Isometrische Übungen zur Konzentrationssteigerung
Bei einer isometrischen Übung drückt oder zieht man also kurzfristig mit aller verfügbaren Kraft gegen einen eingebildeten (oder tatsächlichen) Widerstand. Damit werden die betroffenen Muskelpartien im Besonderen und der Kreislauf im Allgemeinen aktiviert. Dadurch wird Ermüdungszuständen begegnet bzw. die Aktivität und damit die Aufnahmefähigkeit erhöht.
Die einfachste Möglichkeit, unsere Aktivierung zu beeinflussen, ist die bewußte Veränderung der Muskelspannung. Diese simple Methode, die wohl nicht zufällig seit Jahrtausenden von verschiedensten Völkern als Meditations- und Entspannungshilfe angewendet wird, ist ein besonders wirksames Verfahren zur Aktivierungssteuerung.
Übung zur Aktivierungssteuerung
- Wir nehmen hierzu auf einem Sessel Platz, lehnen uns nicht an, sondern sitzen mit leicht nach vorne hängendem Kopf und legen die Arme entspannt auf die Oberschenkel. Nun beginnen wir mit der ersten Anspannung. Wir runzeln die Stirn und spitzen die Lippen, als wollten wir ein drohendes Gesicht machen. Dabei spannen wir die gesamte Gesichtsmuskulatur stark, aber nicht verkrampft an. In diesem Zustand bleiben wir etwa drei Sekunden lang und lassen sodann die Gesichtsmuskulatur und - mit ihr den ganzen Körper - wieder weich und locker werden. Dabei versuchen wir, das Gefühl der Entspannung bewußt auszukosten und verweilen etwa 10 Sekunden in diesem Zustand. Dann wird die gesamte Übung noch einmal wiederholt.
- Die nächste Körperregion, die wir vornehmen, sind Schultern, Arme und Beine. Ohne sichtbare Bewegung spannen wir alle Muskeln dieses Bereiches an und spüren dabei, wie unsere Arme und Hände gleichsam bis in die Fingerspitzen hinein steif werden. In dieser Anspannung bleiben wir wiederum drei Sekunden lang, um uns dann in den Entspannungszustand zurückschwingen zu lassen. Auch diese Übung wird nach 10 Sekunden wiederholt.
- Im nächsten Schritt nehmen wir uns die Brust- und Bauchmuskulatur vor. Mit einer kräftigen Anspannung lassen wir für drei Sekunden die gesamte Rumpfmuskulatur erstarren, um anschließend wieder in den entspannten Ruhezustand zurückzukehren.
- Nach der Wiederholung dieser Übung wenden wir uns schließlich den Beinen und Füßen zu und versuchen, die Anspannung - wieder ohne sichtbare Bewegung - fühlbar bis in die Zehenspitzen ausstrahlen zu lassen. Auch diese Übung wird einmal wiederholt.
- Am Ende dieses Isometrie-Rituals, das wir gewissermaßen vom Scheitel bis zur Sohle ablaufen lassen, können wir eine Übung durchführen, die besonders wirksam ist und später auch stellvertretend für den gesamten Ablauf eingesetzt werden kann: Wir pressen die Zunge drei Sekunden lang stark nach oben gegen den Gaumen und bleiben in diesem Zustand fühlbar erhöhter Anspannung. Dann lassen wir die Zunge betont entspannt wieder sinken und werden dabei spüren, wie sich die damit verbundene Entspannung merklich über den ganzen Körper hinweg ausbreitet.
Mit diesem Wechselspiel von Aktivierung und Desaktivierung haben wir uns in einen Zustand vertiefter Entspannung geschaukelt, in dem wir etwa 2 Minuten lang verweilen und dabei alle Gedanken ausschalten - das Gehirn "ausleeren". Dieses "Hirnausleeren" garantiert, dass wir uns nach der anschließenden Rückkehr in den konzentrierten Wachzustand längere Zeit hindurch in erhöhter Aufnahmebereitschaft befinden werden.
Jede Entspannung wird durch ein Wechselspiel von Spannung und Lösung erreicht und wenn die Entspannungsphasen zeitlich überwiegen, erfolgt eine hohe Desaktivierung. Wenn die Entspannung erreicht ist, bleibt man ein bis zwei Minuten in diesem Zustand und erst in der letzten Minute wird der Körper durch isometrische Übungen stark aktiviert. Obwohl die Aktivierung nur einen kleinen Teil dieses Abschnittes einnimmt, wird erst durch die auf die Entspannung erfolgte muskuläre Spannung ein mittlerer Bereich der Aktivierung erreicht werden, der die ideale Voraussetzung für einen folgenden Lernprozeß darstellt.
