Aus der Lehre … Entwicklungspsychologie 2006

Jugendliche und Gewalt

Quellen

Engfer, A. (2002). , Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern. In: R.
Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 800-817). Weinheim:
Beltz.

Habermas, T. (2002). Substanzenmissbrauch und Ess-Störungen. In: R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 847-858). Weinheim: Beltz.

Montada, L. (2002). Delinquenz. In: R. Oerter & L. Montada (Hrsg.),
Entwicklungspsychologie (S. 859-873). Weinheim: Beltz.

Riesner, L. (2014). Die Möglichkeiten und Grenzen der Vorhersage delinquenten Verhaltens von jungen Menschen anhand ihrer Jugendhilfeunterlagen. Dissertation, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Stangl, Werner (2002a). Sucht & Drogen.
Online im Internet: Link (2006-11-20)

Stangl, Werner (2002b). Risikofaktoren und Entwicklungsmechanismen für jugendlichen Drogengebrauch und -missbrauch.
Link (2006-11-20)

Stangl; Werner (2002c). Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Link (2006-11-18)

Stangl, Werner (2002d). Mobbing, Bossing, Stalking. Link (2006-11-23)

Stangl, Werner nach Fliegel, Steffen (2002e). Mobbing in der Schule. Link (2006-11-24)

Uslucan, H.-H., Fuhrer U. & Rademacher, J. (2003). Jugendgewalt und familiale Desintegration. Erziehung und Unterricht, 3, 281-292.

 




































































Was zur Entstehung von Gewalt bei Jugendlichen beiträgt?

Im Folgenden werden Entwicklungsstörungen sowie abweichendes Verhalten von Jugendlichen näher betrachtet, dabei wird auf Aspekte wie den Substanzmittelmissbrauch oder auch Essstörungen eingegangen. Im weiteren Verlauf wird auch eine kritische Verhaltensproblematik diskutiert, nämlich das immer gefährlicher werdende Mobbing. Danach wird näher auf Jugendgewalt, Delinquenz und deren Einflussfaktoren darunter die familiale Desintegration eingegangen, wobei die Gesamtthematik mit einer Abhandlung über Misshandlungen, Vernachlässigungen und sexuellem Missbrauch von Kindern, seinen Abschluss findet.

Risikofaktoren für Alkohol- und Drogenmissbrauch im Jugendalter

Unter Missbrauch versteht man den Konsum von Substanzen (wie z.B. Alkohol und Drogen), der negative Auswirkungen auf das psychische, soziale und körperliche Funktionieren sowie die weitere persönliche Entwicklung hat (vgl. Habermas 2002, S. 847). Laut der Weltgesundheitsorganisation kann gelegentlicher Konsum sowie Gesundheitsschädigung durch Konsum (z.B. „Kater“ nach Alkohol) als Drogenmissbrauch bezeichnet werden (vgl. Stangl 2006a).
Die Bereitschaft Drogen zu nehmen, entsteht häufig in der Pubertätskrise, die Wurzel des Missbrauchs psychoaktiver Substanzen liegt jedoch meist schon in der Kindheit (Stangl 2006b). Alkohol- und Drogenmissbrauch kann mit dem aktuellen elterlichen Erziehungsstil, der familiären Häufung von Alkoholismus und den eigenen persönlichen Entwicklungseigenschaften in der Kindheit in Zusammenhang gebracht werden (vgl. Habermas 2002, S. 851). Aufmerksamkeitsstörungen, mangelnde Selbstkontrolle, erhöhter Aktivismus sowie Aggressivität während der Kindheit sind Beispiele für Persönlichkeitsmerkmale, die künftigen Alkohol- und Drogengebrauch (nicht nur während der Jugendzeit) begünstigen können. Die gefährdeten Jugendlichen geraten eher an Gruppen Gleichaltriger ähnlichen Hintergrunds, mit denen Alkohol- und Drogenkonsum erfahren wird. Diese Gruppen tendieren häufig auch zu einer Reihe von anderen „Problemverhalten“, wie z.B. dem Konsum von Marihuana und anderen Drogen sowie Delinquenz (vgl. Habermas 2002, S. 852f iVm Stangl 2006b).
Prospektive Studien haben ergeben, dass ein unengagierter und nondirektiver Erziehungsstil positiv mit dem Drogenkonsum 15-jähriger korreliert. Viele Jugendliche, die bald einen Alkoholmissbrauch entwickeln, haben – im Gegensatz zu anderen Jugendlichen – Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, weniger überwachen und unterstützen und die selbst mehr Alkohol trinken bzw. andere Drogen nehmen. Konfliktsituationen verschiedener Art, zerrüttete Familienverhältnisse sowie Einsamkeit sind Beispiele für Faktoren die in Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenmissbrauch stehen. Der Wunsch Lebensproblemen mit Trinken zu entfliehen hängt mit dem Alkoholkonsum zusammen, denn wer glaubt dass Alkohol die Stimmung hebt, trinkt in der Regel mehr (vgl. Habermas 2002, S. 851ff iVm Stangl 2002b).

