Das Gefühl
Wieder schleicht es sich von hinten an,
und es fragt mich ob es helfen kann.
Es umschmeichelt mich mit Plüsch und Samt
und sagt "Schau dich mal an".
Das Gefühl ist aus der Kiste raus,
und es sieht wieder so blendend aus,
und das Leben wird zum Warenhaus,
ich behalt es gleich an.
Refrain:
Ewigkeiten kommen und gehen,
hab sie mehr als einmal anprobiert.
Hier zu eng, da zu streng,
irgendwo kneift es mich.
Zu skurril, nicht mein Stil,
das Gefühl steht mir nicht.
Ich schau mich nur um,
schau mich nur mal um.
Es beschleicht mich wieder das Gefühl,
fragt mich leise was ich wirklich will.
Und dann schickt es mich in den April
und sagt "Ha´m wir nicht da!"
Das Gefühl ist wie der letzte Schrei,
kaum verschwindet es und geht vorbei.
Dann verlacht man es und denkt dabei
"Ach wie dumm ich doch war"
Refrain:
Ewigkeiten kommen und gehen,
hab sie mehr als einmal anprobiert.
Hier zu eng, da zu streng …
Das Gefühl ist aus der Kiste raus,
und es zieht mir schon die Schuhe aus.
Doch das Leben ist kein Warenhaus,
denn es nimmt nichts zurück.
Refrain:
Hier zu eng, da zu streng …
Identitätsfindung im Jugendalter
Identität bezeichnet die einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten eines Individuums wie Name, Alter, Geschlecht und Beruf, durch welche das Individuum gekennzeichnet ist und von anderen Personen unterschieden werden kann. Im engeren psychologischen Sinn, ist Identität die einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere von dieser Persönlichkeitsstruktur haben und das Verständnis für die eigene Identität, die Selbsterkenntnis und der Sinn für das, was man ist bzw. sein will. Identitätsbildung beschreibt also, dass sich ein Mensch seines Charakters bzw. seiner Position in der Welt bewusst wird (Schüler einer bestimmten Schule, Mitglied einer religiösen oder sozialen Gruppe, Bürger eines bestimmten Landes).
Von der Identitätsbildung abzugrenzen ist nach Marcia (1993) die Identitätskonstruktion, die auf Grund individueller Entscheidungen zu Stande kommt, indem jemand sich damit auseinandersetzt, wer er sein will, welcher Gruppe er sich anschließen möchte, welchen Glauben er annehmen und welchen Beruf er ergreifen möchte. Die meisten Menschen haben zunächst nur eine Identität, die sich aufgrund von Äußerlichkeiten zusammensetzt (=Identitätsbildung) und nur wenige erwerben eine Identität, die sie selbst konstruiert haben und somit auf einem Prozess von individuellen Entscheidungen basiert (=Identitätskonstruktion).
Die Erfahrung, eine Identität zu haben, ist, dass jemand einen Mittelpunkt, ein Zentrum in sich selbst hat, auf das Erfahrungen und Handlungen bezogen werden. Man kann die Vergangenheit einer Person in bedeutungsvoller Weise in die Gegenwart übertragen und diese Linie in die Zukunft fortschreiben. Individuen, die ihre Identität selbst konstruiert haben, haben einen Sinn dafür, dass sie an diesem Prozess teilgenommen haben. Sie wissen nicht nur, wer sie sind, sondern sie wissen auch, wie sie es geworden sind. Dabei haben sie nützliche Fähigkeiten entwickelt. Diejenigen, die einen übernommenen Mittelpunkt haben, erleben ihre Zukunft dagegen eher als Erfüllung von vorhandenen Erwartungen (Marcia 1993).