Der Zusammenhang zwischen Lernleistung und Aktivierung folgt dem Yerkes-Dodson-Gesetz: Beim Anstieg der Aktivierung steigt die Lernleistung stark an, bei zunehmender Aktivierung wächst aber auch das Hemmpotential, steigt die Aktivierung über den optimalen Wert an, sinkt die Lernleistung stark. Daher ist nur bei einem mittleren Aktivierungsniveau eine optimale Lernleistung gegeben.
Es ist überaus nützlich, jede Intensivlernphase auf diese Weise zu beginnen. Allerdings sollte man das gesamte Vorbereitungsritual höchstens zweimal an einem Tag einsetzen und für denjenigen Teil des Lernstoffes reservieren, mit dem man die größten Schwierigkeiten hat. Ihn wird man grundsätzlich sofort nach dem "Auftauchen" aus dem Entspannungszustand bearbeiten.
Siehe dazu eine Entspannungsübung in ausführlicher Form, eine Übung aus dem Yogakreis oder eine einfache 5-Minuten-Meditation.
Isometrische
Übungen in Lehrveranstaltungen
Die beschriebenen Übungen von Hans-Christoph Bartscherer (siehe unten) werden im Sitzen ausgeführt und sind daher auch für große Hörsäle geeignet, in denen die Studierenden nicht aufstehen können. Sie dauern jeweils 6-10 Sekunden und werden bei maximaler Anspannung 2-3 mal ausgeführt.
Geben Sie vor der ersten Übung eine kurze Einführung, damit die Studierenden Sinn und Zweck dieser Übungen einsehen und mitmachen. (Einheit von Körper und Geist; geistige Arbeit ist körperliche Beanspruchung; ständiges Sitzen; Aktivierung des Kreislaufs; Hinweis auf fernöstliche Länder, wo körperliche Übungen normal sind).
Der zeitliche Abstand zwischen den Übungen sollte 20 - 30 Minuten sein. Beobachten Sie Ihre Studenten, und schauen Sie, wann eine Unterbrechung in Ihren Vortrag passt.
Vor jeder Übung:
Geben Sie ein klares Signal, dass jetzt eine isometrische Übung folgt.
Machen Sie die Übung zunächst vor.
Fordern Sie alle auf mitzumachen.
Sprechen Sie langsam und deutlich mit, was zu tun ist.
(Wenige, aber präzise Worte sind am besten. Zögern Sie nicht, vorher laut zu üben, damit keine Unsicherheit aufkommen kann.)
1. Übung: Faust
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Bilden Sie mit der rechten Hand eine Faust, und legen Sie sie in die linke Handfläche. Die Ellbogen zeigen dabei nach außen. Drücken Sie die Handflächen jetzt so fest Sie können gegeneinander. Atmen Sie ruhig weiter. Spannen Sie Ihre Muskeln 6-10 Sekunden lang mit maximaler Kraft an. Danach loslassen und entspannen. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch, jedesmal Arme und Hände ausschütteln und links-rechts wechselnd.
Diese Übung können Sie stehend vorführen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… rechte Hand zur Faust …
… in die linke Handfläche legen …
… fest gegeneinander drücken …
… ruhig weiter atmen …
… noch stärker drücken …
… noch drei …
… noch zwei …
… noch eine Sekunde …
… und - entspannen ! …
… Arme locker hängen lassen …
… ausschütteln …
… und noch einmal ….
… linke Hand zur Faust …
… in die rechte Handfläche legen …
2. Übung: Oberschenkelinnenseite ziehen
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Sitzen. Ihre Füße ruhen auf dem Boden. Legen Sie Ihre Hände von innen auf die Oberschenkel, dass die Daumen zu Ihnen zeigen. Jetzt ziehen Sie mit den Händen am Oberschenkel nach außen, aber die Füße bleiben stehen. Spannen Sie Ihre Muskeln 6-10 Sekunden mit maximaler Kraft an. Gleichmäßig weiter atmen. Lassen Sie danach sofort die Muskeln los und entspannen Sie. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch.
Nicht vergessen: Zum Vorführen einen Stuhl bereitstellen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… Hände von innen auf die Oberschenkel,
Daumen Richtung Körper …
… fest nach außen ziehen …
… noch fester …
… ruhig weiter atmen …
… noch drei …
… noch zwei …
… noch eine Sekunde …
… und - entspannen ! …
… Arme locker hängen lassen …
… Beine ausschütteln, Arme ausschütteln …
… und noch einmal ….
