[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Keine Macht den Drogen - No DrugsRitalin (Methylphenidat)

Ritalin gehört zur Gruppe der Amphetamine und unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz, daher ist jede Verschreibung meldepflichtig. Es ist anregend und produziert pharmakologische Effekte, die denen von Kokain und anderen Amphetaminen ähnlich sind. Methylphenidat wird auch für die Behandlung der Narkolepsie (eine Schlaf-Wach-Störung mit Symptomen wie Tagesschläfrigkeit, Kataplexie, fraktioniertem Nachtschlaf, auch übersetzt als "unerholsamer Schlaf") eingesetzt. Die Zunahme der Produktion und Verwendung dieser Droge in den letzten Jahren kann jedoch im Wesentlichen auf die Behandlung von ADD-Kindern zurückgeführt werden. Eine zunehmende Anzahl von Mißbräuchen ist in neuerer Zeit auf Jugendliche zurückzuführen, die Methylphenidate wegen ihrer anregenden Wirkungen nehmen: zur Vertreibung von Müdigkeit, zur Aufmerksamkeitssteigerung, um nächtelang studieren zu können oder um die euphorisierende Wirkung zu erleben. Pharmazeutische Tabletten werden zumeist oral eingenommen oder auch pulverisiert nasal. Einige Abhängige lösen die Tabletten in Wasser und spritzen, wobei die unlöslichen Füllmittel der Tablette kleine Blutgefäße verstopfen und ernsthafte Schäden in der Lunge und der Augennetzhaut verursachen können. Mitte der 90er Jahre wurde in den USA das Medikament zur Party-Droge, das Schulkinder in pulverisierter Form wie Kokain schnupften.

Historisches: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstehen immer mehr Wirkstoffe, die auf die Nervenzellen des Gehirns Einfluss nehmen. Dem jungen Chemiker Leandro Panizzon gelingt 1944 in einem Labor der Schweizer Firma CIBA einen neuen Wirkstoff zu synthetisieren: Methylphenidat. Auch Panizzons Gattin versucht das Mittelchen. Sie hat den Namen Marguerite, Spitzname Rita, und nimmt es zur Verbesserung ihres Tennisspiels, weil sie sich damit besser auf ihre Aufschläge konzentrieren kann. Ihr zu Ehren nennt man das Präparat Ritalin. 1954 lässt CIBA es sich patentieren.

Wirkungen und Nebenwirkungen

Ritalin soll nach Herstellerangaben Kindern mit "hyperkinetischen Verhaltensstörungen im Rahmen einer Gesamttherapie" verordnet werden. Es ist kein Heilmittel, sondern unterdrückt lediglich Symptome und muß daher kontinuierlich eingenommen werden. Ob Ritalin abhängig macht, ist umstritten. Wirkungen nach Rätsch (1998):

Mögliche Nebenwirkungen sind Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden. Niedrige orale Dosen (2,5-20 Milligramm) führen zu Reaktionen, die den biochemischen Vorbereitungen des Körpers in Schreck-, Flucht- oder Angriffsreaktion entsprechen: erhöhter Blutdruck, beschleunigter Puls, entspannen der Bronchialmuskulatur, gesteigerte Aufmerksamkeit, Euphorie, Erregung, Wachheit, ein vermindertes Müdigkeitsgefühl, Appetitverlust, Stimmungsaufhellung, verstärkte motorische Aktivität und Rededrang, die Leistungsfähigkeit nimmt kurzzeitig zu, Geschicklichkeit und Feinmotorik können sich verschlechtern. Diese unerwünschten Wirkungen klingen mit steigender Therapiedauer oft ab. Weitere Nebenwirkungen sind Übererregbarkeit, Müdigkeit, Traurigkeit, Ängstlichkeit, Weinerlichkeit, Kopfschmerzen Schwindel, Gewichtsverlust, Mundtrockenheit, Durchfall und Verstopfung. In mäßigen Dosen (20-50 Milligramm) kommt es zur Stimulierung der Atmung, leichtem Zittern, Unruhe, weitere Steigerung der motorischen Aktivität, Schlafstörungen und ausgeprägteren Erregungszuständen. Müdigkeit und Appetit werden stärker unterdrückt. Überdosierung führt z.B. zu Krämpfen, Fieber, Zittern bis hin zu Kreislaufkollaps und Atemlähmung. Diese unerwünschten Wirkungen klingen mit andauernder Einnahme häufig ab. Nach längerer Anwendung können beim plötzlichen Absetzen ausgeprägte Depressionen und Müdigkeit als Entzugssyndrom auftreten. Die vollständige Normalisierung des Schlafmusters kann einige Wochen dauern. Wechselwirkungen beim Mischkonsum mit anderen Substanzen sind risikoreich: Mit Alkohol sind Wechselwirkungen nicht kalkulierbar, eine Alkoholvergiftung ist möglich. Cannabis kann die Wirkung von Ritalin verstärken, es können Halluzinationen auftreten! Mit Ecstasy eingenommen wird der Kreislauf stark belastet, ein stärkerer Flüssigkeitsverlust ist möglich. Ängstliche Personen, Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Schilddrüsenüberfunktion und psychischen Erkrankungen (Schizophrenie, Tourette-Syndrom, Depression etc.) und Schwangere sollten kein Ritalin konsumieren. Eine Studie des M. D. Anderson Cancer Center (Universität Texas) äußert die Vermutung, dass Methylphenidat möglicherweise krebserregend ist. In dieser Studie zeigten sich bei 12 Kindern (Standarddosengabe) nach drei Monaten chromosomale Abweichungen (wie z.B. Mutationen). Der Zusammenhang zwischen chromosomalen Abweichungen und Krebs ist gut dokumentiert.

Gewöhnungseffekt

In einer Langzeitstudie von Gene-Jack Wang et al. (2013) zeigte bei erwachsenen ADHS-Patienten die Langzeiteinnahme des Stimulans Ritalin im Belohnungszentrum eine Zunahme jenes Eiweißes (Dopamin-Transporter), das durch das Medikament eigentlich gehemmt werden sollte , was darauf hindeutet, dass mit der Zeit eine Toleranz gegen der Droge entsteht, wodurch das Absetzen von Ritalin die Symptomatik verstärken würde. Nach dem Ende der einjährigen Einnahme hatte bei den Betroffenen die DAT-Verfügbarkeit in manchen Hirnarealen des Belohnungszentrums (Putamen, Caudate, ventrales Striatum) um bis zu 24 Prozent zugenommen. Man vermutet, dass die Zunahme eine Reaktion der Zelle auf die gestiegene Konzentration des Botenstoffs im synaptischen Spalt darstellt.

Schmidt (o.J.) berichtet über die Entstehungsgeschichte: "Es begann alles damit, dass der Pharma-Chemiker L. Panizzon im Jahre 1944 rein zufällig Methylphenidat entdeckte, wovon seine Frau Rita naschte und die belebende Wirkung lobte, weswegen der Stoff dann auch "Ritalin" getauft wurde. Man hatte also nicht ein Medikament zur Therapie einer bereits existierenden Krankheit gesucht oder gefunden, sondern zufällig einen Wirkstoff (ein Amphetaminderivat), von dem man noch gar nicht recht wusste, wofür er zu gebrauchen sein könnte. K. Conners und L. Eisenberg gaben dann später einen verwandten Wirkstoff, Dexedrine, versuchsweise an zwei Schulklassen mit farbigen Unterschichtkindern in Baltimore, USA. Und siehe da: das ansonsten nervige und rüpelhafte Verhalten der Schüler "normalisierte" sich auffallend. Es war ein Mittel gefunden, das Verhalten der Kinder an Ghetto-Schulen chemisch zu beeinflussen. Man bemerke: Es lagen nicht irgendwelche medizinischen Diagnosen bei den Kindern zugrunde. Es waren einfach verhaltensschwierige Ghetto-Kids, deren Sozialverhalten chemisch angepasst werden sollte, anstatt an ihren chronisch traumatisierenden psychosozialen Verhältnissen sozialpolitisch etwas zu verbessern. Aber damit hatte man immer noch keine richtige Krankheit gefunden, gegen die das Mittel helfen sollte. Denn dass man verhaltensschwierige und psychosozial benachteiligte Kinder mit einem Psychopharmakum einfach nur chemisch ruhigstellt, hätte natürlich niemand so ohne weiteres akzeptieren können. Das wäre ein Skandal gewesen. Also musste man eine offizielle medizinische Krankheit finden, denn anders ließ sich das Mittel auch nicht erfolgreich vermarkten. Zunächst verfiel man auf die Idee, dass Kinder eben krank seien, wenn das Mittel bei ihnen wirkte, wenn nicht, waren sie einfach gesund. Man nannte die Krankheit zunächst "funktionelle Verhaltensstörung", was die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA aber bald untersagte, weil es zu unspezifisch sei. Prompt wurde das Leiden umbenannt in "minimale zerebrale Dysfunktion (MCD)", was sich aber wissenschaftlich auch als unbauchbares Konstrukt erwies (z.B. Schmidt, M.H. 1992). Daraufhin geisterte das Syndrom "hyperkinetische Störung" durch Kindergärten und Schulen, bis der amerikanische Psychiatrieverband endlich das Kürzel "ADHS" erfand (nach Blech 2003)."

