mäuse in Kombination mit quantitativer Massenspektrometrie verwendet, um mehr als zweitausend Hippocampus-Proteine zu untersuchen, von denen zweiundsiebzig ihre synaptische Häufigkeit nach Ethanol-Exposition um das bis zu Zweifache veränderten. Darunter befanden sich mitochondriale Proteine und Proteine, die für die neuronale Morphologie wichtig sind, darunter MAP6 und Ankyrin-G. Anhand dieser Kandidatenproteine konnte man in der Untersuchung akute und dauerhafte molekulare, zelluläre und Verhaltensänderungen nach einer einmaligen Intoxikation bei alkoholunerfahrenen Mäusen feststellen. Die Immunfluoreszenzanalyse zeigte eine Verkürzung der Axonanfangssegmente. Die longitudinale Zwei-Photonen-In-vivo-Bildgebung zeigte eine erhöhte synaptische Dynamik und einen erhöhten Mitochondrienverkehr in den Axonen. Die Ausschaltung des mitochondrialen Traffics in dopaminergen Neuronen führte zur Aufhebung der konditionierten Alkoholpräferenz bei Drosophila-Fliegen. Diese Studie stellt den mitochondrialen Transport als einen Prozess vor, der beim Belohnungslernen eine Rolle spielt.

Literatur

Ohne Autor (2003). Health Behavior in School-Children (HBSC) Ausgewählte Ergebnisse der Studie aus dem Jahr 1998.
WWW: http://www.uni-bielefeld.de/
gesundhw/ag4/projekte/
hbscergeb.html (03-07-20)
Hurrelmann K., Klocke, A., Melzer, W. & Ravens-Sieberer, U. (Hrsg.) (2003). Jugendgesundheitssurvey. Weinheim, München: Juventa Verlag.
Knabbe, Johannes, Protzmann, Jil, Schneider, Niklas, Berger, Michael, Dannehl, Dominik, Wei, Shoupeng, Strahle, Christopher, Tegtmeier, Michèle, Jaiswal, Astha, Zheng, Hongwei, Krüger, Marcus, Rohr, Karl, Spanagel, Rainer, Bilbao, Ainhoa, Engelhardt, Maren, Scholz, Henrike & Cambridge, Sidney B. (2022). Single-dose ethanol intoxication causes acute and lasting neuronal changes in the brain. Proceedings of the National Academy of Sciences, 119, doi: 10.1073/pnas.2122477119.
http://www.oeaz.at/zeitung/
3aktuell/2007/01/kua/kua01_2007alkohol.html (07-07-07)

Im Detail siehe Jugendliche und Suchtmittelkonsum


Prävention muss im Kleinkindalter beginnen

Experten sind der Ansicht, dass Suchtprävention im Kindergartenalter beginnen muss, denn Alkoholexzesse bei Kindern und Jugendlichen (Komatrinken) haben meist in der frühesten Kindheit ihre Wurzeln. Bekommt das Kleinkind bei jedem Schrei seine Flasche, eine Süßigkeit oder sonstige Trostpflästerchen, dann wird das Kind kaum lernen, mit Unlustgefühlen umzugehen, sondern denken, dass man durch die orale Befriedigung die alllgemeine Unlust stillen kann. Wichtig ist auch die Vorbildwirkung der Eltern - siehe unten -, denn ist es bei den Eltern normal, dass beim Abendessen Bier und Wein getrunken werden, dass bei Frust ein Glas Alkohol eingeschenkt wird, dann lernen die Kinder diese Problemlösungsstrategie und verinnerlichen diese. Es ist auch ein großer Unterschied, ob eine Tafel Schokolade aus Frust verschlungen wird oder ob man sich ein Stück Schokolade auf der Zunge zergehen lässt.

Einfluss der Alkoholwerbung

Statistiken zufolge gehe zwar der absolute Alkoholkonsum in Deutschland leicht zurück, doch der Trend zum exzessiven Trinken nimmt kontinuierlich zu. Nach einer Studie an 3.400 SchülerInnen im Alter von zehn bis siebzehn Jahren in Deutschland verstärkt die Alkoholwerbung den Trend zum Komatrinken bei Jugendlichen, denn wer häufig mit Werbespots in Kontakt kommt, trinkt doppelt so oft exzessiv Alkohol wie Peers mit wenigen Werbekontakten, wobei männliche Jugendliche den Reizen der Werbung deutlich öfter erliegen als Mädchen. Grundsätzlich trinken Jugendliche umso mehr Alkohol, je öfter sie Alkoholwerbung sehen, wobei sie an entsprechender Werbung kaum vorbeikommen: Rum unter Palmen, Kräuterschnaps im Szene-Treff, Prosecco in der Frauenrunde - lediglich 1,5 Prozent der befragten Schüler gab an, noch nie eine der vorgegebenen Alkoholwerbungen gesehen zu haben. Die Krankenhauseinweisungen von Minderjährigen mit einem gefährlichen Vollrausch stiegen allein in den vergangenen vier Jahren um 36 Prozent. Die jüngsten Patienten waren zwölf Jahre alt. Diese Ergebnisse unterstreichen den Expertenbericht der Europäischen Kommission über den Einfluss der Alkoholwerbung auf Minderjährige, welcher ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass Alkoholwerbung die Einstellung zu Alkohol sowie das spätere Trinkverhalten beeinflusst.

Methodischer Hintergrund zur Studie

Das in der Studie verwendete Werbematerial war „maskiert“, d.h. alle Hinweise auf Marken -oder Produktnamen waren gelöscht. Exposition mit Alkoholwerbung wurde über Wiedererkennung der Werbung und über korrekte Markenzuweisung erfasst.

Über die Hälfte (54%) der SchülerIinnen hatte mindestens 6 der 9 vorgegebenen Alkoholwerbungen schon einmal gesehen. Die höchste Quote erreichte die Werbung für „Krombacher Pils“ (von 95% mindestens schon einmal gesehen), gefolgt von „Jägermeister“ (84%). Insgesamt zeigte sich, dass der Kontakt mit Alkoholwerbung ähnlich hoch zu sein scheint wie der mit Werbungen anderen Inhalts (z.B. Süßigkeiten, Automarken). Jungen zeigten bei Alkoholwerbungen höhere Werte bei Wiedererkennung und Markenabrufbarkeit als Mädchen, nicht jedoch bei Kontrollwerbungen.

Anhand von multivariaten Regressionsanalysen konnte ein linearer Dosis-Wirkungs-Zusammenhang zwischen der Exposition mit Alkoholwerbung und verschiedenen Alkoholkonsumvariablen gezeigt werden, darunter Lebenszeitkonsum, aktueller Konsum und „Binge Drinking“. Auch nach statistischer Berücksichtigung einer Reihe von Kontrollvariablen hatten Schüler/innen mit der höchsten Dosis an Alkoholwerbung im Vergleich zu Schüler/innen mit der niedrigsten Dosis eine etwa doppelt so hohe Chance zur Gruppe der Alkoholkonsumenten zu gehören.

Es ergab sich darüber hinaus für Niemals-Konsumenten ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe der Exposition mit Alkoholwerbung und der Empfänglichkeit für Alkohol dergestalt, dass Niemals-Konsumenten mit höherer Exposition positivere Erwartungen hinsichtlich der Wirkung von Alkohol zeigten und häufiger davon ausgingen, später einmal Alkohol zu trinken bzw. ihn mit geringerer Wahrscheinlichkeit abzulehnen. Kein Zusammenhang fand sich hingegen zwischen Alkoholkonsum/Empfänglichkeit und der Exposition mit Werbung für nichtalkoholische Getränke.

Morgenstern M., Isensee B., Sargent J.D. & Hanewinkel R. (2009). Jugendliche und Alkoholwerbung. Forschungsbericht des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord im Auftrag der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, DAK.
WWW: http://www.ift-nord.de/pdf/bericht_alkoholwerbung.pdf (09-05-15)

Was Eltern tun können

 

Quelle: Hebestreit, Dietlind (2009). Teenager in der Alko-Falle.
WWW: http://www.nachrichten.at/ratgeber/gesundheit/art114,156729 Link: http://www.praevention.at/

Es gibt auch einen Gratis-Lebenserwartungstest auf http://test.gesundheit.ch/!
[Dank für den Linkhinweis an Hermann Strasser von Landesberufsschule 2 Salzburg]

Stockbetrunken Zwölfjährige sind kein Einzelfall

"Das Problem Jugendliche und Alkohol wird immer gravierender", sagt Erich Wahl, Chef der Jugendzentren der Stadt Linz. "Wir haben Zwölfjährige, die schon vormittags betrunken sind. Und das sind keine Einzelfälle", so Erich Wahl.

19 Jugendzentren und Beratungsstellen betreibt der Verein "Jugend und Freizeit", dessen Geschäftsführer Erich Wahl ist. Das Faktum, dass immer mehr Burschen und Mädchen zur Flasche greifen, führen Wahl und seine Sozialarbeiter auf mehrere Faktoren zurück. "Viele Menschen wollen die Probleme der jungen Leute nicht sehen. Wollen sich der Diskussion mit ihnen nicht stellen. Denn das hieße sich Zeit nehmen, zuhören, argumentieren", meint Wahl. Die mangelnde Bereitschaft dazu fördere die Entwicklung der Wohlstandsverwahrlosung.

Mit dem neuen Jugendschutzgesetz sei ein großer Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. "Jetzt darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht nur im Gasthaus kein Alkohol ausgeschenkt werden, sondern auch in den Geschäften nur mit einer gesonderten Genehmigung Erwachsener verkauft werden", erläutert Geschäftsführer Wahl. Aber in der breiten Bevölkerung fehle noch immer die Bereitschaft, sich aktiv mit dem Problem auseinanderzusetzen.

Beispiel Jahrmarkt

Wahl nennt ein Beispiel: "Unsere Streetworker haben beim Urfahraner Markt mehrmals versucht, Kellner davon abzubringen, an Jugendliche Alkohol auszuschenken." Aber die Bereitschaft dazu sei, gelinde gesagt, äußerst gering gewesen. "Die haben unseren Mitarbeitern gesagt, sie sollen verschwinden und das Geschäft nicht stören", erzählt Wahl. 

"Dann braucht sich keiner mehr zu wundern, wenn es zu Gewaltausbrüchen betrunkener Jugendlicher kommt." Dass Alkohol und Gewalt sehr oft in Zusammenhang stehen, ist bekannt. "Gar nicht zu reden vom persönlichen Leid des Betroffenen und den Problemen, die auf das gesamte Umfeld zukommen", so Wahl.

VON ANNELIESE EDLINGER Oberösterreichische Nachrichten vom 23.10.2001

Bildquelle:
http://www.ccmentalhealth.org/
images/educational/teens_drinking.gif (02-08-21)

Siehe auch Gefahrenpotential von Alkohol bei Kindern und Jugendlichen

Barry Jones (Universität Glasgow) fand in einer psychologischen Untersuchung an 120 männlichen und weiblichen Studenten heraus: Je mehr Alkohol jemand trinkt, desto attraktiver erscheinen ihm Menschen des anderen Geschlechts. Ein Liter Bier oder vier Gläser Wein steigerten die subjektiv wahrgenommene Attraktivität um rund 25 Prozent.

Binge Drinking - Komatrinken bei Jugendlichen

Im Factsheet der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wird festgestellt, dass das Trinken großer Mengen Alkohol in kurzer Zeit kein neues Phänomen darstellt: „Es existiert nicht erst seitdem sich der Begriff Binge-Drinking in Deutschland durchgesetzt hat. Die Dramatik des tödlichen Ausgangs von Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen hat in der Öffentlichkeit dazu geführt, dass das Trinken großer Mengen Alkohols vor allem als Problem der Jugend wahrgenommen wird. Für die sensationsorientierte Berichterstattung eignen sich Extremsituation und Alkoholexzesse zur Auflagesteigerung. Tatsächlich kann man jedoch bei Volksfesten oder in der Karnevalszeit und bei vielen weiteren Gelegenheiten erleben, dass vor allem Erwachsene jede Gelegenheit nutzen, Alkohol zu trinken, häufig bis zum Rausch. Übermäßiger Alkoholkonsum ist kein spezifisches Problem der Jugend, sondern eines, das große Teile der Gesellschaft quer durch alle sozialen Schichten betrifft.“

Binge Drinking (Rauschtrinken) ist aber weit davon entfernt, zum Massenphänomen zu werden, dennoch muss registriert werden, dass es Jugendliche gibt, die sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, dass dies nicht mehr ausschließlich männliche Jugendliche sind und dass auch Jugendliche unter 16 Jahren Alkohol konsumieren. Extremer Alkoholkonsum und auch der Konsum illegaler Substanzen entspringen dem Bedürfnis Jugendlicher, sich auf die Suche nach extremen Erfahrungen, Grenzerlebnissen, Rausch und Abenteuer zu begeben.

Anmerkung: Der Begriff Komasaufen wird in den Medien allerdings äußerst undifferenziert gebraucht, denn zum einen beschreibt er Fälle, bei denen Menschen durch den Alkoholkonsum ins Koma gefallen sind, zum anderen wird er verwendet, um das Trinken einer großen Menge Alkohol in einer relativ kurzen Zeit zu beschreiben. Nur im letzten Fall entspricht der Begriff dem englischen Begriff Binge-Drinking.