Die Jugendphase ist für Erikson (1988, 1991) jene Phase, in der der Mensch seine soziale Rolle festigen muss, wofür ihm die westliche, Gesellschaft meist eine Zeit des Rollen-Experimentierens, ein "psychosoziales Moratorium" zur Verfügung stellt, um in ihr seinen Platz finden zu lassen. Denn im Vergleich zu beispielsweise primitiven oder diktatorischen Gesellschaften, in denen die Rollen festgelegt sind, erfordert die Demokratie eine "selbstgemachte Identität", die eine oft mühsame Auswahl aus zahlreichen Möglichkeiten erfordert. Die individuelle Identität ist auch immer durch eine Gruppenidentität bestimmt, sodass Identität auch eine wechselseitige Beziehung ausdrückt. Die Verfestigung (consolidation) der Identität findet nach Erikson erst während der späten Adoleszenz statt. Durch sie wird die Kindheit beendet und das Erwachsensein beginnt. Sie beinhaltet die Synthese der Fähigkeiten, Überzeugungen und Identifikationen der Kindheit in ein einheitliches, kohärentes Ganzes. Damit versorgt sie den jungen Erwachsenen mit einem Sinn für Kontinuität, der Vergangenheit und die Zukunft integriert. Nach Erikson sind vor allem zwei Bereiche für die Identitätsbildung in der Adoleszenz entscheidend: "occupation" und "ideology". Erikson bleibt in seiner Auseinandersetzung mit der Identitätsentwicklung bei der offenen Formulierung "ein Gefühl von", die darauf hinweist, wie schwierig diese Entwicklung einer zur empirischen Untersuchung notwendigen Operationalisierung zugänglich ist.
Einiges zur Begrifflichkeit von Identität und Rolle
Im Prozess der Selbstfindung beziehungsweise der Identitätsfindung, dieser vorwiegend im Zeitraum der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen (Adoleszenz) stattfindet, stellen sich Jugendliche die Frage, wer sie sind, wer sie sein möchten, wie sie von Mitmenschen gesehen werden und wechseln daher häufig ihre Rollen. Dabei kann es zu Konflikten kommen, wenn es dem/der Jugendlichen nicht gelingt, seine/ihre eigene Rolle in der Gesellschaft zu finden. Der/die Jugendliche fühlt sich unvollkommen, ist unentschlossen und verwirrt. Dieses Problem wird als Rollendiffusion oder Rollenverwirrung bezeichnet. Das Finden einer eigenen sozialen Rolle ist ein wichtiger Bestandteil der Identitätsfindung. Wenn es zu Störungen in der Identitätsentwicklung kommt, dann ist es schwierig für den/die Jugendliche/n, eine stabile Identität aufzubauen. Die Gesellschaft hat Erwartungen, dadurch wird der/die Jugendliche oftmals automatisch in eine Rolle gedrängt, in der er/sie sich nach außen hin anpasst und das wahre Selbst verbirgt. Durch diese Rollenvorgaben kann es zu einer diffusen Identität oder Rolle kommen, welche dem/der Jugendlichen das Gefühl gibt, seinem/ihrem Körper fremd zu sein. Hat eine Person die eigene Identität, also ihren Platz bzw. ihre Rolle in der Gesellschaft (noch) nicht gefunden, so spricht man von einer Identitätsdiffusion. Identitätsdiffusion kann also als Gegenbegriff zur bereits gefundenen Identität gesehen werden. Diese Identitätsdiffusion, die auch als Rollendiffusion umschrieben wird, tritt vor allem in der Adoleszenz auf. Erst dann, wenn der/die Jugendliche seine/ihre Rollenidentität gefunden hat und eine Art Selbstdefinition mit Entwicklung einer Persönlichkeit stattgefunden hat, wird von einer Lösung der Krise gesprochen (vgl. Angehrn 1985, S. 260). In der Adoleszenz beginnt die Suche nach einer neuen und verlässlichen Identität (vgl. Erikson 1981, S. 87). „Wo die [...] Selbst-Definition aus persönlichen oder kollektiven Gründen zu schwierig wird, entsteht ein Gefühl der Rollenverwirrung: der junge Mensch kontrapunktiert seine sexuellen, ethnischen, berufsmäßigen und typologischen Alternativen, statt sie zu synthetisieren und wird oft dazu getrieben, sich definitiv und total für die eine oder die andere Seite zu entscheiden“ (Erikson 1981, S. 87). Unter Rollendiffusion wird auch manchmal eine Verwirrung verstanden, die vor allem