Aufmerksamkeitsstörungen wurde um die Jahrtausenwende zur "Modediagnose". Fachleute warnen daher vor einer bedenkenlosen Anwendung des Arzneimittels, denn nicht jedes unruhige, lebhafte Kind ist hyperaktiv. Kinderärzte und -psychiater sind mit der exakten Diagnose überfordert und greifen auch bei anders gearteten Störungen vorschnell zum Ritalin-Rezept. Ritalin beeinflußt den Stoffwechsel des Gehirns, so die gängige Theorie. In den Hirnregionen, in denen Aufmerksamkeit und Bewegung gesteuert werden, fehlt der Neurotransmitter Dopamin. Neurotransmitter sind chemische Substanzen, die an den Synapsen (Endungen von Nerven) freigesetzt werden und bei der Kommunikation der Neuronen vermittelnd eingreifen. Sie haben also die Funktion eines Botenstoffes. Dopamin ist so ein Signalübertragungsstoff und beeinflußt im zentralen Nervensystem emotionale und geistige Reaktionen und steuert Bewegungsentwürfe, z.B. die Mimik. Störungen im Dopaminhaushalt werden bei verschiedenen Erkrankungen beobachtet bzw. vermutet: So ist z.B. die Parkinson-Krankheit (Schüttellähmung) auf einen Dopaminmangel in bestimmten Bereichen des Gehirns zurückzuführen. Auch bei Schizophrenie dürfte ein Ungleichgewicht im Vergleich zum gesunden Menschen vorliegen. Neben seiner Funktion als erregender Neurotransmitter ist das Dopamin als Vorstufe des Noradrenalin und Adrenalin von Bedeutung. Durch das Fehlen von Dopamin ist die Datenverarbeitung im Gehirn gestört. Warum das so ist, haben die Forscher bisher nicht entschlüsselt. Ebensowenig wissen sie, was bei der Einnahme von Ritalin im Gehirn tatsächlich passiert und warum man die meist hyperaktiven Kinder mit einem aufputschenden Mittel paradoxerweise so weit beruhigen kann, dass sie dem Unterricht folgen und für einige Stunden angemessen funktionieren können. So haben z.B. Forschungsarbeiten gezeigt, dass bei intravenöser Applikation Methylphenidat den Transportmechanismus DAT des Neurotransmitters Dopamin blockiert, wodurch die Dopaminkonzentration im Gehirn steigen kann. Es war aber nicht bekannt, inwieweit die üblicherweise bei ADHD oral eingenommenen therapeutischen Mengen (in den USA häufig 10 - 20 mg/ 2-4 mal täglich) ebenfalls zu einer signifikanten Änderung des Dopamin-Levels führt. Nora D. Volkov et al. ist es gelungen, die Änderung des Dopamin-Levels nach der Einnahme von Methylphenidat-Tabletten zu messen. Dabei zeigte sich, dass der Wirkstoff auch bei oraler Einnahme den Transportmechanismus blockiert (im Versuch zu 50 - 75%) und dadurch zu der angestrebten Erhöhung der Dopamin-Konzentration beiträgt. Diese Erhöhung fiel allerdings bei den Testpersonen in recht unterschiedlichem Ausmaß aus. Die Ursache dafür soll noch weiter untersucht werden, da hier die Antwort dafür liegen könnte, warum das Medikament nicht bei allen Patienten (gleich) wirkt. Das Ergebnis des New Yorker Forscherteams paßt zu anderen Forschungsergebnissen, die bei ADHD Patienten eine erhöhte Tätigkeit des Transportmechanismus DAT gefunden haben, wodurch der Botenstoff Dopamin zu schnell aus den Zellen entfernt wird. An der Untersuchung nahmen 11 Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren teil. Die Testpersonen litten nicht unter ADHD. Die Wissenschafter meinen, dass es keinen Grund gibt daran zu zweifeln, dass die Dopamin-Konzentration auch bei ADHD-Patienten nach Einnahme von Methylphenidat steigt. Das Ausmaß dieser Steigerung könnte allerdings unterschiedlich sein. Auch müsse noch durch weitere Forschungsarbeiten geklärt werden, ob die Wirkung des Medikaments auf den Transportmechanismus DAT bei dauerhafter Anwendung nachläßt. Die Wirkung von Methylphenidat wurde mit Hilfe des Abbildungsverfahrens PET (Positronen- Emissions- Tomographie) im Striatum, einem Teil des Endhirns, gemessen. Die Ergebnisse dieser Studie haben zusätzliche Erkenntnisse über die Wirkung von Ritalin (hier wird der Wirkstoff meist gespritzt) bei mißbräuchlicher Verwendung durch Drogenkonsumenten gebracht.Die Einnahme als Tablette hat offensichtlich nicht den gleichen von Drogenkonsumenten erwünschten Effekt. Aus dieser Beobachtung ergibt sich die Frage, ob der Wirkstoff Methylphenidat möglicherweise bei oraler Einnahme nicht bzw. zu wenig wirkt. Die Forscher führen in ihrem Bericht im Journal of Neuroscience an, dass die Dopaminkonzentration bei oraler Einnahme im vergleichbarem Ausmaß zur intravenösen Applikation steigt. Trotzdem hätten die Testpersonen kein "High"-Gefühl berichtet, wie Testpersonen in früheren Studien, die den Wirkstoff intravenös verabreicht bekamen. Das führen die Wissenschafter auf die unterschiedliche Zeitspanne bis zur vollen Wirkung zurück. Nach der intravenösen Applikation steigt die Dopaminkonzentration innerhalb weniger Minuten, bei oraler Einnahme dauert es circa 1 Stunde, bis die volle Wirkung erreicht ist und dieser längere Zeitraum gibt den Körper die Gelegenheit zur langsamen Anpassung.

Wie wirkt Methylphendidat?

Menschen mit ADHS oder anderen kognitiven Störungen bekommen häufig den Wirkstoff Methylphendidat verschrieben, das ihnen unter anderem dabei helfen soll, sich besser zu konzentrieren, doch zunehmend nutzen aber auch nicht von dieser Störung betroffene dieses Mittel im Zuge eines Hirndopings, um ihr Gedächtnis oder allgemein ihre geistige Leistungsfähigkeit zu steigern. Methylphendidat und verwandte Medikamente greifen tief in den Gehirnstoffwechsel ein, indem sie die Rezeption von Neurotransmittern wie Dopamin hemmen, sodass die Konzentration dieser Botenstoffe im Gehirn ansteigt. Allerdings ist unklar, ob die erhöhten Dopaminwerte dann direkt die Leistungsfähigkeit steigern oder eher indirekte Effekte für die beobachtete Wirkung verantwortlich sind. Dopamin spielt sowohl für Lernprozesse und das Arbeitsgedächtnis, als auch für Gefühle der Belohnung und Motivation eine Rolle, wobei Methylphendidat womöglich dafür verantwortlich ist, dass Menschen motivierter sind. Westbrook et al. (2020) haben ein Modell dafür entwickelt, dass Dopamin dazu führen könnte, dass sich das Gehirn bei Kosten-Nutzen-Rechnungen stärker auf den Nutzen fokussiert. Die Kosten und Nutzen einer Tätigkeit abzuwägen ist eine fundamentale Gehirnfunktion, die meist unbewusst abläuft. Westbrook et al. (2020) haben diese Annahme in einem Experiments überprüft, indem sie zunächst die natürliche Dopaminkonzentration im Stratium - es steuert das Zusammenwirken von Emotion, Motivation, Kognition und Bewegung - bei ihren Probanden dokumentierten. In einer Reihe von Kognitionstests hatten diese dann die Wahl zwischen schwierigen und leichten Aufgaben, wobei ihnen bei einem hohen Schwierigkeitsgrad höhere Beträge als Belohnung versprochen wurden. Es zeigte sich, dass das Entscheidungsverhalten auch von den Dopaminwerten abhing, wobei Menschen, die weniger Dopamin produzierten, kognitive Herausforderungen eher vermieden und empfänglicher für die mit den schwierigen Aufgaben verbundenen Kosten waren. Probanden mit hohen Dopaminwerten konzentrierten sich also vorwiegend auf das Geld, d. h., sie waren stärker auf den Nutzen fokussiert. Man könnte daraus schließen, dass Methylphendidat nur indirekt die Leistungsfähigkeit steigert, indem es die Motivation erhöht. Demnach steigert Dopamin schon in einem frühen Zeitpunkt im Entscheidungsprozess den Willen, sich für das Erreichen eines Ziels kognitiv anzustrengen, sodass man sich letztlich besser konzentriert und eine Aufgabe erfolgreicher absolviert.

Wie Methylphenidat im Gehirn wirkt

Man vermutete bisher zwar, dass Methylphenidat die dopaminerge Neurotransmission im Nucleus accumbens und die damit verbundenen Hirnschaltkreise beeinflusst, doch wurde diese Hypothese bisher nicht systematisch überprüft. Mizuno et al. (2022) haben eine randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Crossover-Studie mit 27 Kindern mit ADHS durchgeführt, wobei die Kinder mit ADHS zweimal mit funktioneller Magnetresonanztomographie im Ruhezustand unter Methylphenidat- und Placebo-Bedingungen gescannt und die anhaltende Aufmerksamkeit bewertet wurden. Man untersuchte dabei die spontane neuronale Aktivität in der Nucleus accumbens und den Salienz-, Frontoparietal- und Default-Mode-Netzwerken sowie deren Zusammenhang mit Verhaltensänderungen. Methylphenidat steigerte dabei die spontane neuronale Aktivität im Nucleus accumbens sowie in den Salienz- und Standardmodus-Netzwerken. Methylphenidat-induzierte Veränderungen der spontanen Aktivitätsmuster im Default-Mode-Netzwerk waren mit Verbesserungen der intraindividuellen Reaktionsvariabilität während einer Aufgabe zur anhaltenden Aufmerksamkeit verbunden. Trotz der Unterschiede in den klinischen Studienprotokollen und den Datenerfassungsparametern zeigten die Nucleus accumbens und die Netzwerke der Aufmerksamkeit und des Standardmodus in zwei unabhängigen Kohorten reproduzierbare Muster von Methylphenidat-induzierten Veränderungen der Spontanaktivität. Diese Ergebnisse können als Belege dafür gelten, dass Methylphenidat die spontane neuronale Aktivität im Nucleus accumbens und in kognitiven Kontrollnetzwerken bei Kindern mit ADHS steigert, was zu einer stabileren anhaltenden Aufmerksamkeit führt. Diese Ergebnisse zeigen auch einen neuartigen neuronalen Mechanismus auf, der der Methylphenidat-Behandlung bei ADHS zugrunde liegt und der die Entwicklung klinisch nützlicher Biomarker für die Bewertung von Behandlungsergebnissen ermöglicht. Die Methylphenidat-Effekte auf die spontane neuronale Aktivität wurde in einer zweiten unabhängigen Kohorte untersucht. 
Literatur
Mizuno, Yoshifumi, Cai, Weidong, Supekar, Kaustubh, Makita, Kai, Takiguchi, Shinichiro, Silk, Timothy J., Tomoda, Akemi & Menon, Vinod (2022). Methylphenidate Enhances Spontaneous Fluctuations in Reward and Cognitive Control Networks in Children With Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging, doi:10.1016/j.bpsc.2022.10.001.
Stangl, W. (2023, 6. Februar). Wie Methylphenidat im Gehirn wirkt. Stangl notiert ….
https://notiert.stangl-taller.at/gehirnforschung/wie-methylphenidat-im-gehirn-wirkt/.