3. Übung: Handflächen pressen
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Legen Sie die Handflächen gegeneinander und pressen Sie die Hände vor der Brust zusammen, Ellbogen nach außen. Anspannung steigern, ruhig atmen, nach 6-10 Sekunden entspannen. Hände ausschütteln. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch.
Diese Übung können Sie stehend vorführen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… Handflächen gegeneinander …
… Hände zusammenpressen …
… noch stärker pressen …
… ruhig atmen …
… fester pressen …
… noch sechs …
… noch fünf …
…
… noch eins …
… und - entspannen ! …
… Arme ausschütteln …
… und noch einmal …
4. Übung: Nacken drücken
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Verschränken Sie die Hände hinter dem Nacken, ziehen Sie das Kinn etwas nach unten, machen Sie den Nacken lang, indem sie ein Doppelkinn machen. Drücken Sie die Hände leicht nach vorne. Anspannung steigern, dabei ruhig weiteratmen, 6-10 Sekunden lang. Dann entspannen. Hände und Arme ausschütteln. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch.
Diese Übung können Sie stehend vorführen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… Hände hinter dem Nacken verschränken …
… Kinn etwas nach unten ziehen …
… Nacken lang machen,
indem Sie ein Doppelkinn machen …
… Hände leicht (!) nach vorne drücken …
… Gegendruck aufbauen …
… ganz ruhig atmen …
… Spannung halten …
… noch fünf …
…
… noch eins …
… und - entspannen ! …
… Hände ausschütteln …
… und noch einmal …
5. Übung: Krallen
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Verhaken Sie die Finger vor der Brust "krallenförmig", ziehen Sie die Arme waagrecht auseinander. Anspannung steigern, dabei ruhig weiteratmen, etwa 6-10 Sekunden lang, dann entspannen. Hände und Arme ausschütteln. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch, dabei den Einhak-Sinn wechseln.
Diese Übung können Sie stehend vorführen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… Hände einhaken …
… auseinanderziehen …
… stärker …
… ganz ruhig atmen …
… noch stärker …
… Spannung halten …
… noch fünf …
…
… noch eins …
… und - entspannen ! …
… Arme ausschütteln …
… und noch einmal …
… anders herum einhaken …
… auseinanderziehen …
………………………
6. Übung: Körper hochdrücken
Beschreibung:
Grundstellung ist der aufrechte Sitz, d.h. beide Füße stehen fest auf dem Boden und der Rücken ist aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“.
Sitzen. Seitlich am Stuhl abstützen und mit geradem Rücken den Po ganz leicht in die Luft heben. Dabei nur das Gewicht heben, der Kontakt zum Sitz kann erhalten bleiben. Wirkt entlastend für die Bandscheiben. Atmen Sie ruhig weiter. Etwa 6-10 Sekunden lang, dann entspannen. Hände und Arme ausschütteln. - Führen Sie die Übung 2-3 mal durch.
Nicht vergessen: Zum Vorführen einen Stuhl bereitstellen.
Ansage:
Grundstellung:
aufrechter Sitz,
beide Füße stehen fest auf dem Boden,
Rücken aufgerichtet und frei, nicht angelehnt und damit „rund“
… mit den Händen seitlich am Sitz abstützen …
… den Po leicht hochheben …
… Rücken bleibt gerade …
… nur ganz wenig abheben, der Kontakt zum Sitz bleibt erhalten …
… ruhig weiter atmen …
… noch sechs …
… noch fünf …
……….
… noch eine Sekunde …
… und - entspannen ! …
… Arme ausschütteln …
… und noch einmal ….
Hinweis für Lehrende
Der Autor dieser Übungen, Hans-Christoph Bartscherer, bittet um Rückmeldungen über die Erfahrungen mit diesen Übungen an folgende Adresse:
Dr.-Ing. Hans-Christoph Bartscherer
Lintnerstraße 10 - 85354 Freising
Professionelle Hochschullehre
h-ch.bartscherer@mytum.de
Vorträge - Seminare - Coachings
(08161)140942
Quelle: Hans-Christoph Bartscherer, Technische Universität München, Carl von Linde-Akademie/PROLEHRE, www.prolehre.tum.de
Weitere Quellen
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/Aktivierung2.html (02-11-08)
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