Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke Wahrheit.
Die glaubt niemand!
Max Frisch
Lügen, Täuschen und Verdecken
Man geht in der Psychologie davon aus, dass Lügen lebensnotwendig sind, denn sie dienen dazu, das Selbstwertgefühl zu erhöhen und einen leichteren Umgang mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu ermöglichen bzw. weil sie auch das Miteinander mit anderen Menschen erleichtern. In den 70er Jahren hat der amerikanische Psychologe John Frazer Alltagsgespräche analysiert und die bis heute nicht unumstrittene These aufgestellt, dass Menschen etwa zweihundertmal am Tag lügen, wobei Wahrheit auch in der Lügenforschung nicht eindeutig definierbar ist. Im Alltag lügen Menschen meist aus prosozialen Gründen, oder um das Gesicht zu wahren, eher seltener aus antisozialen Absichten, denn prosoziale Lügen helfen, dem Gegenüber ein besseres Gefühl zu geben. Nur mit den antisozialen Lügen nimmt man in Kauf, dass sie Schaden beim Gegenüber oder einem Dritten anrichten. Zwar gibt es Menschen mit einer pathologischen Neigung, die Unwahrheit zu sagen, doch denen begegnet man eher selten. Übrigens: Die einzigen Menschen, die sicher nicht lügen, weil sie nicht in der Lage dazu sind, sind Autisten, denn ihnen fehlt die Wahrnehmung für das soziale und emotionale Miteinander. Der Grundkonflikt jeder Lüge ist meist eine Wahlsituation, denn entweder ist man ehrlich und verzichtet auf Vorteile oder man lügt, um an mehr an Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen. Das hängt dabei sowohl von persönlichen Faktoren als Umweltfaktoren ab. Allerdings sind die Ergebnisse der meisten Studien nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüchlich, doch insgesamt haben bei den untersuchten Experimenten 42 Prozent aller Männer und 38 Prozent aller Frauen gelogen, sodass die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, damit bestätigt werden konnte, auch wenn dieser Unterschied nur gering ist. Auch haben jüngere Menschen häufiger gelogen als ältere, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, mit jedem Jahr um 0,28 Prozentpunkte sinkt. Während die Lügenfrequenz bei 20-Jährigen bei etwa 47 Prozent liegt, liegt sie bei 60-Jährigen nur noch bei 36 Prozent (Gerlach, Teodorescu & Hertwig, 2019).
Einer Umfrage zufolge wird im Internet als Selbstschutzmaßnahme besonders häufig die Notlüge angewendet, denn über die Hälfte der UserInnen hat im Internet schon geschummelt, wobei viele daran auch nichts Verwerfliches finden, da es sich um Selbstschutz vor Datendieben, böswilligen Lauschern oder Menschen mit unredlichen Absichten handelt. Jeder Vierte hat daher keine Skrupel beim Flunkern zum Beispiel im sozialen Netzwerk Facebook, was gewährleisten soll, dass man anonym bleibt und dadurch auch weniger anfällig für Belästigungen ist. Jeder Vierte gibt deshalb einen falschen Namen an, aber auch Alter und Kontaktdaten sind häufig falsch. Allerdings: Stopfer et al. (2013) analysierten Facebook-Profile mit Fotos, Selbstbeschreibungen, Pinnwandeinträgen und verlinkten Freunden, wobei sich zeigte, dass sich Menschen auf Facebook relativ authentisch verhalten und dabei eine realistische Einschätzung ihrer Wirkung auf andere haben. Menschen mit einer hohen Bescheidenheit, Gutherzigkeit und einem Fokus auf soziale Gemeinsamkeiten sind in den Netzwerken sehr beliebt, ebenso wie Menschen mit einer großen Offenheit für neue Erfahrungen und einer gewissen künstlerischen Ader. Selbstbewusste, extravertierte, dominante Personen mit einem Fokus auf das persönliche Vorankommen hingegen haben einen höheren sozialen Status. Offensichtlich funktionieren die sozialen Verhaltensweisen und Wahrnehmungen auf Facebook nach ähnlichen Prinzipien wie im realen Leben. Wie bei alltäglichen sozialen Begegnungen gibt es auch auf Facebook starke Unterschiede zwischen Menschen, wie extravertiert oder zurückhaltend, originell oder angepasst, freundlich oder motzig, organisiert oder planlos, selbstbewusst oder selbstmitleidig sie sind. Sie unterscheiden sich auch darin, wie viel und was sie über sich berichten, wie sie aussehen und welchen sozialen Gruppierungen sie sich anschließen. Diese Unterschiede lassen sich allesamt durch Persönlichkeitsunterschiede der Facebook-NutzerInnen erklären und werden bei sozialen Beurteilungen und den darauf aufbauenden sozialen Entscheidungen wie im realen Leben herangezogen. Offensichtlich dienen persönliche Profilseiten in sozialen Netzwerken daher weniger der Selbstidealisierung als man bisher vermutete, vielmehr scheinen die NutzerInnen weit ehrlicher und realistischer zu sein als angenommen.
In einer Umfrage mit über tausend ProbandInnen wurde in Deutschland 2016 die Einstellung zum Thema Ehrlichkeit untersucht, und hatte die TeilnehmerInnen gefragt, wer wen wie häufig in welchen Situationen anlügt und aus welchen Gründen dies geschieht. Es zeigte sich, dass etwa drei Viertel der Lügen im direkten Gespräch von Angesicht zu Angesicht benutzt werden, jede fünfte Lüge wird telefonisch oder schriftlich übermittelt. Am häufigsten wird im Bekanntenkreis gelogen, denn vier von zehn Befragten gaben an, am Vortag gegenüber Bekannten unehrlich gewesen zu sein, und jeder Dritte hatte im gleichen Zeitraum seinen Partner oder seinen Arbeitskollegen belogen. Den eigenen Kindern oder engen Freunden gegenüber ist gut jeder Vierte nicht ganz ehrlich gewesen, während Eltern und Vorgesetzte offenbar noch am ehesten als Respektspersonen wahrgenommen werden und nur noch knapp jeder Fünfte verwendet diesen Menschen gegenüber Lügen. Gründe dafür sind meist soziale, denn so möchte mehr als die Hälfte der Befragten andere nicht verletzen oder diesen durch Lügen sogar schützen. Jeder Zweite findet die Wahrheit manchmal einfach unbequem oder möchte sich so Ärger ersparen, während jeder Vierte offenbar aus Kalkül lügt, um seine Ziele zu erreichen. Jeder Sechste lügt aus Angst heraus, sonst nicht gemocht zu werden. Im privaten Umfeld werden von knapp der Hälfte der Befragten andere Verpflichtungen vorgeschoben, wenn sie keine Lust auf ein Treffen mit Bekannten haben. Im Beruf wird am ehesten aus kollegialen Gründen gelogen oder um sich selber in ein besseres Licht zu rücken, denn vier von zehn Befragten würden den Vorgesetzten zum Schutz eines Kollegen belügen. Jeder Fünfte bläst seine Bewerbung mit übertrieben Fähigkeiten auf, um so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Intrigen am Arbeitsplatz werden eher selten geschmiedet, denn die wenigsten würden eigene Fehler KollegInnen in die Schuhe schieben oder absichtlich falsche Informationen streuen, um ihnen zu schaden. Die vollständigen Ergebnisse der Studie unter https://www.splendid-research.com/studie-ehrlichkeit.html.
Eine Metaanalyse zur Psychologie der Lüge (Gerlach, Teodorescu & Hertwig, 2019) mit einer Zusammenfassung von 565 Studien zeigte, dass die Tendenz zu Unehrlichkeit unter anderem von Alter und Geschlecht abhängig ist. Für diese Metaanalyse wurden publizierte sowie noch nicht publizierte Studien aus der Psychologie als auch aus den Wirtschaftswissenschaften herangezogen, wobei in diesen Studien das Ausmaß von Unehrlichkeit mit Hilfe von wenigen, aber sehr unterschiedlichen experimentellen Anordnungen untersucht wurden. Es zeigte sich, dass Unterschiede im Versuchsaufbau das Verhalten der Probanden beeinflussen und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen über das Ausmaß der Unehrlichkeit führen. Es ist daher beider Interpretation immer zu berücksichtigen, mit welchen experimentellen Situationen und Versuchungsanordnungen Menschen konfrontiert wurden. Unehrlichkeit ist daher nicht einfach nur eine Persönlichkeitseigenschaft, sondern auch die Bedingungen der Umwelt haben einen Einfluss auf das jeweilige Verhalten. Der Grundkonflikt jeder Lüge ist meist eine Wahlsituation, denn entweder ist man ehrlich und verzichtet auf Vorteile oder man lügt, um an mehr an Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen. Das hängt dabei sowohl von persönlichen Faktoren als Umweltfaktoren ab. Allerdings sind die Ergebnisse der meisten Studien nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüchlich, doch insgesamt haben bei den untersuchten Experimenten 42 Prozent aller Männer und 38 Prozent aller Frauen gelogen, sodass die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, damit bestätigt werden konnte, auch wenn dieser Unterschied nur gering ist. Auch haben jüngere Menschen häufiger gelogen als ältere, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, mit jedem Jahr um 0,28 Prozentpunkte sinkt. Während die Lügenfrequenz bei 20-Jährigen bei etwa 47 Prozent liegt, liegt sie bei 60-Jährigen nur noch bei 36 Prozent.
Facebook Regeln - Facebook Manners And You
[Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=iROYzrm5SBM]
Siehe dazu Ehrlichkeit in sozialen Netzwerken
Häufig wird emotionales Verhalten intentional eingesetzt um emotionale Zustände vorzutäuschen. Das geschieht z.B. im Rahmen des "representation management" (Patterson, 1991). Um einen bestimmten Eindruck bei Dritten zu erwecken, wird ein z.B. positives, emotionales Verhalten gezeigt, oft überbetont. Patterson gibt folgendes Beispiel. Der Vorgesetzte des Ehemanns oder Ehefrau ist zum Essen eingeladen und es wird versucht das Bild einer "harmonischen" Familie vorzutäuschen, obwohl die aktuelle Beziehung nicht diesem Ideal entspricht. Dabei kann es zu ungewollten Effekten kommen. Einmal tritt das Problem auf, dass spontanes und willkürliches emotionales Verhalten sich unterscheiden. Z.B. in der zeitlichen Verlaufsstruktur des Lächelns, es wird zu lange gelächelt, das Lächeln fällt zu schnell ab oder es ist asymmetrisch, was ein Anzeichen für einen gestellten emotionalen Ausdruck ist. Ein weiteres Problem besteht darin, dass keine Identität zwischen dem vorgetäuschten und dem tatsächlichen emotionalen Zustand herrscht. Es kann also passieren, dass genuines emotionales Verhalten auftritt. Dieses Phänomen bezeichnet man als "leakage", es gibt eine undichte Stelle, ein Leck in der Täuschung. Es kann z.B. kurzzeitig eine Ärgermimik sichtbar werden. Wird die Person sich dieses der eigentlichen Intention widersprechenden Verhaltens bewusst, kann es durch ein sich unmittelbar anschließendes Lächeln maskiert werden.
Die mentiologische Forschung (lat. "mentiri" = "lügen") unterscheidet verschiedene Kategorien von Lügen:
- Die Selbstlüge
Die Selbstlüge wird benutzt, um unliebsame Wahrheiten zu verdrängen. Wenn Menschen sichbetrunken ans Steuer setzen und sich einreden, sie hätten nach wie vor alles unter Kontrolle. Man sagt: "Das ist die letzte Zigarette!", obwohl man genau weiß, dass man der Sucht nicht widerstehen kann. Mithilfe dieser Art Kontroll-Illusion kann man es aber auch schaffen, erfolgreich gegen Lebensängste anzukämpfen. - Die Notlüge aus Freundschaft
Viele Schwindeleien entspringen vornehmlich dem Wunsch, seinen Mitmenschen eine Freude zu machen, sie nicht bloßzustellen oder gar zu verletzen. Man denke nur an die "nette" todlangweilige Party oder an die völlig missratene Frisur, die der Nachbarin "wirklich gut steht". - Die Geltungslüge
Diese betrifft vor allem um Übertreibungen, mit denen andere Menschen beeindruckt werden und die das Bedürfnis nach Anerkennung stillen. Da wird der kleine Hügel, den man im Urlaub bestiegen hat, schnell zu einem Dreitausender. - Die Angstlüge
Der Schutzfaktor bei der Angstlüge ist meist gering, da sich diese meist leicht überprüfen lässt. Statt ehrlich einen Fehler zuzugeben, will man den anderen etwas vormachen, etwa aus Angst vor unangenehmen Konsequenzen oder Bestrafungen. - Die skrupellose Lüge
Lügen, die gezielt eingesetzt werden, um andere zu täuschen und zu benachteiligen, zu desinformieren oder in die Irre zu führen, haben den eigenen Vorteil zum Zweck und werden oft von karrieresüchtigen Menschen verwendet. Um sich selbst ins rechte Licht zu rücken, werden Kollegen oder Familienmitglieder beschuldigt, anstatt die eigenen Fehler einzugestehen.
Siehe auch Entdecken von Lügen
Krankhaftes Lügen - Lügen als Krankheit
Pseudologen - so bezeichnet man krankhafte LügnerInnen - suchen durch ihr Lügen in der Regel kindliche Entbehrungen mit Hilfe von Lügengeschichten zu kompensierten bzw. dient die Lüge einer seelischen Entlastung in Situationen, die ein Pseudologe anders nicht bewältigen könne. Der Pseudologe lügt, weil ihm die Lüge Anerkennung und Zuwendung sichert, wobei die Anerkennung dabei auf das Umfeld des Pseudologen abstrahlt, das daher oft nicht die Lügengeschichten hinterfragt. Die Pseudologia Fantastica setzt immer zweierlei voraus: Den Lügner und den, der sich belügen lässt. Über die Anzahl der Pseudologen gibt es keine verlässlichen Zahlen, unter anderem auch deshalb, da die Pseudologia Fantastica in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) nicht als Einzelphänomen verzeichnet ist. Die Pseudologia Fantastica zeigt dennoch ein charakteristisches Muster abnormen Verhaltens, eben dranghaftes Lügen, und ist eine charakteristische Störung der Impulskontrolle, wobei den Pseudologen Schuld- und Schamgefühle fehlen. Die Pseudologia Fantastica ist daher ein Syndrom, das unter die narzisstische Persönlichkeitsstörung fällt, das in der ICD aufgeführt ist, und ist somit nur Teil verschiedener Störungen wie etwa des Münchhausen-Syndroms, bei dem Menschen mit dem Ziel ärztlicher Behandlung Krankheiten erfinden oder selbst hervorrufen. Allerdings ist nicht jeder, der lügt, ist schon ein Pseudologe, denn Selbstwertkrisen kennt jeder und neigt daher auch mal dazu, sein Leben ein wenig schöner und spannender zu sehen, als es wirklich ist.
sondern dass ich dir nicht mehr glaube,
hat mich erschüttert.
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Lügen als gesellschaftliches Erbteil?
Nach Ansicht von Experten (Fetchenhaue & Goebbels, 2012, Kliche & Thiel, 2012) ist die Art, wie Menschen zur Aufrichtigkeit erzogen werden, wie sie die Regeln von Fairness und Solidarität befolgen, tief in der kulturellen Historie des Landes verwurzelt. Unterschiede dürften in der autoritaristischen Tradition eines Landes liegen, sodass Regulierungen und Kontrollen etwa zur Vermeidung von Korruption fragwürdige Therapiemöglichkeiten sind, denn eine korrupte Raubgesellschaft kann eine hermetische, perfekt rechtsstaatliche Fassade entwickeln, also ein seinerseits selbst von Korruption gesteuertes Justizwesen, das die Aufdeckung und Verfolgung einzelner Fälle aussichtslos macht und zugleich zu einer Art selbstverständlicher Öffentlichkeit der Korruption führt.
So zeigt der Corruption Perceptions Index 2012 von Transparency International, dass alle europäischen Staaten mit hoher Korruption sich in ökonomischen Schwierigkeiten befinden, während Staaten mit geringer Korruption prosperieren, d. h., je höher das Niveau an finanzieller Ehrlichkeit in einem Land ist, desto stärker wächst das Bruttosozialprodukt. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der ehrlicheren Gesellschaften überwiegend protestantisch geprägt ist, meist verbunden mit einer demokratischen Tradition, während katholisch geprägte Gesellschaften bzw. ohne längere demokratische Geschichte es eher wenger mit der Ehrlichkeit halten.
Literatur zum Thema Lügen
Formen der Lüge im Alltag
In der alltäglichen Kommunikation kann man verschiedene Formen der Lüge finden:
- Das Ablenken, wobei einem Ablenkungsmanöver in der Regel eine explizite oder implizite Frage vorausgeht, deren eindeutiger Beantwortung der Befragte ausweichen will. Deshalb greift er auf eine Botschaft mit Mehrfachbedeutungen, die ihrem Wesen nach unklar und unentschieden ist. Ob es sich dabei um eine Lüge handelt, hängt davon ab, ob dem Fragenden bewusst wird, dass es sich um eine mehrdeutige Botschaft handelt oder ob er die Illusion hat, eine eindeutige Antwort zu erhalten.
- Beim Erfinden und Verfälschen handelt es sich um die wohl am häufigsten anzutreffende Form der Lüge, wobei sich Verfälschungen meist in einer Grauzone von Halbwahrheit und Lüge abspielen. Bei ihnen ist nicht nur der inhaltliche Aspekt wichtig, sondern auch die täuschende Rahmenhandlung spielt eine entscheidende Rolle.
- Das Übertreiben definiert sich über das Auftreten von Superlativen, während sich bei Untertreibungen entweder weniger Informationen vermittelt werden, als für eine völlige Erklärung nötig wären (Halbwahrheiten), während auch manche sprachliche Formen so gewählt werden, dass ein Sachverhalt heruntergespielt wird.
- Beim Weglassen werden Informationen in einer Aussage in so hohem Maße weggelassen, dass beim Gesprächspartner ein falscher Eindruck entsteht. Die extremste Variante ist dabei das völlige Verschweigen, wobei durch die Abwesenheit einer Teilinformation dem Empfänger verborgen wird, dass es etwas zu erfahren gäbe.
Blaue, schwarze und weiße Lügen
Man spricht von "weißen Lügen", wenn Unwahrheiten positive Folgen für andere haben und das Zusammenleben erleichtern, also um die gut gemeinte Notlüge. Man will mit dieser Form der Lü+ge bestätigen, bestärken, erfreuen, seine Wertschätzung ausdrücken und eine gute Stimmung erzeugen. Es gibt auch "blaue Lügen", die Menschen helfen sollen, wobei man lügt oder etwas verschweigt, um jemand anderen nicht zu verraten. Auch diese Form der Lüge geschieht in erster Linie aus nicht-egoistischen Motiven, denn man bringt sich dadurch sogar selbst in Gefahr, als Lügner dazustehen. Selbstsüchtige Lügen hingegen geschehen aus egoistischen Motiven, man verspricht sich davon einen persönlichen Nutzen und nimmt den Schaden für andere in Kauf. Diese "schwarzen Lügen" dienen nur dem Lügner, wobei man sich mit harmlosen schwarzen Lügen in ein besseres Licht stellen will. Der Schaden hält sich dabei meist in Grenzen, auch wenn man damit befördert, dass sich andere etwa in den sozialen Medien im Vergleich minderwertig fühlen. Solche Lügner geraten leicht ins soziale Abseits, denn früher oder später fliegen schwarze Lügen auf und sorgen für Empörung, Ächtung und Ausgrenzung (Scheuermann, 2021).
Lügen als Folge der beruflichen Sozialisation
Ein wichtiges Modell der Sozialpsychologie besagt, dass alle Menschen im Lauf ihres Lebens zahlreiche verschiedene soziale Identitäten durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen entwickeln, wobei diese Identitäten auch mit unterschiedlichen sozialen Normen zusammenhängen, die immer dann zum Vorschein kommen, wenn eine Gruppenmitgliedschaft in einer gegebenen Situation besonders bedeutsam ist. Unter dieser Prämisse haben Cohn et al. (2014) untersucht, wie die Wertegeflechte und die ungeschriebenen Regeln innerhalb der Banken-Branche die Moral der Mitarbeiter prägt. Dazu ließ man 128 Angestellte einer großen internationalen Bank eine kurze Onlinebefragung absolvieren, wobei ein Teil der Probanden dabei nur ganz allgemeine Fragen zu ihren Lebensumständen beantworten musste, während man den anderen Probanden mit ganz gezielten Fragen ihren beruflichen Hintergrund in Erinnerung rief. Anschließend sollten alle Versuchspersonen zehnmal eine Münze werfen und das Ergebnis nennen, wobei sie in jedem Durchgang eine Belohnung von 20 US-Dollar gewinnen konnten, je nachdem ob sie "Kopf" oder "Zahl" nannten. Bei welchem Resultat das Geld winkte, war vorher stets bekannt, denn es ging auf diese Weise darum, die Ehrlichkeit der Probanden zu testen. Unter normalen Bedingungen zeigte sich, dass die Bankangestellten meist die Wahrheit sagten, denn im Durchschnitt nannten sie bei rund 51 Prozent aller Münzwürfe das Gewinn bringende Ergebnis. Waren die Teilnehmer aber zuvor an ihren beruflichen Hintergrund erinnert worden, kassierten sie stattdessen in 58 Prozent aller Fälle Geld. Aus statistischen Gesetzmäßigkeiten lässt sich eindeutig ableiten, dass die Probanden der zweiten Gruppe häufiger das tatsächliche Ergebnis zu ihren Gunsten abänderten. Zur Kontrolle führte man den gleichen Versuch mit Angestellten aus anderen Sektoren durch, bei denen sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen zeigte, wenn den Probanden zuvor ihr Beruf ins Gedächtnis gerufen wurde. Man kann daher annehmen, dass es vor allem die Bankenkultur ist, die die Ehrlichkeit der Bankangestellten grundsätzlich senkt.
Lügen in einer Fremdsprache
Es gibt in der Psychologie zwei einander widersprechende Theorien zum Lügen in einer Fremdsprache: Die Cognitive Load Theory legt den Schluss nahe, dass sich Lügner in einer Fremdsprache schwerer tun, den Lügen ist im Vergleich zum Wahrheitssagen schon für sich gesehen eine kognitiv anspruchsvolle Aufgabe. Kommt nun die Fremdsprache hinzu, macht die zunehmende kognitive Belastung das Lügen noch schwieriger. Die Emotional Distance Hypothesis geht von der Annahme aus, dass Lügen mit mehr Emotionen verbunden ist als ein Bei-der-Wahrheit-Bleiben, d. h., wer lügt, steht unter Stress und ist angespannt, doch das Sprechen in einer zweiten Sprache ist im Vergleich zum Sprechen in einer Muttersprache weniger emotional erregend. Ausgehend von dieser emotionalen Distanzhypothese würde man daher erwarten, dass Lügen in einer Fremdsprache geringere emotionale Erregung auslöst, denn diese verminderte emotionale Erregung würde das Lügen erleichtern.
Suchotzki & Gamer (2018) haben nun das Lügen in einer Fremdsprache untersucht und festgestellt, dass vor allem das Erkennen einer Lüge noch schwerer fällt, wenn der potenzielle Lügner nicht in seiner Muttersprache spricht. Generell fällt es den meisten Menschen in einer Fremdsprache zu lügen nicht schwerer als in ihrer Muttersprache, doch bei wahrheitsgemäßen Aussagen sieht das anders aus, denn diese gehen vielen Menschen in einer ungewohnten Sprache deutlich schwerer über die Lippen als in ihrer Muttersprache. Die bisherige Forschung auf diesem Gebiet hatte sich vor allem auf die Vertrauenswürdigkeit von Menschen konzentriert, die in ihrer Muttersprache oder einer Fremdsprache sprechen, und gezeigt, dass Beobachter Aussagen von Muttersprachlern eher als wahrheitsgemäß beurteilen verglichen mit Aussagen von Nicht-Muttersprachlern.
In einer Reihe von Experimenten mussten die Probanden spezielle Aufgaben erledigen und sollten eine Vielzahl von Fragen beantworten, einmal wahrheitsgemäß, einmal gelogen, einmal in ihrer Muttersprache und einmal in einer Fremdsprache. Ein Teil dieser Fragen waren neutral formuliert, wie etwa „Berlin liegt/liegt nicht in Deutschland“, andere hatten eindeutig emotionalen Charakter, wie „Haben Sie jemals illegale Drogen konsumiert?“ oder „Würden Sie als Nacktmodell arbeiten?“. Neben der Geschwindigkeit der Antworten wurden auch die Hautleitfähigkeit und Herzfrequenz gemessen. Dabei zeigte sich, dass die Beantwortung emotionaler Fragen im Vergleich zu neutralen Fragen in der Regel länger dauert und auch die Antworten in der Fremdsprache mehr Zeit als Antworten in der Muttersprache benötigten. Generell dauerte es auch länger, eine Lüge auszusprechen als die Wahrheit, wobei in einer Fremdsprache die zeitlichen Unterschiede zwischen gelogenen und wahrheitsgemäßen Antworten in der Muttersprache allerdings geringer ausfallen. Der geringere Unterschied resultierte allerdings nicht aus einer schnellen Antwort, die gelogen ist, sondern es kam in der Fremdsprache auch die Wahrheit langsamer über die Lippen als in der Muttersprache. In einer Fremdsprache waren die zeitlichen Unterschiede zwischen Wahrheit und Lüge bei neutrale oder emotionale Fragen prinzipiell immer geringer. Die Ergebnissen spiegeln dabei die entgegengesetzt wirkenden Effekte von emotionaler Distanz und kognitiver Belastung wider. Ausgehend von der kognitiven Belastungstheorie hätte man einen erhöhten Aufwand für das Wahrheiten-Sagen und Lügen in einer Fremdsprache erwartet, wobei der erhöhte Aufwand für das Lügen ausgeprägter gewesen wäre, doch tatsächlich legen die Daten nahe, dass der erhöhte kognitive Aufwand für die Verlängerung der Wahrheitsreaktion in der Fremdsprache verantwortlich ist. Wieso diese Verlängerung beim Lügen nicht oder nur geringfügig zu sehen ist, lässt sich mit Hilfe der Emotional Distance Hypothesis erklären, denn die stärkere emotionale Distanz in der Fremdsprache kompensiert demnach quasi die erhöhte kognitive Belastung beim Lügen.
Sprache, Wissenschaft, Wahrheit, Lüge
Friedrich Nietzsche stellt übrigens Sprache unter den Generalverdacht der Lüge, denn Sprache ist für ihn ein Gespinst aus Bildern und Metaphern, von denen man nur vergessen hat, dass sie nur Metaphern und Bilder sind. Wenn man wie häufig in der Wissenschaft den Anspruch hat, Wahrheit als Übereinstimmung von Sprache und Sachverhalt zu definieren, dann findet man letztlich als Wahrheit über die Dinge nur das heraus, was schon längst unerkannt in der verwendeten Sprache steckt, sodass die Befangenheit als Gefangenheit in der Sprache zu einer nicht mehr zu durchschauenden (Selbst)Lüge geworden ist.
"Will"-Hypothese vs "Grace"-Hypothese
Die "Will"-Hypothese besagt, dass Ehrlichkeit die Fähigkeit ist, der Versuchung zum Lügen zu widerstehen, und steht im Gegensatz zur "Grace"-Hypothese, die davon ausgeht, dass bei vielen ehrlichen Menschen überhaupt keine Versuchung zum Lügen besteht und sie folglich auch gar nicht dagegen ankämpfen müssen. Joshua Greene und Joseph Paxton (Harvard-Universität, Cambridge) ließen in einer Studie ProbandInnen den Ausgang eines Münzwurfs vorhersagen. Lagen diese mit ihrer Vorhersage richtig, erhielten sie einen kleinen Geldpreis, wobei man jedoch auch die Möglichkeit hatte, zu schwindeln und zu behaupten, den Ausgang des Wurfs richtig vorhergesagt zu haben. Die Gehirnaktivität der ProbandInnen war eindeutig: Bei ehrlichen Menschen gilt die "Grace"-Hypothese, denn es zeigte sich bei ihnen keinerlei Hirnaktivität im präfrontalen Cortex (Kontrollzentrum für die Steuerung von Handlungen), die auf einen inneren Zwiespalt oder auf ein aktives Ankämpfen gegen die Versuchung hinwies. Bei ProbandInnen, die in den Versuchen auch einmal logen, zeigte sich eine Hirnaktivität, die auf einen solchen Widerstreit schließen ließ, allerdings sowohl wenn sie die Wahrheit sagten, als auch wenn sie betrogen.
Quelle: http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/305266.html (09-07-14)
In Emails wird mehr gelogen
Charles Naquin et al. (University of South Carolina) haben in zwei
Experimenten die Ehrlichkeit ihrer Probanden (48 Studenten) getestet,
die in einem Versuch eine imaginäre Kasse mit dem Inhalt von 89 Dollar
geschenkt bekamen und einem unbekannten Versuchspartner entweder per
E-Mail oder per Brief mitteilen sollten, wie viel Geld in der Kasse war
und wie viel davon sie zu teilen bereit wären. Von den Studenten, die
per E-Mail kommuniziert hatten, logen 92 Prozent und änderten den Wert
der Kasse zu ihren eigenen Gunsten. Von den Briefschreibern logen
hingegen nur 63 Prozent. In einem anderen Experiment sollten 177 Manager
in Dreiergruppen gegeneinander antreten, wobei jeder von ihnen als
Leiter einer Forschungsgruppe mit den anderen um Forschungsgelder
wetteifern musste. Obwohl sich die Teilnehmer untereinander kannten und
jede Lüge am Schluss aufgedeckt werden sollte, logen und betrogen
wieder die Emailer öfter.
Quelle: http://www.psychologie-heute.de/news_kommunikation_gesellschaft/in_emails_wird_mehr_gelogen__100423.html (10-04-29)
Cheaten in Computerspielen
Auch in Computerspielen wird gelogen, wobei die Geschichte dieser Spiele auch eine Geschichte des Schwindelns ist, denn schon bei den ersten Spielen gab es Cheat-Codes, mit denen Spieler Unbesiegbarkeit erlangen oder schwierige Passagen überspringen konnten. Heute ist Cheating ein weit verbreitetes Phänomen, wobei etwa im Online-Shooter Counter-Strike oft eine Software nutzen, um den Gegner durch Wände hindurch sehen zu können, oder man verwendet Zielautomaten, um die Treffergenauigkeit zu steigern. Cheaten beruht vermutlich auf einem Verhalten, das auch im realen Leben benutzt wird, wo es mehr oder weniger toleriert, zum Teil sogar belohnt wird. Es sind die selben Denk- und Verhaltensstrukturen wie beim beschönigenden Lebenslauf, beim Versicherungsbetrug, der Steuerhinterziehung, in der Werbung und der Produktverpackung oder auch bei Kontaktanzeigen.
Quelle: Zeit online vom 29.11.2010
Lügen für Sex
Birnbaum et al. (2020) haben die Strategien untersucht, , die Menschen anwenden, um potenzielle Sexualpartner zu beeindrucken, wozu Lügen, Beschönigungen und Täuschungsmanöver zählen. In Experimenten an StudentInnen konnte gezeigt werden, dass sexuelle Gedanken oder Erregung die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, dass Menschen versuchen, gegenüber unbekannten Personen des anderen Geschlechts in möglichst positivem Licht zu erscheinen, und zwar auch auf Kosten der Wahrheit oder eigener Überzeugungen. Damit bestätigt die Studie, dass sich sexuell erregte Menschen stärker darum kümmern, wie sie von Personen anderen Geschlechts wahrgenommen werden, d. h., Menschen tun und sagen fast alles, um eine Verbindung zu einer unbekannten, attraktiven Person aufzubauen
Literatur
Birnbaum, Gurit E., Iluz, Mor & Reis, Harry T. (2020). Making the right first impression: Sexual priming encourages attitude change and self-presentation lies during encounters with potential partners. Journal of Experimental Social Psychology, 86, doi:10.1016/j.jesp.2019.103904.
Warum Menschen beim Arzt lügen
Untersuchungen zeigen, dass zwischen sechzig und achtzig Prozent der Menschen ihrem Arzt gelegentlich die Unwahrheit sagen, etwa bei Fragen zur Ernährung, indem sie ihre Fitness beschönigen oder verschweigen, dass sie Nahrungsergänzungsmittel und chinesischen Kräutermix schlucken, aber auch verscheigen, dass sie ihre Medikamente nicht regelmässig einnehmen. Sind sie mit den Empfehlungen des Arztes nicht einverstanden, verbergen sie ihre ablehnende Haltung ebenfalls, denn die meisten Patienten wollen, dass ihr Arzt eine hohe Meinung von ihnen hat. Sie möchten nicht als jemand gelten, der sich zu wenig um sich selber kümmert. Auch wollen sie weder bewertet noch belehrt werden und möchten nicht hören, wie sehr sie sich mit ihrem eigenen Verhalten schädigen. Zusätzlich wollen sie vom Arzt geschätzt und nicht beschämt werden. Unter Ärzten kursiert daher die Faustregel, dass sie die von den PatientInnen genannte körperliche Aktivität halbieren und den Alkoholkonsum verdoppeln müssen, um auf realistische Angaben zu kommen. Patienten haben übrigens eine feine Antenne dafür, dass viele Ärzte erwarten, dass sie weniger oder gesünder essen und mehr Sport treiben, sodass sich ein gewisser moralischer Druck aufbaut, sich im ärztlichen Sprechzimmer bemüht und diszipliniert zu zeigen.
Quelle: https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Warum-Patienten-beim-Arzt-flunkern/story/14218748 (18-12-06)
Kurioses zum Thema Lügen
Amerikanischer Forscher der California State University haben in einem Experiment herausgefunden, dass bei der Kontrolle der Blase jene Gehirnareale aktiv sind, die auch beim Lügen und Täuschen eine wichtige Rolle spielen. Ihre Folgerung: Mit voller Blase lügt es sich besser.
Siehe auch Kinder und Lügen
Persisches Sprichwort
Gründe für Lügen geschlechtsspezifisch
Frauen lügen übrigens eher aus prosozialen Gründen, etwa wenn es um ihre Gefühle geht, während Männer dagegen eher für sich selbst lügen, etwa um sich in einem besseren Licht darzustellen. Peter Stiegnitz, Begründer der Mentiologie (lat. "mentiri" = "lügen"), der Lehre vom Lügen, hat Hitlisten männlicher und weiblicher Lügen aufgestellt. Nummer eins bei Männern: das Auto; Nummer eins bei den Frauen: das Gewicht. Frauen lügen auch häufig, um die Gefühle und das Selbstwertgefühl anderer nicht zu verletzen. Forschungen belegen auch, dass Frauen sich beim Lügen in der Regel unwohler fühlen als Männer, sie sind daher nervöser, fühlen sich nachher schuldbewusster und zeigen Angst vor der Aufdeckung. Übrigens zeigte sich bei unverheirateten Partnern, dass 85 Prozent ihre Partner in Bezug auf frühere Beziehungen und Verfehlungen belügen.
Menschen ganz unterschiedlicher ethnischer Herkunft lügen auch verschieden, denn so verwenden in einem Experiment Europäer beim Lügen das Wort "ich" seltener, um sich selbst von einem Vorfall zu distanzieren, auch sind die ausgedachten Geschichten bei den Europäern weniger detailreich. Afrikanische und asiatische Testpersonen hingegen benutzen häufiger das Wort "ich" und erwähnen auch weniger andere Menschen in ihren Lügengeschichten, so als würden sie versuchen, andere herauszuhalten und die Lüge vor allem auf sich beziehen.
Dana Samson et al. (Universität Birmingham) haben im im temporoparietalen Übergangskortex eine Hirnregion entdeckt, die beim Einschätzen eines Gesprächspartners eine entscheidende Rolle spielt. Schlaganfallpatienten mit Hirnschäden in diesem Bereich können nicht mehr beurteilen, ob das Gegenüber lügt oder einen Witz erzählt. Die Probanden scheiterten in einem Experiment, die Gedanken einer Person in einem Video oder einer Erzählung nachzuvollziehen, obwohl sie in anderen Wahrnehmungstests gute Ergebnisse erzielten. Bisher wusste man nur, dass die Hirnregion hinter dem Ohr eine Rolle spielt, um Hinweise wie zum Beispiel die Blickrichtung eines Gegenübers zu verarbeiten
Yaling Yang & Adrian Raine (Universität von Südkalifornien) haben
mittels Kernspintomographie die Gehirnstruktur von notorischen Lügnern
vermessen. Demnach besitzen diese mehr weiße Hirnmasse in jenem
Hirnareal, das für die Verknüpfung der Nervenzellen zuständig ist,
woraus sie schließen, dass für eine ausgeklügelte Lüge ist eine bessere
Vernetzung Voraussetzung ist.
Quelle: Nature Neuroscience 2004.
Bei einem Vergleich der Gehirnscans von drei Gruppen, 1. Erwachsenen, die wiederholt gelogen hatten, 2. Personen, die an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung litten, aber nicht besonders häufig logen, und 3. Menschen, die weder antisoziales Verhalten zeigten noch gewohnheitsmäßige Lügner waren, zeigte sich, dass die Lügner ein mindestens zwanzig Prozent größeres Volumen an Nervenfasern im präfrontalen Cortex hatten. Das lässt darauf schließen, dass die Gehirne notorischer Lügner stärker vernetzt sind, bzw. es ist möglich, dass sie zum Lügen prädestiniert sind, weil sie sich leichter Lügen ausdenken können. Eine Kausalität lässt sich daraus aber nicht ableiten ;-)
Mit der Wahrheit ist es wie mit einer stadtbekannten Hure.
Jeder kennt sie, aber es ist peinlich,
wenn man ihr auf der Straße begegnet.
Wolfgang Borchert
Wie kann man nach einer Lüge einen neuen Anfang finden?
- Zunächst einmal muss die Enttäuschung, der Vertrauensmissbrauch verarbeitet werden. Das geschieht am besten, wenn man alle Gefühle der Wut, der Trauer oder der Angst vor sich selber zugibt, sie durchlebt und zu ihnen steht.
- Vertrauensaufbau kann anschließend nur mit dem Partner gemeinsam geschehen.
- Besprechen Sie alle Erwartungen, die Sie an den Partner stellen. Klären Sie Missverständnisse bzw. die Ursachen, die zu der Enttäuschung und dem Vertrauensmissbrauch geführt haben. Versuchen Sie dabei, Vorwürfe zu vermeiden.
- Handeln Sie verbindliche Regeln aus, an die sich beide Partner in Zukunft halten wollen.
- Kontrollieren Sie nie heimlich, ob der Partner sich an die Abmachungen hält, sondern sprechen Sie in diesem Fall offen über Ihre immer noch bestehenden Ängste.
Quelle: http://www.mdr.de/hier-ab-vier/unter-sex-augen/167858.html (06-02-02
Wie es selten Komplimente gibt ohne Lüge,
so finden sich auch selten Grobheiten ohne alle Wahrheit.
Gotthold Ephraim Lessing
Ein gewisses Maß an Unkenntnis vom anderen ist die Voraussetzung dafür,
dass zwei Menschen Freunde bleiben.
Hermann Bahr
Geheimnisse - eine Form von Lüge oder Lebensnotwendigkeit?
Geheimnisse haben ganz allgemein eher einen schlechten Ruf, denn etwas vor anderen Menschen zu verbergen, sie vielleicht zu täuschen oder gar zu belügen gilt als moralisch verwerflich. Doch kann es heilsam sein, manche Dinge für sich zu behalten, und zu mehr Selbstbestimmung zu kommen. Es berührt auch Menschen häufig unangenehm, wenn sie davon ausgehen müssen, dass Menschen, die sie gut kennen, etwas vor ihnen verbergen. Diese Reaktion ist verständlich, sie löst Unbehagen aus, und trägt dazu bei, dass Geheimnisse einen schlechten Beigeschmack haben. Allerdings: Wenn Menschen nichts für sich behalten könnten, wären sie anderen schutzlos ausgeliefert. Psychologen sind der Ansicht, dass Geheimnise unseren Lebensraum vor dem Zutritt Unbefugter schützen. Das soziale Miteinander würde nicht mehr funktionieren, wenn es keine Geheimnisse geben dürfte, denn die absolute Wahrheit wäre in vielen Fällen unerträglich. Die Geheimnisforscherin Anita E. Kelly glaubt, dass jeder Mensch zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Lebens etwas vor anderen verbirgt. Eine ihrer Studien kommt zum Ergebnis, dass 99 Prozent der Menschen etwas verschweigen. Die wenigen Studien, die zum Thema Geheimnis vorliegen, bestätigen immer wieder, dass sich die meisten Geheimnisse um das Thema Sexualität drehen. Es wurden 200 Studenten gefragt, was sie vor wichtigen Menschen in ihrem Leben geheim halten: 22 Prozent der Befragten gaben zu, dass sie eine frühere sexuelle Beziehung in ihrem Herzen verschlossen halten. Acht Prozent verschwiegen ihrer Partnerin oder ihrem Partner einen Seitensprung. 14 Prozent wagten es nicht, einem angeblichen Freund zu gestehen, dass sie keine positiven Gefühle für ihn hegen. Vier Prozent liebten einen Ex-Partner noch immer. Drei Prozent erzählten nicht, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden sind, und drei Prozent hatten heimlich im Leben eines Anderen geschnüffelt, zum Beispiel dessen Tagebuch gelesen. Ursula Nuber nennt in ihrem Buch "Lass mir mein Geheimnis! Warum es gut tut, nicht alles preiszugeben" die positiven Funktionen von Geheimnissen:
- Geheimnisse fördern die Selbstständigkeit.
- Geheimnisse gewähren Schutz.
- Geheimnisse können oft helfen, Ziele zu erreichen und zu verwirklichen.
- Geheimnisse schützen die Privatsphäre.
- Geheimnisse dienen der Liebe.
- Geheimnisse bewahren uns vor schmerzlicher Selbsterkenntnis.
- Geheimnisse ermöglichen ein zweites Leben neben dem normalen.
- Geheimnisse geben Macht.
- Geheimnisse müssen aber immer mit den eigenen moralischen Standards vereinbar sein.
Literatur
http://sozialarbeitspsychologie.de/nonvkom.htm (01-01-19)
http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/nonverb.htm (03-06-05)
http://www.rp-online.de (03-01-10)
http://www.magic-point.net/fingerzeig/grundlagen-deutsch/kommunikation/koerperspr/koerperspr.html (02-01-20)
http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-luegen-ist-schwerstarbeit-fuers-gehirn-1.969110-2 (10-07-03)
Carter, Nancy L. & Weber, J. Mark (2010). Not Pollyannas. Higher Generalized Trust Predicts Lie Detection Ability. Social Psychological and Personality Science, 1 (4), 274-279.
Cohn, A. Fehr, E. & Maréchal, M. A. (2014). Business culture and dishonesty in the banking industry. Nature, doi: 10.1038/nature13977.
Ekman, P. (1989). Weshalb Lügen kurze Beine haben: Über Täuschungen und deren Aufdeckung im privaten und öffentlichen Leben. Berlin: de Gruyter.
Dietzsch,Steffen (1998). Kleine Kulturgeschichte der Lüge. Leipzig: Reclam.
Fetchenhauer, Detlef & Goebbels, Thomas (2012). Lügen haben kleine Brieftaschen - Ökonomische Konsequenzen und Determinanten finanzieller Ehrlichkeit. In E.H. Witte, T. Gollan (Hrsg.) Sozialpsychologie und Ökonomie. Pabst.
Gerlach, P., Teodorescu, K., & Hertwig, R. (2019). The truth about lies: A meta-analysis on dishonest behavior. Psychological Bulletin, 145, 1-44.
Kliche, Thomas & Thiel, Stephanie (Hrsg.) (2012). Korruption - Forschungsstand, Prävention, Probleme. Pabst.
Mayer, Christiane (2011). Streng geheim! Warum wir Geheimnisse brauchen.
WWW: http://sonntags.zdf.de/ZDFde/inhalt/8/0,1872,8244456,00.html?dr=1 (11-06-11)
Molcho, Samy (1988). Körpersprache als Dialog: Mosaik-Verlag.
Schmid-Fahrner, Christine (2001). Vertrauen und sich anvertrauen Geborgensein in der Partnerschaft. Herder.
DePaulo, B. M., Kashy, D. A., Kirkendol, S. E., Wyer, M. M. & Epstein, J. A. (1996). Lying in everyday life. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 979-995.
Peale, Norman Vincent (2001). Die Kraft des positiven Denkens. Lübbe Verlag.
Scheuermann, U. (2021). Weshalb Lügen zu Unrecht einen schlechten Ruf haben.
WWW: https://www.t-online.de/gesundheit/id_90735048/weshalb-luegen-zu-unrecht-einen-schlechten-ruf-haben-kolumne.html (21-09-05)
Schmid, J. (2000). Lügen im Alltag – Zustandekommen und Bewertung kommunikativer Täuschungen. Münster: Lit-Verlag.
Stiegnitz, Peter (2001). Die Wahrheit: Wir lügen alle.
WWW:
http://www.connection.de/cms/content/view/817/181/
(07-02-02)
Stopfer, J. M., Egloff, B., Nestler, S., & Back, M. D. (2013). Personality expression and impression formation in online social networks: An integrative approach to understanding the processes of accuracy, impression management, and meta-accuracy. European Journal of Personality.
Suchotzki, Kristina & Gamer, Matthias (2018). The language of lies: Behavioral and autonomic costs of lying in a native compared to a foreign language. Journal of Experimental Psychology, 147, 734-746.
inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::