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Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen

Sexueller Missbrauch von Kindern bedeutet, dass eine Person mit einem Kind sexuelle Handlungen vollzieht, ein Kind dazu bestimmt, solche Handlungen an sich oder einem Dritten zu vollziehen oder ihm pornografische Darstellungen vorführt. Unter sexuellem Missbrauch werden insbesondere folgende Handlungen verstanden:

Unter den weit gefassten Definitionen werden folgende Handlungen mit eingeschlossen:

Heute wird dem subjektiven Erleben der Opfer eine wichtige Bedeutung beigemessen, d.h., das individuell Erleben der Opfer spielt eine zentrale Rolle bei der Definition von sexuellem Missbrauch. Die Gefahr, die hierbei besteht ist, dass zum Beispiel harmlose Verstöße, wie etwa anzügliche Blicke, schon als sexuelle Übergriffe verstanden werden (vgl. Engfer 1998, S. 1007).

Saller (1987, S. 29ff) unterscheidet drei Bereiche sexueller Ausbeutung:

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen

Bei sexuellem Missbrauch bzw. Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen sind die meisten Täter selbst Kinder oder Jugendliche, wobei Mädchen überwiegend als Opfer wahrgenommen werden, jedoch als Täterinnen meist übersehen werden. Ingrid Wolff-Dietz (2007) warnt davor, das Täterpotenzial bei Mädchen zu unterschätzen. Jugendliche Sexualstraftäter sind häufig selbst zuvor missbraucht worde, wobei man vermutet, dass die Täter und Täterinnen versuchen, durch Reinszenierungen die eigenen Missbrauchserfahrungen zu bewältigen. Sichtbar wird das vor allem dann, wenn Täter ihre Opfer in der gleichen Art missbrauchen, wie sie selbst missbraucht worden waren. Schon Sigmund Freud berichtet von einem Fall, in dem ein Dreijähriger von seiner fünfjährigen Schwester zu sexuellen Taten genötigt wurde. Seine Schwester hatte den Altersunterschied und ihre größere Intelligenz genutzt, um ihren Bruder zu dominieren, zu erniedrigen und mit einem Bild von einem Wolf zu foltern. In der Pubertät versuchte dieser die Kindheitssituation umzudrehen, und bedrängte seine Schwester sexuell, die ihn zurückwies, doch er fand andere weibliche Opfer, die ihm geistig unterlegen waren und deren Missbrauch sollte seine eigene Erniedrigung kompensieren sollte. Nach Ansicht der Psychoanalyse stellt eine Vergewaltigung die Verlagerung eines intrapsychischen Konflikts nach außen dar, d. h., der Täter kann das eigene Gefühl von Wertlosigkeit, Unzulänglichkeit, Verletzbarkeit durch ein triumphales Erleben von Mächtigkeit, Stärke und Potenz momentan verleugnen. Sexualstraftäter, die selbst missbraucht wurden, zeigen sexualisiertes Verhalten bereits in der Kindheit, erleben einen höheren Erregungslevel, sind emotional instabiler, haben häufiger Suizidgedanken, sind häufiger aggressiv und depressiv. Auch wenn solche kompensatorischen Tendenzen meist greifbar und auffällig sind, bleiben Ursachen und Folgen von sexuellem Missbrauch dennoch vielgesichtig und komplex.

Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch eigene Geschwister

Klees & Kettritz (2018) zeigen in ihrem Sammelband, dass häufiger als angenommen Kinder und Jugendliche ihre Geschwister sexuell missbrauchen, oft gewalttätig und über Jahre hinweg, wobei diese Vergehen meist zu einem streng gehüteten Familiengeheimnis werden und diese nur ausnahmsweise bekannt werden. Sexualisierte Gewalt durch Geschwister kann nur im Kontext des Familiensystems verstanden werden, wobei neben individuellen Risikofaktoren der übergriffigen Kinder und Jugendlichen vorwiegend familiendynamische Risikofaktoren als Ursachen für die sexualisierte Gewalt gelten, etwa eine patriarchalische Rollenverteilung, psychische und/oder emotionale Abwesenheit und Unerreichbarkeit der Eltern, dysfunktionale Grenzen des Familiensystems, elterliche Bevorzugung eines Kindes, hohe Geschwisteranzahl, sexuell stimulierendes und/oder puritanisches Familienmilieu, Opfererfahrungen der Geschwister und eine multigenerationale Weitergabe von Misshandlungs- und Missbrauchsmustern. Bei einer Tätertherapie muss daher neben der Aufarbeitung des Deliktes das Ziel verfolgt werden, Sexualität als Mittel der Machtausübung zu diskreditieren. Sexualisierte Übergriffigkeit bedeutet, dass Sexualität ihre eigentliche Funktion verloren hat und zum Mittel der Machtausübung geworden ist. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sexualisierte Übergriffigkeit keine Befriedigung sexueller Bedürfnisse mit unzulässigen Mitteln darstellt, sondern in der Therapiearbeit mit betroffenen Tätern muss dazu führen, die Gründe für den Wunsch nach Machtausübung herauszufinden, diese zu bearbeiten und Hilfe dafür zu schaffen. Ziel ist es zu vermitteln, wie die Täter ihre sexuellen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen ohne Gewalt und Manipulation leben können, denn häufig sind nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter traumatisiert, und beide benötigen eine differenzierte Traumatherapie. Aus der Erfahrung weiß man, dass manche Opfer fast übergangslos zu Tätern werden können und umgekehrt.

Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs

Es gibt eine Vielzahl von Studien zur Häufigkeit und den Arten sexuellen Missbrauchs, die je nach Definition des Begriffes "Sexueller Missbrauch" und der Methode der Datenerhebung (Ausgangsstichproben, zugrunde gelegte Altersgrenzen) zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen (vgl. Engfer 1998, S. 1009). Es ist daher nicht möglich, das tatsächliche Ausmaß des sexuellen Missbrauchs anzugeben. Meist wird auf Zahlen aus der Anzeigenstatistik zurückgerechnet und mit der von Experten errechneten Dunkelziffer von 1:18 bis 1:20 hochgerechnet. 1995 gab es in Österreich 602 Anzeigen wegen Sexualdelikten (Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen) an unter 14 Jährigen. 198 Sexualdelikte (Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung) an Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren wurden zur Anzeige gebracht.

Kinzl & Biebl (1993) führten 1990 eine Fragebogenerhebung bei Studentinnen und Studenten der Universität Innsbruck durch mit dem Ziel, Prävalenzraten sexueller Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend bei einer nicht klinischen Gruppe zu erfassen, sowie psychosoziale und familiäre Risikofaktoren zu erheben. Die Autoren schickten insgesamt 2.000 Fragebögen aus, von denen 1.125 verwertbar zurückgeschickt wurden. Die deutlich geringere Anzahl an retournierten Fragebogen durch männliche Studenten (367) spricht dafür, dass beim männlichen Geschlecht eine geringere Sensibilität und Betroffenheit für dieses Thema besteht als bei den Frauen (758 zurückgesandte Fragebogen). 35,9% der Studentinnen und 18,5% der Studenten berichten Missbrauchserfahrungen Von den 758 Studentinnen, die den Fragebogen ausgefüllt zurücksandten, erlebten 35,9% sexuelle Missbrauchserfahrungen. Davon waren 18,3% einmalige und 17,6% wiederholte weniger schwere oder schwere sexuelle Missbrauchserfahrungen. 18,5% der 367 männlichen Studenten, die den Fragebogen zurücksandten, berichteten von sexuellen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend, davon waren 11,4% einmalige und 7,1% mehrmalige weniger schwere oder schwergradige Missbrauchserfahrungen. Aufgrund der Selektivität der untersuchten Population können die Daten nicht ohne weiteres auf die Allgemeinbevölkerung übertragen werden. So können, bedingt durch die völlige Anonymität der Datenerhebungen, auch keine Aussagen über Personen gemacht werden, die den Fragebogen nicht ausgefüllt haben. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch mit Viktimisationsstudien nicht das wahre Ausmaß des sexuellen Missbrauchs erfasst werden kann, sondern es ist eher mit einer Unterschätzung des Ausmaßes zu rechnen.