Essstörungen

Der Kult das Körpergewicht eigenwillig zu dominieren äußert sich besonders in den zwei häufigsten Vertretern von Essstörungen, nämlich einerseits der Magersucht und andererseits der Bulimie (vgl. Habermas 2002, S. 848).

Magersucht basiert nicht auf Appetitlosigkeit oder Phobien sonder wird stets von der Angst genährt zu dick zu sein oder zu werden. Die Betroffenen gestehen sich die Krankheit kaum ein und verheimlichen die Auswüchse dieser. Diese unregelmäßige Nahrungsaufnahme führt nicht nur zu Veränderungen im körperlichen sondern auch im psychischen Bereich, was im Extremfall zum Tod führen kann. Näher analysiert können Gründe für Magersucht auch die Ablösung vom Elternhaus sein oder die Integration des sexuell herangewachsenen Körpers in ein Selbstbild.
Bei Bulimie wird durch zeitlich begrenzte Heißhungeranfälle die subjektive Grenze dessen, was der Körper aufnehmen soll überschritten, das Übermaß wird dabei durch kontrolliertes Sich-Übergeben abgeführt. Das Ziel ist hier nicht krankhaftes Untergewicht wie bei der Magersucht sondern ein Idealkörper was heißt, dass sogar normal ernährte Personen Bulimiekrank werden können. Bulimiekranke empfinden einen Essensanfall als Versagen, grenzen sich zwar sozial ab, können jedoch durchaus noch sexuelle oder soziale Beziehungen aufrechterhalten, was bei Magersucht nicht der Fall ist.
Betroffen von beiden Krankheiten sind zu 90 Prozent Frauen, wobei Magersucht schon viel früher als die durch Körperkult geprägte Bulimie beginnt.

Häufig treten beide Krankheiten in Familien auf, welche bei Magersucht eher Konflikte meiden und bei Bulimie offene Konflikte ausstehen. Besonders stark betroffen sind jene, welche eine Diät halten und gleichzeitig an psychischen Problemen leiden. Besonders Ängste und unüberwundene Probleme in der Pubertät können zu Esstörungen führen. Weiters wird besonders bei Frauen in der Pubertät die weibliche Wahrnehmung des Körpers gestärkt, was vom Kindsein auf ein Frausein umschlägt, und dieser Wandel sich in neuen Idealbildern des Körpers niederschlägt.
Erkrankte an diesen beiden Krankheiten, sowie an Substanzmittelmissbrauch leiden unter einem Drang zur Manipulation des eigenen Körpers oder Befindens (vgl. Habermas 2002, S. 848ff).

