Der Umgang mit schwierigen Texten: Das Exzerpt
Ein Exzerpt (das Wort kommt aus dem lateinischen und bedeutet Auszug) besteht aus logisch geordneten Sinnabschnitten, wobei die Ordnung des zu exzerpierenden Textes nur soweit eingehalten werden muss, als er logisch ist. Ein Exzerpt soll den individuellen Verarbeitungsprozess beinhalten und nach den Lernzielen abgestimmt sein. Das richtige Exzerpt zu einem Text gibt es nicht. Man soll in einem Exzerpt immer alle Fremdwörter erklären, auch grafische Schematisierungen bieten sich in einem Exzerpt an. Man soll ein Exzerpt immer handschriftlich machen, um so beim Test die Handschrift besser in der Übung zu haben. In einem Exzerpt hat man das neue Formulieren eines Textes bereits hinter sich. Dies erspart Energie beim Schreiben des Tests.
Dazu schrieb ein Schüler in einem Kommentar im SPIEGEL: "Es hilft ungemein, sich den Lernstoff in eine Art persönliches Handout mit viel Arbeit im Layout zu visualisieren. Nicht einfach nur Texte anstreichen oder kopieren, sondern selber abschreiben. Das festigt den Stoff schon bei der Eingabe bzw. der Abschrift. Zudem macht es mehr Spaß, mit einem selbstgestalteten Schriftstück zu lernen."
Wie man Exzerpte anfertigt
Unter Exzerpieren versteht man formal das auszugsweise Wiedergeben eines Textes. Exzerpte sind die Spuren individueller Verarbeitungsprozesse und sind von den jeweiligen Erwartungen, Lernzielen und Vorerfahrungen abhängig. Das "richtige" Exzerpt zu einem Text gibt es nicht, sodass es nicht möglich ist, allgemein verbindliche Kriterien für die Güte von Exzerpten aufzustellen. Zwangsläufig müssen solche Kriterien daher abstrakt sein und bedürfen der Interpretation durch den Anwender.
Meist handelt es sich um wörtliche oder paraphrasierende (d.h. freie, nur den Sinn wiedergebende) Auszüge. In der Regel werden beide Formen benutzt. In jedem Fall empfiehlt es sich aber, folgende Fragen zu beachten:
Wann empfiehlt es sich, einen Text zu exzerpieren?
- Zunächst dann, wenn man den Text nicht besitzt, seine Anschaffung zu teuer oder unmöglich ist und die fotomechanische Vervielfältigung durch die ausleihende Bibliothek untersagt ist.
- Grundsätzlich immer dann, wenn nur wenige Teile des Textes von persönlichem Interesse sind.
- Immer dann, wenn man daran interessiert ist, sich mit dem Text aktiv auseinanderzusetzen und nur die (sei es subjektiv, sei es objektiv) wesentlichen Informationen festhalten will.
Was muß ein Exzerpt enthalten?
Codes Enthält der Text nicht vertraute Symbole, müssen diese aufgeführt und erläutert werden (z.B. Fremdwörter, Formelzeichen).
Elemente Die einzelnen Bestandteile des Inhaltes müssen eingegrenzt und möglichst knapp bezeichnet werden. Ob man dabei Definitionen von neu eingeführten Fachausdrücken als Elemente betrachtet oder als noch nicht vertraute Codes, ist einerlei. Sie müssen jedenfalls enthalten sein.
Strukturen Zentral sind wieder die Strukturen. Nur in seltenen Fällen ist es allerdings sinnvoll, sie sprachlich zu beschreiben. Eine räumliche Darstellung, z.B. eine Aufzählung, Gegenüberstellung, Abfolge mit Verbindungspfeilen ist meist erheblich knapper und klarer. Auch grafische Schematisierungen bieten sich an.
Einordnungen Das Lesen "ohne Vergleich mit dem eigenen Vorrat" war für Lichtenberg fruchtlose Lektüre. Der einzelne Textabschnitt steht nicht isoliert. Es gibt Querverbindungen zu früheren oder in anderem Zusammenhang erworbenem Wissen, Abgrenzungen zu anderen Begriffen oder Theorien, Vergleiche, Gewichtungen. Hierher gehören auch legitimerweise subjektive Einordnungen, z.B. persönliche Bewertungen. Ein gutes Exzerpt muss geistige Anschlussmöglichkeiten aufweisen.