Männliche Missbrauchsopfer

Die Dunkelziffer bei sexuellen Übergriffen auf Jungen oder Männer liegt deutlich höher als bei Frauen, denn nach einer Untersuchung der Universität Regensburg, wurden etwa fünf Prozent der männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland als Kinder sexuell missbraucht, sieben Prozent berichteten von belastenden sexuellen Erfahrungen, etwa doppelt so viele erinnern sich an Grenzverletzungen. Doch ist es für männliche Opfer eine enorme Hürde, diese Ereignisse anderen zu berichten. Mehrere Studien zeigen, dass Männer deutlich länger zögern als Frauen, die Gleiches erlebt haben, sich zu offenbaren. Eine amerikanische Studie an männlichen Missbrauchsopfern ergab, dass betroffene Männer erst nach durchschnittlich einundzwanzig Jahren mit jemandem über ihre Erfahrungen sprechen, und weitere sieben Jahre dauert es, bis sie beginnen, das Erlebte aufzuarbeiten. Die Ursachen für das Schweigen sind dabei vielfältig, wobei die Gesellschaft und ihre Ansichten vermutlich ein Schlüssel dazu darstellen dürften. Neben Scham sind es vor allem die gängigen Männlichkeitsnormen, denn ein Missbrauch wird als Verletzung seiner Männlichkeit betrachtet. In westlichen Kulturen lernen Männer, stark zu sein, nicht zu weinen, Antworten zu haben, der Versorger zu sein, wobei hinzukommt, dass zahlreiche Männer, die von einem Mann missbraucht wurden, befürchten, als schwul zu gelten und deshalb diskriminiert zu werden.

Quelle: Jana Hauschild: Warum männliche Opfer oft schweigen.
http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/sexueller-missbrauch-warum-maennliche-opfer-oft-schweigen-a-1199444.html (18-05-11)

Die Zahlen zum sexuellen Missbrauch an Buben stammen zumeist aus dem angloamerikanischen Raum, wobei nach diesen Angaben zwischen 10 und 20 Prozent der Buben betroffen sind. Täter bei sexuellem Missbrauch an Buben sind meist Männer. Der Prozentsatz der Frauen, die sich an Jungen vergehen, liegt unter einem Prozent. Frauen missbrauchen Kinder meist nur in Tateinheit mit einem Mann. Sexueller Missbrauch an Buben geschieht in der Regel nicht durch Männer, die die Vaterrolle für den jeweiligen Buben innehaben, sondern durch andere männliche Verwandte, gute Bekannte der Familie bzw. Freunde oder Fremdtäter (Beispiele: Nachbarn, Pfarrer, Lehrer, Jugendgruppenleiter, Fußballtrainer, Heimerzieher, etc.). Das bedeutet, Jungen werden im sozialen Nahfeld sexuell missbraucht. Ist tatsächlich einmal der Vater des Buben der Täter, sind auch die Mädchen in dieser Familie betroffen.

Wenn Buben mehrheitlich außerhalb der Familie sexuellen Missbrauch ertragen müssen, so ergeben sich für Buben andere Konsequenzen als für Mädchen, was aber nicht bedeutet, dass die Folgen weniger schlimm sind. Der Bub, der sexuelle Übergriffe erdulden mußte, erhält in der Regel sowohl emotionale Unterstützung durch seine Familie als auch Verständnis für seine Situation in der Öffentlichkeit. Weil der Täter kein Familienmitglied ist, hat ein Bub eher die Möglichkeit Situationen zu meiden, in denen die Übergriffe wieder auftreten können. Die Beziehung zum Täter kann in der Regel jederzeit abgebrochen werden. Dadurch liegt der Schritt nahe, eine Anzeige gegen den Täter zu erstatten. Selten sind in einem solchen Fall andere Familienmitglieder involviert. Die Familie des Buben ist durch das, was ihm angetan wurde, nicht in ihrer Existenz bedroht. Es stellt sich weder die Frage nach einer Heimunterbringung noch die nach Zerstörung der Familie. Der sexuelle Missbrauch eines Jungen durch einen außerfamiliären Täter stellt kaum den Zusammenhalt des gesamten Familiensystems in Frage. Buben lernen schon sehr früh, dass Männlichsein bedeutet, überlegen zu sein, über Schwächere zu dominieren und diese zu besiegen. Deshalb haben sie Schwierigkeiten damit, sich als Opfer zu fühlen, wenn ihnen sexuelle Übergriffe widerfahren. Zudem gelten in unserer Gesellschaft homosexuelle Handlungen als pervers und werden sozial geächtet. Das macht es auch dem Buben oftmals schwer, sich jemanden anzuvertrauen. Sexuelle Übergriffe mitzuteilen heißt für sie, die Opferrolle annehmen, dagegen wehren sie sich. Sie möchten nicht schwach sein und verfügbar sein wie Mädchen, weshalb sie es oft vorziehen, zu schweigen. Sie identifizieren sich deshalb eher mit dem Täter, sie möchten ihre Männlichkeit beweisen, was bedeutet, vermeintlich Schwächere zu unterwerfen. Jungen wenden die erfahrene sexuelle Gewalt weniger gegen sich, sondern in der Regel nach außen. Sie werden selbst zum Täter, indem sie kleinere Buben und Mädchen demütigen und missbrauchen, z.B. durch Stimulation sexueller Aktivitäten. Sexueller Missbrauch dient immer dazu, dem Unterlegenen die eigene Macht und Stärke zu demonstrieren und durch die Unterwerfung beides wieder neu zu sichern.