Mobbing

Mobbing definiert sich als gruppenweise ausgeübte psychische Gewalt auf eine Person. Besonders gefährdet sich jene Menschen, welche sich durch ein oder mehrere Kennzeichen von der Gruppe unterscheiden. Mobbing verläuft in Ebenen wo ganz am Anfang ein unausgetragener Konflikt steht, welche auf der nächsten Stufe durch giftige verbale Äußerungen angheizt wird, dabei versinkt oft der Grund des Konflikts und es kommt zu einer Form der Polarisierung. Weiter geht es mit Rechts- und Machtübergriffen welche die Betroffenen ausgrenzen sollen. Körperliche Erkrankungen resultieren aus den Vorebenen und werden von den Medizinern oft missverstanden, was dann zu Verzweiflung der Betroffenen führt, welche sich nur mehr mit Gewalt zu helfen wissen. Gemobbt wird vor allem in der Arbeitswelt unter Kollegen oder Vorgesetzen, diese Form des Zusammensein gehört hier schon zum Alltag. Nicht nur in der Arbeitswelt denn auch im privaten Umfeld wie zum Beispiel der Nachbarschaft ist Mobbing ein Mittel zur Konfliktbewältigung zwischen allen Altersklassen (vgl. Stangl 2002d).

Besonders an Schulen wird mittels körperlicher oder verbaler Gewalt gemobbt, dabei stellt das stumme Mobbing eine weitere beliebte Form dar. Körperliche Gewalt drückt sich besonders durch Prügel, Erpressung, Diebstahl oder sexuelle Belästigung aus. Das stumme Mobbing findet mittels Ausgrenzung oder simpler Ignoranz eines Betroffenen seine Erfüllung. Gemobbt wird auch hier wieder gegen das Fremde, dies kann sich in sozialer Herkunft oder auch in simplen Dingen wie der Kleidung manifestieren.
Eine alamierende Zahl der Selbstmordraten von 20 Prozent, hervorgerufen durch Mobbing bringt Vorsichtsmaßnahmen immer mehr ins Rampenlicht, da die Betroffenen weder mit Lehrer noch Eltern über diese Probleme plaudern. Auch kommt der Lehrkraft eine tragende Rolle zu, da das Klassenklima welches durch Mobbing total zerstört wird, auch stark durch das Lehrer-Schülerverhältnis verändert wird.
Eine Lösung dieses großen Problems wird einerseits durch die enge und vermehrte Kommunikation zwischen Lehrer-Schüler-Eltern und auch der Gemeinde, aber andererseits durch gezielte Trainings wie soziale Kompetenz-Training, oder Anti-Aggressionstraining (vgl. Stangl nach Fliegel 2002e).

Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Jugendgewalt und familiärer Desintegration
Das Thema Jugendgewalt ist aufgrund der hohen Aktualität und Brisanz immer wieder Gegenstand von empirischen Untersuchungen, in denen versucht wird Erklärungsansätze für dieses Problem, das scheinbar von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, zu finden (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 281).

So wurde auch bei Untersuchung von Haci-Halil Uslucan, die auf dem Desintegrationstheorem von Wilhem Heitmeyr aufbaute, versucht durch die Befragung von über tausend ostdeutschen Jugendlichen den Zusammenhang zwischen familialer Desintegration und Gewalthandlungen von Jugendlichen zu erforschen. So stand die Frage im Mittelpunkt, ob und wenn ja, wie stark das Familienklima, die Inkonsistenz des Erziehungsstils und erlebte Gewalterfahrungen durch die Eltern die unterschiedlichen Dimensionen jugendlicher Gewalt beeinflussen. Somit wurde erhoben, ob ein Zusammenhang zur Gewaltakzeptanz, Gewaltopferschaft und der Gewalttäter- und mittäterschaft besteht (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 284).