im Jugendlichenalter bei der Suche nach einer eigenen Ich-Identität auftritt. Der/die Jugendliche versucht sein/ihr Selbstbild mit dem Bild, das andere über ihn/sie haben abzustimmen und sich für eine Identität zu entscheiden. Gelingt dem/der Jugendliche/n dieser Entwicklungs- bzw. Abstimmungsvorgang nicht reibungslos, so kann es zu einer Rollendiffusion kommen (vgl. Wendt 1997, S. 210). Vor allem in der Phase der Adoleszenz kann es bei der Identitätssuche zu Konflikten kommen, da in diesem Zeitraum viele Veränderungen (Körper, Sexualität, Beruf) auf den/die Jugendliche/n treffen. Der/die Jugendliche wird dazu gezwungen sich ein bestimmtes Rollenmodell auszusuchen, sich um die Zukunft Gedanken zu machen, sich zu orientieren, sich die Frage zu stellen wer sie sein möchten, beziehungsweise wie sie von anderen gesehen werden. Scheitert der Jugendliche an der Aufgabe, diese Elemente erfolgreich miteinander zu vereinbaren und ist der/die Jugendliche im Bezug auf seine/ihre Identität bzw. Rolle unsicher, droht eine Identitätsdiffusion. Diese Art von Verwirrung löst häufig Probleme aus, die in Radikalität, Drogen, Sekten oder mit der Flucht in eine irreale Welt enden können (vgl. Rossmann 1996, S. 147 f).
Soziale Netzwerke und Identität
Einen massiven Einfluss auf die Entwicklung des Selbstbildes üben durch die neuene Medien soziale Netzwerke aus, in denen sich Jugendliche ausprobieren und auf verschiedene Weise darstellen können. Das Experimentieren und die Rückmeldungen der anderen helfen ihnen dabei, ihr Selbstbild zu entwickeln, denn wer sie sind und was sie können, erfahren sie in der Interaktion mit anderen, wobei soziale Netzwerke Jugendlichen eine einfachere Möglichkeit bieten, verschiedene Entwürfe von sich zu präsentieren und zu prüfen, wie sie ankommen. Oft nutzen junge Leute Facebook auch, um mit den äußerlichen Veränderungen in der Pubertät zurechtzukommen, d. h., viele laden Fotos hoch, um eine positive Einstellung zum eigenen Körper zu finden, da sie im Netzwerk rascher eine Rückmeldung erhalten als im realen Leben. Forschungen haben nun gezeigt, dass Peers die Entwicklung der ethnischen Identität in der frühen Adoleszenz beeinflussen, wobei einiges darauf hindeutet, dass vor allem gleichethnische aber nicht multiethnische Peers für die Entwicklung dieser Identität bedeutsam sind. Anhand einer Längsschnittanalyse von sozialen Netzwerken untersuchten Jugert, Leszczensky & Pink (2019) den Peer-Einfluss gleich- und multiethnischer Freunde auf die ethnisch-rassische Identitätsbindung und es zeigte sich, dass sich Jugendliche vor allem an gleich-ethnischen Freunden orientieren während anders-ethnische Freunde dagegen kaum Einfluss haben. Dieser Effekt war bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund auch stärker ausgeprägt als bei Jugendlichen ohne einen solchen. Daher ist die Berücksichtigung der Ethnizität von Peers entscheidend für das Verständnis des Einflusses von Peers auf die Entwicklung in der Adoleszenz.
Auslandsschuljahre und Identitätsentwicklung bei Jugendlichen
Psychologen haben untersucht, welche Auswirkungen ein Schuljahr im Ausland für die Identitätsentwicklung bei Jugendlichen hat, denn sie lernen andere Menschen und Kulturen kennen, verbessern ihre Sprachfähigkeiten, werden selbstständiger und sie erleben Identitätskrisen, die sie zwar kurzzeitig erschüttern, schließlich aber nachhaltig stärken. In der Regel schreitet die Identitätsentwicklung während des Erwachsenwerdens relativ geradlinig fort, doch zeigte sich, dass es in diesem Prozess auch auf und ab gehen kann. Dafür wurden SchülerInnen vor, während und nach ihrem Auslandsjahr befragt (Greischel, Noack & Neyer, 2018). Jugendliche hinterfragten aufgrund der neuen Eindrücke ihr Selbstbild deutlich und durchlebten Identitätskrisen, während denen sich die Schüler nicht unbedingt gut fühlen, jedoch stellen sich die dabei gemachten Erfahrungen später als positiv und wichtig heraus.