Kennzeichnung Jedes Exzerpt muß eine eindeutige Kennzeichnung tragen, damit es später wieder dem Ursprungstext zugeordnet werden kann und außerdem erlaubt, das Exzerpt selbst unter vielen anderen einzuordnen und wiederzufinden.
Man sollte nicht nur prüfen, ob diese fünf Punkte - wo notwendig - vorhanden sind. Anzustreben ist, dass diese fünf Arten bereits durch Schrift oder Anordnung deutlich voneinander zu unterscheiden sind, z.B. unvertraute Codes in einer Spalte links oben, Elemente unterstreichen oder in Großbuchstaben, Einordnungen am rechten Rand, die Kennzeichnung in einer Kopfzeile.
Man sollte keinen wissenschaftlichen Text lesen, ohne diesen (zumindestens grob als Literaturangabe zu exzerpieren, Farben helfen, wichtige Einzelbegriffe im Text und im Exzerpt herzuvorheben. Unterstreichungen und Einrückungen fördern eine spätere Orientierung in den Exzerpten.
Grundsätzlich ist zu beachten: Exzerpieren ist Arbeit und kostet Zeit! Aber: Ein exzerpierter Text haftet besser im Gedächtnis als ein fotokopierter und "nur" gelesener Text.
Man kann Texte auf zweierlei Weise exzerpieren:
- Unter einer oder mehreren besonderen Fragestellungen wie z.B.: "Wie äußert sich die Autorin zur Frage XY?" oder "Was versteht der Autor X unter dem Begriff Motivation?"
Exzerpieren unter einer spezifischen Fragestellung empfiehlt sich immer dann, wenn man bereits über "relativ" umfangreiche Vorkenntnisse über ein Thema verfügt und "nur" nach Antworten auf bestimmte Fragen, nach bestimmten Problemlösungen, Stellungnahmen, neuen Argumenten, Tatsachen usw. sucht. - Unter einer globalen Fragestellung wie z.B.: "Was wird über den Sachverhalt oder den Gegenstand XY ausgesagt?"
Exzerpieren unter einer solchen Fragestellung ist vor allem zweckdienlich bei geringen Vorkenntnissen über den Textinhalt, wenn es also vorrangig um Erstinforrnationen geht.
Texte weisen in der Regel eine äußerlich ablesbare Struktur auf, das heißt, sie sind unterteilt in Kapitel, Unterkapitel und Absätze. Diese äußeren Strukturelemente spiegeln die innere, sachliche oder argumentative Struktur eines Textes wider. Das kleinste Element von Textunterteilungen ist der Absatz, und auf dieser Ebene setzt das Exzerpieren an. Man geht in drei Schritten vor:
1. Schritt (Orientierung) Man verschafft sich zunächst einen Überblick über die äußere Struktur des Textes (seine Einteilung in Kapitel, Unterkapitel, Absätze) und hält diese Struktur u. U. auf einem gesonderten Blatt fest. Lesen Sie ohne zu exzerpieren zunächst den ganzen Text, bei Büchern das ganze Kapitel. Wesentliche Gedanken, die in denselben Zusammenhang gehören, finden sich häufig an verschiedenen Stellen desselben Textes. Streichen Sie solche Stellen an und schreiben Sie die zusammengehörigen Seitenzahlen heraus. Exzerpieren Sie nicht unbedingt in der Abfolge der Textvorlage. Wichtig ist, die Gedanken, die zusammengehörig erscheinen, hintereinander zu stellen.
