Umberto Eco (Der Friedhof in Prag)
Entdecken von Lügen
Um Lügen zu entdecken bzw. das Zurückhalten von Emotionen besser zu erkennen, kann man sich die Erkenntnisse der nonverbalen Kommunikation zunutze machen, denn Menschen setzen sehr viele Kanäle zur Expression ihrer Emotionen sein, und es ist faktisch unmöglich, alle diese Kanäle einzeln bzw. gleichzeitig zu kontrollieren (DePaulo 1992). Um Lügen zu erkennen gibt es ein im Grunde ein einfaches Modell, an dem man sich orientieren kann, wenn man herausfinden will, ob das Gegenüber die Wahrheit sagt. Dabei muss man seine Wahrnehmung darauf trainieren, visuelle und auditive Merkmale des Gegenübers gleichermaßen wahrzunehmen, also sowohl hinzuschauen als auch hinzuhören, was allerdings nicht ganz einfach ist, weil das menschliche Gehirn normalerweise ganzheitlich wahrnimmt. Besonders relevant für eine Lügenanalyse ist die Reaktion eines potentiellen Lügners innerhalb der ersten fünf Sekunden auf einen Stimulus, etwa eine gestellte Frage. Der Grund für diesen Zeitrahmen liegt auf neuronaler Ebene, denn je kürzer ein Stimulus zurückliegt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gehirn auf diesen reagiert hat, denn ist die Spanne größer, kann dieser Zusammenhang schon nicht mehr bestehen. Wenn man also innerhalb von fünf Sekunden das erste verdächtige Verhalten des Gesprächspartners entdeckt, kann man davon ausgehen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem Stimulus besteht. Wichtig: Nur wenn man mindestens zwei Lügenindizien erkennt, also etwa ein verbales und ein nonverbales Signal, ist das ein Hinweis auf eine Lüge. Weicht etwa ein Befragter einer Frage verbal aus, antwortet also nicht konkret darauf, und beginnt innerhalb der ersten Sekunden nach der Frage mit seinen Händen am Gesicht herumzuspielen, kann das Hinweis auf eine Lüge sein. Entdeckt man jedoch nur ein Lügenindiz allein, sollte man es ignorieren, denn es kann sich dabei immer um individuelle Sprechgewohnheiten und Verhaltensmuster eines Menschen handeln, die zur Persönlichkeit gehören und daher nicht einen Hinweis auf eine Lüge bedeuten müssen. Doch selbst Menschen, die häufig lügen und damit sehr geübt im Lügen sind, können sich durch Unstimmigkeiten zwischen den Kanälen verraten. Wenn sie sich beispielsweise besonders auf den Augenkontakt und den Gesichtsausdruck konzentrieren, offenbart sich ihre Lüge durch die weniger beobachteten Kanäle, z.B. die Körperbewegungen und die Körperhaltung oder durch Veränderungen bei den nonverbalen Aspekten der Sprache, etwa der Tonlage der Stimme. Es gibt so etwas wie eine Hierarchie der Kontrollierbarkeit der verschiedenen nonverbalen Kanäle, denn während die Gesichtsmimik relativ gut kontrollierbar ist, sind Gesamtkörperhaltung und die Bewegungen der distalen Körperteile (Hände, Füße) deutlich weniger kontrollierbar.
In Experimenten gelingt es ProbandInnen allerdings nur in weniger als der Hälfte der Fälle, eine Lüge als solche zu enttarnen, wobei diese schlechte Quote vor allem daran liegt, dass viele äußere Anzeichen - Hände schwitzen, die Augen irren herum, Zittern, dem Blick ausweichen - auch in die Irre führen können, Lügen bewusst aufzuspüren. Das kommt vermutlich auch daher, dass zwar Teile des menschlichen Gehirns automatisch und unbewusst Täuschungen aufspüren können, es aber stört, wenn man bewusst und vorsätzlich zu sehr auf äußere Zeichen achtet. Solche Stereotype des Lügens könnten das Urteil eher nachteilig beeinflussen, denn es gibt kein einheitliches Lügensignal bzw. vor allem geschulte Lügner und Lügnerinnen wissen um diese verräterische Mimik und Gestik und üben, diese zu Zeichen zu vermeiden. Übrigens: auch Schimpansen erkennen ganz intuitiv, wenn andere das Futter vor ihnen verstecken und holen sich dann das versteckte Futter wieder. Vermutlich ist die Fähigkeit, Täuschungsmanöver zu durchschauen, evolutionär von Vorteil und daher tief verankert, wobei das mit Bewusstsein eher wenig zu tun hat. Bei Menschen dürften demnach ebenfalls diese evolutionär bedingten Fähigkeiten vorhanden sein.
Tipp: Um bei Menschen einschätzen zu lernen, wann sie lügen, sollte
man diese Person zunächst beobachten, wie sie sich bei der Wahrheit
verhält. Alle Beobachtungstechniken zum Erkennen von Lügen funktionieren
deutlich besser, wenn man beurteilen kann, wie sich ein Mensch verhält,
wenn er die Wahrheit spricht.
Die Unwahrheit kann um die Welt rennen,
bevor die Wahrheit ihre Stiefel angezogen hat.
James Watt
Hinweise auf Lügen
Hinter dem Lügen steckt oft jahrzehntelanges Training, daher sind Alltagslügen so gut wie nicht zu entdecken. Nach Auffassung von Psychologen ist Lügen kognitive Schwerstarbeit, denn schließlich muss ein Lügner seine Geschichte plausibel darlegen, auf spontane Nachfragen schlagfertig reagieren und sich selbst seine eigenen falschen Ausführungen merken und seine Wirkung auf andere kontrollieren. Diese kognitive Belastung ist so groß, dass ihm kaum noch Kapazitäten bleiben, an der eigentlichen Schilderung eines Geschehens zu feilen und diese detailliert, widerspruchsfrei und authentisch an den Mann zu bringen. Aus diesem Grund fällt eine Lügengeschichte in der Regel weniger elaboriert aus als eine realitätsbasierte Schilderung. Darüber hinaus hinterlässt ein Erlebnis, das sich tatsächlich ereignet hat, stärkere Spuren im Gedächtnis als eine Lügengeschichte, denn während man bei einer Lüge meist lediglich akustische und visuelle Eindrücke widergibt, berichtet der wahr berichtende Mensch noch von anderen Sinneseindrücken wie etwa Gerüchen, Berührungen, Körper- und Kältegefühlen. Die neuronale Verankerung von tatsächlich Erlebtem ist im Gehirn immer komplexer und umfassender als die eines bloß erdachten Geschehens. Auch ist die strategische Ausgangslage eines Lügners ist schlechte, denn anders als derjenige, der sich auf ein reales Ereignis stützt, sieht er sich gezwungen, die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung besonders betonen zu müssen. Aus diesem Grund meiden Lügner eher alle Äußerungen, die sie in ein schlechtes Licht rücken oder ihr Image beschädigen könnten. Besonders selbstkritische Überlegungen sind daher bei einem gezielt Lügenden weniger zu erwarten, d.h., es finden sich weniger Selbstvorwürfe und seltener spontane Korrekturen einer eigenen Erzählung. Wer eine Lügengeschichte präsentiert, überlegt sich zudem meistens einen Plot und liefert die Interpretation gleich mit, d.h., alles ergibt einen Sinn und stellt die Zuhörer vor keine Rätsel. Schließlich hat jeder Mensch die Doppelfunktion des Lügners und die des Lügenaufdeckers. Prinzipiell sind Mensch aber recht schlecht im Enttarnen einer Täuschung, wobei sie sich in der Regel bei ihren Fähigkeiten zum Entdecken von Lügen überschätzen.
Einige sehr spezifische vor allem nonverbale Hinweise auf mögliche Lügen sollen hier angeführt werden:
- Mikroexpressionen: Dies sind flüchtige Gesichtsausdrücke,
die nur Bruchteile einer Sekunde dauern. Diese Reaktionen erscheinen
auf dem Gesicht unmittelbar nach einer emotionsauslösenden Situation und
sind schwer zu unterdrücken (Ekman 1985). Auf diese Weise können sie
bei genauer Beobachtung entlarvend sein. Wenn also so etwas
beobachtet wird, sollte man das Gesicht sehr genau ansehen. Wenn man
dann einen Ausdruck wahrnimmt, der sehr schnell von einem anderen, aber
verschiedenen Ausdruck gefolgt wird, dann darf man annehmen, dass die
Person flunkert. Er konstruierte ein Nummerierungssystem für
Bewegungen des Gesichts, das er mit den dazugehörigen Emotionen
verknüpfte, darunter auch Empfindungen wie Angst, Misstrauen oder
Bedrängnis, die auch beim Erzählen einer Lüge empfunden werden.
Basierend diesen Arbeiten entwickelte Mark Frank eine Software, mit der
Lügner anhand ihrer willkürlichen Mimik entlarvt werden können. Er
automatisierte das Nummerierungssystem in einem Computerprogramm,
wodurch verräterische Gesichtsbewegungen, die Verdächtige während einer
Befragung zeigen, automatisch identifiziert werden können. Das Programm
wurde auch bereits erfolgreich an Verdächtigen mit kriminellen
Absichten getestet. Künftig soll es auch dazu dienen, potentielle
Terroristen zu erkennen.
Durch die Integration elektrophysiologischer und kommunikativer Ansätze haben Shuster et al. (2021) einen neuen und objektiven Detektionsansatz entwickelt, um teilnehmerspezifische Indikatoren für lügnerisches Verhalten in einem interaktiven Szenario einer Zwei-Personen-Täuschungsaufgabe zu identifizieren. Man zeichnete die Gesichtsmuskelaktivität der Teilnehmer mit Hilfe der Elektromyographie auf und wandte Algorithmen des maschinellen Lernens an, um Lügen auf der Grundlage kurzer Gesichtsreaktionen zu erkennen. Mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 73 % konnte man zwei Gruppen von Teilnehmern identifizieren: Diejenigen, die ihre Lügen durch Aktivierung ihrer Wangenmuskeln verrieten, und diejenigen, die ihre Augenbrauen aktivierten. Man stellte auch fest, dass die Teilnehmer mit der Zeit häufiger logen, wobei einige ihre verräterischen Muskelgruppen wechselten. Darüber hinaus übertraf der automatische Klassifikator ungeübte menschliche Experten. Advertisement Diese Untersuchungen zeigen die Möglichkeit der Verwendung sogar von tragbaren Geräten zur Erkennung menschlicher Lügen in einem sozialen Umfeld undkönnten eine Grundlage für künftige Forschungen zu individuellen Unterschieden im Ausdruck von Täuschung bilden. - Diskrepanzen zwischen den Kanälen: Es handelt sich dabei um Inkonsistenzen zwischen den nonverbalen Hinweisen der verschiedenen Kanäle. Solche Diskrepanzen resultieren aus der Tatsache, dass Personen Schwierigkeiten haben bei der Kontrolle aller Kanäle. Beispielsweise ein Angeklagter, der eine erfundene Geschichte erzählt, mag Erfolg damit haben, seinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren und einen engen Augenkontakt mit der Jury aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig mag er jedoch Körperbewegungen zeigen, die das hohe Maß an emotionaler Erregung deutlich machen.
- Paralingustische Merkmale: Wenn Personen lügen, ändern sich häufig die paralinguistischen Merkmale der Sprache (Tonlage, Rhythmus der Sprache, Betonung) in auffälliger Form. Oft wird die Tonhöhe höher, der Sprachfluss langsamer und weniger flüssig (Zuckerman u.a. 1981). Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Personen vermehrt bemüht sind, ihr Lügen zu kaschieren. Außerdem haben die Lügenden mehr mit der Reparatur der Sprache zu tun: Sie beginnen einen Satz, unterbrechen ihn, beginnen erneut usw. Alles dies deutet auf vermehrte bewusste Kontrolle und "Intervention" durch das Bewusstsein hin, auf ein Bemühen, das Gesagte gegenüber dem spontan Gedachten zu verändern, nachzubessern usw.
- Vermehrtes Augenblinken: Personen, die lügen, blinken häufiger als gewöhnlich mit ihren Pupillen. Sie zeigen vielfach auch ein ungewöhnlich geringes Maß an direktem Augenkontakt. Es kommt aber auch das genau Umgekehrte vor: Erfahrene Lügner haben es womöglich gelernt, dieses (entlarvende) Zeichen "naiver Lügner" zu kontrollieren, d.h. sie verstehen es, sehr gezielt und intensiv dem anderen beim Lügen in die Augen zu schauen. Aber gerade auch diese Intensität und dieses Anhalten kann wiederum vom Beobachter entlarvt werden.
- Übertriebene Gesichtsausdrücke: Lügende Personen zeigen häufig übertriebene Gesichtsausdrücke. Beispielsweise lächeln sie oft oder breiter als gewöhnlich. Oder sie zeigen mehr Trauer und Mitgefühl, als für sie oder in der Situation typisch ist.
- Unruhige Körperbewegungen: Gesamtkörperbewegungen sind vergleichsweise aufschlussreicher als Gesichtsbewegungen. Denn Lügen oder Täuschen werden oft von unruhigen Bewegungen der Hände und der Füße und einer unruhigen Haltung des Gesamtkörpers begleitet. Die Hand oder auch nur einige Finger bedecken den Mund, d.h., das Gehirn gibt unbewusst ein Zeichen, die Worte zu unterdrücken. Auch das Reiben der Unterseite der Nase als kleine Geste hat eine ähnliche Bedeutung. Wenn ein Kind etwas nicht sehen will, verdeckt es die Augen mit einer Hand oder mit beiden Händen, beim Erwachsener tritt oft das Augenreiben an seine Stelle, denn es ist der Versuch des Gehirns, Täuschung, Zweifel oder Abscheuliches fern zu halten oder den Blick in das Gesicht der Person, die belogen wird, zu vermeiden. Analog ist das Hände über beide Ohren Legen beim Kind beim Erwachsenen der Griff ans Ohr oder das Reiben hinter dem Ohr, das Zupfen am Ohrläppchen oder das Vorbiegen der Ohrmuschel. Wie die Berührung der Nase wird auch der Griff ans Ohr meiste von ängstlichen Menschen als Geste verwendet.
- Weggucken, Nicht-in-die-Augen-sehen: Im Alltag wird die Auffassung vertreten, dass jemand dann lügt oder täuscht, wenn er seinem Gegenüber nicht standfest in die Augen sehen kann. Eltern oder Lehrer fordern beispielsweise häufig Kinder, von denen sie annehmen, dass sie lügen, dazu auf: Sieh mir in die Augen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Fähigkeit, seinem Gegenüber ruhig und fest in die Augen zu schauen, keineswegs als Beleg für Ehrlichkeit angesehen werden kann. Erfahrene bzw. gekonnte Lügner haben es oft gelernt, dem Gegenüber besonders dann in die Augen zu schauen, wenn sie wirksam eine Lüge einsetzen wollen (Exline u.a. 1970; Reggio und Friedman 1983).
- Antwortgeschwindigkeit: Ziano (2021) hat untersucht, wie sich das Antwortverhalten von Menschen auf die Glaubwürdigkeit von Aussagen auswirkt. Er hat festgestellt, dass langsamere Antworten als weniger aufrichtig wahrgenommen werden, weil die Menschen denken, dass sie durch Gedankenunterdrückungsinferenzen verursacht werden. Er beobachtete aber auch Faktoren, die diesen Effekt reduzieren, etwa wenn eine Antwort als sozial erwünscht angesehen wird. Auch minimiert sich der Effekt, wenn Menschen denken, dass eine langsamere Antwort auf geistige Anstrengung zurückzuführen ist. Diese Forschungsergebnisse haben einige Konsequenzen, denn immer dann, wenn Menschen miteinander interagieren, beurteilen sie häufig auch die Aufrichtigkeit des anderen. Diese Erkenntnisse lassen sich auf eine breite Palette von Interaktionen anwenden, angefangen von Gesprächen am Arbeitsplatz bis hin zu Paaren und Freunden, die sich streiten. Wer also als besonders ehrlich wahrgenommen werden will, sollte sich beim Antworten auf eine Frage nicht zu viel Zeit lassen. Übrigens spielt auch bei der Beurteilung der Ehrlichkeit einer Antwort die Sprachmelodie eine gewisse Rolle, denn bei Menschen, bei denen die Tonhöhe am Ende von Worten abfällt, werden ebenfalls als aufrichtiger wahrgenommen.
Übrigens: Schweißhände sind kein sicherer Beweis für Lügen oder Ausdruck eines Täuschungsmanöver, sondern es schwitzen etwa fünf Prozent der Menschen so stark (Hyperhidrose), dass deren Handflächen häufig nass werden. Bei sehr sensiblen Personen kann schon das Zusammentreffen mit einer fremden Person zu einer solchen Schweißreaktion führen.
Auch das Zittern einer Hand kann ganz verschiedene Ursachen haben, denn wenn Menschen aufgeregt sind, kommt es bei ihnen zur Ausschüttung von neuronalen Botenstoffen, was dazu führt, dass Hände zu zittern beginnen. Hände zittern bekanntlich auch nicht nur bei negativen, sondern auch bei positiven Emotionen. Das kann man sehr beobachten, wenn jemand am Bahnhof oder Flughafen einen Verwandten abholt, denn dann zittern die Hände manchmal vor Aufregung. Viele versuchen dann, ihre Arme zu verschränken oder hinter dem Rücken zu verbergen.
Die Schwierigkeit, Lügen und Täuschen aufzudecken, liegt teilweise auch daran, dass Beobachter verstärkt durch Gewohnheit darauf konzentriert sind, auf das Gesicht zu schauen. Damit entgeht ihnen leicht, was auf der anderen Seite im Bereich der Bewegungen des übrigen Körpers passiert. Versuche, die Fähigkeit des Entdeckens von Lügen und Täuschen durch spezielles Training zu verbessern, waren bislang wenig ergiebig (vgl. DePaulo und Friedman 1998, S. 18). Eine leichtere Verbesserung der Trefferquote wird häufig dann erreicht, wenn Beobachter systematisch dazu angehalten werden, auf den Ton des Sprechers zu achten (DePaulo u.a. 1982). Dies mag daran liegen, dass Sprecher damit besondere Schwierigkeit haben, den Sprachton zu kontrollieren, vor allem dann, wenn starke Gefühle mit im Spiel sind.
Ein erheblicher Grund, warum sich Lügen und Täuschen so schwer aufdecken lassen, liegt auch daran, dass die Signale für Lügen nicht immer eindeutig sind. Außerdem existieren erhebliche individuelle Unterschiede in bezug auf die Stile des Lügens. Wenn somit jemand in bezug trainiert wurde, das Lügenverhalten bestimmter Personen aufzudecken, hilft das nur in sehr eingeschränktem Maße in bezug auf andere Personen (Zuckermann u.a. 1984). Hinzu kommen schließlich so etwas wie festgefahrene kulturelle Stereotype darüber, wie sich Lügen darstellen und anhören. Wenn verschiedene Gruppen von Beobachtern (erfahrene Personenbeurteiler, unerfahrene Laien, Männer, Frauen, Gebildete, Ungebildete) mit einer Anzahl von Personen konfrontiert sind, von denen ein Teil die Wahrheit sagt, ein anderer Teil die Unwahrheit, und die Beobachter den Auftrag haben, diejenigen zu benennen, von denen sie denken, dass sie lügen, stellt sich folgendes heraus: Die Beobachter erreichen zwar die übliche niedrige Trefferquote, aber dafür benennen sie mit erstaunlicher Übereinstimmung die selben Personen (DePaulo und Friedman 1998, S. 20).
Wie Studien zeigen, sammeln Drogenfahnder in unbewussten Lernprozessen implizites Erfahrungswissen, um Verdächtige zu identifizieren, die sich bei einer Überprüfung dann tatsächlich als Drogenkuriere erweisen. Ein ähnliches Erfahrungswissen bildet sich auch bei BearbeiterInnen in der Finanzverwaltung heraus. Wie Polizisten zumeist nicht beschreiben können, woran sie einen Rauschgifthändler erkennen können, sind auch Finanzbeamte in der Regel nicht in der Lage, zu erklären, was einen typischen Steuerhinterzieher ausmacht. Dennoch kommt in der Praxis dem unbewussten Erfahrungswissen, das sich bei der Bearbeitung von Steuererklärungen und dem Austausch innerhalb des Finanzamtes entwickelt hat, eine hohe Relevanz zu, wobei die Herausforderung darin besteht, diejenigen Steuerfälle auszuwählen, die einer intensiveren Bearbeitung bedürfen.
Paul Seager (Universität Central Lancashire) zeigte, dass Menschen die besonders auf ihren Instinkt vertrauen, Lügner schlechter erkennen als andere. Er hatte 200 ProbandInnen Videoaufnahmen gezeigt, in denen Menschen über ihre angeblichen Lieblingsfilme oder ihre favorisierten Entspannungstechniken Auskunft gaben. Anschließend sollten die Betrachter entscheiden, ob die aufgezeichneten Personen logen oder nicht. Zudem sollten sie angeben, ob sie glaubten, die Lügner "intuitiv" erkannt zu haben. Wie sich zeigte, schnitten jene Probanden, die meinten sich auf ihren "guten Instinkt" verlassen zu können, schlechter ab, als jene, die sich weniger auf ihren Instinkt beriefen. "Mit Intuition" wurden knapp 60 Prozent der Lügen entlarvt, "ohne" waren es immerhin fast 70 Prozent. Vermutlich konzentrierten sich die "Intuitiven" auf die falschen Signale, denn es würde oft fälschlicherweise angenommen, fehlender Augenkontakt oder ein ausweichender Blick seien typische Anzeichen einer Lüge.
Viele Menschen glauben übrigens, dass misstrauische Menschen einen Lügner eher erkennen und weniger leicht zu täuschen sind als Menschen mit einem großen Vertrauen. In einer kanadischen Studie fanden Carter & Weber (2010) überraschender Weise, dass vertrauensselige Menschen Lügner zuverlässiger erkennen als misstrauische, wobei je mehr ein Mensch anderen vertraute, desto besser konnte er zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden. Misstrauischen Menschen erkannten in einem Experiment auch weniger oft, wer ein Lügner war. Menschen, die anderen vertrauen, sind offenbar keine unverbesserlichen Optimisten, die sich das Blaue vom Himmel versprechen lassen, sondern sind wegen ihrer präzisen Einschätzung anderer sehr gut in der Lage, Menschen hinsichtlich ihrer Ehrlichkeit zu beurteilen. Ebenfalls in einer kanadischen Studie wurden Studenten, die von persönlichen Fehlern berichteten und dabei echte oder gespielte Reue zeigten, im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit ihrer Reue verglichen. Dafür wurden die in Videoaufnahmen festgehaltenen Sequenzen in Einzelbilder zerlegt und analysiert, wobei man die gezeigten Gefühle den sieben Grundemotionen zuordnete: Freude, Trauer, Furcht, Ekel, Wut, Überraschung und Verachtung. Dabei zeigte sich, dass wer die Reue bloß vorspielte, sich viel stärker der sieben erfassten Grundemotionen bediente, schneller zwischen diesen wechselte und ein langsameres Sprechtempo zeigte, während echt Reumütige anfangs meist neutrale Emotionen wie Überraschung zeigten und auch nicht so schnell die Emotionen wechselten.
Die Dreiecks-Methode zum Erkennen von Lügen
Kinder und Lügen
Kinder durchleben zwei Lügenphasen, nämlich eine erste zwischen dem vierten und siebtenund eine zweite zwischen dem zehnten und dreizehnten Lebensjahr. Kinder bzw. Jugendliche spielen in dieser Entwicklungsphase mit der Realität, was bedeutet, dass sie versuchen, Grenzen zu überschreiten, indem sie ihrer Phantasie und ihren Träumen nachhängen. Sie katapultieren sich aus der Wirklichkeit und erträumen sich eine Welt, in der alles möglich und erlaubt ist. Siehe dazu im Detail Kinder und Lügen
Siehe dazu auch Nonverbale Kommunikation
Literatur
Carter, Nancy L. & Weber, J. Mark (2010). Not Pollyannas. Higher
Generalized Trust Predicts Lie Detection Ability. Social Psychological
and Personality Science, 1 (4), 274-279.
Ekman, P. (1989). Weshalb Lügen kurze Beine haben: Über Täuschungen und deren Aufdeckung im privaten und öffentlichen Leben. Berlin: de Gruyter.
Dietzsch,Steffen (1998). Kleine Kulturgeschichte der Lüge. Leipzig: Reclam.
Peale, Norman Vincent (2001). Die Kraft des positiven Denkens. Lübbe Verlag.
Mayer, Christiane (2011). Streng geheim! Warum wir Geheimnisse brauchen.
WWW: http://sonntags.zdf.de/ZDFde/inhalt/8/0,1872,8244456,00.html?dr=1 (11-06-11)
Molcho, Samy (1988). Körpersprache als Dialog: Mosaik-Verlag.
Schmid-Fahrner, Christine (2001). Vertrauen und sich anvertrauen Geborgensein in der Partnerschaft. Herder.
Stangl, W. (2022, 25. Februar). Nonverbale Anzeichen für Lügen. arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/nonverbale-anzeichen-fur-lugen/
Stangl, W. (2019, 30. Oktober). Nonverbale Anzeichen für Lügen. arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/nonverbale-anzeichen-fur-lugen/
Stiegnitz, Peter (2001). Die Wahrheit: Wir lügen alle.
WWW:
http://www.connection.de/cms/content/view/817/181/
(07-02-02)
Ziano, I. (2021). Slow Lies: Slower Responses Are Perceived As Less Sincere, Because Of Inferences Of Thought Suppression. Journal of Personality and Social Psychology. Preprint.
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