Hauptalkaloid der Tabakpflanze - Nikotin
Das Hauptalkaloid der Tabakpflanze, das in der Wurzel gebildet und in den Blättern abgelagert wird. Nikotin ist eine farblose, ölige Flüssigkeit und eines der stärksten Pflanzengifte überhaupt. Die tödliche Dosis für den Menschen liegt bei etwa 1mg/kg Körpergewicht. In kleinen Dosen wirkt Nikotin erregend auf die Ganglien des vegetativen Nervensystems und setzt aus dem Nebennierenmark Catecholamine (Adrenalin) frei. Die Gesamtwirkung des Nikotins ist uneinheitlich, weil sich erregende und lähmende Wirkungen zeitlich überschneiden. Je nach Persönlichkeit kann es daher stimulieren oder auch entspannen. Ist in Europa seit knapp 500 Jahren bekannt. Die Möglichkeit einer seelischen Abhängigkeit ist unbestritten, daß Nikotin aber auch körperliche Entzugserscheinungen haben kann, wird oft zu wenig beachtet (z.B. Magenbeschwerden). In Österreich ist der Tabakkonsum (meist in Form von Zigaretten) gesellschaftlich toleriert. Als giftiges Genussmittel führt Nikotin bei Daueraufnahme zu Störungen der Herzfunktion, der Durchblutung und zu Schleimhautreizungen.
Anwendung: üblicherweise rauchen, seltener schnupfen oder kauen.
Akute Wirkung
- vegetatives Nervensystem wird anfangs erregt, anschließend gelähmt
- nichtberauschende Wirkung
Folgen des chronischen Missbrauches: Gesundheitsschäden wie Lungenkrebs, Raucherbein. Durch ständigen Tabakkonsum kommt es zu einem Vermögensverlust sowie einer Lebensverkürzung (aus Statistiken erwiesen). Die akute Nikotinvergiftung durch orale Applikation oder durch Resorption über die Haut äußert sich u.a. in Übelkeit, Erbrechen, Leibschmerzen, Durchfall, Herzklopfen, Schweißausbruch, Schwindel.
Rauchverbote?
Eigenschaften des Nikotins
Im amerikanischen Institut für Drogenmißbrauch wird nach den Wirkungsmechanismen von suchterregenden und abhängigmachenden Drogen geforscht. Nikotin hat zunächst einen anregenden, in höheren Dosen einen beruhigenden und muskelentspannenden Einfluß. Es mildert Hunger- und Angstgefühle und auch Aggression. Trotz seiner erheblichen Giftigkeit ist Nikotin, das mit dem Tabakrauch aufgenommen wird, selten die Ursache von Vergiftungen, wenn man absieht von ersten Rauchversuchen oder vom Verzehr von Zigaretten durch Kleinkinder. Der Raucher erlebt praktisch keine Nikotinvergiftung, er scheidet das Nikotin ja auch schnell aus, und sein Körper gewöhnt sich daran. Raucher genießen ja Nikotindosen, die bei Nichtrauchern bereits leichte Vergiftungserscheinungen auslösen würden. Nikotin wirkt weder krebserzeugend noch teratogen(= Mißbildungen erzeugend), noch ist es verantwortlich für die chronischen Gesundheitsschäden der Raucher. Die gehen zu Lasten von Kohlenmonoxid, Cyanwasserstoff, Benzol, Cadmium, Nitrosaminen und zahlreichen anderen gesundheitsschädlichen Bestandteilen des Tabakrauchs.
Leider sind die harmlose Droge Nikotin und die bösartigen Begleitstoffe im Zigarettenrauch ziemlich unzertrennlich. Nikotin entfaltet die beruhigende Wirkung, die Teerpartikel sorgen für den Geschmack und die Gesundheitsschäden. In Amerika tragen Anti-Rauch-Organisationen wie die Krebs-Gesellschaft und die Tabakindustrie ihre Gefechte mit harten Bandagen aus. Durch Rauchen verursachte Todeszahlen an der Straßenecke und Werbespots in Kino und Fernsehen, die bis an die Grenzen des guten Geschmacks gehen - und oft auch ein bißchen weiter. Wegen ihrer übertriebenen Machart allerdings werden die Spots von den Rauchern nicht immer ernst genommen.