Methylphendidat als Ersatzdroge?

Ritalin greift also wie Kokain in den Dopaminstoffwechsel ein, sodass es Kokainabhängigen helfen könnte, von der Sucht wegzukommen vergleichbar Methadon bei Heroinsucht. Kokainabhängige können ähnlich wie Menschen mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ihre Impulse schlecht kontrollieren, also spontane Reaktionen schlecht unterdrücken. In einem Experiment in den USA erhielten Testpersonen, die 8 bis 18 Jahren lang regelmässig Kokain konsumiert hatten, Methylphenidat injiziert. Bei Reaktionstests am Computer unterzogen schnitten die Probanden besser ab als die Kontrollpersonen des Versuchs, die nur eine Salzlösung injiziert erhalten hatten. Im Gehirn der Testpersonen hatte dabei die Droge im präfrontalen Cortex auch die Aktivität der Nervenzellen verändert. Viele suchen aber den massiven Kick von Kokain und werden mit dem Ersatzstoff daher weniger anzufangen wissen als manche Heroinsüchtige mit Methadon, wobei auch Methadon bei einer beträchtlichen Anzahl von Heroinkonsumenten versagt und daher in manchen Ländern an diese Heroin abgegeben wird. Hohe Dosen von Ritalin können zumindest im im Belohnungszentrum des Gehirns von Mäusen Veränderungen verursachen, die jenen bei Kokainabhängigen ähneln. Nora Volkow, die Direktorin des Nationalen Instituts für Drogenmissbrauch in den USA warnte davor, Kinder und Jugendliche mit ADHS mit Ritalin oder ähnlichen Präparaten zu behandeln. Nach neueren Untersuchungen im Tierversuch verändert Methylphenidat die synaptischen Verknüpfungen in der Amygdala, sodass also eine über die Dauer der Anwendung hinaus bestehende Wirkung bestehen könnte. Ob dies positive oder doch eher nachteilig für den Anwender ist, lässt sich aus tierexperimentellen Studien schwerlich ableiten. ADD ist schwer zu diagnostizieren. Die aufwendigen Magnetresonanzaufzeichnungen des Gehirnstoffwechsels, mit denen amerikanische Forscher das Fehlen von Dopamin nachgewiesen haben, ist in der kinderärztlichen und kinderpsychologischen Realität nicht möglich. Somit ist die Gefahr, dass Ritalin auch Kindern verabreicht wird, deren Verhaltensauffälligkeit aus anderen Gründen herrührt, groß. Vor der Diagnose von ADD müssen andere Ursachen für auffälliges Verhalten abgeklärt werden:

Bei 70 bis 80 Prozent der Kinder treten nach der Einnahme von Ritalin die angestrebten Veränderungen im Verhalten ein. Ritalin ist jedoch kein Heilmittel. Das erwünschte Verhalten muß über andere Therapieformen eingeübt und gefestigt werden. In erster Linie ist eine Verhaltenstherapie angebracht, aber auch Entspannungsmethoden, Ergotherapie Übungen aus der Psychomotorik können hilfreich sein, eventuell auch homöopathische Präparate. In einer nicht zu unterschätzenden Zahl von Fällen kann eine Umstellung der Ernährung Erfolge bringen. Sowohl der grundsätzliche Verzicht auf Behandlung mit Methylphenidat als auch die ausschließliche Behandlung mit Methylphenidat ohne begleitende psychotherapeutische Interventionen sowie die Hochdosisbehandlung mit Methylphenidat sind nach der Stellungnahme der Fachverbände für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland als unzureichende Behandlungsstrategien abzulehnen.

Im Jahr 2010 wurden in der BRD Kindern und Jugendlichen 1,3 Millionen Tabletten mit Methylphenidat verabreicht, wobei es sich innerhalb von 17 Jahren um einen Anstieg um 5200 Prozent handelt, sodass zu fragen ist, warum es plötzlich so viele angeborene Transmitterstörungen geben soll. Eine auffällige Zahl von bewegungsunruhigen Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen sechs und 21 Jahren hatte man übrigens man auch in den Jahren ab 1947 beobachtet. Damals hat man eine Vielzahl nervöser Störungen, übergroße Schreckhaftigkeit, motorische Unruhe, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Schlaf- und Sprachstörungen bei Kindern diagnostiziert. Vermutlich waren es nach dem Krieg vielfältige Traumatisierungen wie der Zerfall von Familien, Trennungserfahrungen und ein abwesender oder traumatisierter Vater, d. h., es gab damals kein günstiges Milieu, das zur Kompensation der erlittenen Verwundungen hätte beitragen können. Auch heute fehlt im Zeitalter steigender Scheidungsraten in Familien oft die Stabilität und die Vaterfigur, was besonders für Knaben ein Problem darstellt. Manche Kinder sind heute zudem zu früh emotional sich selbst überlassen, d. h., es fehlt an Halt und Begrenzung, während Autonomie oft einseitig gefördert wird.

Die jetzt gegründete Arbeitsgruppe Entwicklungspharmakologie, die im Zusammenhang der Forschungen des Göttinger Neurobiologen Hüther entstanden ist, versucht dieses "Wundermittel" für gestresste Eltern wissenschaftlich zu untersuchen. Hüther weist darauf hin, dass es noch quasi keine Forschungen zu der Frage gibt, wie sich die Ritalin-Gabe auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns auswirkt. Experimente mit Kindern können aus ethischen Gründen nicht gemacht werden, aber solche mit Ratten weisen eindeutig darauf hin, dass Methylphenidat (Ritalin) die Ausreifung des dopaminischen Systems negativ beeinflußt. Auch Langzeitforschungen über Nebenwirkungen sind dünn gesät. Darüberhinaus ist die Theorie "Stoffwechselstörung" eine Annahme - zwar mittlerweile gängig, aber noch nicht bewiesen. Vor allem Ursache und Wirkung sind noch keinesfalls geklärt: Auch psychosoziale Einflüße verändern nämlich die Stoffwechselprozesse im Gehirn, so dass die einseitige Ursachenzuschreibung "genetischer Defekt des Stoffwechselsystems" auf sehr wackeligen Füßen steht. Ein Großteil der in der BRD tätigen (nicht-medizinischen) Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten steht dem neuen Trend, die ADD-Diagnose massenweise zu verteilen und mit Ritalin zu behandeln, ebenfalls sehr kritisch gegenüber. Ein Großteil der als ADD diagnostizierten Beeinträchtigungen sind bei genauer Diagnostik als andere psychische Störungen zu kennzeichnen, oder aber die ADD-Diagnose ist zumindest als alleiniger Verursacher der vorhandenen Probleme des Kindes sehr fraglich. Mittlerweile entsteht ein Trend, "normale", nur etwas lebhafte Kinder mit der ADD-Diagnose zu belegen und Ritalin zu verschreiben, gemäß der zirkulären Diagnose: wenn Ritalin wirkt, liegt ADD vor. Selbst die (medizinischen) Kinder- und Jugendpsychiater geben in ihren Leitlinien die Empfehlung zu sorgfältiger Differentialdiagnostik und zurückhaltender Medikation. Siehe z.B. die offizielle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie http://www.dgkjp.de/stellung.htm.

Man kann vermuten, dass es sich bei den Phänomenen, die heutzutage einfach unter der Diagnose ADD zusammengefaßt werden, um eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Phänomene mit unterschiedlichen Ursachen (teils neurophysiologisch, teils psychosozial, teils psychodynamisch) handelt. Insofern ist von einer rein symptomatologischen ADD-Diagnostik nicht viel zu halten und die standardmäßige Verschreibung von Ritalin, teils ohne Effektüberprüfung, müßte kritischer unter die Lupe genommen werden. Im Übrigen sollte man fragen, wer am meisten Interesse daran haben könnte, dass es so etwas wie eine organisch begründete "Krankheit" ADD gibt und mit Medikamenten behandelt wird, und das gleich massenweise ...

ADD steht für das englische "Attention-Deficit-Disorder" und bezeichnet eine Diagnose, welche primär durch erhebliche Beeinträchtigungen der Konzentration und Daueraufmerksamkeit, der Selbststeuerungsfunktionen, der Planungs- und Handlungskontrolle, durch Störungen der Impulskontrolle sowie fakultativ durch motorische Hyperaktivität gekennzeichnet ist (ADHD). Im deutschsprachigen Raum wird für die ADD/ADHD der Terminus ADHS und teilweise auch ADS verwendet. In der Schweiz ist ADD auch unter dem Begriff „POS" bekannt.
Kinder mit Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen (ADD -->) sind in ihrer psychischen Entwicklung, schulischen und beruflichen Bildung sowie sozialen Integration gefährdet. Übermäßige motorische Unruhe, gestörte Aufmerksamkeit, Impulsivität und leichte Erregbarkeit erschweren die Lebensführung, so dass der Leidensdruck groß ist. Die Störung hat danach Krankheitswert, sie ist deshalb von der WHO in den Katalog der seelischen Erkrankungen afgenommen worden.

Die Behandlung von Kindern mit hyperkinetischen Störungen sollte nur erfolgen, wenn sie sich auf eine Diagnostik stützt, die sich auf Untersuchungsbefunde zu störungsrelevanten körperlichen, kognitiven und psychischen Funktionen sowie sozialen Bindungen bezieht. Deshalb sind eine somatischneurologische Untersuchung (Körpergröße, Körpergewicht, Herzfrequenz, Blutdruck), eine Labordiagnostik (Differentialblutbild, Elektrolyte, Leberstatus, Schilddrüsen und Nierenfunktionswerte) ein Ruhe-EEG und eine kognitive Leistungsdiagnostik unerläßlich. Notwendig ist eine orientierende Familiendiagnostik und Verhaltensanalyse.
Die medikamentöse Behandlung ist Teil psychotherapeutischer und spezifisch pädagogischer Betreuung des Kindes in Kooperation mit Familie und ggfs. mit Kindergarten, Schule und anderen, das Kind betreuenden Einrichtungen. Die bloße Beschränkung auf die Pharmakotherapie mißachtet elementare Bedürfnisse und Ansprüche der Kinder und widerspricht den Regeln guter klinischer Praxis ebenso wie das Diagnostizieren oder Rezeptieren ohne Untersuchung.
Die ärztliche Therapiekontrolle hat regelmäßig Essverhalten, Wachstum, Herz- und Kreislauffunktionen sowie die allgemeine Verhaltensentwicklung (Auftreten von Tics?) zu überwachen, letzteres ggfs. unter Einsatz von eingeführten Skalen zur Verhaltenseinschätzung.


