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Mobbing

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie kommen nach der Arbeit nach Hause. Ihre Familie fragt, wie Ihr Tag gelaufen ist.
"Wie es heute war? Nun ja, wie immer. Als ich an meinen Platz kam, lag da ein Zettel. Darauf stand ‚Blöde Zicke. So eine wie dich brauchen wir in unserer Firma nicht! Verpiss dich.´ Das war auf dem PC geschrieben und ausgedruckt. Wie letzte Woche. Ich weiß nicht, von wem das ist, vielleicht sind es mehrere - keine Ahnung. In der Pause habe ich mich aufs Klo verzogen, damit keiner sieht, dass ich heule. Als ich vorhin nach Hause wollte, habe ich gemerkt, dass meine Jacke nicht mehr an der Garderobe hing. Sie lag in der Abstellkammer und war total verdreckt. Das war’s. Sonst war nichts Besonderes."
Quelle: http://mobbing.seitenstark.de/index_e.asp (07-05-05)

Mobbing

Mobbing geschieht nicht durch irgendwelche Fremden. Es ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle eine Gewalterscheinung im nahen sozialen Umfeld. Das Mobbingkonzept ist in wissenschaftlichen Betrachtung ein noch wenig erforschtes Phänomen, das sich über eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen erstreckt: Psychologie, Soziologie, Psychiatrie, Juridik, Politische Wissenschaft, Sozialpsychologie, Betriebswirtschaft usw. Mobbing ist ein komplexes Zusammenspiel von Tätern, Opfern und Zuschauern und ist nicht nur unter Berufstätigen und SchülerInnen, wo es am häufigsten diskutiert wird - ein weltweites Phänomen. Es zeigt sich, dass das Motiv der meisten TäterInnen das Streben nach Status und Zuwendung ist, wobei das Dominieren der Opfer zumindest in der subjektiven Perspektive für die TäterInnen mit dem Erreichen eines höheren sozialen Status verbunden wird.

Folgewirkungen von schulischem Mobbing lebenslang?

In einer Studie untersuchten Wolke et al. (2013) die Lebenserfahrungen von weit über rausen ProbandInnen im Alter zwischen neun und sechzehn Jahren und später nochmals zwischen 24 und 26 Jahren. Dabei zeigte sich, dass jene, die in ihrer Kindheit bzw. Jugend gemobbt worden waren, als Erwachsene ein sechs Mal höheres Risiko hatten, an einer schweren Krankheit zu leiden, regelmäßig zu rauchen oder eine psychische Krankheit zu entwickeln. Das bedeutet, dass wer in seiner Kindheit von Gleichaltrigen gemobbt wurde, auch noch als Erwachsener mit den Folgewirkungen zu kämpfen hat. Die Untersuchung belegte auch, dass Opfer von Mobbing später häufig selber dazu übergehen, andere zu jobben, wobei Mobber wie auch ihre Opfer später als Erwachsene Schwierigkeiten haben, dauerhafte soziale Bindungen einzugehen oder lange an einem Arbeitsplatz zu verbleiben.

Dantchev & Wolke (2019) fanden in einer Analyse Merkmale in Familien, die das Mobbing von Geschwistern begünstigen. Anhand der Daten der "Avon Longitudinal Study of Parents and Children" (Daten von 6.838 britischen Kindern, geboren 1991 oder 1992) identifizierten sie Risikofaktoren für Geschwistermobbing von der Schwangerschaft bis zur frühen Adoleszenz in Familien, die Geschwistermobbing als Opfer und Täter vorhersagen können. 28,1% der untersuchten Kinder waren dabei an Geschwistermobbing beteiligt. Die Faktoren lassen sich in vier Kategorien einteilen:

Psychologisches Mobbing war die am häufigsten genannte Form des Mobbing, wobei Knaben ihre Geschwister häufiger schikanierten als Mädchen. Am häufigsten fand sich Mobbing gegen Geschwister durch Erstgeborene in Familien mit mehr als zwei Kindern, Kinder mit Eltern, die selbst Konflikte miteinander hatten, und bei Kindern mit frühen aggressiven Tendenzen. Die Aggression der Geschwister wird dabei sowohl durch einen Verlust von Ressourcen für Erstgeborene als auch Spätgeborene angetrieben, die dadurch ihren Bedarf an Ressourcen wie Elternaufmerksamkeit oder materielle Güter decken wollen. Mobbing unter Geschwistern ist daher ein Verteilungskampfes um Ressourcen und ein Ringen um soziale Dominanz.