Suchtpotential von Nikotin und anderen Drogen
Die Gesundheitsschäden durch das Rauchen sind die Schlacht von gestern. Die Zigarettenhersteller müssen nun einen neuen, grundsätzlicheren Rechtsstreit fürchten: es geht um die Sucht. Ist das Nikotin, dieser Extrakt aus den Tabakblättern, allein für die Abhängigkeit verantwortlich, oder raucht man, wie die Konzerne behaupten, aus anderen Gründen? Die Tabakindustrie hält das Nikotin für zweitrangig. Dieser wichtige, traditionsreiche Wirtschaftszweig ist stolz auf seine Produkte und will nicht wahrhaben, daß in seinen modernen Fabriken Suchtmittel hergestellt werden. Die Industrie glaubt nicht, daß Nikotin süchtig macht, und setzt ihre geballte Werbe- und Finanzkraft dafür ein, die Freiwilligkeit beim Griff zur Zigarette zu beschwören: Raucher rauchen eben gern. Wenn Zigaretten als süchtigmachende Drogen angesehen werden, wie es das amerikanische Institut für Drogenmißbrauch fordert, wäre dieses Image dahin. Das Institut hat alle gängigen Suchtmittel untersucht, auch das Nikotin. "Nikotin kann genau so abhängig machen wie Morphium oder Kokain. Für alle drei Stoffe aber gilt: ob jemand tatsächlich abhängig wird, hängt nicht nur von der Dosis ab, sondern auch davon, wie schnell sie dem Körper zugeführt werden. Beim Kauen von Koka-Blättern etwa kann der Körper nur wenig mit dem Kokain anfangen. Darum gibt es bei dieser Form der Verabreichung, wie sie in Südamerika üblich ist, kaum Probleme. Ganz anders aber ist es, wenn Kokain inhaliert wird und dadurch schnell ins Blut gelangt. Dann hat es eine geradezu explosive Wirkung. Das gleiche gilt für Nikotin. Ein Nikotinpflaster wird von Rauchern meist nicht als Ersatz für die Zigarette akzeptiert, und sie haben in gewissem Sinne recht: es gibt einfach nicht diesen explosiven, abhängig machenden Schub. Aber immerhin - ein Pflaster mindert die Entzugserscheinungen." [Dr. Jack E. Hennigfield, Institut für Drogenmißbrauch, Baltimore] Die Pharmakologen der Tabakindustrie sehen das natürlich ganz anders. Sucht sei eine Frage der Definition. "Die Vertreter der Nikotinsucht-These bezeichnen einen Menschen schon als süchtig, wenn er etwas gerne tut oder zu sich nimmt und es immer wieder tut, weil er es als angenehm empfindet. Als Wissenschaftler finde ich das höchst unbefriedigend, denn ein solcher Suchtbegriff unterscheidet nicht zwischen Crackrauchen und Kaffeetrinken. Ich glaube, auch Nichtwissenschaftler sehen hier ja wohl einen fundamentalen Unterschied." [Dr. John H. Robinson, R.J. Reynolds Tobacco Company] Was ist Sucht - was ist Abhängigkeit? Ist es allein die Geselligkeit, die zum Rauchen verführt? Wohl kaum. Denn wer hier raucht, raucht in aller Regel auch zu Hause oder anderswo, und wer anderswo nicht raucht, greift auch beim gemütlichen Zusammensein meist nicht zum Glimmstengel. Also ist Rauchen wohl kaum etwas, was man immer wieder tut, allein, weil man es als angenehm empfindet, wie die Forscher der Zigarettenindustrie behaupten. Welche Rolle das Nikotin beim Griff zur Zigarette spielt, läßt sich nach den strengen Regeln der Wissenschaft im Labor untersuchen. Nicht an Menschen in fröhlicher Bierlaune, sondern an Ratten.