Literatur

Newsgroup: de.sci.psychologie:37019 Subject: Re: Prosac / Retalin Date: Wed, 4 Jul 2001 00:13:59

http://www.dgkjp.de/hyperkin.pdf (01-07-04)

http://home.snafu.de/gew-berlin/blz/archiv/2000/blz0010/blz1006.htm (01-08-18)

http://www.psychohelp.at/html4/psychologie_nachrichten/hyperaktivitaet/ritalin_dopamin.shtml (01-12-10)

Rätsch, Christian (1998). Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendung. Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges. Aarau.

http://www.usdoj.gov/dea/concern/ritalin.html (01-08-18)

Nora D. Volkow. Gene-Jack Wang, Joanna S. Fowler, Jean Logan2, Madina Gerasimov, Laurence Maynard, Yu-Shin Ding, Samuel J. Gatley, Andrew Gifford, and Dinko Franceschi (2001). Therapeutic Doses of Oral Methylphenidate Significantly Increase Extracellular Dopamine in the Human Brain . The Journal of Neuroscience, 21, pp.1-5.

Michael Huss & Ulrike Lehmkuhl (o.J.). Heute hyperkinetisch, morgen süchtig? Risiken und Chancen in der Entwicklung von Kindern mit Hyperkinetischen Syndrom (HKS).

WWW: http://www.liga-kind.de/neu/pages/301huss.htm (02-03-07)

http://www.newswise.com/articles/view/510069/ (05-11-09)

Schmidt, Hans-Reinhard (o.J.). Mein Kind hat ADHS? Das gibt´s doch nicht!

http://www.schmidthansreinhard.de/Westerburg.htm (06-09-09)

Wang G-J, Volkow ND, Wigal T, Kollins SH, Newcorn JH, et al. (2013). Long-Term Stimulant Treatment Affects Brain Dopamine Transporter Level in Patients with Attention Deficit Hyperactive Disorder. PLoS ONE 8(5): e63023. doi:10.1371/journal.pone.0063023.

Westbrook, A., van den Bosch, R., Määttä, J. I., Hofmans, L., Papadopetraki, D., Cools, R. & Frank, M. J. (2020). Dopamine promotes cognitive effort by biasing the benefits versus costs of cognitive work. Science, 367, 1362-1366.

Weitere Quellen


Der Pharmakologe Arvid Carlsson entdeckte vor rund 60 Jahren das Dopamin und erhielt im Jahr 2000 für seine Erforschung der Signalübertragung im Nervensystem den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Seine Forschungsarbeiten ermöglichten eine gezielte Behandlung der Parkinson-Erkrankung, klärten Zusammenhänge zwischen Botenstoffen im Gehirn und Gemütszuständen und führten zur Entwicklung moderner Antidepressiva.

Siehe dazu auch

Nach Max Friedrich (Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters in Wien) werden pro Jahr etwa 2500 Kinder vorgestellt; darunter sind etwa 20 mit einem echten ADS, also knapp 10 Promille. Etwa 15% sind nur nervös im Sinne des "Zappelphilipp". Somit besteht der Verdacht, dass die meisten Kinder, die auf Ritalin gesetzt werden, das Leiden gar nicht haben, das diese Verordnung begründen könnte.

Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand zeichnet sich ein weiterhin kontroverses Bild ab. Einerseits sprechen theoretisch-pharmakologische Überlegungen wie auch eine Reihe tierexperimenteller und klinischer Ergebnisse für die suchtbegünstigende Wirkung von Methylphenidat, andererseits weisen einige klinische Arbeiten in die entgegengesetzte Richtung. Kinder mit HKS, die mit Methylphenidat behandelt wurden, scheinen gemäß der letztgenannten Studien gegenüber Suchterkrankungen weniger anfällig als nicht medikamentös behandelte Kinder mit HKS. In der medikamentös behandelten Gruppe sinkt jedoch das Suchtrisiko nicht unter das der Normalbevölkerung, so dass allen Überlegungen, mit Methylphenidat das Drogenproblem schlechthin lösen zu wollen, eine Absage erteilt werden muss. In den genannten Studien konnte das bei Kindern mit HKS erhöhte Suchtrisiko lediglich auf das Normalmaß reduziert werden.

(...)

Im Rahmen der erforderlichen engmaschigen ärztlichen Betreuung sollte der mangelnden Compliance der Kinder mit gezielten Auslassversuchen - am günstigsten in den grossen Ferien - entgegengewirkt werden. Erfolgen die Auslassversuche geplant und unter direkter Einbeziehung aller Beteiligten einschliesslich des Lehrpersonals, so ergibt sich ein umfassendes Bild der bisherigen Medikationseffekte und die Möglichkeit, die weitere Notwendigkeit der pharmakologischen Behandlung zum Wohle des Kindes einzuschätzen. Eine Suchterkrankung als Langzeitfolge scheint - wenn überhaupt - nicht auf Methylphenidat, sondern auf das ohnehin erhöhte Suchtrisiko von Kindern mit HKS insbesondere in Kombination mit einer Störung des Sozialverhaltens zurückzuführen sein. Die beschriebenen günstigen Langzeiteffekte auf die Suchtentwicklung sind möglicherweise durch eine Stabilisierung der schulischen und familiären Situation desKindes sowie auf die Reduktion seiner Frustration in nahezu allen Lebensbereichen zurückzuführen.

Quelle

Michael Huss & Ulrike Lehmkuhl (o.J.). Heute hyperkinetisch, morgen süchtig? Risiken und Chancen in der Entwicklung von Kindern mit Hyperkinetischen Syndrom (HKS).
WWW: http://www.liga-kind.de/neu/pages/301huss.htm (02-03-07)

Jürgen Walter führt in der Heilpädagogische Forschung (2001, Heft 3) einen Literaturüberblick auf der Basis US-amerikanischer Forschung unter dem Titel "Kann Ritalin (Methylphenidat) die Schulleistungen von Schülern mit Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsproblemen verbessern?" durch. Er beschäftigt sich vor allem mit der Wirkung von Ritalin speziell auf den Lern- und Schulleistungsbereich. Als Haupteffekt der medikamentösen Behandlung kann die kurzfristige verhaltensmäßige "Handhabbarkeit" von hyperkinetischen Kindern betrachtet werden. Verbesserungen im Verhalten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit von sehr geringen Verbesserungen im Schulleistungsbereich begleitet. Da relativ positive Lehrerurteile von Schulleistungsverbesserungen auf der einen Seite durch spezielle Tests auf der anderen Seite kaum bestätigt werden konnten, sind bei einer Evaluation des Einflusses auf die Schulleistung unabhängige Messungen vorzunehmen. Als Erklärung für das vermeintliche Paradoxon, dass Psychostimulantien zwar relativ verlässlich die Kernsymptomatik verbessern, jedoch mittel- und langfristig kaum die Schulleistungen, kann plausiblerweise angenommen werden, dass Ritalin per se (a) wohl kaum Wissens- und Kompetenzdefizite ausgleichen kann und (b) hohe Aufmerksamkeit, niedrige Impulsivität und geringe Hyperaktivität zwar notwendige, aber bei weitem noch keine ausreichenden Determinanten von Schulleistung sind.

Quelle

http://www.uni-potsdam.de/u/sonderpaed/hpf/ab0132.htm (02-03-21)

Belohnung statt Ritalin

An der Universität Nottingham erforscht man im Projekt “Motivation, Inhibition and Development in ADHD Study” (MIDAS), was im Gehirn von Kindern mit AHDS vor sich geht. Dabei mussten die Kinder verschiedene Aufgaben bewältigen und es zeigte sich, dass beinahe der gleiche Effekt wie bei der Verabreichung von Ritalin erzielt wurde, wenn die Kinder für richtige Lösungen Belohnungen wie Lob erhielten. Die Auswirkungen von Medikation und Belohnung wurden auch im EEG sichtbar, denn nach der Rückmeldung der richtigen Lösung kommt es jeweils zu ereigniskorrelierten Potenzialen. Zwar zeigten die Belohnungen bei Kindern mit AHDS eine etwas schwächere Wirkung als die medikamentöse Therapie, aber vor allem bei leichten Erkrankungsfällen kann offensichtlich auch mit erzieherischen Maßnahmen eine Wirkung erzielt werden, während man Ritalin oder vergleichbare Medikamente auf schwere Erkrankungen beschränken sollte.

Literatur

Groom, Madeleine J., Scerif, Gaia, Liddle, Peter F., Batty, Martin J. Liddle, Elizabeth B., Roberts, Katherine L., Cahill, John D., Liotti, Mario & Hollis, Chris (2010). Effects of Motivation and Medication on Electrophysiological Markers of Response Inhibition in Children with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Biological Psychiatry, 67, 624-631.

Argumente der Ritalin-Gegner

1986 veröffentlichte das International Journal of the Addictions eine vergleichende Studie über mehr als hundert wissenschaftliche Publikationen, die sich mit den Nebenwirkungen von Ritalin auseinandersetzen. Dazu gehören unter anderem: paranoide Psychosen und Wahnvorstellungen, hypomanische und manische Symptome, Halluzinationen, extreme Abkapselung, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Suchtgefahr, psychische Abhängigkeit, Nervenzuckungen und Verkrampfungen, Aggressivität. Die US-Streitkräfte weigern sich, Rekruten aufzunehmen, die Ritalin oder ähnliche psychoaktive steuernde Medikamente einnehmen. Für dienstuntauglich wird erklärt, wer als Kind auf Ritalin gesetzt wurde und die pharmazeutische Droge nicht mehr benutzt. Hinzu kommt, dass gerade Kinder häufig nicht nur Ritalin erhalten, sondern zusätzlich noch Antidepressiva ( Prozac etc.). Diese Kombination erhöht das Gesundheitsrisiko deutlich und kann zu starken emotionalen Schwankungen führen.