Bei der Bewertung der Identitätsentwicklung wurde besonders die Beziehung zum Heimatland und das Freundschaftskonzept der Befragten berücksichtigt. So identifizierten sich die Auslandsschüler besonders stark mit ihrem Heimatland, kurz nachdem sie es verlassen haben, doch nach ihrer Rückkehr schwächten sich diese Werte deutlich ab. Durch die Erweiterung des eigenen Horizonts stellen sich die Schüler Fragen, über die die Daheimgebliebenen nicht nachdenken, etwa woher sie eigentlich kommen, ob sie gern in Deutschland leben oder ob sie sich auch ein Leben in einem anderen Land vorstellen können. Ähnlich verhält es sich mit dem sozialen Umfeld, denn auch die Bindungen zu Freunden und Eltern verstärkten sich zu Beginn des Auslandsaufenthaltes, werden aber nach der Rückkehr stärker hinterfragt. Gedanken wie "Passt dieser Freundeskreis zu mir?" und "Wie sehr identifiziere ich mich über meine Freunde?" tauchen auf, wodurch es zu einem intensiven Reflexionsprozess kommt, der sich später als wertvoll herausstellen kann. Bei einer Vergleichsgruppe konnten solche Effekte nicht festgestellt werden.
Bei der Bewertung der Ergebnisse muss allerdings berücksichtigt werden, dass die meisten Schüler, die ein Auslandsjahr absolvieren, auch vorher schon offener und extravertierter sind.
Identität und Geschlecht
Judith Butler hat die These der Performativität des Geschlechts entwickelt, d.h., dass das Geschlecht nicht allein durch biologische Parameter bestimmt wird, sondern dass man es durch Sprechen und Handeln zu allererst erzeugt. Was Menschen sind, hängt also davon ab, was sie tun, und das, was sie tun, liegt aber häufig nicht in ihrer Macht. Im Leben eines Menschen gibt es unzählige Reglementierungen und Einschränkungen des Handelns nach und es gibt nur wenige Möglichkeiten, bestehende Muster, Regeln und Ordnungen zu demontieren und neue Handlungsspielräume zu erschließen. In ihrem Buch "Das Unbehagen der Geschlechter" setzt sich Butler mit Materialität des Körpers, der Beziehung zwischen Macht und Psyche, den politischen Dimensionen der Psychoanalyse und den Auswirkungen des juridischen Diskurses auf diejenigen, die nicht autorisiert sind, an ihm teilzunehmen, auseinander. In Essays untersucht sie das Problem der Verwandtschaft vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Infragestellung der Lebensform Familie und die Bedeutung und Ziele des Inzesttabus, sie hinterfragt die Pathologisierung von Intersexualität und Transsexualität und unterzieht das Phänomen sexueller und ethnischer Panik in der Kunstzensur einer kritischen Analyse.Prüfungsfragen aus der Entwicklungspsychologie:
a) Beschreiben Sie die Grundannahmen des Modells der Identitätsentwicklung nach J. E. Marcia (1966, 1980).
b) Analysieren Sie die vier Identitätsstufen Marcias im Hinblick auf die Merkmale Selbstwertgefühl, Autonomie und soziale Interaktion.
Marcia (1980) hat Eriksons Konzept der Identitätsfindung bzw. dessen psychosoziale Phasen der Ichentwicklung weiter ausdifferenziert und weiterentwickelt, insbesondere hat er sie der Empirie zugänglich gemacht (s.u.). Die meisten Identitätsforscher stützen sich bis heute auf seinen Ansatz und seine Methode. Marcia teilt Identität in vier Stadien ein, die er als Identitätsstatus bezeichnet und die nicht allein über konkrete Inhalte bestimmt werden, sondern über die Prozessvariablen "Exploration von Alternativen" und "Eingehen von Bindungen". Die vier sich aus diesem Konzept ergebenden Gruppen sind die "Diffusions", die keine Bindungen eingegangen sind, die "Foreclosures", die die Kindheitsbindungen beibehalten haben und eigene Entwicklung "ausschließen", die "Moratoriums", die sich in der Suchphase befinden und die "Achievers", die bereits Bindungen eingegangen sind. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den Gruppen ist der Grad der aktiven Identitätssuche und -findung. "Most, though not all, individuals 'have' an identity; however, only some have a self-constructed identity based upon the superimposition of decision-making process on the given conferred identity" (Marcia 1987, S. 165).