Tierversuche mit Nikotin und anderen Drogen
Der Ratte wird ein sehr dünner Katheter in eine Ader gelegt. Aus praktischen Gründen wählen die Forscher ein Blutgefäß am Nacken. Durch diesen Schlauch wird Nikotin in die Blutbahn gespritzt. Sobald die Ratte ihre Schnauze in das rechte Loch [von zwei Löchern] steckt, bekommt sie eine Dosis Nikotin eingespritzt. Wiederholt sie das freiwillig immer wieder, dann bedeutet das, daß sie die Droge braucht, daß sie abhängig ist. Auf Heroin und Kokain reagieren die Versuchstiere mit starkem Suchtverhalten, auf Kaffee dagegen kaum. Der Effekt von Nikotin liegt irgendwo dazwischen. Der Punkt ist nun: die Tabakindustrie hat solche Rattenversuche nachweislich schon 1980 durchgeführt, die Ergebnisse allerdings verschwanden in der Schublade. Bei Philip Morris wurde das entsprechende Labor 1983 sogar geschlossen, die Wissenschaftler wurden entlassen. Der Leiter dieses Labors arbeitet inzwischen im Staatsdienst als Psychologe. Jetzt hat er das Schweigen um die damaligen Versuchsergebnisse gebrochen. Victor DeNoble hatte als einer der ersten nachgewiesen, daß Nikotin tatsächlich abhängig macht. Und das war nicht einfach. "Erst haben wir wie bei Versuchen mit Heroin oder Morphium große Mengen Nikotin in die Vene gespritzt. Mit Nikotin aber hat das leider nicht funktioniert. In der Cafeteria von Philip Morris sah ich dann, daß die Raucher sich durch wiederholtes Inhalieren Nikotin in Schüben zuführen. Kam es vielleicht auf die Art und Weise der Nikotingabe an? Wir legten unsere Nikotinspritzen beiseite und versuchten es mit einer Pumpe, die den Ratten regelmäßig kleine Nikotinmengen injizierte, und von da an liefen die Versuche sehr erfolgreich."
Tabakindustrie versteckt eigene Versuchsergebnisse
Aber warum erlaubten ihm seine Vorgesetzten nicht zu veröffentlichen? "Anfangs durften wir veröffentlichen. Als unsere Firma aber 1983 darauf verklagt wurde, daß Zigarettenrauchen abhängig macht, hatte man Sorge, unsere eigene Forschung könnte die These der Kläger belegen. Man wollte das nicht unbedingt in der wissenschaftlichen Literatur sehen." Inzwischen stehen DeNoble's Ergebnisse in der Literatur und sind jedermann frei zugänglich. Sie finden sich nämlich in den offziellen Akten des akerikanischen Abgeordnetenhauses. Dort hatte Victor DeNoble 1994 vor einem Kongreßausschuß seine Untersuchungen bezeugt. Danach tauchten eine ganze Reihe weiterer bisher geheim gehaltener Forschungsberichte aus anderen Labors der Tabakindustrie auf. Die Zigarettenhersteller hatten also gewußt, daß Nikotin abhängig macht. Der Untersuchungsbericht aus dem Kapitol sollte die Industrie aus ihrer Selbstsicherheit aufschrecken.