2. Schritt (Exzerpieren) Man erarbeitt nun den Text mit Hilfe der beiden folgenden Fragestellungen: "Wie lautet das Thema des Absatzes?" (Wovon handelt, worüber informiert er?) Dann - und wirklich erst dann - beantwortet man die Frage: "Was wird über das Thema ausgesagt?" Wichtig ist dabei, dass man Thema und Aussage tatsächlich auseinanderhält. Sofern der Text aussagekräftige Überschriften enthält, sollten diese als Zitat übernommen werden, ansonsten ist jeder Abschnitt des Textes (sowie alle Absätze) mit einer Überschrift ("Worüber wird geschrieben?": Thema) zu versehen. Unter jeder Überschrift werden die entsprechenden Aussagen paraphrasierend (d. h. in eigenen Worten) zusammengefaßt oder wörtlich zitiert. Man sollte die Seitenzahlen des Originaltextes, auf die sich Ihre Aufzeichnungen beziehen, stets notieren. Keine Leerformeln exzerpieren, sondern sich auf das Argumentationsgerüst, die Zusammenhänge und die wesentlichen Aussagen konzentrieren. Eigene Gedanken und Kommentare gehören - entsprechend gekennzeichnet - auch ins Exzerpt.
3. Schritt (Verdichten) Nachdem mam die zu einem Unterkapitel gehörenden Absätze exzerpiert hat, kann man - je nach subjektivem Ermessen - die in jedem Absatz zusammengefaßten Aussagen erneut - und zwar im Hinblick auf die Überschrift des Unterkapitels - zusammenfassen. Dieser Vorgang läßt sich ein weiteres Mal wiederholen, indem die in jedem Unterkapitel zusammengefaßten Aussagen erneut - und zwar im Hinblick auf die Überschriften der Kapitel - zusammengefaßt werden.
Wenn man sehr viel Literatur exzerpieren muß - was in der Regel während eines Studiums der Fall ist, legt man eine Exzerpt-Kartei an. Dazu empfehlen sich DIN A5- oder A6-Karten. Die Karten werden zweckmäßigerweise in vier Felder aufgeteilt. Die drei- bis vierzeilige Kopf-Zeile wird in zwei Spalten unterteilt. In der linken Spalte werden Autor, Titel usw. (bibliographische Angaben) eingetragen, und in der rechten Spalte kann das allgemeine Schlagwort, mit der das ganze Buch gekennzeichnet werden kann, oder aber nur die Seitenzahl der Exzerpt-Seiten eingetragen werden. Der - je nach Schriftgröße - 20- bis 25-zeilige Raum auf der Karte wird in zwei Spalten unterteilt. In die linke (etwa 15 bis 17 cm breite Spalte) wird der Exzerpt-Text, mit den entsprechenden Verweisen auf die Seiten-Zahlen des Original-Textes versehen, eingetragen. Wörtliche Zitate sind zu kennzeichnen, in die rechte Spalte trägt man inhaltliche, den Text erschließende, Schlagworte ein.
Eine Alternative zum Karteikasten ist dessen Simulation mit einem Computer und einem Datenbankprogramm. Der größte Vorteil der elektronischen Erfassung ist die Möglichkeit, sehr schnell alle Karten durchsuchen lassen zu können. Das Programm sollte in der Lage sein, einzelne Datensätze wie Karteikarten auszugeben, um bei der konkreten Vorbereitung einer Hausarbeit oder eines Referats leichter damit arbeiten zu können.
Drei Schritte zum Exzerpt
Thormann (2008) nennt fünf Schritte zu einem effektiven Exzerpt:
Schritt 1: Gehen Sie gezielt vor
Sammeln Sie nicht wahllos, was Ihnen in die Finger gerät, oder schreiben alles ab, was irgendwie wichtig aussieht. Machen Sie einen Plan und überlegen Sie, was Sie mit Ihren Exzerpten erreichen wollen bzw. wofür Sie sie benötigen, und reduzieren Sie entsprechend Ihr Material. Beispiel: Sie wollen ein Skript zum Thema Brainstorming zusammenstellen. Dann haben dort andere Kreativitätstechniken wie Analogie oder Bisoziation nichts zu suchen. Entsprechende Stellen in Ihren Büchern oder Unterlagen können Sie gleich weglassen. Wenn Sie wissen, wofür Sie exzerpieren, können Sie Ihr Material passgenauer auswählen und sich nur das aus Ihren Unterlagen herausziehen, was Sie auch wirklich brauchen.