Auch die Arbeit mit sexuell missbrauchten Buben wird in erster Linie von Frauen geleistet, aber die Buben brauchen geschlechtsspezifische Hilfe. Sie brauchen männliche Identifikationsfiguren, die ihnen beim Aufbau eines neuen Selbstbildes helfen, die ihnen vorleben, dass auch Männer Gefühle zeigen, Hilfe annehmen und Konflikte ohne (sexuelle) Gewalt lösen können.

Sexueller Missbrauch von Behinderten

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sind Machtmissbrauch und Machtausübung oftmals gewohnt, sodass die sexuelle Gewalt meist nur zu einem zusätzlichen Aspekt ihres Daseins wird. Die strukturelle Macht von Einrichtungen, die Entmündigung in vielen Fragen des Alltags, die Reglementierung ihres Lebens bis hin zu intimsten Bereichen wie Körperpflege und Sexualität macht es für sie schwer, "nein" zu sagen, sich zu wehren oder Gewalt überhaupt noch als solche zu erkennen und zu benennen. Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen ist ein Tabuthema und ein gut gehütetes Geheimnis von Betroffenen, BetreuerInnen und der Öffentlichkeit. Es liegen nur wenige Untersuchungen über das Ausmaß an sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen vor und in den Institutionen werden Fragen von sexueller Gewalt meist nur im Anlassfall, am Rande oder gar nicht problematisiert. Ein Grund für die zögernde Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt liegt vermutlich in der allgemeinen Tabuisierung von Sexualität im Leben von Behinderten, sie dürfte aber kaum von den Zahlen der übrigen Bevölkerung abweichen. Das Risiko, Opfer sexueller Gewalt zu werden, ist dort hoch, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen BetreuerInnen und zu betreuenden Jugendlichen vorliegen. Die TäterInnen, die aus dem alltäglichen Nahraum kommen, nutzen dabei ihre Macht-, Abhängigkeits- und Vertrauensbeziehung aus, nicht nur um die Gefügigkeit des Opfers zu erreichen, sondern auch um die Geheimhaltung zu erzwingen. Behinderte Kinder und Jugendliche stehen in einem noch größeren Abhängigkeitsverhältnis zu Erwachsenen, sind noch rechtloser und ohnmächtiger als nicht behinderte. Vor allem geistig behinderte Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer nicht altersgemäßen intellektuellen Entwicklung noch viel weniger als ihre Altersgenossen in der Lage, die Inanspruchnahme ihrer Person für sexuelle Handlungen zu erkennen. Die Praxis der Sterilisation behinderter Mädchen im Jugendalter bietet diese zudem als Opfer für ein "Verbrechen ohne Folgen" an. Auch wird Behinderten, wenn sie über den Missbrauch berichten oder nonverbale Zeichen geben, noch weniger geglaubt als nichtbehinderten Mädchen und Jungen. "Und wenn schon, sie soll doch froh sein, dass sich überhaupt einer für sie interessiert" - so die weitverbreitete Meinung" (Enders, 1990, S. 52).

Täter

Die bei sexuellem Missbrauch in Erscheinung tretenden Täter werden nach folgenden Typen klassifiziert:

Nach vorsichtigen Schätzungen sind die regressiven Täter mit etwa 90 Prozent am häufigsten anzutreffen. Der fixierte Typ folgt mit etwa zwei bis zehn Prozent an zweiter Stelle. Der soziopathische Typ tritt nur in wenigen Einzelfällen auf.

Es gibt einen Mangel an empirisch fundierter Täterforschung, da es schwierig ist, für Untersuchungen Täter zu finden, die sich zu ihrem Missbrauch bekennen (vgl. Engfer 1998, S. 1011). Nach derzeitiger Sachlage bilden Männer etwa 85 bis 90 Prozent der Täter, welche überwiegend aus dem sozialen Nahraum von Kindern kommen. Zwar treten vermehrt Frauen als Täterinnen ins Interesse der Öffentlichkeit, doch steht zu vermuten, dass dies medial überzeichnet ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse widersprechen dem.