Einfluss des Familienklimas auf die Jugendgewalt

Im Bezug auf das Familienklima, das sich zB dadurch zeigt, wie häufig Streitepisoden zwischen den Eltern auftreten, stellte sich ein negativer Zusammenhang zu den Aspekten der Jugendgewalt heraus, dh eine protektive Wirkung eines positiv erlebten Familienklimas (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 287). Das bedeutet umso positiver das Familienklima wahrgenommen wird, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Gewaltakzeptanz, also der prinzipiellen Legitimierung von gewaltvollen Handeln sowie das Vorkommen von Gewalttäterschaft, das ist die tatsächliche Involvierung in gewalttätige Konflikte und der Gewaltmittäterschaft, also der Beteiligung an Gewaltkonflikten im Gruppenverband. Umgekehrt bedeutet dies genauso, dass umso schlechter Jugendliche das Familienklima erleben, sie eher Gewalt akzeptieren und auch selbst als Mittel zur Konfliktlösung einsetzen (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 289).

Inkonsistenz als Einflussfaktor für die Jugendgewalt

Weiters ergab sich aus der Untersuchung, dass häufige Uneinigkeiten in der Ausübung der Erzieherrolle und sehr inkonsistente Disziplinierungsverhalten einen Einfluss auf bestimmte Aspekte der Jugendgewalt haben. So zeigte sich, dass umso stärker ein inkonsistenter Erziehungsstil der Mutter von den Jugendlichen erlebt wird, desto größer ist später die Gewaltoperschaft, das heißt Jugendliche werden häufiger Opfer von Gewalthandlungen. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Jugendlichen durch diese inkonsistente Erziehung verletzlicher wirken und häufiger in die Opferrolle geraten. Die Inkonsistenz des väterlichen Erziehungsstils hatte hingegen kaum Auswirkungen auf das Auftreten von Jugendgewalt (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S.291).

Auswirkungen von Gewalterfahrungen durch die Eltern

Durch die Untersuchung bestätigte sich auch erneut die These einer intergenerationalen Weitergabe von Gewalt, das heißt je häufiger Kinder vor dem 12. Lebensjahr Gewalt durch ihre Eltern erlebten, desto eher akzeptieren und wenden die Jugendlichen selbst Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung an. So beeinflussen Gewalterfahrungen durch die Eltern sowohl die Gewaltakzeptanz, die Gewalttäterschaft, die Mittäterschaft als auch die Gewaltopferschaft der Jugendlichen, dh dass sie durch erlebte Gewalt auch später häufiger Opfer von gewaltvollen Handlungen werden (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, 289f).

Einfluss der Familienstruktur auf Aspekte der Gewalt

Weiters wurde auch versucht den Einfluss der Familienstruktur zu untersuchen und die potentiellen Unterschiede zwischen Scheidungsfamilien und Kernfamilien, das sind solche, bei denen Vater und Mutter gemeinsam im Haushalt leben, auf die verschiedenen Aspekte jugendlicher Gewalt zu erheben. So stellte sich wie schon auch bei anderen Untersuchungen heraus, dass in Scheidungsfamilien im Allgemeinen häufiger normverletzende Verhaltensweisen bei den Jugendlichen auftreten und dort die negative Wirkung eines schlechten Familienklimas auf die Gewaltakzeptanz, -täterschaft und –mittäterschaft deutlich größer ist als in Kernfamilien (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 288). Auch sind die Jugendlichen in Scheidungsfamilien einem größeren Risiko ausgesetzt in gewaltvolle außerfamiliäre Konflikte verwickelt zu werden. Prinzipiell kann jedoch ein gutes Familienklima den Einfluss problematischer Familienkonstellationen sehr wohl vermindern bzw. ausgleichen (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 283). Weiters ist dieser direkte Zusammenhang zwischen Familienform und Gewaltneigung auch problematisch, da die Jugendlichen stets auch Gestalter ihrer eigenen Entwicklung bleiben (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 291).

Delinquenz

„Eine Straftat liegt vor, wenn eine Tat oder eine Unterlassung einem rechtlich definierten Straftatbestand entsprechen. Weiter muss dem Täter die Verantwortung für die Tat zugeschrieben werden. Dies setzt Strafmündigkeit und die Annahme voraus, der Täter hätte anders handeln können, und ein anderes Handeln wäre ihm zumutbar gewesen“ (Haffke, 1978).