Schritt 2: Arbeiten Sie am Text
Sie werden bessere Exzerpte anfertigen, wenn Sie vorher gründlich mit dem Text gearbeitet haben. Das bewahrt Sie davor, nur stumpf abzuschreiben oder die wirklich wichtigen Punkte zu übersehen. Lesen Sie also, bevor Sie exzerpieren. Lesen Sie langsam und sorgfältig. Die Zeit des eiligen Überfliegens ist mit der Vorauswahl aus Schritt 1 vorbei. Jetzt geht es darum, den Stein nicht nur auszuwählen, sondern zu behauen. Markieren Sie alle Stellen, die Ihnen wichtig erscheinen. Achten Sie dabei vor allem auf Schlüsselwörter, Kernaussagen, Thesen, Argumentationsgänge oder auch das eine oder andere beispielhafte Zitat. Schreiben Sie diese entweder schon in Stichpunkten heraus (zum Beispiel direkt am Rechner) oder machen Sie sich kleine Randnotizen. Vergessen Sie auch Ihre Vorüberlegungen nicht. Behalten Sie die Themen, die Sie interessieren, immer im Hinterkopf und „befragen“ Sie Ihren Text auf mögliche Antworten. Das sind dann die Stellen, die fürs Exzerpieren in Frage kommen. Alles andere brauchen Sie auch nicht zu bearbeiten und zu markieren.
Schritt 3: Exzerpieren Sie Ihren Text
Fangen Sie mit den bibliografischen Angaben an: Auf welches Buch, Unterlage, Quelle bezieht sich Ihr Exzerpt? Vermerken Sie Autor, Titel, Erscheinungsjahr beziehungsweise Datum, denn dann können Sie Ihr Exzerpt jederzeit zuordnen. Beachten Sie auch einige Grundregeln für das Exzerpieren:
- Weichen Sie nicht vom Originaltext ab, verfälschen Sie nicht oder fügen etwas hinzu. Wenn Sie so wollen, ist ein Exzerpt ein Protokoll des Gelesenen und sollte dieses auch so genau wie möglich wiedergeben.
- Kennzeichnen Sie, was Zitate, Zusammenfassungen, eigene Interpretationen und so weiter sind. (Quellenangaben und Seitenzahlen nicht vergessen.)
- Benutzen Sie Ihre eigenen Worte, Sprachbilder und Gedanken. So setzen Sie sich aktiv mit dem Text auseinander, können diesen besser verarbeiten und behalten.
- Schreiben Sie keine Romane, sondern versuchen Sie, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Beschränken Sie sich auf die wichtigsten Gedanken und Inhalte. So können Sie diese für Studienarbeiten, Schreibprojekte und Co. besser weiterverarbeiten oder auch als Prüfungsstoff lernen.
- Strukturieren Sie Ihre Inhalte möglichst sinnvoll und übersichtlich. Nutzen Sie die Gelegenheit, um einen roten Faden herauszuarbeiten. Umso leichter können Sie auch hier später anknüpfen oder sich den Lernstoff merken.
Siehe auch Verbesserung der Lesegeschwindigkeit
Quellen
Stary, Joachim & Kretschmer, Horst (1999). Umgang mit wissenschaftlicher Literatur. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Werder, Lutz von (1994). Wissenschaftliche Texte kreativ lesen. Kreative Methoden für das Lernen an Hochschulen und Universitäten. Berlin.
Thormann, Heike (2008). Wissen speichern mit Exzerpten.
WWW: http://www.kreativesdenken.com/artikel/wissen-speichern-mit-exzerpten.html (08-09-09)
FIM Psychologie Erlangen: vhb Kursangebot 'Lernen und Studieren'.
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/LERNTECHNIKORD/5SchritteMethode.html (02-11-08)
http://www.RZ.UniBw-Muenchen.de/~s11bwild/list/meta.htm (99-08-15)
http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/ZSB/studientechniken11.html (02-11-30)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Texte_analysieren.htm (03-06-02)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Lesen.htm (03-06-02)
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Exzerpieren.htm (03-08-31)
http://www.ib.uni-bremen.de/wiss__Arbeiten/Texte_lesen/texte_lesen.html (03-08-31)
http://rosenbauer.de/psych.htm (05-10-03)
http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/lerntipps-experte-bewertet-lerntricks-von-schuelern-a-867066.html (12-12-21)
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