Kieler Forscher vermuten nach der Untersuchung der typischen Gehirnreaktionen bei Pädophilen, dass die sexuelle Orientierung zum größten Teil schon angelegt ist, wenn sie zur Welt kommen bzw. in einem früheren Bereich der postnatalen Entwicklung. Die typischen Muster beim Betrachten einschlägiger Bilder entwickelten sich im Versuch noch vor Bewusstwerdung der Bildinhalte, denn erst dann wird die Sehrinde aktiviert, um möglichst viele der Bilder aufzunehmen, die dann im Gehirn das Belohnungszentrum aktivieren. Solche unterschwelligen Wahrnehmungsreaktionen sind nicht willentlich beeinflussbar, sodass der Versuch, mit einer fMRT-Messung eine pädophile Neigung zu erkennen, präziser ist als die bisherigen Methoden wie etwa die Phallometrie, bei der die Männer bestimmten Reizen ausgesetzt und daraufhin die Penisreaktion gemessen wird. Die hohe Treffsicherheit der Unterscheidung von Pädophilen und nicht Pädophilen von 95 Prozent ist aber nur unter Laborbedingungen möglich, wobei sich auch die Frage stellt, ob die Phantasien, die mit dieser Methode gemessen werden, schon aussagekräftig genug sind, denn nicht alle Fantasien bringen einen Handlungszwang mit sich.
Quelle: Welt am Sonntag vom 9. September 2011

Eine Untersuchung missbrauchter Studentinnen ergab folgendes Zahlenverhältnis: Die Hälfte der Täter waren Bekannte, ein Viertel Verwandte und Angehörige und nur ein Fünftel Fremdtäter. Der leibliche Vater ist nur bei rund 2-3% der missbrauchten Mädchen der Täter (vgl. Engfer 1998, S. 1010f). Bei den Knaben kommen die Täter mit 10 bis 20% etwas seltener aus der Familie als bei Mädchen (vgl. Bange & Deegener 1996, S. 49). Täter sind oft Männer mit einem geringen Selbstwertgefühl, "die sich gezielt Kinder suchen, um ihre eigenen Ohmachts- und Hilflosigkeitsgefühle, ihre eigenen Ängste und Minderwertigkeitsgefühle, ihren Hass und ihre Wut auf Kosten der Kinder zu befriedigen", wobei ein großer Teil der Täter nicht nur ein Kind sexuell missbraucht, sondern sich immer wieder neue Opfer sucht (Bange & Deegener 1996, S. 56,S. 132 ).

Die Oberösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft (Streicher-Pehböck & Winkler-Kirchberger 2000) geht davon aus, dass 90% der sexuell missbrauchten Kinder den Täter kennen und zu ihm in einem Vertrauensverhältnis stehen. Rund ein Drittel der Täter sind selbst noch Kinder oder Jugendliche und nur ein Zehntel sind über 50 Jahre alt, d.h., die Kinder und Jugendliche werden am häufigsten von Gleichaltrigen oder nur geringfügig Älteren sexuell missbraucht (vgl. Bange & Deegener 1996, S. 50).

Die häufigste Täterstrategie, vor allem im Kreis der Verwandten ist die emotionale Zuwendung, bei weniger nahestehenden Personen kommt es auch zur Androhung bzw. Ausübung körperlicher oder psychischer Gewalt (vgl. Engfer 1998, S. 1011). Bange & Deegener (1996, S. 49) zitieren Studien, die davon ausgehen, dass körperliche Gewalt oder Drohungen in mehr als 50% der Missbrauchsfälle vorkommen, während andere Täter manipulative Strategien wie beispielsweise Geldgeschenke benutzen. Oftmals kommt es auch zu subtilen Vermischungen von Gewalt(androhungen) und emotionalen Abhängigkeiten, eine statistische Trennung in unterschiedliche Täterstrategien kann dadurch erschwert sein.

