[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Wir vergeben zu wenig und vergessen zuviel.
Sophie-Jeanne Soymonof Swetchine

 

Verzeihen und loslassen

Wenn Menschen Probleme haben, etwas loszulassen, haben sie vermutlich die Sorge, damit mehr als die bezeichnete Sache zu verlieren, denn so kann etwa die Angst vor Einsamkeit Menschen daran hindern, eine sehr belastende Beziehung zu beenden. Daher ist es wichtig, den Ursprung dieser Angst ausfindig zu machen, um dagegen vorgehen zu können. Man sollte daher zuerst herausfinden, was es ist, was man eigentlich will und braucht. Gut wäre auch zu wissen, warum man überhaupt die Sorge hat, das Entsprechende zu verlieren, wobei die Hintergründe hier biographisch sein können, denn ein Kind ohne verlässliches familiäres Umfeld hat später im Leben möglicherweise Schwierigkeiten, auf die Beständigkeit von Beziehungen zu vertrauen. Daher sollte man sich mit seinen Gefühlen und den Ursachen auseinandersetzen, etwa indem man sich mit Vertrauenspersonen offen ausspricht oder auch professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. Wenn man kann, sollte man die Verlustängste auch in der Partnerschaft thematisieren, wobei man bewusst zwischen Verlustangst und Eifersucht unterscheiden sollte, denn letztere könnte als Zeichen mangelnden Vertrauens gewertet werden, während erstere eher persönliche Ursachen hat.

Verzeihen macht glücklicher

"Das werde ich dir nie verzeihen!“ ist einer der härtesten Sätze, die es gibt und einer der schmerzvollsten. Schmerzvoll aber nicht nur für denjenigen, dem nicht verziehen werden kann, sondern vor allem auch für die Person, die nicht verzeiht.

Sich zu versöhnen fällt manchen Menschen schwer, den anderen nach einem Streit um Verzeihung zu bitten, noch viel mehr. Man fühlt sich meist elend, wenn man im Streit auseinandergeht, Leid zugefügt bekommt oder auch anderen zugefügt hat - sei es in der Partnerschaft, in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft oder im Beruf. Verzeihen ist Schwerarbeit und es braucht Zeit, das Erlebte für sich zu verarbeiten. Manche Menschen baden tagelang im Selbstmitleid oder hegen Rachegedanken, was auf Dauer ziemlich ungesund ist. Besser für das Wohlbefinden ist es, erlittenes Unrecht zu verzeihen oder ad acta zu legen. Dazu gehört es, aktiv daran zu arbeiten und zu versuchen, sich in die Rolle des anderen zu versetzen, aber auch den eigenen Schmerz anzuerkennen.

Verzeihen ist manchmal sehr, sehr schwer – aber

Verzeihen sollte man auch sich selbst zuliebe

Wenn wir von jemandem verletzt, hintergangen, ausgenutzt oder anderweitig enttäuscht und missbraucht wurden, wollen wir diese Person unseren Schmerz spüren lassen, indem wir ihr nicht verzeihen. Verzeihen würde für viele so etwas wie "Absolution erteilen“ bedeuten und genau das wollen wir nicht geben. Der andere soll auch leiden so wie wir.

An Personen, die darunter leiden, dass ihnen jemand nicht verzeihen kann, nagen massive Schuldgefühle und diese würden alles dafür geben, ihre Tat rückgängig zu machen. Mit diesen Personen können wir uns aussöhnen, denn hier gibt es Einsicht in den begangenen Fehler und das Bedürfnis zur Wiedergutmachung. Wenn wir solchen Personen verzeihen, kann daraus etwas ganz Wundervolles entstehen: Dann können Wunden heilen.

Personen, denen es mehr oder weniger egal ist, ob wir ihnen verzeihen oder nicht, sind sich keiner Schuld bewusst oder haben nicht einmal mitbekommen, was sie dem anderen angetan haben. Symbolisch betrachtet stehen diese oft auf einem Podest, das wir "von unten" gar nicht erreichen können. Und so sehr wir genau diese Menschen treffen wollen, so wenig können wir das, indem wir ihnen nicht verzeihen. Dem einzigen, dem wir damit Schmerzen zufügen, sind wir selbst, denn dem anderen sind wir nicht wichtig genug. Wir können diese Personen nicht verletzen sondern nur uns.

Verzeihen zu lernen ist daher vor allem für uns selbst wichtig. In dem einen Fall ermöglicht uns das Verzeihen, ein neues Miteinander zu entwickeln und in dem anderen Fall ist das der einzige Weg, um uns von dem Einfluss, die die Person auf uns hat zu lösen. Erst wenn wir loslassen, können unsere Wunden heilen. Solange wir hadern und uns darauf konzentrieren, nicht zu verzeihen, reißen wir selbst die Narben immer und immer wieder auf.

Wer verzeiht, fühlt sich vital, ausgeglichen, glücklich und erleichtert. Menschen, denen verziehen wird, können nach Wochen oder Monaten endlich wieder lachen und durchschlafen. Neue Untersuchungen zeigen, dass Verzeihen den Blutdruck senkt, Rückenschmerzen und Depressionen lindert, Übergewicht senkt, Kopfschmerzen lindert, vor chronischen Schmerzen bewahrt und Schlaflosigkeit behebt.


Alle paar Jahre ist so weit: Meine Schwester und ich kriegen uns in die Haare. Es fällt ein Triggerwort, und aus dem Stand giften wir uns an, werfen uns uralte Kamellen vor, an die sich keiner mehr erinnern kann, und es wird bitter. Und anders als im Fernsehen, wo sich nach fünf Minuten alle wieder in den Armen liegen, herrscht bei uns Eiszeit. Schweigen und Beleidigtsein, manchmal gleich über Jahre bis zum nächsten Streit. Sehen wir uns auf Familienfeiern, spielen wir Theater, reden übers Wetter und setzen ein Blendaxlächeln auf. Das Eis ist dünn, wir bleiben lieber an der Oberfläche.
Es liegen Welten zwischen uns.

Wer einmal verziehen hat, sollte das Thema des Streits oder der Auseinandersetzung auch abhaken und nicht bei den nächsten Querelen wieder herauspacken.

Im "Zeit zu leben-Newsletter vom 5. 7. 2009 findet sich dazu folgende Passage (leicht gekürzt; W.S.):

"Die Fähigkeit zum Verzeihen ist eine sehr wichtige, denn wir müssen verzeihen können, um alte Verletzungen hinter uns lassen zu können. Wenn wir nicht verzeihen können, reißen wir selbst unsere Wunden immer wieder aufs Neue auf. Sie können nie heilen und verursachen immer wieder neuen Schmerz, selbst wenn die eigentliche Verletzung schon lange, lange Zeit zurückliegt.
Wer verletzt wurde, hat den Fokus vor allem bei dem, der uns verletzt hat. Wir starren gleichsam auf die Tat und nehmen nichts mehr wahr. Aber oft liegt die Lösung eines Problems nicht da, wohin wir automatisch schauen, sondern woanders.
Deshalb lade ich Sie einmal zu einem anderen Gedankengang ein: Ich glaube nämlich, dass es uns dann am schwersten fällt, einem anderen zu verzeihen, wenn wir uns selbst nicht verzeihen können, der Person nicht verzeihen zu können.
Ok, nochmal langsam zum Mitdenken: Jemand hat uns tief verletzt. Wir wollen verzeihen, weil wir instinktiv wissen, dass gut für uns wäre (vielleicht ist es sogar unser Interesse, mit dieser Person wirklich Frieden zu schließen, um eine neue Beziehung zu ihr aufzubauen), aber wir bekommen es nicht hin (die Gründe können vielfältig sein). Und genau diese Tatsache, also dass wir unfähig zum Verzeihen sind, werfen wir uns nun auch noch selbst vor. Das verstärkt den Schmerz um ein Vielfaches, weil wir zu unserer eigenen Verletzung uns nun auch noch selbst fertig machen.
Vielleicht geht es nicht jedem so, aber ich glaube, dass sehr viele Menschen, die verletzt wurden, genau damit kämpfen und dass der erste Schritt zum Verzeihen der sein müsste: Ja dazu sagen, dass wir in diesem Moment noch nicht verzeihen können. Denn genau dieses Ja öffnet Türen zu einem neuen Umgang mit unserem Schmerz und kann uns den Weg zum Verzeihen aufzeigen. Solange wir aber mit uns selbst kämpfen und uns übel nehmen, nicht verzeihen zu können, führen wir einen Kampf, den wir nicht gewinnen können und der das System in sich stabil hält."