Die zwei Forschungsrichtungen (individuelle Risikofaktoren und Schutzfaktoren) sind zur Vorbeugung von Straftaten relevant. So genannte Schutzfaktoren sind zB eine positive Beziehung zur Mutter, Erfolg in der Schule und schulische Motivation. Abgesehen von diesen beiden Richtungen sind auch Daten über die Stabilität der Delinquenz oder über Stetigkeiten in der Delinquenzentwicklung eine weitere Basis für Vorhersagen (vgl. Montada 2002, S. 861f).

Voraussetzung für Prognosen der Jugend- und Erwachsenendelinquenz aus der Kindheit sind Prädispositionen in der Kindheit angelegt oder gebildet werden. Ein Beispiel für die Frühprädikatoren stellt zB schon ein antisoziales Verhalten in der Grundschule dar. Dieser Prädikator wird als sicheres Zeichen für eine negative Entwicklung im Erwachsenenalter angesehen (vgl. Montada 2002, S. 862).
Untersuchungen aus vielen Ländern belegen, dass die Delinquenz in Art und Häufigkeit mit dem Alter variiert (vgl. Moffitt, 1993; Wetzels et al., 2001). Bei den 16- bis 20-jährigen erreicht die Kriminalbelastung einen Höhepunkt, danach fällt sie kontinuierlich und deutlich ab. Der Anstieg im Jugendalter ist in den letzten 50 Jahren deutlich höher geworden (Farrington, 1986; Steffensmeier et al., 1989). Die Veränderung bei Gewaltdelikten ist ähnlich, bei den 14- bis 18-jährigen allerdings besonders steil. Opfer von Jugendlichen sind übrigens weit überwiegend wiederum Jugendliche (vgl. Montada 2002, S. 862).

Jugenddelinquenz

Moffitt (1993) unterscheidet in der Entwicklungstheorie zwei Täterkategorien: Die Persistente Delinquenz weist eine hohe Kontinuität bezüglich antisozialen Verhaltens auf. Antisoziales Verhalten ist zB Aggressivität in der Kindheit und den ersten Schuljahren, in der Jugend Drogenhandel, Einbrüche später Raubüberfälle und Gewaltdelikte (vgl. Montada 2002, S. 864).
Die Jugenddelinquenz jedoch setzt er in der Adoleszenz ein und wird wahrscheinlich im frühen Erwachsenenalter wieder aufgegeben. Robins (1978) hat in der Follow-up-Studie festgestellt, dass Jugenddelinquenz faktisch nur bei Personen zu beobachten ist, die schon als Kinder durch multiples antisoziales Verhalten aufgefallen sind (vgl. Montada 2002, S. 865). Jugenddelinquenz findet man so häufig, dass sie schon als normales Entwicklungsphänomen angesehen werden. Soziale Beziehungen, pathologisches Verhalten und Persönlichkeitsstörungen sind in der Jugenddelinquenz nicht gestört. Das Verhaltensrepertoire ist in der Jugenddelinquenz nicht auf antisoziale Muster beschränkt (vgl. Montada 2002, S. 867).

Die Statushypothese besagt das höhere Bildung Status bringt. In der heutigen Gesellschaft sind Leistungen eine wichtige Voraussetzung für Status. Neben diesen ist soziale Verantwortung eine Quelle von Sozialstatus und Anerkennung. Das Mädchen und junge Frauen seltener delinquent sind, lässt sich durch die Statusmotivhypothese erklären. Jedoch erklärt sie nicht alles. Sie muss um den Aspekt der moralischen Sozialisation ergänzt werden (vgl. Montada 2002, S. 865f).