Die sexuelle Ausbeutung beginnt, abgesehen von Ausnahmefällen (z.B. Fremdtäter) nicht mit der Vergewaltigung des Opfers, sondern fast immer mit der besonderen "Zuwendung" von seiten des Missbrauchers, z.B. der Opa erklärt die Vierjährige zu seiner Lieblingsenkelin. Das Mädchen genießt die Aufmerksamkeit und Liebkosungen des alten Herrn, doch dann rutscht Opas Hand wie zufällig in das Höschen der Kleinen; niemand bemerkt dies. Das Kind wehrt sich, dreht sich weg und macht sich steif. Auch stört es sie, dass Opas "Pipimännchen" immer so hart wird, wenn er sich gegen sie presst. Niemand versteht, dass sie den Großvater nicht mehr besuchen möchte.

Häufig wird die sexuelle Ausbeutung in der Anfangsphase als Spiel getarnt. Täter aus dem sozialen Nahbereich wenden bei älteren Kindern (ab dem Grundschulalter) die Masche des "Hofierens" an. Das Kind wird wie eine Erwachsene behandelt, darf z.B. rauchen, wird zum Essen eingeladen, bekommt Alkohol zu trinken. Kinder haben ein tiefes Empfinden für die Sorgen und Nöte anderer Menschen. Es ist für Erwachsene häufig ein leichtes Spiel, das kindliche Mitgefühl zum eigenen Vorteil zu missbrauchen: "Ich bin so einsam, ich habe keine Familie. Es ist gut, dass du so lieb bist." Mit Hilfe von Geschenken wird das Opfer zusätzlich gekauft und erpresst.

Die Oberösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft (Streicher-Pehböck & Winkler-Kirchberger 2000, S. 8) nennt folgende drei wesentliche Täterstrategien:

Forschungsergebnisse des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2017 über das Ausmaß und den Umgang mit sexueller Gewalt in Heimen und Schulen liefern nun Hinweise für eine bessere Prävention. Zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören junge Menschen, die in Heimen leben und oft schon in ihren Familien Gewalt erfahren haben. Von 300 Jugendlichen, die in verschiedenen Heimen befragt wurden, sprachen sieben Prozent von einer versuchten oder erfolgten Vergewaltigung seit sie im Heim leben, zwanzig Prozent haben andere Handlungen sexueller Gewalt mit Körperkontakt erlebt. Täter sind in den meisten Fällen Gleichaltrige außerhalb oder innerhalb der Einrichtung. Vier Prozent der Übergriffe werden Fachkräften oder anderen Erwachsenen im Heim zugeschrieben. Um Kinder und Jugendliche vor weiterer sexueller Gewalt zu bewahren, sind ein vertrauensvolles Verhältnis zu Fachkräften und klare Beschwerdewege in Heimen, Schulen und Vereinen entscheidend. Derzeit wendet sich nur ein Fünftel der betroffenen Jugendlichen an Fachkräfte im Heim, da sie unter anderem negative Reaktionen und eine stärkere Kontrolle befürchten, weniger als fünf Prozent gehen auf Ansprechpersonen für Beschwerden in der Heimaufsicht oder im Jugendamt zu. Einer Freundin oder einem Freund vertraut sich hingegen ein knappes Drittel an.

Sexueller Missbrauch in den Sozialen Medien

Barbara Krahé, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, erklärt in einem Interview, warum Männer über Tinder, WhatsApp oder Facebook ein Bild von ihrem Geschlechtsorgan an Frauen verschicken, ohne darum gebeten worden zu sein. Sie sagt dazu: „Der Penis, die eigene sexuelle Potenz, gilt traditionell und deshalb bei vielen als der absolute Inbegriff der Männlichkeit. Männer, die meinen, Bilder von ihrem Geschlechtsteil versenden zu müssen, haben ein Problem mit ihrer Männlichkeit: Sie wollen sich selbst vergewissern, wie männlich sie sind und es dann gegenüber Frauen unter Beweis stellen. Sie haben das Bedürfnis, Macht auszuüben: Ich bin ein echter Mann, weil ich entscheide, wo die Grenzen sind - und ich überschreite sie ganz bewusst. Einfach nur, weil ich es kann.“ Dabei sind sich die Absender meist im Klaren darüber, dass dieses Verhalten nicht okay ist und es dennoch zu machen, bedeutet Mut und Dominanz. Diese Bilder werden oft an Frauen geschickt, die den Absender überhaupt nicht kennen. Die Anonymität, die der Absender bewahren kann, senkt die Schwelle für antisoziales Verhalten in allen gesellschaftlichen Gruppen. Unter dem Deckmantel eines Profils, das kaum Rückschlüsse auf die eigene Identität ermöglicht, kann man sich ausprobieren, über die Stränge schlagen: verlockend für jemanden, der sich so seiner Männlichkeit vergewissern will, nicht nur für sexuell Frustrierte. Es handelt sich dabei nicht um Exhibitionismus, denn ein Exhibitionist möchte sich nackt zeigen und dann hat er sein Ziel erreicht, findet Befriedigung, erwartet nicht unbedingt eine direkte Reaktion anderer. Ein Versender solcher Bildet überschreitet wissentlich Grenzen, will genau wissen: Wie gefällt dir, was du siehst? Wenn die Empfängerin sich nicht wehrt, fühlt sich der Absender in seiner Männlichkeit bestätigt. Ziel erreicht. „Reagiert die Empfängerin ablehnend oder kritisch, geht es häufig blitzschnell: Der Mann, der seinen Penis gezeigt hat, wird extrem beleidigend, wird aggressiv. In dem Moment, in dem die Frau sich wehrt, gleicht sie den Machtunterschied aus. In dem "Männerwelten"-Video lässt sich beobachten, was dann passiert: Dieser Moment ist unerträglich für den Mann, der als stark wahrgenommen werden wollte und nach Bestätigung sucht.“