Im November 1998 führte das amerikanische National Institute of Mental Health eine Tagung durch, welche ein für alle Mal die Ursache für ADS klären sollte. Man kam zum Schluß, dass ADS keine sichere Diagnose sei und es keine wissenschaftlichen Resultate gebe, die belegen würden, dass ADS auf eine Fehlfunktion des Gehirns zurückzuführen sei. Außerdem hätten sich bei der Anwendung von Ritalin keine positiven Langzeitwirkungen eingestellt.

1996 deckte ein Femsehreport auf, dass die größte amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich mit ADS auseinandersetzt und Informationskampagnen an Schulen, öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien betreibt, vom Ritalin-Hersteller Ciba-Geigy (heute Novartis) in Millionenhöhe gesponsert wird. 90 Prozent der gesamten Ritalin-Produktion werden in den USA abgesetzt. Wurden 1988 noch zwei Tonnen Tabletten verschrieben, so waren es 1997 bereits 14 Tonnen! Bereits über sechs Millionen US-Schulkinder stehen unter dem Einfluß von Ritalin.

Weshalb psychoaktive Medikamente in den USA einen solchen Boom erleben, hat mit dem amerikanischen Gesundheitssystem zu tun: Über 90 Prozent der Leute sind in sogenannten "Managed Care"-Systemen versichert, wo stark auf die Kosten geachtet wird. Mit anderen Worten: Die persönliche Betreuung durch Therapeuten wird durch die Einnahme von Psychopharmaka ersetzt. Psychotherapeutische Behandlung wird von den Kassen nicht bezahlt, Ritalin hingegen schon. Aus diesem Grund sind in den USA die Ausgaben für psychiatrische Behandlungen um 80 Prozent gesunken. Der amerikanische Kinderarzt, Familientherapeut und Ritalin-Kritiker Lawrence Diller: "Es fällt uns so viel leichter, bei einem Kind eine Störung festzustellen und ihm Tabletten zu geben, als auf seine Bedürfnisse einzugehen."

Übrigens: Die Vereinigung US-amerikanischer Kinderärzte hat die Richtlinien zur Abgabe von Methylphenidat an Kinder erweitert: Zukünftig dürfen Kinder ab vier Jahren mit dem Wirkstoff behandelt werden, womit die Grenze um zwei Jahre nach unten verschoben wurde. In der Leitlinie wird allerdings empfohlen, dass Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren zuerst verhaltenstherapeutisch behandelt werden sollten. Zeigen sich dann keine signifikanten Verbesserungen, kann mit Methylphenidat behandelt werden. Wo aber keine verhaltenstherapeutische Betreuung verfügbar ist, kann auch sofort mit der Methylphenidat-Medikation begonnen werden. Grundschulkinder im Alter von 6 bis 11 Jahren können bereits wahlweise mit Ritalin und/oder verhaltenstherapeutisch behandelt werden, für 12- bis 18-Jährige wird in jeden Fall die Gabe von Methylphenidat vorgeschlagen, möglicherweise ergänzt durch therapeutische Maßnahmen.

Quellen

http://www.tolzin.de/ritalin/ (02-02-02)

http://www.lehrerfreund.de/in/schule/1s/ritalin-usa-4-jaehrige-kinder/4036/ (11-12-02)

Rückläufiger Trend bei der Verschreibung von Ritalin in Deutschland

Von 2012 auf 2013 wurde erstmals ein rückläufiger Trend beobachtet: Der Verbrauch von Methylphenidat sank um 2 Prozent im Verhältnis zum Vorjahr, doch ist zu viel Optimismus nicht angebracht, denn nach dem rasanten Anstieg der letzten Jahrzehnte ist eine Stabilisierung auf hohem Niveau eingetreten, wobei hinzukommt, dass es inzwischen diverse andere Präparate gibt, die etwa die gleiche Wirkuung haben. Die Verlangsamung der Entwicklung hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen ist es Betroffenen und Ärzten bewusst geworden, dass man es unter dem Einfluss der Pharmaindustrie bisher ziemlich übertrieben hat, d. h., die Verschreibungspraxis der Gründerjahre hat sich gelegt, ebenso die Bereitschaft der Betroffenen bzw. ihrer Eltern, einfach Methylphenidat einzunehmen, weil es der Arzt empfiehlt. Zum anderen gab es gerade in den letzten Jahren verschiedene Regulierungen durch Politik und Behörden, um den Verschreibungswahnsinn zum Schutz von Kindern einzudämmen. Bei einer durchschnittlichen Tagesdosis von 30mg wurden 2013 in Deutschland noch immer rund 60 Millionen Tagesdosen konsumiert, und im Jahr 2010 wurden 56 Millionen Tagesdosen Methylphenidat kassenärztlich verordnet.

Quelle

http://www.lehrerfreund.de/schule/1s/methylphenidat-verbrauch-deutschland-1993-2013/4229 (14-09-08)

In einer Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission der Schweiz (2011) werden ernsthafte Bedenken gegen den immer mehr steigenden Einsatz von Psychopharmaka beim Enhancement, der pharmakologisch erzeugten Leistungssteigerung des Gehirns, erhoben. Besondere Aufmerksamkeit verdiene demnach das Enhancement bei Kindern: "Hier ist eine steigende Tendenz zu pharmakologischen Eingriffen zu beobachten, die noch nicht (voll) urteilsfähige Personen betreffen, über die Erwachsene, in der Regel die Eltern, auch in gesundheitlichen Belangen entscheiden dürfen. Diese Tendenz erfährt durch die Motivation der Eltern, nur „das Beste“ für ihr Kind zu wollen und sicherzustellen, zusätzlich Auftrieb. Dabei wird oft „das Beste“ mit Blick auf das zukünftige Leben in der Gesellschaft definiert: Die Eltern wünschen in der Regel, dass das Kind im Wettbewerb um Ausbildung und Arbeitsplatz gut bestehe, indem vor allem seine kognitiven, aber auch emotionalen und sozialen Fähigkeiten verbessert und seine „Stressresistenz“ gesteigert werden. Dieser Wettbewerb beginnt bereits sehr früh, verstärkt beim Schuleintritt. Bekanntlich zeigen Psychopharmaka auch bei gesunden Kindern Wirkung. Entsprechend gross ist der Anreiz für die Eltern, solche Mittel einzusetzen, um die Aufmerksamkeit und Konzentration des Kindes zu fördern und es damit konkurrenzfähiger zu machen. Eine derartige „Optimierung“ der kindlichen Fähigkeiten geschieht ohne Zeitaufwand und auch unbemerkt, so dass sich die Eltern kritischen Bemerkungen nicht stellen müssen. Aus ethischer Perspektive ist die Tatsache von Belang, dass die Diagnose beispielsweise eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, eines oppositionellen Trotzverhaltens oder einer Angststörung eine fachliche Herausforderung darstellt, weil die Abgrenzung zwischen normalen und krankhaften kindlichen Verhaltensweisen schwierig zu ziehen ist. Ebenfalls ist anzunehmen, dass durch den Anstieg des Verbrauchs von Psychopharmaka sich auch die Standards verschieben bzw. verschoben haben, welche Verhaltensweisen eines Kindes oder Jugendlichen sozial verträglich und „normal“ sind – oder eben als krankhaft eingestuft werden. Da die Diagnosestellung auch von solchen gesellschaftlichen Bewertungen sowie einem Interesse, dass sich Kinder im Kindergarten und in der Schule angepasst verhalten, beeinflusst ist, ist eine weitere Zunahme der Verschreibungen zu erwarten. Dieses Beispiel zeigt, dass die Abgrenzung zwischen Enhancement und Therapiebedürftigkeit kulturell und historisch variabel ist – und damit auch ethischer Reflexion bedarf. Der Konsum pharmakologischer Mittel kann noch weitere Auswirkungen auf den Charakter haben, weil dem Kind vermittelt wird, dass es nur mit Hilfe solcher Mittel in sozial anerkannter Weise „funktioniert“. Insofern seine Charaktereigenschaften medikamentös angepasst und von Psychopharmaka abhängig gemacht werden, hat es Folgen für seine Persönlichkeitsbildung und sein Selbstwertgefühl und könnte die Ausbildung von Mustern für Suchtverhalten begünstigen. Der Konformitätsdruck, unter dem Kinder von Seiten der Eltern und Bildungseinrichtungen stehen, erzwingt einen Standard an Normalität, der die Toleranz gegenüber Kindlichkeit abnehmen lässt. Auch könnte sich die Vielfalt von Temperamenten und Lebensweisen reduzieren und damit letztlich das Recht des Kindes auf einen offenen Lebensweg gefährdet werden. Die NEK-CNE plädiert dafür, die Lebensverhältnisse den Interessen und Bedürfnissen der Kinder anzupassen. Denn die Qualitäten der Kindheit, die nicht Aspekte des gesellschaftlichen Wettbewerbs und der Leistungsfähigkeit betreffen, sondern das Spielen, die Freundschaft und die erfolgsentlastete Muße ausmachen, könnten anderenfalls an Wertschätzung verlieren – und damit auch die Kindheit selbst.

Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmediziner (2011). Human Enhancement: Über die "Verbesserung" des Menschen mit pharmakologischen Mitteln. Stellungnahme Nr. 18/2011.
WWW: http://www.bag.admin.ch/ (11-11-21)


Ein neues entwicklungsbiologisch und entwicklungsphysiologisch begründetes Modell

Alle Krankheitsmodelle sind immer Vereinfachungen meist sehr komplexer und individuell sehr unterschiedlich ablaufender Prozesse. Sie zeichnen sich also durch unzulässige Verallgemeinerungen, durch Überbetonungen einzelner Aspekte und redaktionistische Vernachlässigungen anderer Aspekte des Prozesses aus, der zu dem Zustand führt, den wir als spezifische Erkrankung abgrenzen. Dennoch brauchen wir solche Modelle, um den krankmachenden Prozess verstehen, rechtzeitig erkennen und gegebenenfalls korrigieren zu können. Da die Korrektur eines solchen Prozesses um so leichter fällt, je früher sie erfolgt, sind vor allem solche Krankheitsmodelle von besonderem Wert, aus denen sich präventiv nutzbare, diagnostische und therapeutische Handlungsstrategien ableiten lassen. 