Persistentes antisoziales Verhalten

Das dieses Verhalten bis in die früheste Kindheit zurückzuverfolgen ist, dafür gibt es viele empirische Hinweise. Dies ist oft mit pathologischen Störungen assoziiert. „Schwierige Kinder“ evozieren oft ungünstiges Verhalten der Eltern bis zu Misshandlungen. Diese ungünstigen Transaktionen kovariieren mit erhöhten Aggressionswerten in späteren Lebensperioden (vgl. Montada 2002, S. 869).
Moffitt nennt zwei Bedingungen für eine sukzessive Verengung der Optionen persistent Delinquenter. Das Fehlen eine prosozialen Verhaltensrepertoires und die Folgen des abweichenden Verhaltens selbst. (vgl. Montada 2002, S. 870)

Präventive und korrektive Maßnahmen

Primäre und sekundäre Prävention sind Maßnahmen in früher Kindheit, leistungsbezogene Maßnahmen in der Schulzeit und der Aufbau sozialer Kompetenzen und Haltungen (vgl. Montada 2002, S. 871). Tertitäre und Rückfallprävention sind unerwünschte Nebenwirkungen der Haftstrafe und die generalpräventive Abschreckungswirkung der Rechtsstrafe (vgl. Montada 2002, S. 872).

Misshandlungen, Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern

Unter Kindesmisshandlungen versteht man „eine gewaltsame psychische und physische Beeinträchtigung von Kindern durch Eltern oder Erziehungsberechtigte. Diese Beeinträchtigungen können durch elterliche Handlungen oder Unterlassungen zustande kommen.“ (Engfer 2002, S. 800)
Misshandlung im engeren Sinne umfassen in der Regel nur die Fälle, in denen Kinder körperlich verletzt werden. Bei manchen Misshandlungsformen (zB bei psychischen Misshandlungen, den meisten Formen des sexuellen Missbrauchs) sind solche körperlichen Schädigungen nicht beobachtbar. Beim sexuellen Missbrauch fallen besonders gravierende Fälle wie Körperkontakt, versuchtem oder vollzogenem Geschlechtsverkehr und/oder der Anwendung von Gewalt (vgl. Wipplinger & Amman, 1998). Misshandlung im weiteren Sinne umfassen Handlungen die nicht unbedingt zu körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen von Kindern führen. (zB Schimpfen, Schlagen, Bestrafen) (vgl. Engfer 2002, S. 800)

Vernachlässigung

„Kinder werden vernachlässigt, wenn sie von ihren Eltern oder Betreuungspersonen unzureichend ernährt, gepflegt, gefördert, gesundheitlich versorgt, beaufsichtigt und/oder vor Gefahren geschützt werden.“ (Engfer 2002, S. 801)
Vernachlässigungen kommen wesentlich häufiger vor als Misshandlungen im engeren Sinne. Sie wird häufig im Zusammenhang mit extremer Armut und sozialer Randständigkeit aber auch im Kontext von psychischen Erkrankungen, geistigen Behinderungen oder Alkohol- und Drogenprobleme beobachtet. Vernachlässigte Kinder zeigen nicht erhebliche Rückstände in ihrer kognitiven und sozial-emotionalen Entwicklung (vgl. Engfer 2002, S. 802).

Psychische Formen der Misshandlung und Vernachlässigung

Zu den psychischen Misshandlungen zählen nicht nur sadistische Formen „seelischer Grausamkeit“ sondern auch harmlosere Varianten elterlichen Verhaltens wie zB die Bevorzugung eines Geschwisterkindes, häufiges Beschimpfen usw. (vgl. Engfer 2002, S. 802).
Fehlende mütterliche Zuwendung zeigt schon bei Kindern mit zwei Jahren einen dramatischen Rückstand in ihrer kognitiven und motorischen Entwicklung. Diese psychischen Misshandlungen lassen sich kaum von denen der körperlichen Misshandlung oder physischen Vernachlässigung unterscheiden (vgl. Engfer 2002, S. 803).