Die Struktur der Identität steht in Beziehung dazu, wie Erfahrungen behandelt werden und wie wichtig sie sind (vgl. Marcia 1993). Ihm geht es darum, den aktuellen Identitätsstatus eines Individuums an Hand von Fragen zu ermitteln, die das Ausmaß an Verpflichtung, Krise und Exploration in verschiedenen Lebensbereichen erfassen. Mit Hilfe des "Identity Status Interviews" (ISI) wird das Ausmaß der Festlegung und Exploration gemessen. Es beruht inhaltlich auf den Bereichen Berufswahl, religiöse Überzeugungen und politische Ideologien, die schon bei Erikson eine wichtige Rolle spielen. Erst später wurde der Bereich Sexualität hinzugefügt. Fast alle Untersuchungen basieren allerdings auf Stichproben aus College-Studenten, da sie eine leicht zu erreichende Gruppe darstellen und Interviews über komplexere Inhalte leichter mit Personen eines höheren Bildungsniveaus durchgeführt werden können.
- Krise: Ausmaß an Unsicherheit, Beunruhigung und Rebellion in einem Bereich.
- Verpflichtung: Umfang von Engagement und Bindung in einem Bereich.
- Exploration: Ausmaß an Erkundung eines Lebensbereichs mit dem Ziel einer besseren Orientierung und Entscheidungsfindung - entscheidende Strategie zur Bewältigung von Identitätsproblemen.
Marcia vier Identitäts-Stadien wurden unter dem Begriff Identity-Status-Modell bekannt und sind durch das Ausmaß der Festlegung in verschiedenen Lebensbereichen sowie durch das Ausmaß an Exploration in diesen Bereichen definiert.
Die vier Identitätszustände nach Marcia (1980):
- diffuse Identität (keine Festlegung für Werte und Beruf)
- übernommene Identität (Festlegung auf Berufe oder Werte, die von Eltern ausgewählt wurden)
- Moratorium (Gegenwärtige Auseinandersetzung mit beruflichen oder sonstigen Wertfragen)
- erarbeitete Identität (Festlegung auf Berufe oder Wertpositionen, die selbst ausgewählt wurden)
Fend (1991) übersetzt diese Statusgruppen übrigens mit den Begriffen "Diffuse", "Festgelegte", "Suchende" und "Entschiedene".
Marcia unterscheidet auch mehrere mögliche Verläufe im Ringen um die Identität:
- Progressive Verläufe: erreicht über das Moratorium die erarbeitete Identität.
- Regressive Verläufe: enden bei einer diffusen Identität.
- Stagnierende Verläufe: verweilen bei der übernommenen oder diffusen Identität.
Aufgrund eines starken Anstiegs des Anteils der diffusen Identität (von 20% auf 40%) hat Marcia (1989) in einer weiteren Studie die diffuse Identität genauer analysiert und vier Arten unterschieden (vgl. auch Oerter & Dreher 2002, Kraus 2003):
- Entwicklungsdiffusion (developmental diffusion) Die Person befindet sich in der Entwicklung. Für eine erarbeitete Identität sind die Bedingungen gegeben, allerdings ist der Zustand der verbindlichen Festlegung zeitweilig ausgesetzt. Die Chance besteht dadurch Alternativen zu bedenken und zu explorieren. Die Entwicklungsdiffusion entspricht am ehesten der ursprünglichen Identitätsdiffusion und ist eine Übergangsform zum Moratorium oder zur erarbeiteten Identität.
- Sorgenfreie Diffusion (carefree diffusion) In diesem Fall ist die Person unauffällig und erscheint angepasst und kontaktfreudig. Die Kontakte sind aber nur oberflächlich und kurz. Die Person ist unfähig, berufliche oder ideologische Verpflichtungen einzugehen, d.h., es existieren keine verbindlichen Werte.
- Störungsdiffusion (disturbed diffusion) Die Störungsdiffusion tritt häufig als Folge eines Traumas oder einer unbewältigten kritischen Lebenssituation auf. Die Person hat einen Mangel an inneren und äußeren Ressourcen und weiß nicht, wie sie mit dieser Lebenssituation fertig werden soll. Dadurch ist sie häufig isoliert und hilft sich u.a. mit unrealistischen Größenphantasien.
- Kulturell adaptive Diffusion (adaptive diffusion) Für die multikulturelle Gesellschaft der Zukunft wird die kulturell adaptive Diffusion zunehmend Bedeutung erlangen und evtl. zu einer regulären Form der Identität. Sie bildet sich, wenn Unverbindlichkeit, Offenheit und Flexibilität gefordert werden. Der Person erscheint es als sinnvoll, sich beruflich und privat nicht festzulegen, um den kulturellen Anforderungen besser gerecht werden zu können. Mit klaren Wertvorstellungen und gefestigten Lebenszielen kann die Person sich an rasch wechselnde Bedingungen nicht so schnell anpassen. Sie wird von den Gesellschaftsformen gefördert, wobei "Normalität" als Identitätsziel angestrebt wird.
Siehe dazu auch die Stufen der sozial-kognitiven Entwicklung nach R. L. Selman.
Merkmale der Entwicklungsphasen im Überblick (nach Tücke 1999)
Einige Kennzeichen der Identitätszustände in verschiedenen Merkmalen:
Untersuchtes Merkmal |
Diffuse Identität |
Moratorium |
Übernommene Identität (Festlegung auf Beruf oder Werte, die von den Eltern ausgewählt wurden) |
Erarbeitete Identität (Festlegung auf Beruf und Wertpositionen, die selbst gewählt wurden) |
Selbstwertgefühl |
Niedrig |
Hoch |
Niedrig (männlich) |
Hoch |
Autonomie |
Extern kontrolliert |
Internale Kontrolle |
Autorität |
Internale Kontrolle |
Kognitiver Stil |
Impulsiv, extreme kognitive Komplexität |
Reflexiv, kognitiv komplex |
Impulsiv, kognitiv simpel |
Reflexiv, kognitiv komplex
|
Intimität |
Stereotype Beziehungen |
Fähig zu tiefen Beziehungen |
Stereotype Beziehungen |
Fähig zu tiefen Beziehungen |
Soziale Interaktion |
Zurückgezogen, fühlen sich von den Eltern nicht verstanden, hören auf Peers und Autoritäten |
Frei, streben intensive Beziehungen an, wetteifern |
Ruhig, wohlerzogen glücklich |
Zeigen nicht-defensive Stärke, können sich für andere ohne Eigennutz einsetzen |
Welche pädagogische Maßnahmen und Notwendigkeiten gibt es bezüglich der vier Identitätstypen?
Jugendliche mit erreichter Identität
- Verantwortung geben nach Maßgabe ihrer Kompetenzen
- Raum geben, Möglichkeit andere Rollen zu erproben
- Auf Entscheidungen stützen zum Aufbau der Identität
Jugendliche mit vorweggenommener Identität
- durch kritische Argumentation verunsichern (Gegenargumente)
- heile Welt in Frage stellen
- helfen, sich vom Elternhaus abzulösen
- Präsupposition*) (Zu-Mutung)
Jugendliche im Moratorium
- Verantwortung und Zeit geben eine Rolle auszuleben
- Vertrauen schenken
- Helfen, Entscheidungen zu treffen (alle Möglichkeiten durchspielen)
- Zeit für sie haben und mit ihnen reden
Jugendliche mit diffuser Identität
- Helfen, Bindungen aufzubauen, die Stabilität ermöglichen
- Man sollte ihnen Verpflichtungen übergeben und ihnen helfen diese einzuhalten.
- Klare Ratschläge
- Jegliche Form zynischen, sarkastischen Verhaltens meide
*) Präsuppositionen (vom Lateinischen praesupponere - voraussetzen) sind implizite Vorannahmen bzw. Sprachmuster, mit denen man Dinge behaupten kann, die man nicht in Frage gestellt sehen möchte.
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WWW:
http://dueker.psycho.uni-osnabrueck.de/ewp/inhalt.htm (06-01-06)
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