Geschwistermobbing kann nach Ansicht der ForscherInnen eine evolutionäre Strategie zur Aufrechterhaltung oder Erreichung sozialer Dominanz sein, wobei ältere Geschwister besonders gefährdet sind, Geschwistermobbing zu initiieren. Eltern sollten darüber aufgeklärt werden, wie man mit Ressourcenverlusten bei Erstgeborenen umgeht und wie man bessere Geschwisterbeziehungen fördert.

Homophobes bzw. transphobe Mobbing

umfasst nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychische, wobei gerade in der Schule viele transidente, schwule, lesbische und bisexuelle Kinder und Jugendliche wegen ihrer anderen sexuellen Orientierung bzw. Identität diskriminiert und gemobbt werden. Die Täter sind vor allem männliche Jugendliche, denn Mädchen und junge Fraue sind empathischer, was Transsexualität, Homosexualität und Bisexualität betrifft und beschützen oft angefeindete Kinder und Jugendliche. Oft zeigen weibliche Jugendliche auch mehr Zivilcourage, wobei auch Lehrerinnen häufiger bei homophober bzw. transphober Gewalt als Lehrer intervenieren.
Psychische Gewalt gegenüber homosexuellen, bisexuellen und transidenten Kindern und Jugendlichen kann zu schweren psychischen Traumatisierungen und Folgen führen, etwa Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen, sozialer Isolation, zu Sucht und Substanzmissbrauch oder Suizidalität. Für die Opfer selbst gilt, dass sie sich niemals mit dem homophoben bzw. transphoben Mobbing abfinden sollten, denn wenn sich ein Opfer nicht wehrt und keine Hilfe sucht, dann lassen die TäterInnen nicht von ihm ab und die Gewaltdynamik kann eskalieren. Kinder und Jugendliche, die solche Gewalt erleben müssen, sollten sich unbedingt Hilfe suchen, indem sie sich an Erwachsene wenden und die Bullies meiden. Auch hilfreiche Dritte wie MitschülerInnen oder LehrerInnen sollten um Hilfe gebeten werden, wobei es wichtig ist, dass SchülerInnen, die Opfer von Gewalt werden, Fähigkeiten erwerben, die ihnen helfen, sich zu wehren, Hilfe zu suchen, sich nicht provozieren zu lassen und schlagfertig zu reagieren.

Literatur

Dantchev, Slava & Wolke, Dieter (2019). Trouble in the nest: Antecedents of sibling bullying victimization and perpetration. Developmental Psychology, 55, doi:10.1037/dev0000700.

Friedrch, F. (2020). Homophobe und transphobe Gewalt in der Schule.
WWW: https://www.meinbezirk.at/salzburg-stadt/c-regionauten-community/homophobe-und-transphobe-gewalt-in-der-schule_a4324738 (20-11-02)

Wolke, Dieter, Copeland, William E., Angold, Adrian & Costello, E. Jane (2013). Impact of Bullying in Childhood on Adult Health, Wealth, Crime, and Social Outcomes. Psychological Science, doi:10.1177/0956797613481608.


Diese Arbeitsblätter sind eine Zusammenfassung verschiedener Arbeitsblätter, die verstreut über verschiedene Themen auf [werner.stangl]s arbeitsblättern liegen. Ergänzt werden diese durch einige Texte, die aus Arbeiten von StudentInnen des Autors stammen.

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Stalking: Was ist Stalking? - Wann wird Liebe zum Wahn? - Wie verhält man sich gegenüber einem Stalker? - Stalking im Internet

Fragebogen zur Feststellung, ob Mobbing vorliegt: Gekürzte Fassung des von Heinz Leymann entwickelten LIPT (Leymann Inventory of Psychological Terror) - Checkliste für Eltern: Wie gut ist ein Kind gegen Gewalt gewappnet?

Mobbing in der Schule: Was ist alles Mobbing? - Gewalt in der Schule - Unangenehme Erfahrungen mit Lehrern - Die Folgen von Mobbing - Ursachen von Mobbing in der Schule - Mobbing im Schulbus - Lösungen und Ratschläge bei Mobbing - Mobbing als Bedrohungsbild bei Lehrern - Sexuelle Belästigung in der Schule - was tun? - Mobbing in Kinder- und Jugendheimen

Bullying: Aggression unter Schülern

Typologie des Mobbing - Täter, Opfer, Mitläufer, Sympathisanten: Am Mobbingprozess in der Schule beteiligte Personen - Öpfer, Täter, Mitläufer, Passive Täter, Sympathisanten

Mobbing in der Schule - Programme und Maßnahmen: Das Interventionsprogramm von Olweus - Das Sheffield Projekt

Mobbing in der Schule - Übungen für die Unterrichtspraxis

Einige Begriffsklärungen im Zusammenhang mit Mobbing: Konflikt, Aggression, Gewalt


Einige Mobbingratgeber für Eltern



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