Körperliche Misshandlung

Darunter versteht man Schläge oder andere gewaltsame Handlungen (Verbrennungen, Schütteln, Stiche), die beim Kind zu Verletzungen führen können (vgl. Engfer 2002, S. 803). Etwa die Hälfte bis zwei Drittel der deutschen Eltern bestrafen ihre Kinder körperlich, dies wird anhand von Studien aufgezeigt (vgl. Engfer 2002, S. 803).
Die mehrgenerationale Weitergabe der Gewalt und die Verhaltensprobleme als Auslöser für Misshandlungen werden zur Erklärungen für den Missbrauch von Kindern herangezogen: (vgl. Engfer 2002, S. 804f)

Sexueller Missbrauch

Darunter wird die Beteiligung von noch nicht ausgereiften Kindern an sexuellen Aktivitäten verstanden. Diese Kinder können noch nicht informiert zustimmen, weil sie deren Tragweite noch nicht erfassen können (vgl. Engfer 2002, S. 808).
Immer eine Form von körperlicher und/oder seelischer Gewalt. Meist besteht die Konstellation Mann-Frau. Täter stammt häufig aus dem sozialen Nahbereich der Kinder. Verletzung sowohl körperlich als auch seelisch. Selten Einzeltat, sondern über Jahre andauernd. Begriff entsteht durch Ausnutzen des Zusammenspielt der Autorität Erwachsener mit der Abhängigkeit von Kindern (vgl. Stangl. 2002c).

Familiäre Schutzfaktoren der Delinquenz

Bedeutsame promotive und protektive Faktoren der jugendlichen Delinquenz finden sich nach Riesner (2014) im Bereich der elterlichen Unterstützung und Erziehung. Als schützende Eigenschaften haben sich unter anderem ein angemessenes Monitoring, eine offene Eltern-Kind-Kommunikation, die klare Einhaltung von Regeln, die Einbeziehung des Kindes in familiäre Aktivitäten, elterliche Bekräftigung von positivem Verhalten der Kinder und der Verzicht auf physische Disziplinierungsmaßnahmen erwiesen, ebenso ein liebevoller und emotional warmer Umgang zwischen den Eltern sowie den Eltern und Kindern. Diese elterlichen Eigenschaften hinsichtlich der Erziehung und des Umgangs mit dem Kind führen zum Aufbau von sozialen Kompetenzen, Selbstvertrauen, Autonomie sowie positiven Freundschaften und verringern auf diese Weise die Entwicklung antisozialen Verhaltens, wobei ein Teil der Zusammenhänge über die Bindungsfähigkeiten des Kindes mediiert wird.
Eine sichere emotionale Bindung zwischen Kind und Eltern hat sich im Hinblick auf vielfältige Entwicklungsbereiche als förderlich herausgestellt, wobei die positive Wirkung einer engen emotionalen Bindung weder auf die Kindheit noch auf den Bereich der Familie begrenzt ist. Eine enge Eltern- Kind-Beziehung während des Jugendalters wirkt dabei indirekt positiv, indem sie den Kontakt zu prosozialen Peers fördert. Hinzu kommen delinquenzreduzierenden Effekte von Partnerschaften, wobei auch für nicht-eheliche Partnerschaften ein entsprechender Einfluss festgestellt werden konnte. Ihre Wirkung entfalten Partnerschaften unter anderem darüber, dass sie den Kontakt zu delinquenten Peers reduzieren und den Aufbau von Selbstkontrolle fördern können, sodass die Bindung an einen Partner zu größerer informeller Kontrolle, zu erhöhten persönlichen Kosten delinquenter Handlungen und zu einer Ausrichtung an den nicht-devianten Werten des Partners führen kann. Partnerschaften sind allerdings nicht per se als Schutzfaktor aufzufassen, da delinquente Partner die Wahrscheinlichkeit für Delinquenz gegebenenfalls auch erhöhen können. Viele der familiären Merkmale sind eng miteinander verknüpft und stehen untereinander sowie mit dem Verhalten des Kindes in komplexen Wechselwirkungen, sodass familiäre Schutzfaktoren vor allem relevant für die Verhinderung delinquenter Entwicklungsverläufe zu sein scheinen und weniger für die Beendigung einer bereits verfestigten Entwicklung.

Aus der Lehre … Entwicklungspsychologie 2006

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