Sammelklage gegen Tabakindustrie wegen bewusster Herstellung von Drogen
In New Orleans wurde eine neue Runde im Streit um die Nikotinsucht eingeläutet. Eine ganze Gruppe von Rechtsanwälten hat sich zusammengetan, um die größte Sammelklage der amerikanischen Rechtsgeschichte vorzubringen. Sie haben sich in einem teuren Bürohaus eingemietet, vertreten Klienten aus ganz Amerika und wollen die Tabakindustrie in die Kniee zwingen. Alle 45 Millionen Raucher der USA könnten sich der Klage anschließen, hofft der Leiter der Gruppe. "Es geht uns um die Sucht. In den bisherigen Prozessen wurde die Zigarettenindustrie verklagt, weil Zigaretten Krebs, Emphyseme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Daß Zigaretten das tatsächlich tun, wissen die Hersteller aufgrund ihrer eigenen Versuche am besten, schon seit den 40er Jahren. Aber obwohl sie dies wußten, haben sie ein Produkt auf den Markt gebracht, das süchtig macht. Anders gesagt: sie wußten, daß ihr Produkt süchtig macht, daß ein normaler Gebrauch zum Mißbrauch führt und daß es all diese Krankheiten verursacht. Die Industrie leugnet aber bis auf den heutigen Tag, daß Rauchen süchtig macht. Jetzt bekommt sie es zum ersten Mal mit einer geschlossenen Front zu tun. Bisher hat es die Industrie immer geschafft, die Kläger zu isolieren und durch systematische Verzögerung jeden einzelnen in den Ruin zu treiben, bis er aufgab. Mit uns können sie das nicht tun, wir haben einen langen Atem. Wir sind 62 Anwälte und solide finanziert." [Wendell H. Gautier, Rechtsanwalt] Muß sich die Zigarettenindustrie nun also warm anziehen? Wenn die Gruppe um Gautier gewinnt, könnte das die mächtigen Tabakkonzerne dort treffen, wo sie am empfindlichsten sind: am Umsatz. Ihre Justitiare sind daher bereits zum Gegenangriff übergegangen: "Wir akzeptieren schon die Prämisse nicht, daß Zigarettenrauchen eine Sucht sei. Aber der Richter hat entschieden, daß eine solche Klage zulässig ist, auch als Sammelklage. Wir haben dagegen Einspruch eingelegt und erwarten, daß die nächste Instanz die Sammelklage verhindern wird. Wenn jemand uns in dieser Sache verklagen will, muß er dies als Individuum tun, jeder der 40 bis 50 Millionen Raucher für sich allein."
Verarbeitung von Tabak, künstliche Zusatzstoffe
Was ist nun dran an der Nikotinsucht? Der Fernsehsender ABC hatte die Industrie sogar beschuldigt, den Tabak künstlich mit Nikotin anzureichern, um die Raucher süchtig zu halten. Kann das stimmen? Wir wollten filmen, wie der Tabak verarbeitet wird. Leider aber sahen wir die Tabakblätter bei der Versteigerung zum letzten Mal. Was drinnen in den Fabriken geschieht, ist wohlgehütetes Betriebsgeheimnis. Ausgesuchte Bilder stellten uns die Hersteller zur Verfügung. Sicher ist, daß dem Tabak eine ganze Reihe von Geschmacks- und Konservierungsstoffen hinzugefügt werden, bevor Zigaretten daraus entstehen. Filmen durften wir das nicht, uns blieb nur das Endprodukt, und das haben wir unters Mikroskop gelegt. Die Vergrößerung läßt ahnen, wie aufwendig die Tabakblätter verarbeitet werden. Das erste, was auffällt, ist eine glitzernde Schicht Chemie um jede Tabakfaser. In den Handbüchern über Tabakherstellung kann man lesen, daß Zucker und Geschmacksstoffe die Fasern umgeben. Menge und Art sind Geheimrezept des jeweiligen Herstellers. So sorgen etwa spezielle Salze dafür, daß die Zigarette durchgehend glimmt. Ammoniak verbessert die Freisetzung von Nikotin, Zucker und Lakritz regulieren den Geschmack, und Glyzerin hält den Tabak länger frisch. Wenn man sich nun die einzelnen Tabakfasern einer Zigarette genauer anschaut, ist von