Auf der Grundlage der inzwischen hinzugekommenen neueren Befunde und der inzwischen möglich gewordenen Neubewertung bereits vorhandener Resultate kann nun versucht werden, eine Modellvorstellung des Prozesses zu entwerfen, der zur Ausbildung einer Symptomatik führt, die gegenwärtig als Krankheitsentität verstanden und als ADHD bezeichnet wird. Im Gegensatz zu der bisher verwendeten, inzwischen aber recht fragwürdig gewordenen Argumentationskette zeichnet sich dieses neue Denkmodell dadurch aus, dass es den gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht nur auf dem Gebiet der neurobiologischen ADHD-Forschung, sondern auch dem der Entwicklungsbiologie und Entwicklungspsychologie entspricht und sich daraus ableiten läßt. 

Dieses Modell geht davon aus, dass es Kinder gibt, die bereits als Neugeborene und während ihrer Kleinkindphase erheblich wacher, aufgeweckter, neugieriger und leichter stimulierbar sind als andere. Weshalb das so ist, ob diese Kinder zum Zeitpunkt ihrer Geburt bereits ein stärker ausgebildetes dopaminerges, ihren Antrieb verstärkendes System besitzen, ob dieses Merkmal genetisch bedingt oder erst während der intrauterinen oder frühen postnatalen Entwicklung entstanden ist, kann zunächst offen bleiben. Wichtiger als diese mitgebrachte besondere "Begabung" ist das, was das Kind im weiteren Verlauf seiner Entwicklung während der ersten Lebensjahre daraus macht, bzw. machen muss. Da die weitere Ausreifung des dopaminergen Projektionsbaumes offenbar davon abhängt, wie häufig das dopaminerge System durch die Wahrnehmung neuer Stimuli und Reize aktiviert wird, laufen Kinder, die mit dieser besonderen Wachheit und Stimulierbarkeit in unsere Welt hineinwachsen, all zu leicht Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten: 

Da sie bereits besonders aufgeweckt und all zu leicht durch neue Stimuli stimulierbar sind, wird ihr dopaminerges System wesentlich häufiger als das von anderen, "normalen" Kindern aktiviert und zu verstärktem Auswachsen seiner axonalen Fortsätze angeregt. Weil sich ihr dopaminerges, antriebssteuerndes System so immer besser entwickelt und damit auch wirkungsvoller arbeitet, lassen sich diese Kinder immer leichter durch alle möglichen neuartigen Reize stimulieren und anregen. Gelingt es jetzt nicht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, so ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann ein derartiges Kind durch seinen überstarken Antrieb, seine enorme innere Unruhe, seine ständige Suche nach neuen Stimuli, also durch seine Ablenkbarkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit auffällig wird. Aus sich selbst heraus ist ein solches Kind außer Stande, seinen überstarken Antrieb zu kontrollieren, es muss gewissermaßen ständig herumzappeln und ständig Neues entdecken und sich darüber begeistern, anstatt sich auf eine Sache zu konzentrieren. Und es wird nun auch zunehmend zu einer Belastung für Spielgefährten, die es ablehnen, für Eltern und Erzieher, die nicht damit umgehen können und seine weitere Entwicklung (spätestens mit dem Schuleintritt) gefährdet sehen. 

So gerät das Kind zwangsläufig in einen zweiten Circulus vitiosus: Durch die besonders häufige und intensive Nutzung der in seinem Gehirn angelegten und für die Steuerung seiner ungerichteten Motorik, seiner unselektiven Wahrnehmung und seiner ungezielten Aufmerksamkeit zuständigen Nervenzellverschaltungen sind diese komplexen Verschaltungsmuster im Laufe der Zeit immer besser, immer effektiver - und andere, weniger intensiv benutzte neuronale Verschaltungen entsprechend weniger stark - entwickelt und ausgebaut worden. Wenn das Kind nun durch sein Verhalten zunehmend in psychosoziale Konflikte gerät und emotional verunsichert wird, kommt es im Zuge der dadurch ausgelösten Stressreaktion zu einer vermehrten Ausschüttung von bestimmten Transmittern und Hormonen, die ihrerseits nun noch zusätzlich dazu beitragen, diejenigen neuronalen Verschaltungen und synaptischen Verbindungen zu stabilisieren und zu bahnen, die das Kind zur Wiederherstellung seines emotionalen Gleichgewichtes aktiviert (Hüther 1998). Versucht es das durch Zappeln, so wird es zu einem immer "besseren" Zappelphilipp und entwickelt womöglich sogar noch einen motorischen Tic. Versucht es das durch Stören, wird es zu einem immer "besseren" Störenfried und entwickelt sich zu einem ungeliebten Außenseiter. Versucht es das durch Weghören, wird es zunächst auf einem, womöglich gar auf beiden Ohren "taub".  Wenn sich irgendwann keiner mehr anders zu helfen weiß, bekommt es Ritalin verordnet. Und wie es dann weitergeht, ist weiter oben bereits beschrieben worden. 

Ob die hier entwickelte Modellvorstellung sich in Zukunft als tragfähig und zumindest in groben Zügen als zutreffend erweist, hängt nicht von der Art der Veränderungen ab, die sich im Hirn eines ADHD-Kindes abspielen, sondern von dem heuristischen Wert, den dieses Konzept besitzt, und der nun durch gezielte Untersuchung und möglichst frühe therapeutische Interventionen geprüft werden kann und überprüft werden muss. Entscheidend ist, ob es gelingt, solchen Kindern, die sich bereits sehr früh durch außergewöhnliche Aufgewecktheit und Stimulierbarkeit auszeichnen, durch vorausschauende erzieherische Maßnahmen (sichere Bindungen, Strukturierung des Tagesablaufes, Schaffung eines ruhigen und gehaltenen Entwicklungsumfeldes) aus dem Teufelskreis der Selbststimulation und der dadurch verursachten emotionalen Verunsicherung herauszuführen. Auch wie ihr dopaminerges System und alle anderen "Anomalien" in ihrem Gehirn sich dann entwickeln, bleibt - bis zur empirischen Bestätigung dessen, was dieses neue Modell vorhersagt - abzuwarten. 

Quelle: http://www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm (02-03-13)

Literatur:

Hüther, G.: Stress and the adaptive self-organization of neuronal connectivity during early childhood. Int. J. Devl. Neuroscience 16 (1998) 297 - 306.

Hüther, G.: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001.

Hüther, G., Adler, L., Rüther, E.: Die neurobiologische Verankerung psychosozialer Erfahrungen. Zsch. Psychosom. Med. 45 (1999) 2 - 17.

Hier haben Sie neue Nerven …
<Quelle: http://www.adapt.at>

Unter dem Titel "10 Milligramm Arbeitswut - Ritalin ist die Modepille der Leistungsgesellschaft. Ein Selbstversuch" berichtet die Schweizer Journalistin Brigit Schmid von einem Selbstversuch. Sie schreibt: "Der Zustand, in den mich Ritalin während sieben Tagen versetzt, könnte das treffen, was der Neuropsychologe Hennric Jokeit «Abstraktion des Ich von sich selbst» nennt. Im Essay «Neurokapitalismus» beschreiben er und die Journalistin Ewa Hess ein Zusammengehen von Kapitalismus, Neurowissenschaft und pharmazeutischer Industrie. Der Wohlstandskapitalismus hat dazu geführt, dass wir uns unablässig selbst verwirklichen wollen. Das erleichtern uns heute Neuropsychopharmaka, die das emotionale Erleben modulieren und die aufmerksamkeitsökonomische «Fitness» verbessern. «Angebot und subjektive Bedürftigkeit erzeugen einen Markt, der Milliarden umsetzt und dort expandieren wird, wo sich das postpostmoderne Selbst in der Leistungsgesellschaft defizitär erlebt, also in Schule, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft und im Alter.» Beschleunigungstechnologien der Globalisierung wie Handy, Flugzeug und Internet zwingen uns, unsere Aufmerksamkeit chemisch zu beeinflussen. Nach der Rationalisierung von Raum und Zeit folgt der Angriff aufs Ich: Ritalin befähigt, persönliche Grenzen zu überwinden, um Schritt halten zu können. Gleichzeitig wird so die kapitalistische Produktivität gesteigert. Jeder Chef hätte Freude, wenn er meinen Arbeitseinsatz sähe. Andere Bedürfnisse werden vernachlässigbar. In Jokeits Worten: «Mit der Pharmakologie zur kognitiven Leistungssteigerung werden Human Resources auf neuronaler Ebene des Selbst angezapft. Was folgt, ist die Abstraktion des Ich von sich selbst.»"

Quelle: http://dasmagazin.ch/index.php/10-milligramm-arbeitswut/ (09-08-29)

Aus einer newsgroup

Immer mehr Eltern versagen in ihrer Erziehung. Dann wird den paranoiden Kindern eine besonders heimtückische Chemikalie verpaßt: Ritalin. In Amerika bekommen bis zu 90 Prozent der Kinder einer Schulklasse Ritalin. Frühmorgens schließt der Direktor den Tresor im Direktorenzimmer auf, um ihm die Behälter mit den Betäubungsmitteln zu entnehmen. Sodann werden die Gefäße auf die Schuklassen verteilt. Die Klassenlehrer verabreichen den Kindern vor Unterrichtsbeginn die verordnete Dosis. In der Schulpause dealen die Kinder mit überschüssigem Ritalin, das sie sich in ihren Backen vor dem Runterschlucken gehortet haben. Schwächere werden wegen ihrer Ritalindosis erpreßt, Rezepte sind die Währung an den Schulen. Mit den Rezepten wird ein schwunghafter Handel getrieben. Erpressung und Drohungen sind an der Tagesordnung. Eltern melden ihren gesamten Nachwuchs zur ADS-Störung ein, auch wenn die Kinder gar nicht aufmerksamkeitsgestört sind. Die Ärzte willigen gern ein. Den Kindern werden Placebos gegeben, und die Eltern nehmen die Tabletten des Kindes selber ein, um von ihren Problemen distanziert zu werden.  

[Alltag in so manchen amerikanischen Städten]

Dumm nur, dass Ritalin selbst bei denjenigen Kindern, die die Chemikalie "bestimmungsgemäß" verabreicht bekommen, keine wirkliche Aufmerksamkeit verursacht. Die Kinder s c h e i n e n nur konzentriert und ruhig; in Wirklichkeit gehen sämtliche Lerninhalte an ihrem Gedächtnis spurlos vorüber. Unterrichtsstoff bleibt nur im Kurzzeitgedächtnis, ein dauerhaftes Merken im Langzeitgedächtnis ist aufgrund der Substanzwirkung unmöglich. Dies rächt sich später - Langzeitwirkungen wurden nie erforscht und treten erst jetzt so langsam hervor. Die Ritalin-Kinder von heute sind die Menschen mit einem IQ von <50 von morgen. Ritalinkinder sind die Opfer ihrer Eltern, die sie auf chemische Weise zügeln und vom Lernen abhalten.

Subject: Ritalin = Erziehungschemikalie
Date: Sun, 14 Oct 2001 23:42:00
Newsgroup: de.sci.psychologie

Ausschnitte aus der Diskussion in der newsgroup

(...)

vor allem die differentialdiagnose liegt ja im argen.

aber vielleicht sollte man auch in der ritalindebatte beruecksichtigen, dass ja das ziel des medikamenteneinwurfs - naemlich KONZENTRIERTE kinder zu bekommen - ja nur ein aspekt ist, denn es kann doch letztlich nur darum gehen, dass diese kinder zb besser/mehr/ ueberhaupt lernen. diese untersuchungen habe ich bisher noch nicht gesehen! vielmehr muesste man so nach meinem wissensstand annehmen, dass genau in jene gehirnzentren inhibitorisch eingegriffen wird, die fuer eine dauerhafte speicherung der lerninhalte verantwortlich sind.

die mit medikamenten erreichbare konzentration bezieht sich also nur auf das aeussere erscheinungsbild, NICHT aber auf die intendierten effekte, um die es ja angeblich gehen soll.

 (...)

Du meinst, dass durch Ritalin letztlich so in die hirnorganischen Verarbeitungsprozesse eingegriffen wird, dass *Lernen*, also das Speichern von Informationen, beeinträchtigt wird? dass also zwei gegensätzliche Effekte entstehen: einerseits Steigerung von Aufmerksamkeit/Konzentration, andererseits die Hemmung von Verarbeitungsprozessen?

Zumindest eine offene Frage.

Mir ist zumindest eine Theorie bekannt, die dies verneint. Demnach werden drei verschiedene Aufmerksamkeitsnetzwerke mit verschiedenen beteiligten Hirnarealen postuliert. Dabei soll das Wachsamkeitsnetzwerk (rechter Frontallappen und rechter Parietallappen) die Daueraufmerksamkeit erhöhen und mit dem Neurotransmitter Noradrenalin in Zusammenhang stehen.

Je nach Fehlen von Noradrenalin bzw. Aktivierung/Deaktivierung dieses Wachsamkeitsnetzwerkes bestünden unterschiedliche Funktionszustände. Bei Deaktivierung grundsätzlich eine geringere Daueraufmerksamkeit mit einer Aufmerksamkeitsfokussierung eher auf äußere und sich wechselnde Reize, die eine äußere Neuorientierung eher begünstigt - bei Aktivierung eine höhere Daueraufmerksamkeit, bei der das Orientierungssystem so organisiert ist, dass aus den internen Speichern abgerufene Informationen schneller und besser abgerufen, beachtet und gespeichert werden können.

D.h. die angenommene Widersprüchlichkeit von Aufmerksamkeit als äußeres Erscheinungsbild und kognitiver Verarbeitung/Lernprozessen wäre nach dieser Theorie zumindest nicht anzunehmen.

Allerdings finde ich es durchaus bemerkenswert, dass sich bei solchen Darstellungen fast nebensächlich lapidar der Hinweis findet, dass bestimmte Funktionen innerhalb dieser Netzwerke wesentlich beeinflußt werden durch Informationen aus Zentren, die für *emotionale Bewertungen* zuständig sind. Daraus wird dann der Schluß gezogen, dass dies die emotionalen Stimmungsschwankungen als Folge erklärt.

Der Umkehrschluß, nämlich dass emotionale Faktoren einen wesentlichen bedingenden Faktor darstellen können, wird erst gar nicht in Erwägung gezogen.

Aber noch eine andere ungeklärte Frage sollte in der Ritalindebatte Anlaß zur Sorge geben: bisher noch weitgehend unerforscht sind die Auswirkungen auf die *Entwicklung* des Gehirns. Erste Befunde aus Rattenexperimenten weisen darauf hin, dass Ritalin die Entwicklung des dopaminergen Systems negativ beeinflußt - und je jünger bei Behandlungsbeginn, um so bedenklicher. (Veröffentlichungen, zumindest in deutscher Sprache, sind mir noch keine bekannt, lediglich Pressemeldungen und mündliche Sekundärberichte von Kongressen, deshalb nichts genaues).

Wenn dies sich bestätigt, dann beist sich die Ratte in den Schwanz.

(...)

Blanz, B.; Esser, G. & Schmidt, M.H. (1992). Arzneimittelkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Pädiatrische Praxis, 44, 151-158.

Blanz, Esser und Schmidt (1992) stellen die aus Fragebogenangaben der Betroffenen gewonnenen Angaben über den hohen Arznneimittelkonsum (insbesondere Psychopharmaka) von Jugendlichen in Frage. Zieht man nämlich alternativ die Statistik der ambulanten Arzneimittelverordnung hinzu, so ergibt sich, dass alle Patienten im Jahr 1985 16,2 Tagsdosen Psychopharmaka erhalten hatten, Kinder unter 14 dagegen nur 0,63 Tagesdosen. Blanz et al. werten die Ergebnisse einer Längsschnittstudie aus. 1978/79 wurden 216 8-jährige einer repräsentativen Stichprobe untersucht. 191 dieser Kinder wurden als 13-jährige und 181 nochmals als 18-jährige nachbefragt. Das Instrumentarium, das dabei zum Einsatz kam, bestand aus hochstrukturierten Interviews, die sowohl mit den Jugendlichen als auch mit ihren Eltern geführt wurden. Im Alter von 13 bis 18 gab es tatsächlich eine Verdopplung des Konsums von Arzneimitteln insgesamt, der jedoch größtenteils auf die Einnahme von Medikamenten nach ärztlicher Verordnung für einen bestimmten Zeitraum zurückging.

Beim Vergleich von verordnetem Arzneimittelkonsum und Arzneimittelmißbrauch ergab sich folgende Bild: Nur sehr wenige Jugendliche nahmen Arzneimittel überhaupt unverordnet ein. Im Alter von 13 bis 18 gab es zudem keinen Anstieg des Arzneimittelmißbrauchs, der aus der Gruppe derjenigen Jugendlichen, die Arzneimittel aufgrund Verordnung nahmen, gespeist wurde. D.h. häufiges Einnehmen von Medikamenten aufgrund ärztlicher Verordnung führt nicht zu häufigerem Arzneimittelmißbrauch

(...)

... in den USA. Immerhin gibt es aber dort die Studie von Lambert (Lambert NM, Hartsough CS. Prospective study of tobacco smoking and substance dependencies among samples of ADHD and non-ADHD participants. J Learn Disability 1998; 31:533-544). Darin wurden Kinder im Langzeitverlauf beobachtet, und bei hyperaktiven Kindern mit Ritalinbehandlung auf ein in der spaeteren Adoleszenz erhoehtes Risiko fuer Nikotin- und Kokainmissbrauch geschlossen.

Wichtig ist allerdings zu beruecksichtigen, wie hoch ohnedies -- also ohne Ritalinbehandlung -- bei der betreffenden Personengruppe das Risiko fuer eine Abhaengigkeit ist. Es wird verschiedentlich argumentiert, dass die hyperaktiven/unaufmerksamen Kinder haeufiger anecken, kritisiert werden, sich ausgeschlossen fuehlen, und daher zu psychoaktiven Substanzen greifen.

Biederman (Biederman,-J; Wilens,-T; Mick,-E; Spencer,-T; Faraone,-S-V: Pharmacotherapy of attention-deficit/hyperactivity disorder reduces risk for substance use disorder. Pediatrics. 1999 Aug; 104(2): e20) haelt denn auch dafuer, dass das von vornherein hohe Risiko fuer Abhaengigkeitsentwicklung bei dieser Personengruppe durch eine Ritalinbehandlung eher gesenkt wird.

In Deutschland hat Michael Huß (Psychologe und Kinderarzt) Erwachsene untersucht, die als Kinder hyperaktiv waren, und kommt zu dem Schluss, dass eine Ritalinbehandlung nicht zu erhoehten Drogenkonsum fuehrt (Huß M, Schmidt-Schulz, A., Hoffman, K., Vogel, R., Schul7, C., Lehmkuhl, U. (1999). Entwicklungsverläufe von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). die Akzente 46, 12-16 [die AKZENTE: Zeitschrift vom ARBEITSKREIS ÜBERAKTIVES KIND])

Ich schaetze mal, nichts genaues weiß man also bislang noch nicht, und weitere Langzeitbeobachtungen sind notwendig. Allerdings, sollte es einen Risikofaktor darstellen, kann die Alternative ausser im gaenzlichen Verzicht auf Ritalin auch darin bestehen, praeventive Massnahmen gegen eine Abhaengigkeitsentwicklung von anderen Substanzen zu ergreifen.

(...)

die Biederman-Studie, die in etwa diese Schluesse zieht, ist on-line erreichbar unter

http://www.pediatrics.org/cgi/content/full/104/2/e20 Dort werden 56 medikamentoes behandelte Patienten mit ADHD (es wird nur von "stimulant medication" gesprochen, nicht von Ritalin), 19 nicht Behandelte, sowie 137 Kontrollpersonen untersucht, und nach 4 Jahren nochmals (Alter dann 15-22 Jahre).

In der Tat ist ein Problem, dass eine Reihe von Risiko-Merkmalen mit Ritalin/non-Ritalin in dieser Studie konfundiert sind, so eine (psychiatrische) Behandlung bei baseline, der soziooekonomische Status, oder Suchtprobleme in der Familie. Allerdings kommen auch nach Adjustierung fuer diese Faktoren in einer multiplen logistischen Regression die Autoren zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit fuer eine substanzinduzierte Stoerung waehrend der Beobachtungszeit durch die medikamentoese Behandlung verringert ist.

Ihre references habe ich nicht gecheckt -- die Autoren selbst geben an, fruehere Langzeitstudien haetten zumindest kein Risikopotenzial der medikamentoesen Behandlung nachgewiesen. Insgesamt ist die empirische Basis bei dem Thema wohl noch schmal zu nennen, aber ich wuerde eher tendieren, kein generelles Risiko anzunehmen.

(...)

Das ist eine sicher recht interessante Arbeit, die auch eine gewisse Sensibilität für methodische Probleme erkennen lässt. Allerdings wird ein entscheidendes Manko nicht erwähnt: Der potentielle Substanzmissbrauch wird durch Berfragungen festgestellt. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass die Bereitschaft, Substanzmissbrauch einzuräumen, in den beiden entscheidenden Gruppen (medikamentös behandelte vs. nicht medikamentös behandelte ADHDler) unterschiedlich ausgeprägt war. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass die medikamentös Behandelten tendenziell dazu neigten, ihren Drogenkonsum zu untertreiben bzw. zu verleugnen. Schließlich darf vermutet werden, dass sie und ihre Eltern während der Behandlung positiv auf das Medikament eingestimmt wurden. Daher könnten sie es z. B. als sozial erwünscht erlebt haben, (illegalen) Drogenkonsum zu verheimlichen oder zu bagatellisieren. Es hat sich zwar in diversen Untersuchungen gezeigt, dass Drogenkonsumenten bei Befragungen zum Drogenkonsum in der Regel erstaunlich ehrlich sind. Aber es ist keineswegs sicher, dass sich diese Befunde auf die vorliegende Studie übertragen lassen. Dieses Problem kann man im Grunde nur durch unangekündigte objektive Drogentests überwinden.

Aus theoretischer Sicht ist das Problem nicht einfacher zu beurteilen als aus empirischer:

Möglichkeit 1: Die medikamentöse Behandlung hat keinen Einfluß auf eine spätere Drogenabhängigkeit. Dafür spricht, dass es bei Suchtkarrieren weniger auf die Einnahme der Droge an sich, sondern vielmehr auf das Motiv zur Einnahme ankommt. Wer potentiell suchterregende Medikamente (e. g. Morphin zur Schmerzlinderung) im Rahmen einer ärztlichen Behandlung bekommt, wird in der Regel nicht süchtig. Wer Drogen zur Auslösung einer Euphorie benutzt oder zur Problemverdrängung, setzt sich natürlich einem wesentlich größeren Risiko aus.

Möglichkeit 2: Die medikamentöse Behandlung fördert eine spätere Drogenabhängigkeit. ADHD wird mit stimmungsverändernden (psychotropen) Medikamenten behandelt. Es beseitigt quälende oder andere störende Symptome. Der Betroffene gewöhnt sich daran, Missstimmungen durch Einnahme eines Medikaments gleichsam auf Knopfdruck zu überwinden.

Möglichkeit 3: Die medikamentöse Behandlung senkt die Wahrscheinlichkeit eines späteren Drogenkonsums. Die medikamentöse Behandlung führt zu einer besseren sozialen Anpassung, besseren Schulleistungen etc. Dies reduziert die Zahl und Schwere der Lebensprobleme und mindert somit das Suchtrisiko.

Diese drei Möglichkeiten beschreiben im übrigen potentielle Einflussfaktoren, die sich aus meiner Sicht nicht ausschließen müssen. Es sind vielmehr Kräfte, die gleichzeitig einwirken und den Betroffenen entsprechend ihrer relativen Stärke in unterschiedliche Richtungen ziehen können. Und diese drei Möglichkeiten sind sicher nicht die einzigen Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Und so würde ich den Schluß von Biederman et al., die medikamentöse Behandlung (Ritalin) beuge dem Drogenmissbrauch vor, mit einem großen Fragezeichen versehen.

(...)

Weitgehend ack. Wenn die Fallzahl in der unbehandelten Gruppe nicht so klein waere, wuerde ich allerdings den Unterschied von 25% vs. 75% fuer Substanzkonsum fuer zu groß halten, um ihn allein ueber Methoden/expectancy Effekte zu erklaeren. So ist es schwer abzuschaetzen.

Das ist im weiteren dann eine empirische Frage: wird tatsaechlich in der beschriebenen Weise auch auf andere unangenehme Zustaende und auf andere Gegenmittel generalisiert. 

Ich bin kein Pharmakologe, aber vielleicht setzen andere psychotrope Substanzen direkt oder indirekt an dem an, was der Betroffene verringern moechte? Will meinen, ohne medikamentoese Behandlung koennte ein Beduerfnis bestehen, den eigenenTransmitterhaushalt durch Konsum anderer Substanzen (Nikotin, Kokain...? zu regulieren, oder die unmittelbaren Folgen der bestehenden Disregulation zu mindern bzw. zuzudecken. Insofern waere eine Behandlung hypothetisch Risikoverringernd. 

Ich wuerde auf Basis der vorliegenden Empirie lediglich die Aussage fuer vertretbar halten, dass es keinen zusaetzlichen Risikofaktor darstellt.

Subject: Re: ADS, ADHS, HKS,...
Date: Tue, 20 Nov 2001
Newsgroup: de.sci.psychologie


Aus der BRD: Ritalin im Straßenverkehr

Seit dem 1.Juli 1998 ist die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28.4.98 in Kraft, wonach ordnungswidrig handelt (d.h. mit Bußgeld belegt werden kann), wer unter der Wirkung eines (näher bezeichneten) berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.

Hierbei genügt der einfache Nachweis dieses Mittels im Blut, wobei es nicht auf die Konzentration ankommt, wie etwa bei Alkohol.

Da Fahrräder keine Kraftfahrzeuge sind, fallen diese nicht unter diese Vorschrift.

Das Gesetz sieht dann jedoch die entscheidende Ausnahme vor: wenn diese berauschende Substanz aus einer bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, so liegt keine Ordnungswidrigkeit vor.

Ritalin wie auch der alternative Amphetamin-Saft gehören grundsätzlich zu diesen verbotenen berauschenden Mitteln, da das Gesetz hier keine Feingliederung vorsieht, sondern nur Grundsubstanzen in einer angehängten Liste bezeichnet, welche nicht im Blut eines Kraftfahrers gefunden werden dürfen.

Soweit der Kraftfahrer jedoch nachweisen kann, dass er auf ärztlicher Verordnung zur Behandlung von ADD/HKS diese Substanz bestimmungsgemäß eingenommen hat, so entfällt der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit.

Da jedoch immer wieder zu hören ist, dass auch manchmal Eltern betroffener Kinder in Form von Selbstmedikation sich an den für ihre Kinder verschriebenen Präparaten bedienen, möchte ich ausdrücklich davor warnen, danach ein Kraftfahrzeug zu steuern, solange noch Spuren des Mittels im Blut zu finden sind. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu DM 3.000,-- belegt werden.

Quelle: Bundesverband der Elterninitiativen zur Förderung hyperaktiver Kinder e.V.
WWW: http://www.osn.de/user/hunter/ritalin.htm (01-10-26)

 

Der Neurologe und Schlafforscher Ronald Chervin (Universität Michigan) analysierte die Aussagen der Eltern von 866 Kindern im Alter von zwei bis dreizehn Jahren zum Schlafverhalten und nach deren Impulsivität und Fähigkeit zur Konzentration. 16 Prozent aller Kinder wurden von den Eltern als Schnarcher beschrieben. Von den Kindern, die im Schlaf heftig schnarchen, litten 22 Prozent nach Einschätzung ihrer Eltern unter Verhaltensstörungen wie Unaufmerksamkeit - im Vergleich zu 12 Prozent bei gelegentlichen Schnarchern. Er erklärt den Zusammenhang damit, dass die vom schlechten Schlaf erschöpften Kinder ihre Müdigkeit durch Hyperaktivität auszugleichen versuchen. Das könnte auch erklären, warum paradoxerweise anregende Medikamente wie Ritalin wirksame Mittel für Kinder mit Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizit sind.

Quelle: "Pediatrics" der Amerikanischen Ärztegesellschaft (AMA)

feedbacks ;-)

Hallo Herr Stangl,

Beim durchsehen Ihrer Website war ich von Ihrem psychologischen Wissen angenehm überrascht. Der Artikel über Ritalin hat mich jedoch erschrocken. Ich bin 40 Jahre alt und nehme seit ca. 6 Monaten Ritalin. Endlich weiß ich wer ich bin! Ich war Penner, Drogensüchtig, Psychotiker etc. Dank Ritalin bin ich endlich auf dem Wege der Genesung. Glauben Sie mir: Ritalin ist bei kompetenter Einnahme harmlos.
Und Sie machen dieses Geschenck des Himmels so madig. Dieser Ritalinbeitrag zeugt von großer Unkenntnis der Materie. Nun ja, vielleicht sollten Sie sich mal in diesem Bereich weiterbilden. Schade, der erste Eindruck hat getäuscht. Wenn Sie an Informationen von einem Betroffenen interessiert sind: Bitte schön,ich stehe zu Ihrer Verfügung.

Mit freundlichem Gruß
N.S.(Name der Redaktion bekannt)

Subject: arbeitsblätter Date: 03 Sep 2002 15:09 GMT

Do YOU need help or know somebody who needs help with ADD/ADHD attention deficit (hyper)disorder? Have you thought about alternatives to prescription drugs such as Ritilin and Adderall? Are you worried about the dangerous of these drugs that are supposed to help you and your family? Research has shown successfully throughout history that there is help. In 1990 Dr. Kenneth Blum discovered the gene for alcoholism. This led to amazing research in the treatment for attention deficit disorder.Dr. Kenneth Blum is the Father of Psychiatric genetics. He is credited with discovering the gene for cocaine addiction. In 1995 he coined RDS, Reward Deficiency Syndrome, which will forever change our world. Steve Allen the media great is quoted as saying "with regard to my former show where I interview the greatest minds-today I would interview Dr. Blum, whose research on the genetics of alcoholism will change the world as we see it today." http://www.mailpail.com Dr. Kenneth Blum who has been in private practice his entire career is finally going to help the public. He recently put global patents on a product that will forever change the world of ADD/ADHD. http://www.mailpail.com Dr. Blum's Reward5 product is 100 percent natural. Reward5 helps people control their lives, it is produced by one of the most well known, most respected doctors in the medical industry. http://www.mailpail.com When tested according to the medical standard of p levels, Reward 5 scored much higher p levels than both Ritilin and Adderall. Start helping yourself today! Understanding ADD/ADHD is genetic based is how we are able to get such astounding results. We have had Doctors who have failed with every product tell us that their patients are seeing results within the first 2 weeks. Order Yours Today! http://www.mailpail.com

Subject: Are you genetically prone to ADD?
Date: 31 Oct 2002 08:09 GMT



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: