Methoden der Erforschung des Gehirns
In den letzten Jahrzehnten haben Forscher Genaueres über den genauen Aufbau des Gehirns, die Funktionsweise und und den Zusammenhang mit Denken und Gedächtnis erfahren. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts werden mit neuartigen, nicht invasiven Verfahren Schnittbilder (Tomographien) durch den menschlichen Körper hergestellt. Die Computer-Tomographie (CT) beruht auf der unterschiedlichen Absorption biologischer Strukturen (Knochen, Muskeln, und andere Gewebetypen) von Röntgenstrahlen. Durch die Injektion bestimmter Isotope von Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff oder Fluor kann anhand des Zerfalls dieser radioaktiven Elemente innerhalb des Gehirns die Gehirnaktivität sichtbar gemacht werden, indem man feststellt, welche Regionen im Gehirn am meisten durchblutet sind und deshalb die Teilchen transportieren.
- Bei der Röntgencomputertomographie werden gebündelte Röntgenstrahlen aus verschiedenen Winkeln durch den Körper "geschickt" und aufgrund von verschiedenen Geweben unterschiedlich abgelenkt. Daraus kann man ein präzises Schnittbild der verschiedenen Regionen erstellen.
- Die Kernspin-Tomographie (NMR, "nuclear magnetic resonance") arbeitet mit starken Magnetfeldern. Dabei werden die Drehachsen der Wasserstoffatomkerne, zu vergleichen mit Kompassnadeln, zuerst gleich ausgerichtet. Mit einem speziellen Radioimpuls werden anschliessend die vom Magnetfeld ausgerichteten Wasserstoffatomkerne gestört. Nach diesem Störpuls schwenken die Drehachsen unter Abstrahlung von Radiowellen wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. Der Computer berechnet aufgrund dieser Radiowellen Schnittbilder mit einem erstaunlichen Kontrast, speziell für verschiedene weiche Gewebetypen.
- Das Diffusions-Tensor-Bildgebungsverfahren (diffusion tensor imaging) ist eine Form der Magnetresonanztomografie, bei der die Bewegung von Wassermolekülen in den Nervensträngen erfasst wird und so ihren Verlauf sichtbar macht. Die Diffusions-Bildgebung nutzt die Tatsache, dass Protonen ein magnetisches Moment besitzen und sich in einem äußeren Magnetfeld entweder parallel (niederenergetischer Zustand) oder antiparallel (hochenergetischer Zustand) ausrichten. Die Diffusions-Tensor-Bildgebung erlaubt auch die Richtungsabhängigkeit der Diffusion zu erfassen, ist aber deutlich zeitaufwändiger als herkömmliche MRT-Aufnahmen und erzeugt wesentlichgrößere Datenmengen, die nach den Regeln der Differenzialgeometrie bearbeitet werden müssen.
- Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist vor allem für die Erforschung des Gehirns von grösster Bedeutung, weil nicht nur die Struktur, sondern auch die Funktion, d.h. physiologische und biochemische Aktivitäten abgebildet werden können. Die Positronenemissionstomographie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren zur Darstellung des Körperinneren, für das ein Zyklotron erforderlich ist, mit dem man an Ort und Stelle kurzlebige Positronen aussendende Isotope herstellt. Kurzlebige radioaktive Substanzen können in die Armvene gespritzt oder über eine Atemmaske eingeatmet werden. Dabei wird der Kopf des Patienten in einem Gammastrahlen-Detektorring positioniert. Diese Substanzen gelangen nun über die Blutbahn auch ins Gehirn, wo sie entsprechend der spezifischen Aktivität verschiedener Hirnteile metabolisiert werden. Beim radioaktiven Zerfall werden Positronen (positiv geladene Teilchen) frei, die mit Elektronen (negativ geladene Teilchen) kollidieren und dabei Gammastrahlen aussenden. Diese Gammastrahlen werden mit dem Detektorring registriert und mit dem Computer zu farbigen Schnittbildern verarbeitet. Die Stärke dieser Verfahren liegt in der nicht-invasiven Technik, d.h. ohne chirurgische Eingriffe. Ein Nachteil dieser Verfahren ist die immer noch relativ grobe räumliche und zeitliche Auflösung. Dazu kommen die hohen Kosten für die Apparate und das technische Personal.
Durch mathematische Modellierungen werden die Ergebnisse von Hirnstrommessungen im Elektroenzephalogramm (EEG) und der Kernspintomographie aufeinander abgebildet, die Ergebnisse verglichen bzw. kombiniert, sodass sich ein räumliches und zeitliches Abbild der Gehirntätigkeit ergibt. Um zu ermitteln, wann exakt welche Prozesse ablaufen, werden kleine systematische Spannungsschwankungen ("ereigniskorrelierte Potenziale") herangezogen. Die Testperson trägt dabei eine spezielle Haube, welche die Veränderungen der Hirnströme mit größter Genauigkeit ableitet und mißt. In einem typischen Experiment soll ein Proband z.B. alte und neue Wörter identifizieren. Hierzu werden Wortreihen semantisch ähnlicher Wörter gezeigt wie "Segeln", "Schwimmen" oder "Boxen". Nach einiger Zeit werden diese Wörter wiederholt, zusätzlich aber neue Begriffe eingefügt, die semantisch irreführen und daher Erinnerungsfehler provozieren, also vielleicht "Tennis" oder "Reiten". Die Ableitungen der Gehirnströme zeigen dann, dass die Hirnströme sich danach unterscheiden, ob der Proband mit "alten", also vorher schon genannten, oder "neuen" Wörtern konfrontiert worden ist. Schon nach knapp 300 Millisekunden unterscheiden sich Hirnströme für vorher genannte und neue Wörter. Diese technischen Methoden bringen aber auch Probleme mit sich, denn je genauer geforscht wird, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass Wissenschaftler falsche Schlüsse ziehen.
Neurowissenschaftler können übrigens anhand von einfachen Gehirnscans mit Hilfe von Magnetresonanztomografen nicht nur Veränderungen der funktionellen Netzwerke im Gehirn feststellen, sondern sie können auch objektive Aussagen über die individuellen Eigenschaften eines Menschen treffen. So gelang es etwa schon, nur anhand von Magnetresonanztomografie-Scans und einer selbstlernenden Software das Alter von Probanden zu bestimmen, und zwar mit einer Abweichung von vier bis fünf Jahren. Auch zeigte sich, dass das Gehirn von Parkinsonerkrankten im Schnitt vier bis fünf Jahre älter ist als die Untersuchten tatsächlich sind.
Siehe dazu den englischen Überblicksartikel von Christopher Hess über Bildgebende Verfahren - CT und MRI
Keine Denken, kein Verhalten, keine Wahrnehmung, kein Erleben und kein Lernen ist denkbar ohne entsprechende Vorgänge im Zentralnervensystem. Dadurch wird deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen hirnorganischen Prozessen auf der einen und psychischen Funktionen auf der anderen Seite besteht. Belegt wird diese Hypothese zum einen mit der Beobachtung, dass die Hirnorganik psychische Funktionen verändert, der die Hirnstruktur verändernde Einfluß von Drogen auf das Erleben und Verhalten oder die sich verändernde Persönlichkeitsstruktur von split-brain Patienten, denen zur Behandlung epileptischer Anfälle die Verbindung der beiden Hemisphären durchtrennt wurde. Zum anderen gilt auch der umgekehrte Weg als gesichert, nämlich die Veränderung der Hirnstruktur durch soziale Faktoren. Dies belegen u.a. Ergebnisse aus der Deprivationsforschung, die bei Tieren unter sozialer Isolation und Mangel an sensorischen Reizen eine Rückbildung des Nervensystems (Ausdünnung des Dendritenbaumes) beobachtet. Ein Beispiel hierfür liefert auch der Hospitalismus (Spitz), der bei Kindern beobachtet wird, die in deprivierter Umwelt und ohne Nestwärmeì aufwachsen. Häufig sind bei diesen Kindern Entwicklungsverzögerungen und psychische Schäden beobachtbar. Den Aufbau des Gehirns läßt sich am besten über das Konzept der Funktionsniveaus beschreiben: im Laufe der Evolution haben sich immer wieder neue Hirnstrukturen auf schon vorhandenen aufgebaut. Diese Überlagerungen brachten auch höher entwickelte Gehirnniveaus mit sich, die zu immer komplexeren Funktionen fähig waren.
Amphetamin (Speed) z.B. beschleunigt das Denken, steigert die Ideenvielfalt, das logische Denken erscheint erleichtert, ist aber meist verquer ("Speed-Logik"). Gleichzeitig wird die Redegeschwindigkeit erhöht und die Stimmungslage angehoben.
Parallelverarbeitung im menschlichen Gehirn
Literatur
Stangl, W. (2023, 20. Dezember). Parallelverarbeitung im menschlichen Gehirn. arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/parallelverarbeitung-im-menschlichen-gehirn/.
Wie das Gehirn entstanden sein könnte
Obwohl das Gehirn sowohl für Mensch als auch für Tier von so zentraler Bedeutung ist, sind seine Ursprünge nach wie vor nicht geklärt. Die ersten Tiergehirne entstanden vor hunderten von Millionen Jahren, wobei heute nur noch die primitivsten Tierarten, wie etwa Wasserschwämme, kein Gehirn besitzen. Nach einer Studie könnten aber gerade Schwämme zur Entschlüsselung der Geheimnisse rund um die Entstehung von Neuronen und Gehirnen liefern. Zwar besitzen Schwämme keine Synapsen, doch ihr Genom kodiert dennoch viele der synaptischen Gene, die an der neuronalen Funktion bei höheren Tieren beteiligt sind. Um die Rolle der Gene in Schwämmen zu untersuchen, wandte man im Süßwasserschwamm Spongilla lacustris mikrofluidische und genomische Technologien an, mit deren Hilfe man einzelne Zellen von mehreren Schwämmen in Tröpfchen einfing und ein Profil der genetischen Aktivität jeder Zelle erstellte. Es zeigte sich, dass bestimmte Zellen in den Verdauungskammern der Schwämme diese Gene aktivieren, d. h., selbst bei diesen einfachen Tieren ohne Synapsen sind sie also in bestimmten Teilen des Körpers aktiv. Schwämme nutzen ihre Verdauungskammern, um Nahrung aus dem Wasser zu filtern und mit Mikroben in der Umgebung zu interagieren. Als man das Verhalten der Zellen visualisierte, bildeten Zellen lange Arme aus, um bakteriellen Eindringlinge zu beseitigen. Dieses Verhalten schaffte dabei eine Schnittstelle für eine gezielte Zell-Zell-Kommunikation, wie sie auch über Synapsen zwischen Nervenzellen im Gehirn von Tieren stattfindet. Möglicherweise sind solche Zellen, die die Nahrungsaufnahme regulieren und die mikrobielle Umgebung kontrollieren, evolutionäre Vorläufer der ersten tierischen Gehirne (Musser et al., 2021).
Literatur
Musser Jacob M., Schippers Klaske J., Nickel Michael, Mizzon Giulia, Kohn Andrea B., Pape Constantin, Ronchi Paolo, Papadopoulos Nikolaos, Tarashansky Alexander J., Hammel Jörg U., Wolf Florian, Liang Cong, Hernández-Plaza Ana, Cantalapiedra Carlos P., Achim Kaia, Schieber Nicole L., Pan Leslie, Ruperti Fabian, Francis Warren R., Vargas Sergio, Kling Svenja, Renkert Maike, Polikarpov Maxim, Bourenkov Gleb, Feuda Roberto, Gaspar Imre, Burkhardt Pawel, Wang Bo, Bork Peer, Beck Martin, Schneider Thomas R., Kreshuk Anna, Wörheide Gert, Huerta-Cepas Jaime, Schwab Yannick, Moroz Leonid L. & Arendt Detlev (2021). Profiling cellular diversity in sponges informs animal cell type and nervous system evolution. Science, 374, 717-723.
Wie Musik im Gehirn repräsentiert wird
Ian Daly (University of Essex) ist es gelungen, kurze Songs nur
anhand der beim Hören ablaufenden neuronalen Aktivität im Gehirn zu
erkennen, wobei er die schnelle Elektroenzephalografie mit der
langsamen, aber räumlich präziseren funktionellen
Magnetresonanztomografie kombinierte und damit die Gehirnaktivität
von Probanden aufzeichnete, während diese eine Reihe von kurzen
Klavierstücken hörten. Die Lieder hatte eine künstliche Intelligenz
eigens für das Experiment komponiert, damit die Versuchspersonen sie
sicher noch nicht kannten. Darüber hinaus konnte ein künstliches
neuronales Netz lernen, die Songs nur anhand der Daten zu rekonstruieren
und zu erkennen.
Literatur
https://www.spektrum.de/news/kuenstliche-intelligenz-hirnaktivitaet-verraet-gehoerte-musik/2107620 (23-02-13)
Durch Denken abnehmen?
Es ist bekannt, dass Aktivitäten des Gehirns viel Energie benötigen, d. h., Kalorien verbraucht werden, und es haben sich schon viele Menschen gefragt, ob man Diäten nicht durch intensives Denken ersetzen könnte. Vom Schach her weiß man, dass die SpielerInnen während ihrer Partien über viele Stunden viele Kalorien verbrennen, und bekanntlich werden sogar im Schlaf vom Gehirn etwa zwanzig Prozent der gesamten körperlichen Energie benötigt, um die Organe am Laufen zu halten. Daraus ergibt sich etwa ein täglicher Verbrauch von 350 bis 450 Kalorien pro Tag bei Erwachsenen, bei Kindern zwischen 5-6 Jahren kann das Gehirn sogar bis zu 60 % der Körperenergie in Anspruch nehmen. Nach neueren Untersuchungen ist rein technisch betrachtet der Verbrauch für kognitiv schwierige Aufgabenalso sehr hoch, doch was als schwierige mentale Aufgabe gilt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Solche komplizierten Aufgaben sind wohl jene, die das Gehirn nicht leicht mit zuvor erlernten Routinen lösen kann, wobei sich die Bedingungen ständig verändern. Solche Aktivitäten können neben Schach auch das Erlernen eines Musikinstruments oder die Lösung einer Aufgabe sein, die nicht allein durch Routinen gelöst werden kann. Wenn man nämlich eine Aufgabe angeht, um etwas Neues zu lernen, passt sich zwar das Gehirn an, um den Energietransfer in den Regionen zu erhöhen, die durch dieses Training aktiviert werden, doch schon im Laufe der Zeit, wenn man diese bestimmte Aufgabe besser ausführen kann, muss das Gehirn nicht mehr so hart arbeiten, um diese zu erledigen, und so wird diese Aufgabe letztendlich immer weniger Energie erfordern.
Quellen & Literatur
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