den ursprünglichen Tabakblättern nur noch wenig zu erkennen. Unter stärkerer Vergrößerung sehen manche Fasern aus wie zusammengepreßte Reste und sind es wohl auch. Wer diese Bilder sieht, kann vielleicht verstehen, warum die amerikanischen Kollegen von ABC auf den Gedanken gekommen sind, daß dem Zigarettentabak auch zusätzliches Nikotin beigefügt wird. Im Vergleich mit diesem Industrieprodukt sieht wenig behandelter Zigarrentabak jedenfalls ganz anders aus. Daß aber Zigarettentabak von der Industrie künstlich mit Nikotin gespickt wird, leugnen die Anwälte der Tabakkonzerne. ABC hatte keine Beweise und mußte viele Millionen Dollar zahlen. "Manipulation und Spicken - die Wörter, die ABC gebraucht hat, haben so einen negativen Beigeschmack, als ob wir etwas Verbotenes täten. Wir stellen ein Produkt her aus einem agrarischen Grundstoff, etwas so, wie es Nahrungsmittelproduzenten tun. Wir müssen natürlich sicherstellen, daß jede Zigarette und jedes Päckchen einen konstanten Geschmack haben, wie die Nahrungsmittelhersteller, die Dosengemüse abfüllen. Wir mischen verschiedene Tabaksorten so, daß die Winston, die man in einem Teil der USA kauft, den selben Geschmack hat, die selbe Qualität und die selben Teer- und Nikotinwerte wie die Winston, die man in einem anderen Teil des Landes kauft." [Blixt] "Also gut - die Tabakindustrie entzieht Nikotin und fügt es später wieder hinzu. Aber das geschieht aus Qualitätsgründen und ist hier nicht das Wesentliche. Das Entscheidende ist, daß es sich bei der Zigarette um ein Drogenverabreichungsgerät handelt, mit dem neben Nikotin noch 4000 andere Chemikalien zugeführt werden. Viele davon sind giftig. Wenn die Zigarette eine Spritze wäre, dürfte man sie nie verkaufen."
Über Nikotin und Arzneimittelgesetze
Wieviel Nikotin kann sich ein Raucher aus einer Zigarette holen? Die Werte, die auf den Packungen stehen, beantworten die Frage keineswegs. Ermittelt werden diese Werte in einer amtlich anerkannten Rauchmaschine. Diese raucht aber nicht wie ein Raucher. Sie nimmt nur einmal in einer Minute einen Zug von zwei Sekunden Länge, nur acht bis neun Züge pro Zigarette. Der Rauch durchströmt einen feuchten Papierfilter, der die nikotinbeladenen Teerteilchen festhält. Das Nikotin gelangt hauptsächlich gebunden an Teerpartikel in die Lunge. Teer und Nikotin stehen dadurch immer in einem festen Verhältnis. Freies Nikotin spielt im Rauch eine gringe Rolle, und auch die Geschmacksstoffe brauchen die Teerpartikel als Fähre. Ohne Teer würde die Zigarette nach nichts schmecken. Das Nikotin wird aus dem Filter gelöst und kann dann in einem Gaschromatographen gemessen werden. In unserem Fall hat die Rauchmaschine mit ihren sehr zurückhaltenden Rauchverhalten 0,29 mg Nikotin pro Zigarette aufgenommen. Damit eine Zigarette als "leicht" eingestuft wird, versehen die Hersteller den Filter mit winzigen Löchern. Dadurch wird der Rauch bei jedem Zug mit Luft verdünnt, er enthält weniger Teer und Nikotin. Wenn der Raucher aber einen Teil der Löcher mit den Fingern verdeckt, müßten wieder mehr Teer und Nikotin in den Rauch gelangen, die Maschine müßte deutlich höhere Werte ermitteln. Wir haben versucht, diesen Effekt nachzustellen, indem wir etwa die Hälfte der Löcher zugeklebt haben. Im Landesuntersuchungsamt in Sigmaringen ließen wir die so bearbeiteten Zigaretten in der Maschine abrauchen. Das Ergebnis bestätigt die Erwartung: der Nikotinwert ist mit 0,47 mg fast doppelt so hoch wie bei nicht zugeklebten Löchern.
Wissen die Hersteller, daß ein Raucher mehr Nikotin aus einer Zigarette holen kann, als auf dem Päckchen steht?
"Selbstverständlich. Sie wissen das spätestens seit 1969, als Forscher von Philip Morris in der sogenannten "Lippenstudie" zeigten, wie die Raucher mit ihren Fingern oder Lippen die Löcher verdeckten und wie die Rauchmaschine sehr niedrige Werte anzeigte. Inzwischen haben Leute wie Bellowitz oder Henningfield längst nachgewiesen, daß Raucher durch Verdecken der Löcher 5 bis 20 mal mehr Nikotin aufnehmen können, als auf der Packung steht." [DeNoble] Trotz niedriger Werte auf den Päckchen kann der Raucher also viel mehr Nikotin aus einer Zigarette holen. Wie viel mehr - das hängt davon ab, wie viel Nikotin dem Raucher im Tabak der Zigarette überhaupt zur Verfügung steht. Ein Beispiel: die von uns getestete "leichte" Zigarette hatte nach der offizillen Messung 0,29 und mit teilweise verklebten Löchern 0,47 mg Nikotin im Rauch. In ihrem Tabak fanden sich insgesamt 14,9 mg, sehr viel mehr als bei den Messungen im Rauch. Wir wollten jetzt wissen, ob "leichtere" Zigaretten auch "leichteren" Tabak enthalten. Im Sigmaringer Landesuntersuchungsamt haben wir das systematisch bei 24 Marken vergleichen lassen. Das staatliche Amt durfte uns nur anonymisierte Werte übermitteln, der Trend war aber überraschend eindeutig: fast alle "leichten" Zigaretten enthalten deutlich stärkeren Tabak als ihre "normalen" Pendants. Um ganz sicher zu gehen und um Roß und Reiter kennenzulernen, ließen wir in Bremen in einem Schiedslabor der Tabakindustrie bei allen bundesweit als "leicht" und "normal" erhältlichen Zigaretten mit mehr als 2% Marktaneil nachmessen. Erstes deutliches Ergebnis: alle Light-Zigaretten sind tatsächlich leichter als ihre normalen Geschwister - vom Gewicht her. Sie enthalten weniger Tabak. Die Bremer Nikotinmessungen im Tabak bestätigen die Ergebnisse der Sigmaringer Untersuchungen: Die "leichten" Zigaretten enthalten in etwa genau so viel Nikotin wie "normale", mal etwas weniger, mal etwas mehr. Weil "leichte" Zigaretten aber ja weniger Tabak enthalten, muß dieser Tabak sehr viel stärker sein:
Warum verwenden die Hersteller gerade für die "leichtesten" Zigaretten den "stärksten Tobak"?
"Um das Rauchen von Leichtzigaretten attraktiv zu machen, setzen wir ganz bewußt hochwertige und vollaromatische Tabake ein, die naturgegeben einen etwas höheren Nikotingehalt haben. Sie können sich vorstellen: bei einem niedrigen Rauchangebot von Kondensat und Nikotin muß die Qualität des Tabaks, den wir vorne einsetzen, optimal sein und optimale Geschmacksleistung entfalten. Mit dem intelligenten Filtersystem der R1 gelingt es uns, diese Nikotin- und Kondensatwerte für den Raucher auf ein extrem niedriges Niveau zu reduzieren."
Optimaler Geschmack bedeutet aber auch stets Teer und Nikotin. Lightrauchen ist keineswegs gesünder als das Rauchen normaler Zigaretten. Manche Forscher sind sogar vom Gegenteil überzeugt. "Jeder Raucher benötigt täglich eine bestimmte Menge Nikotin, die er sich unabhängig von der Nikotinmenge im Rauch der gerauchten Zigarettensorte beschafft. Dazu müssen "leichte" Zigaretten sehr viel intensiver geraucht werden als "normale", und das bedeutet, daß auch sehr viel größere Mengen Kohlenmonoxid und andere Schadstoffe aufgenommen werden. So gesehen sind "leichte" Zigaretten gesundheitsschädlicher als "schwere". "Ultraleichte" Zigaretten mit sehr geringem Nikotingehalt ermöglichen es Kindern, ohne Vergiftungserscheinungen Raucher zu werden. Man kann sie als Starterprodukte bezeichnen."
Rauchen und andere Arten der Nikotinzufuhr
Gerade für Raucher scheint es schwer verständlich, daß immer noch über die Nikotinsucht gestritten wird. Was ist es nun, das abhängig macht? Ist es das Nikotin, oder ist es etwas anderes? "Es ist in erster Linie das Nikotin. Das kann man schon daran erkennen, daß nikotinfreie Zigaretten praktisch unverkäuflich sind. Wie stark nun das Nikotin abhängig macht, hängt nicht nur von der Substanz ab, sondern es hängt von der Kinetik ab, das heißt von der Geschwindigkeit, mit der das Nikotin am Gehirn, an den Rezeptoren anflutet. Diese Geschwindigkeit ist extrem hoch beim Inhalieren, beim inhalierenden Rauchen. Sie ist nicht ganz so hoch bei der Injektion von Nikotin, die nur im Laboratorium stattfindet, und sie ist extrem niedrig bei der transzermalen Zufuhr, das heißt bei der Anwendung von Nikotinpflastern."
Nikotinpflaster und Nikotinkaugummi machen nicht süchtig. Sie dürfen in Deutschland nur in der Apotheke verkauft werden und unterliegen auch in Amerika dem Arzneimittelgesetz. Eine widersprüchliche Situation, finden die amerikanischen Gesundheitsbehörden. Zigaretten, die krank und abhängig machen, wie selbst die Versuche der Tabakkonzerne nahelegen, sind - anders als Pflaster und Kaugummi - überall erhältlich. Gehören sie nicht auch in die Apotheke? "Unsere Absicht ist, Kindern unter 18 den Zugang zu Zigaretten zu erschweren und die aggressive Werbung einzuschränken. Wenn wir verhindern können, daß die nächste Generation süchtig wird, dann werden Tod und Leid, die das Rauchen verursacht, genau so verschwinden wir Pocken oder Kinderlähmung." [Dr. David Kessler, Food And Drug Administration (FDA), Washington] Zigaretten nur aus der Apotheke also? Vielleicht sogar auf Rezept? Die Pläne der FDA, der mächtigen Behörde zur Kontrolle von Nahrungs- und Arzneimitteln, könnten schwerwiegende Auswirkungen auf den Zigarettenverkauf haben. Die Rechtsabteilungen der Konzerne suchen fantasievoll nach juristischen Auswegen. "Die Position der FDA und die von Kessler war immer, daß sie Tabak niemals als sicheres Produkt ansehen würden. Die FDA kann aber nach ihren Statuten nur Produkte regulieren, die sicher sind und deren bestimmungsgemäßer Gebrauch zu der beabsichtigten Wirkung führt. Mittel, die nicht sicher und effektiv sind, müssen verboten werden als ungenehmigte Arzneimittel. Die FDA hätte nach ihren eigenen Statuten dann nur die Möglichkeit, den Verkauf von Zigaretten völlig zu verbieten."
Den Verkauf von Zigaretten total zu verbieten - das scheint nicht realistisch zu sein. Bei Alkohol hat das auch nicht funktioniert. Welche Maßnahmen stellt sich der FDA-Chef vor?
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß Nikotin sehr wohl als Arzneimittel unter unsere Gesetze fällt und daß Zigaretten Nikotin-Verabreichungsgeräte sind. Allerdings wollen wir ihren Verkauf nicht auf Apotheken beschränken. Wir wollen den Verkauf an Kinder und Jugendliche unter 18 verhindern und Automaten verbieten. Der Verkauf soll immer von Angesicht zu Angesicht stattfinden, beim Zweifel am Alter nur gegen Vorlage eines Lichtbildausweises. Den Verkauf an Erwachsene wollen wir nicht einschränken." [Kessler] [Bericht über Zigaretten-Fotomodell mit Kehlkopfkrebs, abschließende Zusammenfassung]
Zigarettenkonsum Jugendlicher
Neben dem Mißbrauch von Alkohol gehört das Rauchen nachweislich zu den wichtigsten gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen. Die Jugendlichen wurden im Rahmen einer Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 1998 gebeten, Angaben über ihren Zigarettenkonsum zu machen. Fragt man 15jährige Raucher, so liegt das durchschnittliche Einstiegsalter zum regelmäßigen Rauchen heute bei etwa 12,5 Jahren. Es wurde gefragt, wie häufig die 11- bis 15jährigen rauchen. In der deutschen Stichprobe rauchten unter den 11jährigen 1 %. Unter den 13jährigen steigt der Anteil regelmäßiger Raucher/-innen dann sprunghaft an. In diesem Alter zeigen sich deutsche Jugendliche zur Zeit im internationalen Vergleich als Spitzenreiter: 9 % der deutschen 13jährigen rauchen. Jedoch sind die Unterschiede etwa zu Ländern wie Irland, Großbritannien, Kanada und Finnland sehr gering. In der Gruppe der 15jährigen ist eine weitere Steigerung der Raucherraten zu verzeichnen. Hier sind es unter den deutschen Jugendlichen 22 % der Jungen und 25 % der Mädchen. Der auffallendste Befund des internationalen Vergleichs ergibt sich aus dem Geschlechtsunterschied. Während in allen osteuropäischen Ländern die Jungen wesentlich häufiger rauchen, zeigt sich in den westlichen Industriestaaten ein deutlicher Trend dazu, daß Mädchen eher zum regelmäßigen Rauchen neigen als Jungen. Ein Vergleich der ermittelten Raucherquoten zwischen den Befragungen aus den Jahren 1993/94 und 1997/98 zeigt bei den Jugendlichen einen deutlichen allgemeinen Trend hin zum Rauchen. In Deutschland stieg der Anteil der Raucher bei den 11jährigen Jungen um 1,4 %, bei den Mädchen dieses Alters blieb er nahezu gleich. Bei den 13jährigen deutschen Jugendlichen stieg der Anteil um ca. 6 % bei den Jungen und 4 % bei den Mädchen, und bei den 15jährigen stieg der Anteil rauchender Jungen um 7 %. Während die Anteile der regelmäßigen Raucherinnen bei den 11 jährigen Mädchen in der überwiegenden Zahl der beteiligten Länder stagnieren oder gleich bleiben, war in den anderen Altersgruppen ein Anwachsen der Raucherzahlen zu beobachten.
Ohne Autor (2003). Health Behavior in School-Children (HBSC) Ausgewählte Ergebnisse der Studie aus dem Jahr 1998.
WWW: http://www.uni-bielefeld.de/
gesundhw/ag4/projekte/
hbscergeb.html (03-07-20)
Im Detail
Jugendliche und Suchtmittelkonsum
Vorbild Eltern?
Der Zigaretten- und Alkoholkonsum vieler Kinder wird nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Köln "in erster Linie durch das Vorbild der Eltern geprägt". Kinder rauchender Eltern rauchten doppelt so häufig wie Kinder nichtrauchender Eltern, wobei das Risiko bei einer rauchenden Mutter deutlich höher liege, unterstrich der Berufsverband am Dienstag in Köln. Viele Eltern übersähen diesen Zusammenhang und unterschätzten zudem die Gefahren des Rauchens.
An dieser Fehleinschätzung sind nach Auffassung des Verbandes Gesundheits- und Ordnungspolitiker schuld, die Drogen aufspalteten in einerseits "böse" Drogen, die es kriegsartig zu bekämpfen gelte, und andererseits "gute" Drogen wie Medikamente, Koffein, Nikotin und Alkohol. "Dabei geht dann leicht unter, dass jeden Tag schätzungsweise 1.000 Jugendliche in Deutschland regelmäßige Raucher werden, von denen ein Drittel vorzeitig an Lungenkrebs, Herzkreislauferkrankungen und anderen tabakbedingten Erkrankungen stirbt", betonte der Suchtbeauftragte des Ärzteverbandes, Wolf-Rüdiger Horn. "Auch scheint es niemanden zu beunruhigen, dass einer von vier Todesfällen bei jungen Männern zwischen 15 und 29 Jahren auf Alkohol zurückzuführen ist".
http://www.gesundheitspilot-news.de/newsletter/nl-news1-2106.htm (01-06-27)
Weitere Quellen
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