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Moralentwicklung

Moralische Entwicklung

Unter dem Begriff Moral (lat.: moralis = die Sitten) versteht man die Gesamtheit aller Normen, Grundsätze und Werte. Sie regulieren das zwischenmenschliche Verhalten in einer Gesellschaft und werden von dieser als verbindlich akzeptiert oder hingenommen. An den Moralbegriff nicht gebunden sind Gesetzte und Rechte (vgl. Meyers Lexikonverlag 2007).

Der Begriff der Moralentwicklung spielt in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen eine zentrale Rolle. Den größten Einfluss auf diese Lerntheorie haben folgende zwei Entwicklungspsychologen ausgeübt: Jean Piagets und sein Nachfolger Lawrence Kohlberg.

Jean Piagets, der im Alter von 15 Jahren schon ein enormes Wissen im Fachgebiet der Malakologie (griech. Für Weichtierkunde) besaß, veröffentlichte eine Reihe von Aufsätzen über Mollusken. Nach der Matura publizierte er zwei philosophische Schriften, welche sich als wegweisend für seine weitere Zukunft herausstellten. Piaget arbeitete mit Theodore Simon an der Standardisierung von Intelligenztests zusammen. Piaget begnügte sich nicht nur ausschließlich mit den Statistiken sondern auch mit den Denkprozessen der Kinder. In dieser Phase seines Lebens stieß Piaget auf drei wichtige Erkenntnisse (vgl. Stangl 2007c)

Mit diesen erworbenen Erkenntnissen entdeckte Piaget sein eigentliches Forschungsgebiet und versuchte Physiologie, Psychologie und Biologie miteinander zu verknüpfen (vgl. Stangl 2007c).

Nummer-Winkel (zit. nach Schneider 2003) sagt, dass die moralische Entwicklung aus zwei Lernprozessen besteht. Als erstes lernen Kinder schon sehr früh moralische Normen und die Gültigkeit dieser. Doch erst in späteren Jahren (10-11) hat auch jedes Kind moralische Motivation gelernt. Diese Entwicklung verläuft von Kind zu Kind unterschiedlich schnell.

Vorstellung und Vergleich von Kohlberg und Piaget

Moralstufen von Jean Piaget

Jean Piaget konzentrierte sich bei seinen Untersuchungen zur Moralentwicklung vor allem darauf ob die Regeln eines bestehenden Systems von Kindern in unterschiedlichen Altersstufen anerkannt wurden. Ihm ging es darum herauszufinden, ob die Kinder bestehende Regeln beachteten, hinterfragten und ob sie sich überhaupt der Bedeutung von Regeln bewusst waren (Piaget zit. nach Stangl 2007a).

Während seiner Forschungen entwickelte er eine Theorie, die aus 3 Stadien bestand. Die Faktoren, von welchen die Kinder bei deren moralischen Entwicklung beeinflusst werden, hängen, laut Piaget, einerseits von deren „Reifungsprozessen“ und andererseits von den „Einflüssen aus deren Umgebung“ ab (vgl. Mietzel 2002, S. 279).

Laut Piaget befinden sich die Kinder bis zum 5. Lebensjahr zunächst im „amoralischen Stadium“. Dabei ist alles erlaubt, was keine Bestrafung mit sich bringt und alles verboten, was bestraft wird (vgl. Stangl 2007a und Mietzel 2002, S. 279).

Ab dem Vorschulalter geht es darum, dass alles was als gut bezeichnet und vorgemacht wird, erlaubt ist. Dies bedeutet aber auch dass nichts erlaubt ist, was nicht als gut gilt. Die (von den Erwachsenen) aufgestellten Regeln sind in diesem Stadium – der „heteronormen Moral“- nicht veränderbar. Den Kindern werden von den Erwachsenen Grenzen aufgezeigt, welche wiederum deshalb notwendig sind, weil die Kinder einerseits noch sehr „egozentrisch denken“ und andererseits „nicht richtig zwischen ihren eigenen Gedanken und der realen Welt unterscheiden können.“(vgl. Mietzel 2002, S. 281).

Mit Ende des Grundschulalters wird begonnen, das eigene Verhalten zu beurteilen. Dieses Stadium wird von Piaget als die „autonome Moral“ bezeichnet (vgl. Stangl 2007a).

Erst in dieser Stufe beginnen die Kinder zu lernen, dass „die Moral in Zusammenhang mit der aktuellen Situation steht“. Sie beginnen abzuwägen, ob eine Tat mit oder ohne Absicht ausgeführt wird und berücksichtigen die möglichen Folgen ihrer Handlungen (vgl. Mietzel 2002, S. 279). Dabei spielen laut Piaget, die Gleichaltrigen eine wichtige Rolle. Die Kinder lernen, dass sie auf die Interessen und Wünsche von anderen Menschen– die nicht immer dieselben wie die eigenen sein müssen - Rücksicht zu nehmen haben (vgl. Mietzel 2002, S. 281).

Stadien und Stufen des Modells von Lawrence Kohlberg

Das „präkonventionelle Stadium“ besagt, dass das Kind bezüglich „gut und böse“ sowie „richtig oder falsch“ seine Entscheidungen trifft. Was richtig oder falsch, gut oder böse ist, entscheiden die Autoritätspersonen (vgl. Stangl 2007a).

In der ersten Stufe dieses Stadiums - der „Straf- und Gehorsamsorientierung“ - geht es für das Kind vor allem darum, Strafen zu vermeiden. Dabei steht noch nicht die Moral im Vordergrund. Bei der nächsten Stufe, der „naiv egoistischen Orientierung“ besteht das „richtige Handeln darin, worin die eigenen Bedürfnisse und manchmal die von anderen befriedigt werden.“ Dabei gilt zu beachten, dass nur dann die Wünsche und Interessen der anderen beachtet werden, wenn das Kind einen Eigennutzen darin sieht. „Die menschlichen Beziehungen werden wie die Beziehungen auf einem Marktplatz gesehen. Gerecht ist, was ein gleichwertiger Austausch, ein Handel oder ein Übereinkommen ist“. Ab dieser Stufe wird den Kindern und/ oder Jugendlichen bewusst, dass Moral auch mit „wechselseitigen Beziehungen“ zu tun hat. Die Interessen der anderen werden so lange akzeptiert, so lange sie nicht im Widerspruch mit den eigenen Interessen stehen (vgl. Stangl 2007b).

Im konventionellen Stadium beginnt das Kind bzw. der Jugendliche zu verstehen, dass es das Mitglied einer Gruppe ist. Die Unterstützung der Erwartungen der Familie oder Gruppe wird „als wertvoll verstanden“. In diesem Stadium kann sich das Individuum „in andere hineinversetzen“ und nimmt deren Interessen und Erwartungen wahr. „Soziale Anerkennung und Wertschätzung treten in den Vordergrund.“ Folgen, die über persönliche Konsequenzen hinausgehen, werden in Betracht gezogen (vgl. Stangl 2007b und Mietzel 2002, S. 282).

Die 1. Stufe dieses Stadiums, welche die Stufe 3 insgesamt darstellt, wird laut Mietzel (2002, S. 283) als „guter Junge/ nettes Mädchen-Orientierung“ bezeichnet. Hier orientiert sich das gute Verhalten and dem Gefallen und Loben anderer. „Die Meinung anderer wird zum Maßstab des moralisch Richtigen“. „Die harmonische zwischenmenschliche Beziehung“ ist im Vordergrund. Laut Kohlberg befinden sich die meisten Frauen auf dieser Stufe (vgl. Stangl 2007b).

In der 4. Stufe der sogenannten „Law and order Orientierung“ geht es darum, sich an vorgegebene Regeln zu halten und die „soziale Ordnung aufrecht zu erhalten“, da die Regeln als „Gewährleistung für das Funktionieren der Gemeinschaft“ betrachtet werden (vgl. Stangl 2007b).

Ist das Individuum im postkonventionellen Stadium, und zwar in der 5. Stufe, strebt es danach „moralische Werte und Prinzipien zu finden, die ihre Gültigkeit und Bedeutung unabhängig von der Autorität von Gruppen oder Menschen haben, die diese Prinzipien vertreten, aber auch unabhängig von der Identifizierung des einzelnen mit diesen Gruppen.“ Es sind meist die Erwachsenen die dieses Stadium erreichen (vgl. Stangl 2007b). Die Konzentration liegt hier auf „inneren ethischen Werten, deren Gültigkeit nicht von der Zustimmung anderer abhängt (vgl. Mietzel 2002, S. 285).

Die sechste Stufe ist das „Stadium des sozialen Kontraktes bzw. der gesellschaftlichen Nützlichkeit“. Für den Menschen ist klar, dass „abgesehen von dem, worauf man sich verfassungsmäßig und demokratisch geeinigt hat, das Recht eine Angelegenheit der persönlichen "Werte" und "Meinungen" ist.“ (Stangl 2007b).

Mit seinen Untersuchungen belegte Kohlberg eine seiner Annahme und zwar, dass jedes Kind die von ihm definierten Stufen in einer festgelegten Reihenfolge durchlaufen muss, um sich moralisch weiter zu entwickeln. Überdies bewies Kohlberg, dass die „Universalitätsklausel“ gilt, was bedeutet, dass sein Stufenmodell in unterschiedlichen Kulturen gültig ist (vgl. Stangl, 2007b).

Vergleich Kohlberg - Piaget

Während Piaget der Meinung war dass „die moralische Entwicklung im Alter von 11 Jahren beendet ist, war Kohlberg anderer Meinung.“ (vgl. Mietzel 2002, S. 282). Lawrence Kohlberg entwickelte – ausgehend von Piaget’s Modell ein „Stufenmodell welches aus 3 Hauptniveaus und sechs Stadien moralischen Verhaltens besteht. Um dieses Modell zu entwickeln und dessen Gültigkeit zu beweisen, stellte er vielen Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters verschiedene moralische Konfliktsituationen („moralische Dilemmatas) vor, ließ sie Antwortalternativen wählen, stellte – je nach Antwort- vertiefende Fragen und ordnete deren Antworten den Stufen und Stadien zu (vgl. Stangl 2007a).

Kohlberg ging, genauso wie Piaget, davon aus, dass das moralische Denken mit dem logischen Denken in Zusammenhang steht. Als Konsequenz folgerte er daraus, dass sich das moralische Denken gemeinsam mit dem logischen Denken weiter entwickelt. Gleichzeitig weist Kohlberg darauf hin, dass die Entwicklung unseres logischen Denkvermögen nicht bedeutet, dass sich unsere moralische Entwicklung im selben Umfang entwickeln muss. Dies war unter anderem ein Grund dafür, warum für die einzelnen Stadien und Stufen keine Altersangaben gemacht wurden (vgl. Colby & Kohlberg, zit. nach Stangl 2007a).

Wichtig ist noch, dass die Stadien von Kohlberg nicht in einer gewissen Reihenfolge absolviert werden müssen. Auch kann nicht jede Person jede Stufe durchlaufen und nur gewisse Personen wie zB. Martin Luther King oder Ghandi können überhaupt die letzte Stufe der „universalen und ethischen Prinzipien“ erreichen (vgl. Colby & Kohlberg zit. nach Stangl 2007d). Im Vergleich dazu, werden die Phasen bei Piaget in Stufen absolviert, das heißt, dass jede Person alle Phasen durchläuft.

Moralische Entwicklung im Geschlechts- und Kulturvergleich

Zu Kohlbergs Theorie wurden einige Kritikpunkte vermerkt, nämlich erstens, dass er erstens keinen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Moral macht und zweitens, dass sich seine Theorien nur mit nordamerikanischen und westeuropäischen Kulturen beschäftigen und diese nicht auf traditionelle Kulturen anwendbar seien, ohne diese zu diskriminieren (vgl. Mietzel 2002b, S. 346).

Daher werden wir nun als erstes speziell auf die Moralentwicklung bei Mädchen und Jungen eingehen und ob es einen Unterschied gibt und anschließend auf Kulturunterschiede und ob hier ein Unterschied vorhanden ist.

Schon Kleinkinder erwarten das Eingreifen von Führungspersonen bei Ungerechtigkeit

Man vermutet, dass sich die Erwartungen an führungsbezogene Machtasymmetrien im Laufe der Menschheitsgeschichte allmählich entwickelt haben, wobei einige dieser Erwartungen die Verantwortung der Führungskräfte gegenüber ihren Anhängern betreffen. Insbesondere wird von den Führungskräften erwartet, dass sie bei gruppeninterne Übertretungen eingreifen und gegen die Übeltäter vorgehen. Stavans & Baillargeon (2019) haben in mehreren Experimenten untersucht, ob schon 17 Monate alte Kleinkinder solche Erwartungen an Führungskräfte teilen. Die Kinder saßen etwa auf dem Schoß eines Elternteils und bekamen ein Puppenschauspiel zu sehen, in dem drei Bären in verschiedenfarbigen Overalls agierten, wobei der rote Bär Anweisungen gab, die die beiden anderen diese zu befolgen hatten. Um für die Kinder als „Leader-Bär“ zu gelten, reichte es übrigens auch schon aus, deutlich größer zu sein als die beiden anderen Bären. Als eine Fairnessüberschreitung auftrat, erwarteten die Kinder, dass der Anführer eingreifen und diese Überschreitung korrigieren würde. Offenbar sind solche abstrakten Erwartungen an die Verantwortung von Führungskräften bereits im zweiten Lebensjahr vorhanden. Kinder schreiben offenbar den Anführern sozialer Gruppen schon sehr früh bestimmte Eigenschaften zu, etwa auch ungerechtes Verhalten zu bekämpfen. Diese Ergebnisse unterstützen also die These, dass eine abstrakte Erwartung von Autorität ein grundlegender Teil der menschlichen Moral ist, wobei diese offenbar mit der Evolution des Menschen entstanden ist. Um zu überleben und Herausforderungen zu meistern, die Einzelne übersteigen, mussten die Vorfahren in Gruppen gemeinsame Handlungen zu koordinieren, wobei sich eine Anführerschaft entwickelt hat, die auch für das Einhalten von Gruppenregeln zuständig ist. Die Anlage dazu gibt es offenbar bis heute, wobei diese universal und nicht kulturabhängig ist. (Stangl, 2019).

 

Geschlechtsvergleich

Carol Gilligan (zit. nach Mietzel 2002b, S. 346), die eine Mitarbeiterin von Kohlberg war, beschuldigt ihn, keinen Unterschied zwischen einer weiblichen und männlichen Moral zu machen. Deshalb führte sie Kohlbergs Heinz-Studie (ein Mann der für seine todkranke Frau ein Krebsmittel aus einer Apotheke stehlen will) noch einmal unter dem Gesichtspunkt des Geschlechtes durch.

Während der Junge sich sofort für den Diebstahl entschied und dies begründete, indem er das Leben eines Menschen über den Wert des Geldes stellte, hatte das Mädchen bedenken. Sie bezog auch die Auswirkungen des Diebstahls mit in ihre Überlegungen ein (vgl. Gilligan, zit. nach Mietzel 2002b, S. 346).

Aber Gilligan (zit. nach Mietzel 2002b, S. 346f) geht noch weiter und befindet, dass Menschen ihre moralischen Urteile aufgrund von Werten, die den Geschlechtern zugeschrieben werden, treffen. Während „Gerechtigkeit und Fairness“ männliche Attribute darstellen, gelten „Mitgefühl, soziale Verantwortung und Fürsorge“ als weibliche. Das Mädchen versucht daher die Fragestellung mit Zuhilfenahme von persönlichen Gesprächen zwischen dem Mann und dem Apotheker zu lösen. Im Gegenzug dazu, ist die Basis der Lösung des Jungen das herrschende Gesetz, wobei er jedoch eine großzügige Auslegung dessen plädiert, da der Mann nur im Interesse seiner Frau handelt. Gilligan bezeichnet diese zwei verschiedenen Moralansichten als die „weibliche Fürsorgemoral“ und die „männliche Gerechtigkeitsmoral“.

Gilligans Behauptungen wurden mehrfach überprüft und Clopton und Sorell (zit. nach Mietzel 2002b, S. 347) kommen zu dem Schluss, dass eine Unterscheidung in diese zwei oben genannten Moralansichten als nicht zuverlässig gelten. Ihrer Meinung nach unterscheiden sich beide Geschlechter nicht in ihrer Orientierung an Fürsorge und Gerechtigkeit, wenn man diese vor eine gleiche Konfliktsituation stellt.

Nunner-Winkel (zit. nach Mietzel 2002b, S. 347) sagt noch dazu, dass die „Fürsorgeorientierung von persönlicher Betroffenheit abhängt, nicht aber von der Geschlechtszugehörigkeit“.

Kulturvergleich

Um einen Kulturvergleich möglich zu machen, muss zuerst auf die Widersprüche in Bezug Entscheidungen und deren Begründungen eingegangen werden.

Turiel (zit. nach Mietzel 2002a, S. 286) fand heraus, dass bestimmte Antworten auf Situationen, bestimmten Regeln unterliegen, nämlich einerseits den sozial-konventionellen Regeln und andererseits den moralischen Regeln. Während Konventionen, Vereinbarungen sind, die durch Autoritäten geändert werden können und deren Änderung keinen unmittelbaren Schaden anrichtet, entziehen sich moralische Regeln der Willkür. Das heißt, diese Regeln dürfen nicht einfach geändert werden, denn ihnen liegt das Grundverständnis über die Gerechtigkeit zugrunde (vgl. Mietzel 2002a, S. 286).

Nucci & Smetana (zit. nach Mietzel 2002a, S. 286f) befinden, dass schon Kinder im Alter von 2,5 bis 3 Jahren eine Unterscheidung zwischen Moral und Konventionen machen. Beispielsweise sehen sie es als nicht so starken Verstoß an, wenn einmal ein „Bitte“ bei einer Frage vergessen wird, doch Schlagen oder Stehlen wird als großer Regelverstoß wahrgenommen. Nucci & Smetana (zit. nach Mietzel 2002a, S. 286f) führen dies auf das Verhalten der Eltern zurück, denn diese verleihen moralischen Regeln und deren Verstoß mehr Nachdruck als bei einem Vergehen gegen die Konventionen.

Auch Kinder aus anderen Kulturen machen eine Unterscheidung zwischen Moral und Konventionen, doch können deren Urteile anders ausfallen, da eine Gemeinschaft durch Normen geprägt wird. Diese Normen sind jedoch von Land zu Land verschieden, da diese durch Kultur, Religion und Tradition beeinflusst wird. Es kann also sein, dass bestimmte Verhaltensweisen in einem Land normal sind, aber in einem anderen abgelehnt werden, da jedes Land kulturspezifische moralische Normen aufweist (vgl. Montada zit. nach Stangl 2007d).

Besondere unterschiede gibt es zwischen dem asiatischen Raum und dem westlichen- und nordamerikanischen Lebensstil. Während in der asiatischen Kultur das Wohlbefinden der Gemeinschaft als ihr oberstes und wichtigstes Ziel ansehen, steht in der westlichen Welt das Wohlbefinden des Individuums an erster Stelle (vgl. Mietzel 2002a, S. 349).

Beispielsweise würde im asiatischen Raum ein Nicht-grüßen der Eltern als grober Verstoß gegen die Moral angesehen, da dort Tradition noch immer eine sehr große Rolle spielt und die Eltern dort hoch geschätzt werden. In einem westlichen Land würde dies zwar als unhöflich gelten, doch es wäre kein schlimmer Regelverstoß, sondern nur ein Verstoß gegen die Konvention (vgl. Mietzel 2002a, S. 287).

Auch gibt es Unterschiede in der Auffassung der Moral, die durch die Normen beeinflusst wird. Während beispielsweise Diebstahl für westliche Kinder, ganz egal unter welchen Umständen, als moralisch verwerflich gilt, ist für asiatische Kinder Diebstahl unter bestimmten Umständen möglich. Dies wurde in einer Studie von Joan Miller und David Bersoff (zit. nach Mietzel 2002b, S. 348) festgestellt. In der Geschichte, die der Studie zugrunde liegt, geht es darum, ob ein Diebstahl eines Zugtickets gerechtfertigt ist, um zur Hochzeit des besten Freundes zu gelangen und ihm die Eheringe zu bringen. Wie bereits erwähnt, verneinten westliche Kinder diese Frage, doch indische Kinder bejahten diese, mit der Begründung, dass das Wohlergehen der Gemeinschaft mehr Wert sei.

Im interkulturellen Vergleich haben auch die Geschlechter und deren spezifische Rechte und Pflichten einen Einfluss auf moralische Normen (vgl. Montada, zit. nach Stangl 2007d).

Intelligenz und Moral

Beißert & Hasselhorn (2016) haben in einer Untersuchung an Grundschulkindern gezeigt, dass sich das moralische Denken unabhängig von ihrer Intelligenz entwickelt. Die Intelligenz der Grundschulkinder wurde mit dem CFT 1 (Weiß & Osterland, 1997) erhoben, für die Erfassung der moralischen Entwicklung wurden Bildergeschichten vorgelegt, in denen die Hauptfiguren moralische Regeln brechen, indem sie etwa Sßsigkeiten von Gleichaltrigen stehlen oder deren Sachen verstecken oder jemanden hänseln. Die Kinder sollten die Aktionen der Bildgeschichten nicht nur bewerten, sondern sich auch in Opfer und Täter hineinversetzen und mit Likert-Skalen das Empfinden für moralisches Verhalten registriert. Dabei konnte keine korrelative Beziehung zwischen der Intelligenz und dem moralischen Denken der Kindern festgestellt werden. Im Gegensatz dazu haben Studien mit Jugendlichen und Erwachsenen einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und moralischen Urteilen ergeben.

Literatur

Beißert, Hanna & Hasselhorn, Marcus (2016). Individual differences in moral development. Does intelligence really affect children's moral reasoning and moral emotions? Frontiers in Psychology, doi: 10.3389/fpsyg.2016.01961.

Meyers Lexikonverlag (2007). Moral. Hrsg. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus.AG. Online im Internet: WWW: http://lexikon.meyers.de/index.php?title=Moral&oldid=186859 (07-11-10).

Mietzel, G. (2002a). Wege in die Entwicklungspsychologie. Kindheit und Jugend. Kognitive Entwicklung im Grundschulalter. Weinheim: BeltzPVU. S. 277-291.

Mietzel, G. (2002b). Wege in die Entwicklungspsychologie. Kindheit und Jugend. Adoleszenz und entstehendes Erwachsenenalter: Kognitive Entwicklung. Weinheim: BeltzPVU. S. 345-350.

Schneider, W. (2003). Schlussfolgerungen aus den Arbeiten von Nunner-Winkler. Online im Internet: WWW: http://www.psychologie.uni-wuerzburg.de/i4pages/Download/Schneider_Lehramt/Psycho3-Entwicklung/01-21-03.pdf (07-11-05).

Stangl, W. (2007a). Die moralische Entwicklung. Online im Internet: WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MORALISCHEENTWICKLUNG/default.shtml (07-11-07).

Stangl, W. (2007b). Das Modell der moralischen Entwicklung nach Lawrence Kohlberg. Online im Internet: WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MORALISCHEENTWICKLUNG/Kohlbergmodell.shtml (07-11-07).

Stangl, W. (2007c). Jean Piaget – Kurzbiographie. Online im Internet: WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTSPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/PIAGET/default.shtml (07-11-04)

Stangl, W. (2007d). Die moralische Entwicklung von Jugendlichen. Online im Internet: WWW: https://www.stangl.eu/psychologie/entwicklung/Moralische-Entwicklung.shtml (07-11-06).

Stavans, Maayan & Baillargeon, Renée (2019). Infants expect leaders to right wrongs. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1820091116.



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