Sexualisierte Gruppengewalt gegen Kinder

Eine besondere Form des Missbrauchs ist die sexualisierte Gruppengewalt gegen Kinder. Es gibt eine Gruppe erwachsener Männer und Frauen, die sich nach dem Quälen und Vergewaltigen von Kindern und Jugendlichen sehnen und diese Gelüste mit Gleichgesinnten ausleben. Werden die Opfer des Missbrauchs erwachsen, werden sie häufig gleichfalls Täter oder führen ein scheinbar normales Leben, oft mit verdeckten schweren psychischen Störungen. Fliß & Igney et al. (2018) berichten in einer Dokumentation authentisch über die Foltertechniken, die Leiden, die Langzeitfolgen und die Hilfsmöglichkeiten in Sozialarbeit und Psychotherapie. Nach Aussage der Diplompsychologin Sylvia Schramm wollen die Täter kleine Mädchen und Jungen prügeln und an Haken aufhängen, gemeinsam in Gruppen sexualisierte Gewalt gegen Kinder ausüben, die Kinder qualvoll leiden sehen, die Kinder mit Blut beschmieren und zur Sodomie zwingen, wobei die große Nachfrage nach der Produktion von Hardcore-Kinderpornos eine deutliche Sprache spricht. Kinder werden dabei mit ausgefeilt grausamer Technik abgerichtet, um möglichst perfekt zu funktionieren, d. h., sie sollen nicht weinen, schreien, jammern, es sei denn, in den Rollenspielen ist dies erwünscht. Sie sollen nicht erbrechen, einnässen, einkoten, es sei denn, es ist von den Erwachsenen erwünscht. Sie sollen auch lächeln, damit manche Erwachsene in der Illusion bleiben können, für die Kinder sei der Sex ebenfalls schön. Dafür sind Kinder erforderlich, die sofort tun, was ihnen Erwachsene signalisieren, und sich nach Foltererfahrungen am nächsten Tag in Kindergarten und Schule so unauffällig wie möglich verhalten. Für die Betroffenen ist später ein Ausstieg aus dem Milieu nur unter größten Risiken und Schwierigkeiten möglich, denn die Gruppe versucht, es zu verhindern, indem es das Opfer zur Mittäterschaft nötigt. Auch kann die Abrichtung des Opfers so nachhaltig erfolgreich sein, dass diesem die Kraft zur entscheidenden Eigeninitiative auch im späteren Erwachsenenalter fehlt. viele der Betroffenen hat auch die Schreckenserinnerungen verdrängt, d.h. abgespalten, um im normalen Alltag zu funktionieren. In Therapien kommen sie vorwiegend wegen der mit der Manipulation und Gewalt entstandenen Störungen und Symptome, wobei es im Rahmen einer Dissoziativen Identitätsstörung diesen Frauen und Männern oft nicht bewusst ist, dass die früheren Gewalterfahrungen ihre aktuellen psychischen Störungen verursachen.
Literatur: Fliß, Claudia & Igney, Claudia (Hrsg.). Handbuch Rituelle Gewalt - Erkennen, Hilfe für Betroffene. Interdisziplinäre Kooperation. Pabst.


Quellen und verwendete Literatur



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