Problematisch wird es nach Ansicht von Experten der Jugendarbeit dann, wenn über das Probieren die Erfahrung gemacht wird, dass sich damit bewusste oder auch unbewusste Unlustgefühle zudecken lassen oder angenehme Zustände herstellen lassen, die man sonst im seinem Leben nicht oder nur kaum hat. Es braucht also immer eine persönliche Disposition, dass aus einem jugendlichen Probierer ein Alkoholiker oder auch ein anderswie Abhängiger wird. Diese persönliche Disposition kann verschiedene Ursachen haben, Mangel an Zukunftsperspektiven wie die Ausübung eines sinnvollen Berufes, zählt mit Sicherheit zu den entscheidensten. Solche positiven Zukunftspläne entwickeln zu können, wird vielen Jugendlichen aber schon länger ziemlich erschwert.

Der Beginn der Jugendphase schiebt sich generell nach vorne. Es ist also kein Phänomen des "Komasaufens" an sich, dass schon 12- bis 13-Jährige Alkohol konsumieren, sondern hängt mit der Vorverlegung der Jugendphase zusammen. Jugendliche wollen auch auffallen. Durch den Medienhype "Komasaufen" wird dieses Bedürfnis bedient, und nicht so wenige Jugendliche wollen erst durch die exzessive Medienberichterstattung jetzt auch einmal ausprobieren, "wie es ist", sich ins Koma zu saufen.

Vor allem bei 18- bis 25-Jährigen ist das Binge-Drinkingverbreitet, wobei sie mindestens fünf alkoholische Getränke hintereinander trinken. Nach der Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Deutschland tranken sich im Jahr 2011 knapp 42 Prozent dieser Jugendlichen mindestens einmal in den vergangenen 30 Tagen in einen solchen Rausch. Bei der Konsumhäufigkeit lassen sich kaum Unterschiede zwischen den Jugendlichen der unterschiedlichen Schulformen finden, jedoch sind riskante Konsummuster unter Haupt- und Realschülern weiter verbreitet als bei Gymnasiasten.

Wissenschaftlerinnen der Universität Bamberg befragten nun seit März 2011 Jugendliche mit Alkoholvergiftung nach ihren individuellen Gründen, in großen Mengen zu trinken. Etwa siebzig Prozent der Jugendlichen trinken, um mehr Spaß zu haben, wobei diese Verstärkungstrinker vor allem einen Kick erleben wollen. Etwa neunzehn Prozent der Jugendlichen sind Bewältigungstrinker, die mit Hilfe des Alkohols versuchen, Probleme zu vergessen.

Binge Drinking („Komasaufen“) beeinflusst die Gedächtnisleistung von Jugendlichen stark und man geht davon aus, dass sie massiv ihre kognitive Fähigkeiten für ihr späteres Leben einbüßen. Besonders das prospektive Gedächtnis leidet darunter, das dafür verantwortlich ist, Vorhaben zum rechten Zeitpunkt umzusetzen, etwa das Einhalten von Terminen, die Einnahme vom Medikamenten oder eine Rechnung, pünktlich zu bezahlen. An Studenten wurden getestet, wie gut sie sich eine Folge von Aufgaben merken könne und die Komatrinker unter ihnen zeigten bei dem Test deutlich schlechtere Leistungen. Man vermutet, dass das exzessive Trinkverhalten die neurokognitive Entwicklung des Gehirns bei Jugendlichen stört.

Quelle:
Langer, Gabriele (2007). Alternativen zur Betäubung.
WWW: http://derstandard.at/?url=/?id=2894270 (07-06-05)
http://www.welt.de/gesundheit/article13906509/So-profan-ist-die-Psychologie-des-Komasaufens.html (12-03-07)

Alkohol statt Heroin

"Vor zehn Jahren hat man sich noch auf Heroin und die Kinder vom Bahnhof Zoo konzentriert", sagt der Psychiater Oliver Bilke - jetzt gehe es um die Sauferei. Die Effekte von Flatrate-Partys, Komasaufen und Gewohnheitstrinkerei unter Jugendlichen kann Bilke jeden Tag in seiner Berliner Klinik verfolgen. Immer mehr 15- bis 16-jährige werden eingeliefert, weil sie chronisch alkoholabhängig sind. "Die Tendenz geht zu Drogen, die sich gut in das Leben von Jugendlichen integrieren lassen", sagt Bilke. Will heißen: Heroin wirkt offenbar abschreckend, weil es Abhängige sofort zu Drop-Outs macht. Alkohol hat dieses Abschreckungspotential nicht.

Quelle: Lutz Kinkel: 11-Jährige greifen schon zur Flasche.
WWW: http://www.stern.de/politik/panorama/600651.html (07-11-07)



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