Quellen

Linnen, Ada (2021). Gewalttätige Eltern: Müssen wir wirklich alles verzeihen? Brigitte vom 29. Mai.
Rohrhofer, Barbara (2006). Wer verzeiht, lebt gesünder.
WWW: http://www.nachrichten.at/leben/426078 (06-02-28)
Zeit zu leben-Newsletter Ausgabe: 402 Datum: 28.10.2007
Zeit zu leben-Newsletter Ausgabe: 476 Datum: 05.07.2009


Was unsere Seele am schnellsten und am schlimmsten abnützt, das ist: verzeihen ohne zu vergessen.
Arthur Schnitzler

 

Lieben uns die Frauen, so verzeihen sie uns alles, selbst unsere Vergehen; lieben sie uns nicht, so verzeihen sie uns nichts, selbst unsere Tugenden nicht.
Honoré de Balzac


Elton John - Sorry Seems To Be The Hardest Word - 1976

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=J2e4NlnLr28 (13-01-02)


Glücklich durch Loslassen

Alte Verletzungen, Niederlagen, Probleme persönlicher, gesundheitlicher und beruflicher Natur begleiten Menschen auf ihrem Lebensweg häufig länger, als die glauben. Irgendwann ist es an der Zeit loszulassen und sich wiedern den schönen, positiven Dingen des Lebens zuzuwenden, das Leben wieder zu genießen, Freude zu erleben und es sich wieder gut gehen zu lassen. Sich aufgrund eines Loslassprozesses auf Veränderungen einzulassen, bedeutet auch, eine neue Richtung einzuschlagen. Loslassen bringt auf Dauer oft neue Lebensqualität mit sich, wobei Loslassen nichts mit Weglaufen zu tun hat. Loslassen bedeutet seine Ziele neu zu justieren und entsprechend zu handeln.

Loslassen hat stets sowohl Vor- als auch Nachteile und es ist für den Einzelnen immer hilfreich, diese systematisch einander gegenüberzustellen, um so eine bewusste Entscheidung für oder gegen das Loslassen zu fällen. Denn wer in seinem Leben permanent das Gefühl hat, Veränderungen zwar irgendwie zu wollen, aber nicht wirklich zu können, leidet vielleicht an erlernter Hilflosigkeit (Seligman).

Wie man Altes abschließen kann und sich selbst eine glücklichere Gegenwart gestalten kann, dazu versucht dieses Buch anzuleiten. Die/der LeserIn macht eine Bestandsaufnahme über die Dinge, die sie/er nicht loslassen kann, lässt sich auf die damit verbundenen Gefühle ein, kann sich Neuem öffnen, Altes endgültig verarbeiten, um sich dem Glück anzunähern. Die aktive Arbeit an einem solchen Loslassprozess macht es erforderlich, verbindlich und diszipliniert zu sein und natürlich ein gerüttelt Maß an Durchhaltevermögen zu besitzen.

Die/der LeserIn bekommen Hintergrundwissen, hilfreiche Übungen, Selbsttests und viele Fallbeispiele und Mentaltechniken an die Hand, um ihr/sein Glück mit Methode wahrnehmen und genießen zu können.

So kommt man vom Ausgeliefertsein zum motivierten Handeln und schenkt sich selbst die Freiheit zu mehr Glück und Lebensfreude.

Die Autorin Dörthe Huth arbeitet in eigener Praxis, ist Supervisorin, Gestalttherapeutin und Hypnotherapeutin.


Das Konzept des Loslassens spielt in der therapeutischen Praxis eine wichtige Rolle, um Menschen zu helfen, sich von belastenden Gedanken oder Emotionen zu befreien. Es beinhaltet oft die Akzeptanz von Veränderungen, die Verarbeitung von Vergangenem und das Entwickeln von Strategien, um mit Unsicherheiten umzugehen. Aber auch in der Bildung kann das Loslassen eine wichtige Rolle spielen, denn Bildung beschränkt sich nicht auf die Vermittlung von Faktenwissen, sondern beinhaltet auch die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und emotionaler Intelligenz. Künstlerinnen und Künstler nutzen die Vielfalt der Ausdrucksformen und Denkweisen, um unterschiedliche Perspektiven zu erkennen und zu verstehen.

Siehe auch:
Schlechtes Streiten in der Partnerschaft von Steffen Fliegel
und
Zehn Regeln für eine stabile Partnerschaft von Hans Jellouschek



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: